Donnerstag, 29. August 2013

Wussten Sie, dass...? - Die PKW-Maut für Ausländer

Es ist in diesen Tagen ein verhältnismäßig unwichtiges Thema, das es trotzdem zu anzusprechen gilt: Die PKW-Maut auf deutschen Autobahnen.
Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer sagte im ZDF-Sommerinterview am 24. August, dass es keinen Koalitionsvertrag ohne PKW-Maut für ausländische Fahrzeuge gebe. Schießt sich die CSU damit ein Eigentor? Versucht sie auf Stimmenfang zu gehen? Hat sie vielleicht Recht?

Egal was die Motive für Seehofers Maut-Forderung sind, die Begründung ist an den Haaren herbeigezogen: In der aktuellen ZEIT von heute (29. August) widmet sich eine ganze Seite grafisch dem Thema Autobahnmaut – und liefert interessante Fakten.

Wussten Sie, dass…

… ein großer LKW die Straße ganze 50.000-mal so stark abnutzt wie ein normaler PKW?

… dass ausländische LKW durch die schon bestehende LKW-Maut etwa ein Viertel unseres Autobahnbaus mitfinanzieren? Die Hälfte der ausländischen Fahrzeuge sei Güterverkehr, schreibt die ZEIT – und damit schon lange mautpflichtig.

… dass in unseren Nachbarländern nicht nur ausländische, sondern alle PKW eine Maut entrichten müssen?

Fazit: „Schon heute zahlen Ausländer mehr für den deutschen Fernstraßenbau, als es ihrem Anteil am Autobahnverkehr entspricht.“

Horst Seehofers Forderung, gezielt ausländische Autofahrer zu schröpfen, ist unbegründet und noch dazu unverschämt. Deutschland macht sich damit keine Freunde. Trotzig könnte man behaupten, dass es unser gutes Recht sei, ausländischen Transitverkehr mit einer Steuer zu belegen, denn schließlich rettet Deutschland ja immer wieder andere Länder durch Finanzspritzen – doch das Eine hat mit dem Anderen nichts zu tun…

Als Autofahrer wird man in Deutschland allgemein sehr oft zur Kasse gebeten. Er zahlt die Mineralölsteuer (seit 2006 Energiesteuer) beim Tanken, er zahlt Kfz-Steuern schon alleine für den Besitz eines Autos. Nur weil sich die zuständigen Stellen scheinbar immer wieder verrechnen und dem Staat irgendwie, irgendwo Geld fehlt heißt das noch lange nicht, dass Argumente für eine PKW-Maut einer genaueren Betrachtung standhalten. Eine Maut für alle wäre reine Willkür, eine Maut nur für Ausländer wäre ungerecht und unbegründet.


Mittwoch, 28. August 2013

Syrien im August - Auch Beschwichtigung sollte ein Ende haben

[Dieser Beitrag entstand als Reaktion auf die vielen Stimmen, die ihr Fähnchen gerne nach dem Wind hängen. Als eine "Reaktion" sollte er deshalb auch gelesen werden, Thorschten vertritt darüber hinaus grundsätzlich nämlich pazifistische Positionen.]

Vor fast genau einem Jahr gab Kofi Annan sein Mandat als Syrien-Sondergesandter der Vereinten Nationen auf. Sein Nachfolger Brahimi hat bisher keine nennenswerten Fortschritte erreicht, eine politische Lösung des Konflikts bleibt weiterhin in unüberwindbarer Ferne. Irgendwann kamen dann zum ersten Mal chemische Waffen zum Einsatz und US-Präsident Obama in die erste moralische Zwickmühle: Er hatte zuvor die sagenumwobene „rote Linie“ gezogen und konnte sie nun nicht verteidigen. Das Gespött war ebenso groß wie die Hilferufe aus Syrien. Obama hatte angekündigt, einzugreifen – und tat es nicht. Der Westen würde seine Werte immer weiter verraten, hieß es. Dann gab es zum zweiten Mal die Meldung über Chemiewaffeneinsätze. Und dieses Mal mobilisierten die USA ihre Flugzeugträger. Der nächste Aufschrei erfolgte: Die USA dürfen sich auf keinen Fall einmischen! Bomben sind keine Lösung! Der imperialistische Westen greift wieder um sich und will ein Land ins Chaos stürzen. Ein brauner Wolf im roten Schafspelz, der Publizist Elsässer, will sogar eine Abschussprämie zahlen, für vom Himmel geholte NATO-Flugzeuge. Und er bekommt virtuellen Beifall. Elsässer schreibt über die „tapferen Soldaten an der Flak, die ihre Heimat verteidigen“. Plötzlich ist von den USA, Großbritannien und Frankreich als kriegstreibende Aggressoren die Rede. – Wir haben wieder einmal einen Sündenbock gefunden für das Syrien-Desaster, das seit über zwei Jahren in vollem Gange ist: Uns selbst. Es läuft immer auf dasselbe hinaus. Auch der angesehene Nahost-Spezialist Jürgen Todenhöfer sagte (schon im Mai): „Jetzt hat der Westen in Syrien wieder einmal ein politisches Chaos angerichtet.“

Liebe Leute, entscheidet euch! War euch die zynische Haltung von Sarah Palin („Let Allah sort it out!“) etwa lieber? Wer mich kennt weiß, dass ich eine Bevormundung arabischer Staaten durch den Westen nicht gutheiße, dass ich militärische Einmischungen à la Kreuzzug („Wir bringen den Arabern Zivilisation und Christentum“) entschieden ablehne und in die Zeit des Kolonialismus verordne. Aber wie lange soll man dem Schlachten noch tatenlos zusehen? Man hat Zurückhaltung geübt in Tunesien und vor allem im demografischen Zentrum des Nahen Ostens, in Ägypten. Man hat Gaddafi in Libyen aus dem Amt gebombt und Unordnung hinterlassen, na gut. Aber man hat die Rebellen höchstens aus der Luft unterstützt und ansonsten den Dingen (zu Land) ihren Lauf gelassen. Soll sich der Westen aus dem Syrien-Konflikt heraushalten? Das wäre scharf zu verurteilen. Doch für eine politische Lösung ist es doch längst zu spät. Und sagt nicht, dass „der Westen“ Verhandlungen blockiert hätte. Will sich denn Assad an einen Tisch setzen mit „Terroristen“ und „ausländischen Agenten“, die er von Anfang an für den Ausbruch der Demonstrationen und Aufstände verantwortlich gemacht hat? Assad sitzt stattdessen in seinem Bunker, schart Hisbollah-Milizen und iranische Religionswächter um sich und hat jeglichen Sinn für die Realität verloren. Ist so jemand noch ein ernstzunehmender Verhandlungspartner? Dennoch wird er von einigen Publizisten wie Herrn Todenhöfer – den ich als erfahrenen Kenner der Region eigentlich sehr schätze – immer noch gedeckt. Hat bald jeder lupenreine Demokrat dieser Welt einen deutschen Fürsprecher?

Es ist egal, ob Assad, sein Militärchef, ein Unteroffizier oder gar die Rebellen selbst Giftgas gestreut haben – die Welt muss endlich etwas tun. Und auch wer sich als Pazifist bezeichnet, sollte sich nicht aus Gegnerschaft zu islamistischen Rebellen auf die Seite eines skrupellosen Diktators stellen.
„Greifen Sie Syrien nicht an!“, fordert Jürgen Todenhöfer auf seiner Facebook-Seite den US-Präsidenten Obama auf. Doch wer will denn „Syrien“ als solches attackieren? Wird denn „Syrien“ im Weltsicherheitsrat von China und Russland gedeckt oder vielmehr das Regime? Die westliche Öffentlichkeit sollte überdenken, ob die Problematik Syriens wirklich mit der des Irak 2003 vergleichbar ist. Im Irak gab es keine Demonstrationen gegen Saddam Hussein, es gab keinen Bürgerkrieg. Und es gab nachweislich keine Massenvernichtungswaffen. In Bosnien hingegen gab es – wie in Syrien – Kriege und Regierungstruppen, die ein zerfallendes Jugoslawien zusammenhalten wollten. Weder NATO noch UN-Blauhelme konnten damals Massenmorde (aller Beteiligten) verhindern, genauso wenig wie sie es heute in Syrien können. Doch letztendlich hat man versucht, dem Gemetzel Einhalt zu gebieten, auch mit militärischen Mitteln, und hat so eine Serie von bewaffneten Konflikten eingedämmt. Das alles hat weniger Jahre in Anspruch genommen wie der letztlich erfolglose Einsatz im Irak. Heute ist der Balkan befriedet. Wieso sollte das – gut überlegt und planvoll – nicht auch in Syrien klappen? Eine militärische Intervention wird nicht ohne zivile Opfer auskommen, doch wird denn etwa jetzt gerade, in diesen Sekunden, das Sterben von Zivilisten verhindert? Nein! Die Opferzahlen haben die Marke von 100.000 bereits weit überschritten und steigen von Tag zu Tag. Auch ohne US-Marschflugkörper. Da ist gar keine „rote Linie“ mehr nötig, denn allein der gesunde Menschenverstand schreit nach dem Eingreifen.
Bin ich jetzt ein kriegstreibendes Medium? Das muss jeder selbst beurteilen. Natürlich wünsche ich mir für alle Aktionen ein UN-Mandat, keine Frage. Doch ich bin auch dafür, dass etwas geschieht, so schnell wie möglich.

Egal was „der Westen“ in den nächsten Tagen, Wochen und Monaten tun wird – am Ende hat er es entweder falsch oder viel zu spät getan.
Nur irgendetwas sollte getan werden, denn danach werden wir uns nicht  m e h r  hassen als wir es ohnehin jetzt schon tun.


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An dieser Stelle möchte ich noch für eine Organisation werben, die schon jetzt wichtige Arbeit leistet und auch in der Zeit danach (denn egal wie, es wird eine Zeit danach geben) von enormer Wichtigkeit für die Menschen sein wird. Die Organisation Relief & Reconciliation for Syria hat motivierte, weitsichtige Aktivisten aus den verschiedensten Bereichen in ihren Reihen, von denen viele schon Erfahrungen auf den Trümmern der Jugoslawien-Kriege gesammelt haben und sich für sinnvolle Versöhnungsarbeit in Syrien einsetzen.


Mittwoch, 21. August 2013

Hallo Wahlkampf - Wer hat Angst vor den Sinti und Roma?

Die braunen Kameraden von den Nationaldemokraten haben nun ihrerseits den Wahlkampf eröffnet und fleißig plakatiert. Neben "Minirock statt Minarett" und "Maria statt Scharia" haben sie jetzt einen neuen populistischen Klassiker: 


"Geld für die Oma statt für Sinti und Roma!

Respekt, reimen können sie. Und doch, inhaltlich wertlos, Stimmenfang auf gewitzt-dämlich-fremdenfeindliche Art und auf Kosten einer ohnehin ungeliebten Minderheit.

"Aber...!"

Nix aber. Natürlich, wir kennen "den Rumänen" als streunenden Akkordeonspieler in der Fußgängerzone. "Aber das sind ja gar keine richtigen Rumänen. Das sind Roma."  Stimmt auch wieder. Der politisch korrekte Deutsche will dem armen Rumänen ja kein Unrecht tun.
Jetzt aber zurück zu den Fakten, denn das könnte Sie interessieren:

Wussten Sie, dass die Zahl der in Deutschland lebenden Staatsangehörigen aus Bulgarien und Rumänien von rund 201.000 (2010) auf rund 253.000 (2011), also um 25,7 Prozent, anstieg?
Wussten Sie auch, dass im selben Zeitraum aber auch die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten aus diesen zwei Ländern von etwa 56.000 auf rund 70.600 Personen anstieg – also um eben diese 25 Prozent?

Armutszuwanderung? Eine neue Platzangst nach dem Motto „Das Boot ist voll“? Hartz-IV-Erschleichung?
Der Großteil der nach Deutschland gekommenen Zuwanderer aus Südosteuropa ging schon nach kurzer Zeit einer bezahlten Tätigkeit nach – was sie in Rumänien, Bulgarien, Ungarn oder auch der Slowakei oft nicht können, weil man „Zigeuner“ dort ungern einstellt. Zusätzlich waren im Wintersemester 2011/2012 an den Universitäten in der Bundesrepublik allein 7.000 Studenten aus Bulgarien eingeschrieben.
Die Statistik widerlegt populistische Panikmache: „Ende 2012 waren 9,6 Prozent der in Deutschland lebenden Bulgaren und Rumänen arbeitslos. Die Quote liegt damit nur leicht über dem gesamtdeutschen Schnitt (7,4 Prozent) und weit unter der Arbeitslosenquote für alle in Deutschland lebende Ausländer (16,4 Prozent). Ein ähnliches Bild ergibt sich, wenn man sich die Zahlen der Leistungsbezieher anschaut. So haben Ende des Jahres 9,3 Prozent der Bulgaren und Rumänen ganz oder teilweise Hartz IV oder andere Sozialleistungen erhalten. Für alle in Deutschland lebenden Ausländer liegt die Quote bei 16,4 Prozent und für ganz Deutschland bei 7,4 Prozent“, schreibt ZEIT online.

Auch in der politischen Mitte ist die Angst vor den Roma angekommen. Lieber Herr Bundesinnenminister Friedrich, überdenken Sie Ihre Pläne zu einem „härteren Vorgehen“ gegen Armutszuwanderung doch noch einmal… 

Natürlich gibt es überall Menschen, die ein nicht allzu schlechtes System zu ihren Gunsten ausnutzen. Zu denen kann ich nur sagen: Schämt euch.
Allen anderen kann ich nur raten, sich nicht verrückt machen zu lassen. Globalisierung hat Nebenwirkungen. Aber deswegen braucht man nicht gleich zum Arzt oder Nationalisten zu rennen. Vielmehr sollten wir zu dem stehen, was wir sind: Eine moderne Einwanderungsgesellschaft, die schon Schlimmeres überlebt hat. Eine handvoll Schlawiner, die sich um unser begehrtes Hartz-IV reißen, sollten uns nicht zu Fall bringen können...

Liebe NPD, nur weiter so. Ein bisschen Belustigung tut gut auf dem Weg zur Arbeit – oder zur Wahlurne.

Dienstag, 20. August 2013

Spätsommer in Ägypten - Der Arabische Herbst ist angebrochen

Innerhalb einer Woche gab es bei den jüngsten Ausschreitungen in Kairo und anderen Städten mehr als tausend Tote. Passend zur politischen Lage im August kann man nun wohl mittlerweile von einem verfrühten Arabischen Herbst im Nahen Osten sprechen. Natürlich wäre es vorschnell und falsch, die Revolution in Ägypten für gescheitert zu erklären, denn immerhin vergingen nach der Französischen Revolution noch viele Jahrzehnte, bis Frankreich ein demokratisches und freies Land wurde. Und doch, die Bilder der urbanen Schlachtfelder am Nil können durchaus niederschmetternd wirken auf all die hoffnungsvollen Gemüter, die hier im sicheren Europa sitzen. Während Syrien schon vor langer Zeit in eine Katastrophe abgeglitten ist, in der es sogar für Schadensbegrenzung zu spät zu sein scheint, stand Ägypten immer im Fokus der Beobachtungen in Hinblick auf den Ausgang der Umwälzungen in der ganzen Region. Wenn die Revolution in Ägypten gelingt, dann gelingt sie überall, hieß es. Und wenn sie hier scheitert, dann scheitert sie auf ganzer Linie.

©SkyNews
Nach knapp einem Jahr der Regentschaft wurde der demokratisch gewählte, aber nicht demokratisch herrschende Präsident Mohammed Mursi durch einen Militärputsch gestürzt. Es kam zu Ausschreitungen und Zusammenstößen zwischen Pro-Mursi-Demonstranten und der Polizei. Den Protesten der Muslimbrüder wurde mit äußerster Härte begegnet – bis die letzte Chance auf eine friedliche Lösung zwischen den islamistischen und den säkularen Lagern an einem Mittwoch im August verspielt wurde. Gleich betitelte man den Tag als „Schwarzen Mittwoch“, was die Ausmaße der Ereignisse nur zu gut widerspiegelt: Nach offiziellen ägyptischen Berichten kamen bei der gewaltsamen Räumung des Protestcamps der Mursi-Anhänger am 14. August 343 Menschen ums Leben, darunter auch 43 Polizisten. In den folgenden fünf Tagen starben bei landesweiten Kämpfen etwa tausend Menschen.
In diesem blutigen Chaos haben Beobachter schon lange den Überblick verloren. Deutsche Touristen am Roten Meer waren aufgerufen, in ihren Hotels zu bleiben. Das britische Außenministerium forderte seine Bürger sogar dazu auf, Ägypten umgehend zu verlassen. Wer hatte Schuld an dieser Eskalation? Kann man überhaupt von Schuld sprechen? Hier treffen Ängste, Wut und die Unfähigkeit, aus dem unbearbeiteten, nach einer besseren Zukunft lechzenden Klumpen der demonstrierenden Massen etwas Neues zu formen, aufeinander. Es kommt wieder und wieder zu neuen Kollisionen. Die Regierung Mursi brauchte nicht lange, bis sie diktatorische Züge annahm und dem Militär einen von großen Teilen des Volkes gedeckten Putsch legitimierte. Nun wiederum versucht die Armeeführung unter Abdel Fattah as-Sissi die aufgeheizten Massen unter Kontrolle zu bekommen, die ihm zuvor die Zusammenarbeit verweigerten. Weder den Muslimbrüdern noch dem Militär liegt etwas an einer Demokratie nach westlichem Vorbild, doch beide blockieren durch ihre Gewaltbereitschaft mittlerweile jeden konstruktiven Prozess. Die Härte des Militärs gegen die Protestcamps ist natürlich überzogen und aufs Schärfste zu verurteilen, doch auch die militanten Kräfte innerhalb der Muslimbruderschaft sind gewaltbereit und bewaffnet. Auch Kirchen und Polizeistationen wurden im ganzen Land von aufgehetzten Islamisten angezündet. Nach Zusammenhängen zwischen der Gewalt des Militärs und der anschließenden Ermordung von 25 Bereitschaftspolizisten auf dem Sinai muss man nicht lange suchen.

Zwar wurden nach einigen Tagen die Banken in der Metropole Kairo wieder geöffnet, doch es ist fraglich, ob der Höhepunkt der Eskalation schon ausgestanden ist. Kürzlich starben bei einem Gefangenentransport schätzungsweise 36 Muslimbrüder durch Kugeln oder erstickten in Tränengas. Die genauen Vorgänge sind unklar. Währenddessen wird die Führung der Muslimbruderschaft nach und nach verhaftet. Und auf der Straße wächst mittlerweile auch die Wut auf ausländische Journalisten: Nach den Amerikanern droht man jetzt auch deutschen Reportern stellenweise mit dem Tod. Militärchef as-Sissi kritisiert, dass in den westlichen Medien von bürgerkriegsähnlichen Szenen berichtet und die ägyptische Regierung negativ ins Bild gerückt wird. Dabei übersieht er, dass die Kritik an den Muslimbrüder und Mursi oftmals viel größer ist. Doch auch säkulare Ägypter auf der Straße empören sich über die mitleiderregende Berichterstattung, die sie im Umgang der Medien mit den Muslimbrüdern zu sehen glauben.

Wo wird all dies hinführen? Auf dem Weg zu einer stabilen Demokratie hat Ägypten einen herben Rückschlag erlitten und steht nun wieder ganz am Anfang. Das Land befindet sich in der gleichen Situation wie vor knapp zwei Jahren: Der Präsident ist abgesetzt, das Militär regiert, die Massen befinden sich auf den Straßen. Der Unterschied: Die Menschen sind ungeduldig geworden. Die Islamisten haben von der Macht gekostet, die sie eine kurze zeitlang besaßen, und wollen nun keine Kompromisse mehr eingehen. Die Stimmen der säkularen Kräfte gingen in den letzten Tagen unter im Kampfgetöse der verfeindeten Mächte Militär und Muslimbruderschaft, auch der Vertreter der Liberalen in der neuen Regierung, Friedensnobelpreisträger Mohamed El-Baradei, hat das (sinkende) Schiff verlassen, entsetzt über das Vorgehen des Militärs.
Und alle geben sich gegenseitig die Schuld: Radikale Islamisten sehen in den koptischen Christen die Drahtzieher des Putsches gegen Mursi und das Militär kommt mehr und mehr zu der Erkenntnis, bei den Muslimbrüdern handle es sich um eine (gut organisierte) Bande von Terroristen. Der türkische Premierminister Erdoğan hingegen sieht im Militärputsch das Werk eines ganz anderen Gegners: Israel habe Mursi zu Fall gebracht, um seine eigene Sicherheit zu gewährleisten.

Nicht nur der Überblick der westlichen Beobachter ging in den letzten Tagen verloren, sondern auch hunderte und tausende von Menschenleben. Es bleibt am Ende nur die Hoffnung, dass die Mächtigen Ägyptens sich besinnen werden, denn beilegen können diesen Konflikt nur die Ägypter selbst. Es wird noch eine ganze Weile dauern, bis so etwas wie Frieden auf den Straßen Kairos und in den Köpfen der Menschen herrscht. Man sollte mittlerweile wie Außenminister Westerwelle von „arabischen Jahreszeiten“ sprechen, denn nach mehr als zwei Jahren ist der wechselhafte und schwierige Prozess, der mit Demonstrationen gegen Mubarak und dem Schrei nach Freiheit begann, noch lange nicht abgeschlossen.

Montag, 19. August 2013

Summer Destination Sarajevo

When the European Union received the Nobel Peace Prize in 2012 for dedicating itself to world peace, many voices in radio and television got the facts wrong and enthusiastically called out: ‘No war in Europe for over 60 years!’ – But this rashly said phrase should have been examined more closely before being used as a picture for what Europe sees itself. It’s not only the fact that European armies took part in armed conflicts all over the world – and they still do – that shouldn’t be forgotten, but even more should we remind ourselves of the taking place of a bloody and brutal war in Europe’s middle: The so-called Bosnian War, less than 20 years ago, did cost the lives of more than 56,000 soldiers and nearly 40,000 civilians. Battles, massacres under the eyes of UN troops, rapes, tens of thousands of refugees and a devastated landscape filled by the ruins of homes and a rich cultural heritage were the results. By forgetting the Balkans we ridicule those who survived the cruel post-Yugoslavian conflicts; we give the wrong answer to those who ask: What is Europe? Where does Europe end? The peoples of Eastern and Southeastern Europe could get the impression that for many ‘Westerners’ the ‘old’ Europe still ends in front of the gates of Vienna.

I visited Bosnia’s capital in August 2013 for the second time, but again I was amazed by the singularity of this city. It’s the perfect fusion of East and West: Today’s Sarajevo is a picturesque example of the melting of Orient and Occident. Mosques and churches, Ottoman and Austrian architecture, headscarves, summer clothes and red wine. When I came to this place in March last year it was a grey city, covered by the smoke of countless funnels and surrounded by hills that still held icy pieces of the remaining snow. In summertime the city turns into a tourist hot spot, the cafés are crowded and the streets are filled with picture-taking Italians, Turks, Arabs and, of course, Germans. As German people love city trips, they’ve already discovered Sarajevo as an unknown, but promising summer destination. Turkish tourists like to visit their old Ottoman heritage and Arabs take the chance to explore a widely Muslim country in European shape.


With a bit over 310,000 inhabitants, the city of Sarajevo doesn’t look too spectacular on the map, but it holds an unmatchable variety of culture and history. For centuries the Ottoman Empire influenced the religious and cultural life in Bosnia. The big Gazi Husrev beg Mosque (built 1531) is only one of dozens of historic Muslim prayer houses. Later, the Austrian-Hungarian Empire enlarged the city by building new quarters along the Miljacka river, for example the city hall, the Hauptpost (post office) or many other official buildings. Aside with mosques and Serbian Orthodox churches the townscape was completed by Catholic and Protestant churches and monasteries. And one shouldn’t forget the important Jewish community that settled in the city after being expelled from Spain in 1492.

Gazi Husrev beg Mosque
After the 1992-1995 Bosnian War the city of Sarajevo, which was under siege by Yugoslavian and Bosnian Serb armies, was built up again. You still can see the many bullet holes in most of the streets, but restaurateurs did a great job, restoring historical buildings. Even if the mental wounds of a city need decades to heal, the outside image of Sarajevo is getting more beautiful than ever.

                                            Kovači war cemetery
Different from Mostar, you can still take a walk around the cities bazaar, the Baščaršija, in August without being sun-struck. It’s the best time to take a coffee and an ice cream in mid-day or to have dinner in the evening. In Sarajevo you can find all the treasures of Balkan cuisine: grilled meat in all shapes, famous Yugoslavian food ćevapčići (grilled meat balls), fish or stuffed vegetables. You also should try sarma (cabbage rolls).


You’re looking for a young, emerging city, that is both European and Oriental, both modern and traditional.
Come to Sarajevo. Let yourself be inspired by my photos. :)