Donnerstag, 22. Dezember 2011

Die Chancen des Winters

Draußen regnet es. Der erste Schnee ist schon wieder weggetaut, übriggeblieben ist nur eine Matsche ungekannten Ausmaßes, eine Mischung aus Streusalz und Wasser, grau und von zweifelhafter Konsistenz. Aber auch die wird bald dahingeschmolzen sein und in Bächen die Straße hinunterfließen.
Der erste Schnee hat wie so oft zu einem Chaos unerwarteten Ausmaßes geführt. Lange war es zu warm. Der Herbst war nicht herbstlich genug. Nun kam der Winter in seiner ganzen Härte, mit – Schnee. Wer hat das ahnen können? Die Busse mussten ihre Routen ändern, manche Linien fielen ganz aus. Der Räumdienst hatte mal wieder vergessen, wo er die Schlüssel der Streusalzvorratshalle mit den Streusalzvorräten hinverlegt hatte.
Der typisch deutsche Nörgler hat wieder Hochkonjunktur. Wie kann es angehen, dass der Nahverkehr Probleme bekommt mit einer saisonalen Wetterlage? Wie kann es sein, dass es im Winter schneit?? Und überhaupt, wer hat so etwas Ungeheuerliches wie das „Klima“ erfunden??? Fragen, die man sich stellt – Jahr für Jahr.

Diese ganze Problematik ist mir bis heute schleierhaft geblieben und ich hoffe, es bleibt auch weiterhin so. Wenn man aus einer Wetterlage einen Weltuntergang machen kann, dann muss es doch auch möglich sein, das Ganze ins Gegenteil umzukehren.
Denn gibt es etwas Inspirierenderes als einen Schneesturm? Er erinnert uns daran, dass wir auch nur Menschen sind. Und wenn uns der Himmel einmal statt dicken Flocken feinen Nieselregen beschert, dann ist das trotzdem kein Grund zur Verzweiflung. Warum sehen wir nicht auch im Regen die Schönheit der Natur oder in einem Gewitter die Wunder der Schöpfung?

Und gerade wenn es in einem viel zu warmen Dezember auch mal regnet, sollten wir hinausgehen und nass werden, nur aus dem einzigen Grund, in ein warmes Zimmer heimkehren zu können und dann froh zu sein, sich wieder auf die sichere Seite des Abends geflüchtet zu haben. Je schrecklicher das Wetter ist, desto wärmer sind die Gedanken, wenn man draußen durch den Matsch stapft.

Der Winter macht depressiv, heißt es. Es wird spät hell, es wird früh dunkel. – Doch was sagt uns das? Bedeutet ein garstiger, kalter Dezemberabend, dass wir uns in die Betten verkriechen sollen? Oder will uns Väterchen Frost nicht vielmehr dazu auffordern, eine Kerze anzuzünden und eine Flasche guten schwäbischen Weins in kleiner, gemütlicher Runde aufzumachen?

Ich genieße den Winter. Man muss die Eiseskälte, wenn sie nunmal da ist, einfach positiv sehen: Wann hat man schon einmal eine so klare Luft geatmet? Sie mag kalt sein, aber sie reinigt die Lunge - solange sich dieselbe nicht entzündet und man zu wochenlanger Bettruhe und Fencheltee verdonnert ist. – Der Winter erinnert uns daran, wie schön sonnig der Sommer war.

Wo ist die ganze Schlittenfahrt-Romantik des Winters hin? In unserer stressigen (und gestressten) Welt denken wir zu wenig an Eiszapfen und Schneemänner. Klirrende Kälte lässt unsere Ohren nicht nur kalt werden, sondern macht sie auch wieder hellhörig für die Klänge des Winters. Selbst wenn man sich nur einbildet, die Schneeflocken fallen zu hören, kommt die Seele auf andere Gedanken. Stress im Job, Prüfungsstress, Alltagsprobleme – sie lösen sich nicht mit einem Spaziergang im Schnee, aber sie werden dadurch zumindest weiß angepinselt.
Nicht umsonst fällt Weihnachten in die Winterszeit. Glühwein und heiße Schokolade, Lebkuchen und Spekulatius – das alles passt nur in die Kulisse einer verschneiten Landschaft, unter die schneebedeckten Dächer von Fachwerkhäusern, mit geschmückten Balkonen.

Der Winter bietet uns die Kaminfeuer-Romantik, die wir das ganze Jahr lang suchen. Das Weihnachtsfest ist die Gelegenheit, sich auf Dinge zu besinnen, für die man bisher noch keine Zeit gefunden hat. Wir müssen die Chance, die uns der Winter gibt, nur nutzen.

Und damit wünsche ich meinen Lesern besinnliche und gesegnete Weihnachten sowie einen guten Rutsch ins neue Jahr und verabschiede mich in die Ferien.

(Un)Besinnliches

Kurz vor Heiligabend kann man sich ein letztes Mal der Frage widmen, ob man von der diesjährigen besinnlichen Adventszeit auch genug abbekommen hat – an Glühwein, Knabbergebäck und eventuellen Schnäppchen, die es zu machen gegeben hätte.
Die Welt der Weihnachtsmärkte – hier findet man alles, was das Herz begehrt. Und auch alles, was man seinen Lieben zum Fest schenken kann, das dann aber meistens das ganze Jahr im Keller steht. Für kleine Holznikoläuse, Räuchermännchen, Glühweinbowlen und Strohsterne interessiert man sich eigentlich nur bis Anfang Januar. Danach stellt man die weihnachtlichen Accessoires weit weg; dorthin, wo man sie nicht zu sehen braucht.
Doch Weihnachtsmärkte bieten auch ein wunderbares Ausflugsziel für Terroristen und psychisch gestörte Hobbychemiker. Ist da nicht tatsächlich in Berlin einer rumgelaufen und hat jungen Menschen vergifteten Glühwein angedreht? Für umsonst! Dutzende Weihnachtsmarktbesucher lagen danach hochtoxisch im Krankenhaus. Und wenn sich jetzt irgendein armer Kerl da draußen fragt, warum sich kein Mädel von ihm auf ein heißes Glas Glühwein einladen lässt: DIESER Mann ist schuld! – Danke auch.
Ach ja, die Welt ist auch nicht mehr das, was sie einmal war. Angenehm war da doch letztes Jahr die Terrorwarnung. Es bestand zwar zu keiner Zeit Gefahr, aber man warnte erst einmal aus Vorsicht. Um den Konsumdrang der Menschen zu beschleunigen. „Wir lassen uns doch nicht unterkriegen!“ oder „Jetzt gehen wir erst Recht auf den Weihnachtsmarkt!“ – und kaufen deswegen munter weiter, nur etwas schneller und unbesinnlicher, falls doch was passiert. Sehr hilfreich war es da, dass zwei Tage nach der Terrorwarnung von 2010 im staatlichen deutschen Fernsehen ein Film gezeigt wurde, in dem die couragierte Ivonne Catterfeld ihre entführte Tochter aus dem Sudan befreit, aus den Klauen ihres islamisierten Mannes, der sich daraufhin in Hannover auf dem Weihnachtsmarkt in die Luft sprengen wollte. Warum genau er diesen Plan gefasst hatte, war nicht ersichtlich. Es war auch nicht wichtig. Wichtig war nur, dass Normalbürger Otto und seine Hilde in der Glotze zu sehen bekamen, warum eine Terrorwarnung immer begründet ist. Weil das deutsche Fernsehen so gute Filme macht.
Nun gut, seit diesem Jahr wissen wir nun, dass es nicht nur islamistischen Terror in Deutschland gibt. Zugegeben, so richtig gab’s den hier bis jetzt auch nie. Meistens waren die betroffenen Terroristen zu dämlich, manchmal war der Verfassungsschutz auch schneller. Also, trinken wir auf den Verfassungsschutz! – Okay, wir senken die Tassen wieder, denn dieses Jahr wurden wir Zeugen davon, wie nützlich die hunderte von V-Leuten in der rechten Szene sind: Nämlich gar nicht. Terroristen müssen sich erst selbst erschießen und einen Wohnwagen in Brand setzen, dass man da genauer nachhakt. Und dann merkt man unter Umständen, was man schon vor zehn Jahren hätte merken können: Braun stinkt zwar, ist aber noch lange nicht tot.
Zugegeben, in diesen Tagen ist es trotzdem nicht einfach, Terrorist zu sein. Neben den besinnlichen Weihnachtsmärkten mit ihrem vergifteten Glühwein sind auch Bahnhöfe ein hervorragendes Ziel für eventuelle Anschläge. Und vor allem der Bahnhof in Stuttgart… Neben Islamisten und Nazis könnten hier auch Stuttgart21-Gegner aktive werden. – Obwohl, im Moment noch nicht. Erst wenn der neue (von den Grünen gebaute) Bahnhof steht. Heute würde es wohl eher vonseiten der Stuttgart21-Befürworter Sinn machen, ein kleines vor-silvesterliches Feuerwerk zu veranstalten – und somit den Abriss des alten Bahnhofs zu beschleunigen. Da stand ich also letztens am Bahngleis und wollte einfach nur meinen Müll entsorgen. Jetzt hat man aber so viele schöne Möglichkeiten zur Auswahl, wo man seinen Unrat endlagert. Mülleimer mit typisch deutscher Mülltrennung eben, drei Kategorien zur Auswahl: Verpackung, Restmüll oder Papier. Für den normalen Verbraucher kein Problem. Man müsste nur lesen können, was jedoch für die Mehrzahl der Menschen ein ernstzunehmendes Hindernis darstellt. Mein als „Verpackungsmüll“ klassifiziertes Exemplar sah sich in dem dafür vorgesehenen Behältnis mit einer Vielzahl von Papptellern und Bananenschalen konfrontiert. Und da kam mir urplötzlich der Gedanke: Was bitteschön macht ein einfacher, aber umweltbewusster und nachhaltig denkender Terrorist, der eine Bombe gebastelt hat, die sowohl Aluminiumbestandteile als auch größere Mengen an Dynamit beinhaltet? Jetzt will er das Ding in einem Mülleimer zwischenlagern. Soll er die Bombe als Verpackung werten? Oder doch lieber zum Restmüll? Das sind die Fragen, mit der sich Mustapha (oder Adolph) Normalterrorist konfrontiert sieht. Nun gut, am Ende der endlosen Mülltrennerei wird sowieso alles wieder gemischt und zu Klopapier verarbeitet. Oder zu Zement, mit dem man dann in erdbebengefährdeten Gebieten äußerst preiswert Häuser baut. Am besten nimmt der betroffene Verfassungsfeind geknickt, aber doch mit reinem Gewissen, sein Bömbchen wieder mit und verkauft es nach Afrika. Wie unsere gewiefte Bundesrepublik es vielleicht tun würde. Aber damit würde er der deutschen Waffenindustrie Konkurrenz machen. Am Ende würde er vielleicht sogar der Verfassungsschutz aufgespürt und angeklagt werden, wegen nicht lizensierten Verkaufens von Explosionsmaterialien an ein außereuropäisches Land im Kriegszustand.

Wieso all diese wirren und ergebnislosen Gedanken? Und überhaupt, was soll das alles schon wieder? Im Radio hört man nun wieder die alljährlichen Beiträge, die einem das Mit-dem-Strom-Schwimmen madig machen wollen und den Grad der Besinnlichkeit der diesjährigen Adventszeit analysieren. – Mit dem Ergebnis, dass es sich so verhält wie immer: Konsum, Stress, Werbung… null Besinnlichkeit eben. Keine Entspannung. Das Ziel von Weihnachten – verfehlt. Die wahre Aussage – unerhört.
Seien wir froh, dass es sie gibt: Die Weihnachtsmärkte verleihen unserem Konsum ein Gesicht. Sie geben der ganzen Sache mehr Stil, mehr Tradition.

Musik im Ohr

Ob Regen oder Schnee: Wir haben immer was zu meckern. Ist es mal kalt, dann ist es zu kalt. Ist es mal mild, dann ist es nicht kalt genug. Aber wenn es zu allem Überfluss auch noch regnet, dann geht sprichwörtlich die Welt unter.
Dabei ist alles doch nur eine Frage der Musik. Selbst wenn es wie aus Kübeln regnet, kann man sich einen kleinen Spaziergang gönnen: Mit „Sunshine Reggae“ von Bob Marley im Ohr, den entspannenden Klängen der Karibik und einem gemütlichen Wellenrauschen im Hintergrund schmeckt der herbstliche Nieselregen im Gesicht schon nahezu salzig. Der Duft von Algen liegt in der Luft, die Gedanken schweifen ab an die weißen Strände von Barbados, wo man selbst noch nie war und wahrscheinlich auch nie sein wird. Alles eine Frage der Hintergrundmusik.
Seit ich im Besitz eines nagelneuen MP3-Players bin – ich habe mich erst im Alter von 21 Jahren als würdig befunden, meinem Leben eine Hintergrundmusik zu verleihen – habe ich den Einblick in diese ganz Welt des Musikhörens gewonnen. Es ist erstaunlich, wie die Menschen im Bus, im Buchladen oder auf der Straße im Schein von Reaggae, Hardrock oder schottischer Dudelsackmusik aussehen. Komischerweise bildet man sich ein, sie würden sich alle im Takt bewegen. Oder sie sitzen nur still da. Im Takt.
Was auch erstaunlich ist: Alle anderen scheinen auch ihre Stöpsel im Ohr zu haben. Weiße Kabel, schwarze Kabel, kleine Stöpselchen, von Zeit zu Zeit enorme Kopfhörer. Das ist eine ganz eigene Subkultur!, habe ich gemerkt. Und plötzlich ist man irgendwie mit drin. Das Leben ist beeinflusst von Musik, die einen auf Schritt und Tritt begleitet. Wie praktisch. Hat man es eilig, morgens an die Uni zu kommen, hört man die klassische deutsche Marschmusik, wie etwa den Radetzky-Marsch oder Preußens Gloria. Kann ich nur empfehlen. Und dann geht’s im Stechschritt in Richtung Hochschulbildung, vorbei an kopfschüttelnden Mainstream-Musikkonsumenten. Abends, wenn man fortgeht, kann man sich mit den Böhsen Onkelz in die Welt des aggressiven Hardrock begeben – was einen allerdings aggressiv macht. Nicht gut. Zum Runterkommen eignen sich dann immer noch eher ein Reggae-Mix oder irgendwelche französischen Chansons, von denen man genug versteht, um angenehm berührt zu sein, aber doch zu wenig, um sich ernsthaft Sorgen machen zu müssen.
Musik ist extrem entspannend – und kann einen verrückt machen.
Gerne würde ich länger darüber philosophieren, dich die Realität hat mich um diese Aufgabe erleichtert:
Mein MP3-Player hat sich jedenfalls dazu entschlossen, eines Tages nicht mehr aus seiner Ekstase zu erwachen. Er blieb einfach irgendwie stecken, hat sich aufgehängt. Ich hatte nur eine Wahl: Lass ihn laufen, bis der Akku leer ist. Jetzt überlege ich verkrampft, wo ich die Garantie-Bescheinigung für dieses Ding hinverlegt habe, das sich kaum einen Monat und sechs Tage in meinem Dienst befand.

Wahrscheinlich sind manche Menschen nie reif, sich ihrem Leben auf Schritt und Tritt zu Musik zu verhelfen. Und andererseits, wie Ferdinand Müller zu sagen pflegte: Das Leben geht weiter.

Samstag, 3. Dezember 2011

Rechts

Die zeitgenössische deutsche Geschichtsschreibung wird in naher Zukunft noch vor größere Herausforderungen gestellt werden – das wird einem in diesen Tagen bewusst. Es geht hierbei jedoch nicht um die Wirtschaftskrise, sondern um ein Phänomen auf gesellschaftlicher Ebene: Terror von rechts.

Diese Szenen waren uns durchaus bekannt: Brennende Asylbewerberheime, randalierende Glatzen, zum Hitlergruß erhobene rechte Arme auf NPD-Kundgebungen auf dem Land, wo Kameras von Fernsehsendern nicht erwünscht waren, aber doch den ein oder anderen Blick erhaschen und auffangen konnten. Bis jetzt schien die rechte Szene weitaus übersichtlicher als so manche andere Abteilung in der Karteikartensammlung des Bundeskriminalamts. Man hatte hier und da seine Kontaktmänner, man wusste wo und wann ein Treffen brauner Kameraden geplant war. Man hörte mit, man las Emails – und man schien Bescheid zu wissen.

Sie wussten gar nichts. Und wenn doch, dann ist es ein Skandal.

Die Größe und Bedeutung der aktuellen Ereignisse und Ermittlungen werden uns in den nächsten Monaten – und Jahren – bewusst werden. Heute können wir uns nur schwerlich an den Gedanken gewöhnen, dass es in unserem guten Deutschland eine mindestens dreiköpfige Terrorbande gab, die mordete, zündelte und Bomben bastelte. – Ich meinerseits kam erst jetzt dazu, zu realisieren, dass es in Deutschland Bombenanschläge gab, die bis heute nicht aufgeklärt sind. Durch die Nachrichten sind wir verblendet. Der Terror durch Explosionsmaterialien erreichte höchstens das „siebzehnte Bundesland“ Mallorca. Doch nachdem die ETA im Oktober dieses Jahres das Ende ihres bewaffneten Kampfes verkündet hat, ist (hoffentlich) auch dieses Kapitel Geschichte geworden. – Bis wohin werden die Behörden jedoch in Deutschland die blutige Spur des Naziterrors zurückverfolgen können? Hoffentlich bis an ihren Ursprung.

Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe sind für den Tod von mindestens 10 Menschen verantwortlich. Sie haben aus Hass gemordet – Hass auf Menschen, die anders, die fremd waren. Im Moment ist noch nicht geklärt, wie viele Opfer der dreiköpfige NSU („Nationalsozialistischer Untergrund“) auf seiner Rechnung hat. Es ist jedoch eine Liste aufgetaucht mit 88 Namen. Achtundachtzig – eine symbolische Zahl mit hohem Wert für die neonationale Szene in Deutschland. Die zwei Ziffern stehen für den achten Buchstaben des Alphabets und bedeuten „Heil Hitler“.

Der Zwickauer Kreis umfasste jedoch nicht nur diese drei Personen, von denen zwei tot sind und die dritte in Untersuchungshaft sitzt, sondern spannte sich wahrscheinlich viel weiter. Böhnhardt und Mundlos gehörten dem „Thüringer Heimatschutz“ – einer ostdeutschen rechtsextremen Organisation und Sammelsurium verschiedener Kameradschaften – an und waren Vorsitzende dessen Jenaer Sektion. Sie waren der Polizei in Jena bekannt. Nun wird deutlich, dass die drei nicht isoliert vom Rest der rechten Szene lebten, sondern wahrscheinlich Unterstützer hatten. Wie schon die RAF hatten auch sie Helfer, die ihnen Papiere besorgten und Wohnwägen anmieteten. Der Sprengstoff von verschiedenen Anschlägen stammte aus Einbrüchen in Bundeswehr-Depots. Auch hier könnten die Terroristen Helfer gehabt haben.

Bei den drei Mitgliedern des NSU handelte sich nicht um einfache Kriminelle oder um Einzeltäter. Es war ein Netzwerk.

Vor kurzem wurde der ehemalige NPD-Funktionär Ralf Wohlleben verhaftet. Er soll dem Trio Waffen und Munition beschafft haben. Erneut wurde die Frage laut, inwiefern die NPD mit dem aktiven rechten Terror in Verbindung steht. Die Ermittlungen laufen noch. Doch eines scheint sicher zu sein_ Dieses Mal geht es der NPD an den Kragen. Ein neues Verbotsverfahren wird in Erwägung gezogen, ja, sogar lautstark gefordert von allen Seiten. Dieses Mal wird es klappen.

Wie naiv waren wir? Wie naiv war unsere Regierung? Nicht nur die jetzige – ob schwarz-gelb oder rot-grün, es macht keinen Unterschied. Versäumnisse auf allen Ebenen zu allen Zeiten und Legislaturperioden. Die NPD wurde für einen Verein gehalten, der sowieso durchwandert ist von V-Männern des Verfassungsschutzes und von dem keine Gefahr mehr ausginge. Viel wichtiger waren der öffentlichen Wahrnehmung immer die linken Störenfriede, die Steine auf G8-Gipfel warfen oder Häuser besetzten. In Dresden wurde im Februar 2011 ein von Linken bewohntes Haus (Hausprojekt „Praxis“) von dutzenden randalierenden Nazis angegriffen – bei Tageslicht, mit Steinen, Flaschen und Gegröle – die Polizei war anwesend: Sie regelte im Hintergrund den Verkehr.

Wie lange können wir es uns noch erlauben, so naiv zu sein? Wie lange haben wir es uns schon erlauben können, über ein NPD-Verbot nachzudenken und den Gedanken dann zu verwerfen? „Ach nein, dann würden die Nazis alle in den Untergrund abtauchen.“ – Besser ist es doch, wenn man eine NPD hat, die den Rechten was zu wählen gibt, die vom Verfassungsschutz durchwandert ist, die man an der kurzen Leine halten kann (oder könnte). Dass es im Untergrund schon Gruppierungen gibt, die sogar Menschen aus politischer Überzeugung ermorden, das schien den naiven Bürokraten wohl undenkbar. Nicht nur Islamisten predigen in Hinterhöfen, auch Nazis tun das. Und die tun es sogar auf Schulhöfen, mit dubiosen, volksverhetzenden Schulhof-CDs, auf denen Schüler jene Lieder hören können, die auf Youtube schon verboten sind. Oder zumindest verboten sein sollten.

Unsere Gesellschaft ist dabei, einer Krise nach der anderen um Haaresbreite zu entkommen. Man muss überall einen spezifischen Weg einschlagen, um diese Krisen in den verschiedenen Bereichen dieser Gesellschaft zu meistern. Und in diesem speziellen Fall geht es um die Erhaltung unserer Demokratie – indem man demokratiefeindliche, volksverhetzende und terroristische Elemente ausmerzt. Deshalb sollten wir fordern:

NPD-Verbot sofort!

Sollen solche Menschen wie Beate Z., Uwe und Uwe doch in den Untergrund abtauchen! Solange sie kein Geld mehr vom Staat bekommen, das sie durch NPD-subventionierte Waffenlieferungen beziehen, ist das unser kleinstes Problem. Man darf Nazis keine Chance geben, in das innerste unserer Demokratie vorzudringen: in die Parlamente. Man darf ihnen keine Möglichkeit geben, sich zu etablieren!

Wir müssen endlich aufwachen aus unserem naiven Schönheitsschlaf. Das Randgebiet der politischen Welt in Deutschland besteht eben nicht nur aus nietengürtelbekleideten Linken, die ab und an den ein oder anderen Stein auf das „Kapitalistenschwein“, den Polizisten, werfen. Denn es gibt auch sie: Die ideologisch gefestigten, planvoll agierenden und mitunter mordenden Nazis.

Diese Realität tut weh. Doch wir müssen sie wahrnehmen und dementsprechend reagieren - vernünftig, gut überlegt, aber konsequent.

Sonntag, 27. November 2011

Die Europäische Dekadenz

Das Jahr 2011 geht in Kürze zu Ende und hinterlässt einen Scherbenhaufen: Im Nahen Osten sind die Revolutionen ins Stocken geraten, in Afghanistan und im Irak steht das US-amerikanische Demokratisierungsprogramm vor dem Aus - und in Europa bröckelt mit der Wirtschaft und dem Euro auch eine Identität.

Die Welt ist im Wandel. Vor allem im Vorderen Orient und in Nordafrika vollziehen sich gerade Veränderungen von ungeahnter Größe und Bedeutung. Das kommende neue Jahr 2012 ist auf für uns der perfekte Zeitpunkt, um über die Zukunft – sollte es für Europa eine geben – nachzudenken.

Das Jahr 2012 wird durch das zehnjährige Jubiläum des Euro markiert. Die Währung der Europäischen Union, wenn man so will: die Seele Europas. Sie wird zehn Jahre alt. Ein junges Leben ist es noch, doch schon jetzt hat uns die erste Krise durchgeschüttelt, die auch die Fundamente erschüttert. Und hierbei geht es nicht nur um eine Währung. Es geht um eine Philosophie, um die Identität einer Wertegemeinschaft. Doch leider kann der Euro in naher Zukunft schon nichts mehr wert sein.

Dieses zu Ende gehende Jahr 2011 bringt Europa in eine Zwickmühle. Wo stehen wir? – Oder besser: Gibt es dieses Wir überhaupt noch? Oder: Hat es dieses Wir jemals gegeben?
Solche Fragen grenzen an politische Blasphemie und sind eines der Tabu-Themen der innereuropäischen Diskussion. Es ist nicht erlaubt, die Europäische Union als einzig seligmachendes politisches Modell anzuzweifeln. Dabei ist man heute zum Zweifeln gezwungen. Gibt es ein Wir? Oder müssen sich die Länder bald entscheiden, wer der EU den Rücken kehren muss, weil es die Finanzen einfach nicht mehr tragen können? Weil es einzelne Staaten nicht mehr fertigbringen können, andere durchzufüttern? Deutlicher wurde die Un-Einigkeit der EU in diesem Jahr bei ganz pragmatischen Fragen wie: Stellen Wir uns auf die Seite der unterdrückten Völker und unterstützen sie in ihrem Kampf gegen die bürokratische, unmenschliche Diktatur? Oder halten wir bis zum Schluss zu jenen einsamen Despoten, die uns die „Stabilität“ der Region garantieren?

Nachdenken

Bald kommt das Weihnachtsfest, ein Ruhepol der Besinnlichkeit in den Köpfen der Menschen - und ein traditioneller Katalysator der Wirtschaft, ein Antrieb für den hemmungslosen Konsum. Doch vielleicht kommt an den diesjährigen Weihnachten der ein oder andere Bürger in einer ruhigen Minute dazu, über dieses und jenes nachzudenken. Und vielleicht wird auch der ein oder andere Gedankengang der EU gewidmet sein, „uns“.

Vielleicht denkt einmal jemand darüber nach, warum die Tomaten früher besser geschmeckt haben. Vielleicht wird er erkennen, dass die EU europaweit Hybrid-Saatgut subventioniert. Nun hat man auch in Rumänien bald pralle, dicke Auberginen. Früher waren die nur klein und verkrumpelt. Was man aber vergisst: Diese kleinen verkümmerten rumänischen Auberginen haben geschmeckt. Das hochgelobte, pralle EU-Gemüse jedoch schmeckt größtenteils nach Wasser. Vor allem die Tomaten, die noch nie Erde gesehen haben sondern nur weißes Styropor.

Vielleicht denkt einmal jemand darüber nach, wie es wohl sein wird, wenn man keinen frischen Fisch mehr bekommen wird. Denn dank unserer Wirtschaftsunion Europa bekommen wir bald nur noch (subventionierten) Fisch aus dem Nordatlantik – in riesigen Netzen gefangen, bis zu 24 Stunden unter Wasser in ebendiesen Netzen gepresst, durch den Druck, den die nachkommenden zehntausende von Fischen auf die unterste Schicht ausüben. Frischer EU-Fisch aus dem Fabrikschiff! Am besten schmeckt er fertig verarbeitet zu Fischstäbchen, für 1.29 € im Supermarkt. Schade, dass dabei ganze Wirtschaftszweige – wie zum Beispiel die Fischerei an der Westküste Frankreichs – dabei zugrunde gehen. Und schade auch um die Qualität.

Qualität wird großgeschrieben. Auch beim Fleisch: Wer gutes Fleisch will, muss teuer bezahlen. So wie es früher war und so wie es im Grunde auch richtig ist. Vielleicht realisiert auch einmal jemand, dass wir irgendwann gar keine Wahl zwischen guter oder schlechter Qualität, zwischen billig und teuer, haben werden! Irgendwann wird man uns die massengeschlachteten, mit regenwaldvernichtenden Sojabohnen fettgefütterten Rump-Steaks vorsetzen und sagen: Hier, iss! Das schmeckt!

Vielleicht realisiert irgendwann jemand, dass wir dank den EU-Regelungen in jeder europäischen Großstadt tonnenweise frisches – oder anders gesagt: gerade einmal einen Tag altes – Brot vernichtet wird! Doch zum Glück verhungern in der Welt nicht täglich 25.000 Menschen. – Oh, Moment mal…

Wir sehen unsere Bundeskanzler, Premierminister und Präsidenten, wie sie sich auf Konferenzen und Versammlungen die Hände schütteln, wie sie sich beglückwünschen zu Beschlüssen, die vorher schon feststanden. Wir gaukeln uns selbst Einheit vor, sind froh, uns heute „Europäer“ nennen zu dürfen und nicht mehr Deutsche, Franzosen oder Slowaken sein zu müssen. Und wir sind jede Sekunde unseres Daseins dankbar für die Werte, die durch das Licht Europa in die Welt hinausgetragen werden.

Moral und Werte

Unsere moralischen und zweifellos guten westlichen Werte sind uns bis jetzt immer heilig gewesen. Doch wir verteidigen sie nicht durch Handeln, sondern indem wir über sie reden. Als die Menschen im Nahen Osten die Demokratie forderten, die wir fortwährend predigen – in der Gewissheit, dass nur der Europäer zu gerechten und ungefälschten Wahlen fähig ist – ließen wir sie zu lange im Stich.
Und ab dem Zeitpunkt, als Deutschland und die anderen in der ägyptischen Frage „Mubarak – ja oder nein?“ zögerten, ist es deutlich und klar: Europa will keine Veränderungen in der Welt. Europa ist nicht besser als alle anderen. Europa hat zu wenig Arsch in der Hose, um seine eigenen Werte zu vertreten. Nein, vielmehr noch: Europa tritt seine eigenen Werte, die es sich seit der Französischen Revolution erkämpft und immer wieder bitter verteidigt hat, mit Füßen!

Wollen wir den Frieden auf der Welt? Wollen wir Gerechtigkeit und Demokratie? Wir wollen es für uns, doch wollen wir es auch für die anderen?
Wir müssen uns eines klar machen:
Unser deutscher Staatshaushalt lebt zu einem überraschend großen Teil von der Waffenindustrie. Jede bewaffnete Auseinandersetzung in Afrika, wo sich Dschungelvölker gegenseitig die Köpfe wegschießen, entlastet unseren ohnehin gepeinigten und überzogenen Staatshaushalt. Jede Diktatur nimmt uns dankbar unsere Panzer und Panzerfäuste ab. Jeder Somalier ist stolz, wenn er ein deutsches Fabrikat in Händen hält.
Was wir uns noch klarmachen müssen:
Gutes Essen ist teuer. Fair gehandelte Produkte sind teuer. Wenn wir natürliche, gelbe Bananen wollen, an denen nicht das Blut eines armen kamerunischen Bauern klebt, dann müssen wir dafür zahlen. Und ein Hartz-IV-Empfänger hat dadurch automatisch weniger Zugang zu Bananen. Oder zu (gesundem und moralisch korrektem) Fleisch.
Was aber das entscheidende ist:
Wenn wir wirklich Demokratien im Nahen Osten – und vor allem in Nordafrika – etablieren wollen, müssen wir damit rechnen, dass Europa für Asylbewerber und Arbeitsmigranten mit verhungernden Familien aus Schwarzafrika erreichbarer wird. Muammar al-Gaddafi hat uns seinerzeit die ungewollten Flüchtlinge vom Leib gehalten. Dass wahrscheinlich tausende Flüchtlinge in Libyen in der Wüste verscharrt wurden, davon wollen wir in unserer heilen Welt, dem moralisch weit überlegenen Europa, natürlich nichts wissen.
Das Paradoxe an der ganzen Sache: Diese Menschen waren gezwungen, nach Europa zu kommen. Warum? Weil unser tolles EU-subventioniertes Hybridgemüse den afrikanischen Markt überschwemmt, weil in Kamerun jedes fette europäische Suppenhuhn billiger ist als sein magerer, afrikanischer Bouillonkamerad und weil wir Europäer im Hafen von Lagos unsere Chemieabfälle endlagern!

Wir denken allen Ernstes, wir hätten mit steigenden Ölpreisen oder geplanten süddeutschen Durchgangsbahnhöfen ein Problem? WIR sind das Problem!

Für einen großen Teil der weltweiten humanitären Katastrophen sind wir – die westliche Welt – selbst verantwortlich. Oder zumindest liegt es doch in unserem Interesse, dass alles beim Alten bleibt – bewusst oder unbewusst.
Der Imperialismus ist vorbei, denkt man. Und wenn es ihn noch gibt, dann nur vonseiten der Amerikaner, die munter ihre Kriege in der Welt führen. – … ?
Nein, Freunde, der Imperialismus ist noch lange nicht vorbei! Es hat sich nichts geändert: Europa macht sich noch immer alle anderen Regionen Untertan! – mit Ausnahme der Chinesen.

Die Moral, die Werte, alles wofür Europa steht, ist eine Farce. Greifbar bleibt nur das Materielle, das Geld, der Wohlstand. Und all das wird von den Banken verspekuliert und im Klo runtergespült. Gibt es etwas, das am Ende bleiben wird? Oder ist der Traum von EINEM Europa schon lange gescheitert, gar Geschichte?

Aus dieser Misere gibt es nur zwei mögliche Lösungswege, die wir im kommenden Jahr 2012 anpeilen können:

Die erste Lösung:

Wir kehren uns um. Wir erwachen aus der Trance des Gutmenschentums, das sich auf Unterschriftensammlungen und Lichterketten und gewissensberuhigende Geldspenden zu Weihnachten stützt, und ergreifen die Initiative. Wir müssen uns dazu bereit machen, unsere eigenen Systeme zu hinterfragen – und unter den gegebenen Umständen auch mehr für unsere Bananen zu bezahlen.

Die zweite Lösung ist die einfachere:

Wir belassen alles beim Alten.

Wir fressen und konsumieren weiter bis der Arzt kommt – der uns mittellose Kassenpatienten jedoch irgendwann nicht mehr behandeln will –; wir verticken unsere Waffen und Tellerminen an die verbliebenen Diktatoren der Welt, um die letzten Reste des Staatshaushaltes gesichert zu wissen (denn wenn etwas sicher ist, dann die Existenz der immerwährenden menschlichen Eigenart des gegenseitigen Abschlachtens); wir schotten uns ab und lassen nur noch Fachkräfte nach Europa. Menschen, die etwas wert sind. Die Geld einbringen. Menschen, die arbeiten, den Mund halten, und dann wieder gehen.

Wir leben weiter wie bisher.

Nur dann gilt ein Grundsatz: Wir müssen KONSEQUENT sein.

Wir müssen zu unserer Realität stehen! Wir müssen dazu stehen, dass WIR die besseren Menschen sind – oder uns zumindest so sehen! Wir müssen offen zugeben: Lieber er als ich!

Wir müssen das wirtschaftsinteressengesteuerte Getue von Demokratie und Menschenrechten begraben und dazu stehen, was wir sind: Die wahren Inhaber der Kaffeeplantagen in Äthiopien oder der Milizen im Kongo.

Wenn uns dieser Gedanke jedoch mit Scham erfüllt und sich unser gottgegebenes Gewissen meldet, sollten wir vielleicht doch die erste, unangenehmere Variante vorziehen.

Vielleicht findet der ein oder andere in der bevorstehenden Adventszeit einige ruhige Minuten, um über das alles nachzudenken. Der Kalender bietet uns jedes Jahr an Neujahr die Chance, alles oder nichts zu ändern. Gute Vorsätze zu machen, die man am ersten Tag wieder bricht. Doch ein neues Jahr ist nur symbolisch: Um wirklich etwas zu ändern, darf man keinen Zeitpunkt abwarten. Man muss sofort beginnen.

Freitag, 18. November 2011

Fragen 2011




Das Jahr geht langsam aber sicher zu Ende. Was bleibt: Fragen über Fragen...
Drei davon sind folgende:


Wann spricht unser Außenminister Westerwelle endlich ein Machtwort zum Thema Ägypten und fordert das ägyptische Militär auf, eine demokratische Wahl abzuhalten?

Seit dem Sturz des ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak sind über 9 Monate vergangen. Fast ein Jahr also - die Zeit, die ein neues menschliches Leben braucht, um auf die Welt zu kommen. Doch in dieser Zeitspanne hat es das Militär, das seitdem die Macht im Land am Nil hat, nicht geschafft, eine gültige, demokratische Wahl abzuhalten.
Millionen Menschen warten noch auf die Demokratie! Sie gehen Tag für Tag auf die Straße, stehen marodierenden, jungen Soldaten gegenüber und setzen so friedlich ihr Leben aufs Spiel. Noch immer werden größtenteils friedfertige Demonstranten verhaftet, gefoltert und nicht selten getötet!
Eine Revolution ist ein Prozess, der sich über eine längere Zeit entwickelt. Auch für unsere westlichen demokratischen Politiker darf es nicht genug gewesen sein, Mubaraks Regime zugunsten einer neuen Militärdiktatur zu beseitigen! Es muss mehr getan werden! An Ägypten entscheidet sich die Zukunft der ganzen Region! Ägypten braucht demokratische Parlamentswahlen - egal mit welchem Ausgang, egal was das Volk wählen wird!
Herr Außenminister, sprechen Sie ein Machtwort!





Wann wacht unser Justizsystem auf und geht härter gegen Rechtsextremismus vor?

Wie kann es sein, dass seit 10 Jahren Morde von einer organisierten Personengruppe begangen werden, ohne dass Verfassungsschutz oder Polizei davon Notiz nehmen?
Wie viele militante Organisationen wie den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) gibt es noch in Deutschland, die im Geheimen morden und sich intern ihrer Gräueltaten rühmen?
Was nützten uns 10 V-Männer innerhalb der NPD, wenn es trotzdem unmöglich war, innerhalb von mehr als 10 Jahren das Entstehen eines neuen Rechtsterrorismus zu verhindern? Sollte man nach so einer Pleite nicht lieber alle V-Männer aus der Propagandaschmiede der Rechtsextremen abziehen und den ganzen Verein dichtmachen?


Wann endet die Diktatur der Banken in Deutschland, Europa und der westlichen Welt?

Dass Banken mit dem Geld kleiner Leute spielen, ist längst bekannt. Ins Bewusstsein der Öffentlichkeit trat die Macht der Finanzinstitute jedoch erst verstärkt, als ganze Staaten ins Wanken gerieten.
Wie lange dürfen die Banken noch tun und lassen, was sie wollen?
Wie lange kann eine Gesellschaft Spekulanten ertragen, die mit Geldern experimentieren, die nur zu 9% ihnen selbst gehören?
Können wir den Banken noch trauen? - Oder anders: Was muss geschehen, damit wir den Banken wieder trauen können?

Schon Napoléon Bonaparte wusste eine Lebensweisheit übers Geld zu berichten:
"Das sicherste Mittel, arm zu bleiben, ist, ein ehrlicher Mensch zu sein."

Ein Zitat von Jean Ziegler, einem Schweizer Soziologen, das uns in Deutschland zu denken geben sollte:
"Herr Ackermann aus St. Gallen, heute Deutsche Bank-Chef, der stellt seine Forderungen an Berlin und die Bundeskanzlerin der lebendigsten Demokratie wahrscheinlich auf diesem Kontinent, der dritten Wirtschaftsmacht der Welt, knickt ein, jedes Mal, wenn der Herr Ackermann anruft. Da müsste ein grundsätzlicher Mentalitätswechsel stattfinden."
(aus dem Nachtmagazin der ARD vom 17.08.2011)


Wie lange soll das noch so weiter gehen?

Montag, 10. Oktober 2011

Jerusalem Light Rail - Ein Zug, der eine Stadt verändert

Reportage



Wie lange habe ich auf diesen Augenblick gewartet: Die Tür öffnet sich, man tritt in das klimatisierte Abteil, die Türen schließen sich, ein Ton ertönt - und die Straßenbahn bahnt sich ihren Weg durch eine der umstrittensten Hauptstädte der Welt. Ich habe vor nunmehr schon längerer Zeit ein ganzes Jahr in Jerusalem verbracht und den Prozess des Bauens verfolgt. Typisch für diese Breiten ist es, dass man sich bei jedem Projekt zwar ein Limit setzt, dann aber ohne Scham jahrelang ins Blaue baut. Ich habe Straßen gesehen die gesperrt wurden, über die Schienen gelegt wurden und die dann für den Verkehr doch so unabdingbar waren, dass man über die fertige Trasse kurzerhand eine Folie legte und eine frische Ladung Teer schichtete - um diese dann Monate später wieder aufzureißen und weiterzubauen. Gebaut wurde nachts, weil die Hitze am Tag keine Baustellenarbeit erlaubte. Die Eröffnung der Bahnstrecke durch Jerusalem war meines Wissens auf 2008 angelegt. In den Jahren 2009/10 war ich selbst vor Ort und wartete darauf, dass man endlich das Verkehrschaos umgehen könnte. Für den Jerusalemer Durchschnittspassagier wurde die Strecke nun im Sommer 2011 eröffnet. Kurze Zeit später war auch ich dabei.

Es ist kein Witz wenn ich behaupte, dass es etwas Berührendes für mich hatte, als ich mit diesem Zug gefahren bin. Die Jerusalem Light Rail bringt verschiedene Neuerungen mit sich: Zum einen wurde aus der stark befahrenen Jaffa Street eine nahezu idyllische Fußgängerzone. Früher reihten sich hier die Busse aneinander, wenn der erste an einer Bushaltestelle hielt und die fünf anderen Busse hinter ihm warten mussten. Heute fährt hier kein Auto mehr. Die Jerusalemer Innenstadt hat an Lebensqualität gewonnen. Doch es ist nicht nur das. Die gesamte Dauer der Bauarbeiten war diese eine Straßenbahnlinie eines der großen Themen der Lokal- oder sogar Weltpolitik. Von der israelischen Stadtverwaltung geplant, verläuft diese Strecke letztlich quer durch die ganze Stadt, durch israelisch-jüdische Teile wie auch durch das mehrheitlich arabische Ostjerusalem. Der Vorwurf wurde laut, Israel wolle Fakten schaffen und Jerusalem mithilfe dieser Bahn auf ewig judaisieren. Da Jerusalem für den jüdischen Staat die "ewige und ungeteilte" Hauptstadt ist, lag die Vermutung nahe, man wolle hier kommende politische Ereignisse beeinflussen oder blockieren.


Als ich im September 2011 in Jerusalem war und ein wenig Bahn fuhr, hatte ich jedoch Augen für ganz andere Dinge. Zu diesem Zeitpunkt gab es keine Fahrkarten und die Benutzung des Zuges war praktisch kostenlos - ein sehr positives Faktum. Ich fand es aber vor allem lohnenswert, mit der Bahn zu fahren, weil man sich hier an einem der wenigen Orte in Israel befand, an dem Israelis und Palästinenser gleichermaßen vertreten waren. Sie hatten teilweise die gleichen Ziele, benutzten die selben Eingangstüren, stiegen ein und aus - als wäre alles normal. Und genau das gefiel mir. Man muss nämlich wissen, dass in Jerusalem jede Gruppe ihren eigenen Sektor hat - auf fast allen Ebenen. Israelis und Araber leben meistens in getrennten Wohnvierteln, sie kaufen größtenteils in unterschiedlichen Geschäften ein. Im öffentlichen Nahverkehr läuft man sich ebenfalls kaum über den Weg: Israelis benutzen die grünen Busse der Busgesellschaft Egged, während die arabischen Passagiere ihre eigenen Kleinbusse benutzen. Während Egged meist nur durch jüdisch-israelische Wohngegenden fährt, verkehren die arabischen Kleinbusse ihrerseits hauptsächlich zwischen den arabischen Vierteln der Stadt. Die Straßenbahn schafft also etwas, das man zu aller erst einmal positiv bewerten sollte: Israelis und Araber fahren gemeinsam durch Jerusalem. Bislang kostenlos, in einem klimatisierten Zug - und das alle 15 Minuten. Vom Herzlberg bis nach Khair haAvir in Ostjerusalem. Die Anzeigentafeln an den Haltestellen sind dreisprachig: Hebräisch, arabisch und englisch. Ebenso die Fahrpläne und die Durchsagen vor jeder Station. Und eines steht fest: Vor eventuellen Selbstmordattentaten in der Zukunft ist man in der Bahn sicher.

Die Jerusalemer Straßenbahn könnte zu etwas werden, was unbedingt zu einem Israel-Besuch dazugehört. Denn hier erlebt man hautnah das Lebensgefühl des Landes. An einem Morgen fuhren wir zum Herzlberg, in Richtung Yad Vashem. Es war zugegeben nicht die beste Zeit, um in Jerusalem von A nach B zu gelangen. Der Zug war überfüllt. Doch wie die Leute im Orient eben sind gilt nach wie vor die Devise: Ich zuerst! - Wahrscheinlich wird man in den nächsten Wochen einen deutschen Beamten engagieren, der den Menschen beibringt, wie man einen Zug benutzt: Erst rauslassen, dann einsteigen. - Doch bislang hat man dort von mitteleuropäischer Nahverkehrskultur noch nichts gehört. Egal ob da jetzt eine Oma mit ihrem Enkel aussteigen will oder nicht, es wird gedrückt. (Die Frau begann nach einer Weile zu schreien und lautstark zu schimpfen. Sie fragte, ob wir hier im Dschungel seien. Die anderen Fahrgäste forderten sie auf, endlich Ruhe zu geben.) Der sonst so pünktliche Zug bekommt bei jeder Haltestelle mehr Verspätung. Die Türen gehen nicht zu, die Menschen schwitzen. Nichts für schwache Nerven und Platzangst. Doch die Menschen kommen auch ins Gespräch, so absurd wie das jetzt auch klingt. Ich drücke mich mit einigen Arabern und einer religiösen Jüdin an die gegenüberliegende Tür und habe Angst, gleich den Abflug machen zu müssen, sollte der Schließmechanismus aus irgendeinem Grund ausfallen. Man schüttelt den Kopf über die ignoranten Neueinsteiger. "Od schawua", sagte ein Mann. "Noch eine Woche." Dann werde es wieder Tickets geben und der Zug würde leer sein. Warum es jetzt keine gebe? Nun ja, es gab wohl mal Zugtickets. Es gab in den orthodoxen Wohnvierteln sogar Vorverkaufsbude, für Männer und Frauen getrennt. Streng nach den religiösen Regeln. Aber irgendwie hat es alles nicht hingehauen. Deswegen hat man es erstmal gelassen. - Typisch Israel, denke ich mir. Auf dem Rückweg bekomme ich die Konversation mit, die ein Security Guard mit dem Lockführer hat. Die hinteren Türen lassen sich nicht schließen, weil Menschen drinstehen. Durch die Vordertür darf niemand einsteigen, denn da steht der Guard. Hier kann man nur aussteigen. Interessieren tut sich dafür allerdings keiner. Ein stämmiger Israeli will einsteigen. Durch diese Tür. Er steht vor dem jungen Sicherheitsmann und betrachtet den "jungen Rotzlöffel" abschätzig. Irgendwie entschärft sich die Lage, als der Zug einfach losfährt. Wer den totalen Balagan (hebr. Chaos) erleben will, muss hierher kommen, zur Hauptverkehrszeit.


So umstritten dieses ganze Projekt auch sein mag - es hat hingehauen. Die Stadt wurde modern. Man kann Bahn fahren, ob Jude oder Araber. Man kommt von A nach B - zwar mit Verspätung, aber gemeinsam. Zugegeben, ich bin vielleicht der einzige, den dieser Aspekt der Geschichte interessiert. Aber ich finde es einfach nur faszinierend, wie so ein Gefährt eine Stadt prägen kann. Der einwöchige Pauschaltourist bekommt von dieser Veränderung gar nichts mit. Er weiß aber auch nicht, wie Jerusalem vor dem Zug war. Auf der Yafo (Jaffa Street) gibt es heute eine recht bunt gemischte Szenerie: Neben den vielen Israelis und den Touristen gehen auch hier abends viele arabische Familien bummeln. Das habe ich so nicht in Erinnerung, wenn ich an meine Zeit vor zwei Jahren denke. Doch heute isst jedermann bei McDonald's - egal welcher Volkszugehörigkeit er oder sie ist. - Das ist das Normalste von der Welt, aber nicht hier, sollte man meinen. Vielleicht ist der interkulturelle Jerusalem Light Rail einer der vielen kleinen Wege zu einem besseren Zusammenleben von Israelis und Arabern in Jerusalem.

Sonntag, 9. Oktober 2011

September in Jerusalem - Abbas und die UN

Seit jenem Freitag im September, als Palästinenserpräsident Abbas ("Abu Mazen") seine Rede vor der UN-Generalversammlung gehalten hat, sind nunmehr über zwei Wochen vergangen. Und es scheint so, als sei die Welt mehr oder weniger zur Tagesordnung zurückgekehrt: Die Human-Rights-Newsletters in meinem Email-Postfach haben seit Langem wieder ein anderes Thema als Palästina und machen nun auf die Opfer der Finanzkrise aufmerksam. In Deutschland weht der Geist irgendeiner Landtagswahl durch die politischen Wetteraussichten. Der Euro liegt in den letzten Zügen.
Wo sind sie hin, Euphorie, Freude, Angst? Es hat unweigerlich der lange Prozess eingesetzt, der die Palästinenser am Ende entweder zu einem eigenständigen Staat macht oder eben zu einem Volk mit Beobachterstatus. Ändern wird sich ohnehin nichts, wird der pessimistische, aber politikerfahrene Leser denken und die letzten 30 Jahre Nahostgeschichte vor seinem inneren Auge Revue passieren lassen.

Ohnehin stach die Palästina-Frage in den letzten Wochen nicht ganz so heraus aus dem Weltgeschehen wie erwartet. Zwei Tage vor der Rede des Palästinenserpräsidenten gab es in New York ein ganz anderes Thema: Libyen. Eine neue Flagge wurde gehisst, die Sieger beglückwünschten sich gegenseitig im Namen der Demokratie. Libyen stellt einen der wenigen positiven Meilensteine dar. Die leidige Palästina-Debatte wurde noch aufgeschoben, man ließ die Sektkorken knallen - während bis heute gekämpft wird.
Zu diesem Zeitpunkt war in Israel und den Palästinensergebieten noch alles ruhig, was sich - wie sich später herausstellen wird - auch nicht ändern sollte. Der Alltag ging seinen gewohnten Gang. Zwar ergriff das israelische Militär die üblichen Sicherheitsmaßnahmen - Männer unter 50 Jahren wurden am Freitag der Abbas-Rede nicht auf den Tempelberg gelassen - doch im Allgemeinen herrschte eine ungewöhnliche Ruhe.


Am Abend des 23. September ging ich durch Ostjerusalem und stieß beim Damaskustor auf ein public viewing. Anstatt eines Fußballspiels zeigte man Al-Jazeera und die Rede des Präsidenten, der in den vergangenen Monaten zunehmend an Beliebtheit gewonnen hatte. Getrübt wurde die Stimmung lediglich durch den Rauch der Straßenstände, die Kebab und Fleischspießchen für die Zuschauer auf dem Grill hatten. Während auf der israelischen Seite der Schabbat begonnen hatte und die wochenendliche Ruhe einkehrte, redete Abbas vor der UNO zu den Völkern der Erde. In jedem Ostjerusalemer Laden liefen die Fernseher. Doch die Menge vor dem Damaskustor war eher überschaubar. Der große Ansturm war ausgeblieben; Plastikstühle standen fein säuberlich in Reihen herum.


Doch die Mehrzahl der Zuschauer bestand eher aus westlichen Reportern und israelischen TV-Journalisten. Die palästinensischen Zuschauer, die hier und da ihrem Präsidenten applaudierten und spontane Sprechchöre anstimmten, waren in der Unterzahl. Dennoch stürzten sich die Reporter auf diese kleine Gruppe, um möglichst authentische Fotomotive zu bekommen.


Authentischere Motive hätten sich wahrscheinlich in Ramallah ergeben, wo zur gleichen Zeit hunderte oder tausende Menschen der Rede von Abbas folgten. In Jerusalem ähnelte die Stimmung eher einem Sportverein, der sich ein Vorrundenspiel der Nationalelf ansieht. Nur gab es, als Abbas geendet hatte, eine kleine Rede, die ein wohl angesehener Ostjerusalemer vor den Zuschauern hielt und der ich aufgrund sprachlicher Schwierigkeiten nur zur Hälfte folgen konnte. Es ging wohl um Jerusalem als Hauptstadt (so viel konnte ich verstehen), und sie rief einen Sturm der Begeisterung und der "Abu Mazen!"-Sprechchöre hervor.

Diese eher unspektakuläre Veranstaltung verließ ich relativ zügig. Kaum fünf Minuten nach dem Ende der Abbas-Rede setzten die Gebetsrufe der Muezzine ein. Ein gutes Timing, sogar aus New York.

Am nächsten Tag besuchten wir Ramallah. Doch auch hier war von den vorabendlichen Feiern nichts mehr zu sehen. Im Grunde war alles wie immer, schätze ich. Seit meinem letzten Besuch im Februar hatten sich nur die Plakate mit dem Gesicht des Präsidenten vermehrt. Das Ansehen von Mahmud Abbas war gestiegen. Als Nachfolger des legendären Palästinenserpräsidenten Jassir Arafat hatte er es anfangs schwer gehabt. Doch die Einigung von Fatah und Hamas sowie das mutige Vorhaben bei der UN hatten ihm Pluspunkte eingebracht. Dieser Trend war deutlich zu spüren.


Beim Grab Arafats waren zu meinem Erstaunen keine Besucher. Es war leer und ruhig. Vor einem halben Jahr hatte vor dem großen Grabstein im Mausoleum noch ein grünes Kunststoffgeflecht des rumänischen Außenministers gelegen. Jetzt war der Platz reserviert für einen kleinen Kranz, gestiftet von Abbas persönlich. Vor dem Areal des Mausoleums steht ein Platz mit Fahnen. Alle Länder der Welt bilden einen Halbkreis um die Flagge des Staates Palästina - zumindest alle, die das Land bisher anerkannt hatten.


















Im Großen und Ganzen gab es in Israel und Palästina keine besonderen Vorkommnisse, die sich mit den bloßen Augen erhaschen lassen würden. Welche langfristigen Wirkungen die Rede von Mahmud Abbas vor der UN-Generalversammlung erzielen wird, bleibt abzuwarten. In drei Monaten - oder in sechs - wird es die ersten Entscheidungen geben. Vorerst bleibt alles beim Alten. Es wäre naiv, etwas anderes zu erwarten. Zu hoffen bleibt nur, dass sich beide Seiten endlich wieder an den Verhandlungstisch setzen und nach so vielen Jahren des Schweigens wieder konstruktive Ergebnisse hervorbringen.

Samstag, 24. September 2011

ISRAEL - Quo vadis? (Buchempfehlung)

Jetzt auch offiziell auf meinem Blog: Eine persönliche Buchempfehlung! Brandaktuell zum Thema Israel und Palästina "ISRAEL - Quo vadis?"


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Revolution: Live am Tahrir-Platz

In den letzten zwei Wochen war ich mit drei Studienkolleginnen und -kollegen im Nahen Osten unterwegs. Unsere erste Station war Kairo. Die Hauptstadt Ägyptens ist mit 20 Millionen Einwohnern zugleich größte Stadt Afrikas und zur Zeit immer noch Schauplatz einer der dramatischsten Umwälzungen der Region. Die Revolution auf dem Tahrir-Platz hat in den vergangenen Monaten viele Sendeminuten der Fernsehstationen gefüllt. Jetzt rückt (neben der Angelegenheit Israel-Palästina) vor allem Syrien in den Mittelpunkt des Interesses. Doch die Revolution in Ägypten ist noch in vollem Gange. Wir hatten hier vor Ort einige Tage lang die Möglichkeit, die Geschehnisse zu verfolgen.

Um die veschiedenen Positionen der Demonstranten unterscheiden zu können, braucht es einig Informationen vorweg, denn die Revolution ist in unterschiedliche Lager unterteilt. Von einer Spaltung zu reden ist zu ungenau, denn im Grunde sind sich die treibenden Parteien einer Meinung: Das Land braucht Veränderung.
Die größenmäßig am bedeutendste Gruppe sind die Liberalen. Sie fordern ein demokratisches und weitestgehend säkularisiertes Ägypten. Neben diesem Lager gibt es noch die Zweifler, die zwar die Revolution befürworten, jedoch sehr zögerlich vorgehen und sich oft in die Stabilität unter Mubarak zurücksehnen. Denn Tatsache ist auch: Im Land herrscht Anarchie. (Deutlich wird das vor allem an den handgemalten Mofa-Nummernschildern.) Diese Anarchie wollen auch die Muslimbrüder bekämpfen. Sie stellen den konservativen Flügel der Revolution dar und fordern einen muslimischen Staat. In der Vergangenheit haben sich die Muslimbrüder gewandelt und sind in der Realität schon lange nicht mehr das Schreckgespenst des Westens. Doch sie sind das eine Extrem der Revolution; das andere Extrem wird durch die Linken vertreten, die für eine vollkommene Säkularisierung des Landes stehen.

Wir haben den Freitagsdemonstrationen beigewohnt, die jede Woche nach dem Freitagsgebet stattfinden. Während der Kreisverkehr auf dem Tahrir-Platz unter der Woche von schnauzbärtigen, sehr jungen Polizisten belagert wird, ist freitags keine Polizei zu sehen. Anlass der heutigen Demonstrationen sind die ständigen Aufschiebungen der Wahlen durch die Armee, die zurzeit das Sagen im Land hat. Die Ägypter wollen weg vom vorübergehenden Militärregime zu einer parlamentarischen Demokratie. In diesen Tagen sieht es jedoch noch nicht sehr gut aus. Es wird eine große Herausforderung sein, die Politik von der Straße in die Parlamente zu bringen.

Die Demonstranten versammeln sich. Es gibt irgendwo eine Bühne; verschiedene Redner treten auf. Von allen Seiten strömen die Demonstrationszüge zum Tahrir-Platz. Die Stimmung ist sehr positiv und ausgelassen. Erstaunlich viele Familien sind unterwegs. Man kommt mit Leuten ins Gespräch, hört sich Meinungen an, wird selbst ausgefragt. Vereinzelt kann man sich die ägyptische Fahne auf den Arm malen lassen, wovon wir (aus Gründen der journalistischen Neutralität) absehen.


Eine wirklich interessante Gruppe bilden die 'Ultras' der zwei größten Fußballvereine. Ihrer Fangesänge passen sich wunderbar in die Revolutionsstimmung ein, verbreiten aber eine gewisse Unruhe. Man sieht den langjährigen Fußballnationaltorhüter Ägyptens inmitten der Menge. Angeblich warnen einige Fußballspieler verhaftet worden, weshalb sich die 'Ultras' in die Demonstrationen eingeschaltet hatten.


Wir essen ein Koshary (Nudeln, Linsen und Tomatensauce) und machen Pause. Gegen Abend geht es dann wieder in Richtung Tahrir-Platz, wo die Stimmung immer noch nicht an Dynamik verloren hat. Für uns als 'westliche Beobachter' gab es dann auch die erste Schrecksekunde: Auf einmal rennen alle Leute los. Man bildet sich in einer solchen Situation automatisch ein, Gewehrschüsse zu hören. Dem war jedoch nicht so. Einige Kinder waren umhergerannt und hatten die (auch nur sehr kurze) Panik ausgelöst. Es wird aber deutlich: Die Nerven liegen hier noch immer blank. Bis vor einigen Monaten sind an dieser Stelle Menschen gestorben.


Man trifft die verschiedensten Menschen. Mustafa und ein anderer Ägypter aus Alexandria kaufen uns gegen den Schrecken eine Pepsi. Ich unterhalte mich mit einem Blogger aus dem Norden, dessen Seite auf Facebook angeblich 60.000 Leser hat. Später begegnen uns noch zwei Geschwister aus Dubai. Das Mädchen ist gerade zwölf Jahre alt, hat aber schon das Talent für eine eigene Show. Sie filmt uns mit ihrer Kamera und stellt interessante Fragen.

Eine weitere Wendung nimmt der Abend, als wir schon lange auf der Dachterasse eines Hotels in Downtown sitzen und unser ägyptisches Stella-Bier genießen. Im Fernsehen sieht man, wie die israelische Botschaft in Flammen aufgeht. Die Hintergründe hierzu sind nicht ganz so eindeutig. In westlichen Medien wird berichtet, dass sich der Frust über den Tod von sechs ägyptischen Soldaten an der Grenze zu Israel nun entladen hätte. Vor einigen Wochen waren (ägyptische) Terroristen nach Israel eingedrungen und haten acht Menschen getötet. Bei der Verfolgung kamen die Grenzsoldaten ins Kreuzfeuer.
Doch das war nicht der einzige Grund für die Ausschreitungen.
Die Armee, die gerade das Sagen hat, hatte die israelische Botschaft - die sich ohnehin so unscheinbar wie möglich in einem Wohnhaus befindet - mit einer Betonmauer umgeben. Als Begründung hatte die Armeeführung natürlich die Sicherheit der israelischen Diplomaten angegeben. In Wirklichkeit war diese Aktion jedoch die erste Provokation in einer Reihe von Vorkommnissen: Die Armee wusste, dass die Menschen die Mauer nicht akzeptieren würden. Erstens, weil sie die israelische Botschaft schützen sollte, und zweitens, - viel wichtiger - weil es sich um einen Alleingang der Militärführung handelte. Eine Machtdemonstration. Die Menschen akzeptieren so etwas nicht mehr. Deshalb zogen sie mit Hammer und Meißel zur israelischen Botschaft. Und sie spielten der Armee damit genau in die Hände, die jetzt behaupten konnte, die Armee sei in ihrer Machtposition unverzichtbar für die Stabilität des Landes.
Natürlich darf man trotz dieser Erklärung nicht vergessen, wie tief der Hass gegen Israel bei manchen Ägyptern sitzt. Es gehört einiges dazu, eine Botschaft anzuzünden und Diplomaten über Nacht zur Flucht aus dem Land zu treiben.

Die Woche in Kairo war hochinteressant und informativ. Eine ganz andere Welt, wie wir es aus Europa kennen. Abgase, keine Mülltrennung. Menschen, die unter Brücken wohnen. Abendliche Nilkreuzfahrten für Touristen, die für wenig Geld gutes Essen und Bauchtanz genießen können. Angebliche Tourist Guides, die einem für Extratouren das Geld aus der Tasche ziehen. Doch auch der allgegenwärtige Ruf des Muezzins gehört zu Kairo ebenso wie die Flecken auf den Stirnen der alten Männer - Narben vom fünfmaligen Gebet, bei dem der Kopf den Boden berührt. Fromme Muslime, westlich orientierte Studenten, komplizierte Taxifahrer - sie bilden die Seele einer faszinierenden Stadt. Und alles wird bedeckt vom Smog der Generationen von ostasiatischen Kleinwagen. Kairo ist einen Besuch wert.



Sonntag, 31. Juli 2011

Erwin Teufel zur Lage der CDU und der deutschen Politik

Heute Morgen las ich in der Sonntagsausgabe der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) einen interessanten Artikel des ehemaligen baden-württembergischen Ministerpräsidenten Erwin Teufel. Er basierte auf einer Rede des CDU-Politikers vor der Seniorenunion. "Wo auch sonst?", schreibt die FAZ im Untertitel. "Auf CDU-Parteitagen spricht so seit Jahren niemand mehr."
Der Artikel bietet einen Blick auf die aktuelle Situation der CDU und die soziale Lage der Bundesbürger, sowie ein breites Spektrum an Themen, von Europa- bis zu Bildungspolitik. Hier einige Ausschnitte.


Die Lage der CDU

"Die Lage [der CDU/CSU] ist ernst, wie jeder aus vielen Gesprächen weiß. Wir haben eine Landtagswahl nach der anderen verloren. Wir sind in Umfragen jüngsten Datums auf Bundesebene bei 34,5 Prozent. Wer es mit unserer Partei gut meint, folgt nicht blind jedem Kurs und jedem Kurswechsel, sondern bildet sich ein eigenes Urteil. Er hört auf die Bürger und Fachleute. Er betrachtet die Wirklichkeit und nutzt seine Lebenserfahrung und sein Urteilsvermögen für Analysen und Orientierungen. Nur damit ist der Union gedient."

"Die Union bleibt nur mehrheitsfähig, wenn sie für Christen, für Konservative, für Liberale und für suchende und offene junge Menschen wählbar bleibt. Wir hatten noch nie eine so offene junge Generation bar jeder Ideologie wie die heutige an der Oberstufe unserer Gymnasien und an unseren Universitäten. Die hören zu! Die überlassen das Feld der Diskussion nicht mehr einigen Ideologen, sondern die sind bereit, auch andere Meinungen zu übernehmen, die sie für glaubwürdig halten. Wir müssen ihnen zuhören und ihre Fragen beantworten."

"Kurzum: die CDU liegt derzeit weit unter ihren Möglichkeiten. Die CDU sollte deshalb ihre Stammwählerschaft wieder zu Anhängern machen durch eine weitsichtige, berechenbare, vertrauenswürdige, wirklichkeitsnahe und werteorientierte Politik. Die CDU sollte ihre potentiellen Möglichkeiten nicht selbst kleinreden, sie sollte nicht den Rückgang der Bindung der Menschen an den christlichen Glauben beklagen und damit fehlende Stimmen begründen, sondern ihre Politik ausrichten am Schicksal der Menschen."

"Dahin müssen wir auf Bundesebene und Landesebene wieder kommen: dass wir in den Augen der Bürger wieder die Partei der einfachen Leute, die große Volkspartei der Mitte, sind. Die einfachen Leute sind immer in der Mehrheit. Und die CDU braucht sich um Mehrheiten nicht zu sorgen, wenn sie die Partei der einfachen Leute ist."


Wirtschaft

"Ich meine, eine [...] Steuerstrukturreform muss Vorrang haben vor jeder Steuerentlastung. Vor kurzem hat Professor Kirchhof ein solches Buch herausgegeben. Das ist durchdacht, das ist nicht in allgemeinen Leitlinien formuliert, sondern paragraphenscharf und in Verordnungen. Das könnte übernommen und realisiert werden. Die letzte wirkliche Strukturreform hat es unter dem Reichsfinanzminister Matthias Erzberger in der Weimarer Republik gegeben."

"Ich glaube, die Menschen müssen spüren, dass Wirtschaft kein Selbstzweck ist, sondern von Menschen für Menschen gemacht wird. Noch heute bekomme ich Briefe von jungen Akademikerinnen und Akademikern, die ein Praktikum nach dem anderen machen und keine feste Anstellung haben, und ich lese jeden Tag, wir müssen Fachleute importieren aus anderen Ländern. Nein, wir müssen zuerst unseren eigenen jungen Leuten Beschäftigungschancen ermöglichen. Unsere Wirtschaft muss den Frauen gleichwertige und gleich bezahlte Beschäftigungschancen bieten. Ich kann es nicht für gerecht halten, dass eine Frau 30 Prozent weniger verdient, wenn sie die exakt gleiche Arbeit tut wie ein Mann."

"Unsere Wirtschaftspolitik muss Arbeitslose und Hartz-IV-Empfänger in Arbeit bringen. Arbeit muss sich lohnen, und wer nicht arbeitet, darf nicht genauso gestellt werden wie ein Arbeiter."


Das "C"

"Die CDU ist kein verlängerter Arm der Kirchen. Wir bejahen aus Überzeugung die Trennung von Kirche und Staat, weil beide ganz unterschiedliche Aufgaben haben. Aber wir sind für eine gute Zusammenarbeit mit den Kirchen in allen Bereichen, in denen es für die Menschen gut ist. Wir bejahen einen Weltauftrag der Christen, Nächstenliebe und Solidarität für Arme und Randgruppen im eigenen Land und weltweit. Wir orientieren uns an der Wirklichkeit, am Gemeinwohl, an den Grundrechten des Menschen und den Grundwerten des Christentums. Die CDU hat nur zwei Möglichkeiten, aber nicht drei. Die CDU kann sich in Zukunft am "C" orientieren, oder sie kann das "C" aufgeben, aber es gibt keinen dritten Weg. Sie darf nicht das "C" im Schilde führen, wenn sie sich nicht an ihm orientiert."


Familienpolitik

"Und das alles nennen wir Erziehungs-"Urlaub"! Aber es ist Erziehungsarbeit und sollte auch vergütet werden. Familien mit einem Normaleinkommen und mehreren Kindern geraten heute in Deutschland an den Rand des Existenzminimums. Es geht bei ihnen am Ende des Monats null auf null auf. Und für den außergewöhnlichen Fall ist überhaupt keine Reserve vorhanden. Und der außergewöhnliche Fall ist bereits, wenn die Waschmaschine kaputtgeht und ersetzt werden muss, der außergewöhnliche Fall ist, wenn zwei Kinder gleichzeitig in ein Schullandheim gehen müssen und man muss zwei-, dreihundert Euro auf den Tisch legen und die müssen sie mitbringen in die Schule.
Man muss sich mal wirklich hineindenken in die Situation dieser Familien. Sie sind auch besonders betroffen von der Steigerung der Nahrungsmittelpreise, von der Erhöhung der Mehrwertsteuer, von der geplanten starken Erhöhung der Strompreise.
In der Familienpolitik muss sich das "C" zeigen: Das Wohl des Kindes muss Vorrang haben vor den Interessen der Wirtschaft.
[...]
Heute hat die CDU ein Elterngeld geschaffen. Es wird aber nur noch ein Jahr gewährt und ist an das letzte Nettoeinkommen gekoppelt. Eine Mutter, die als Kassiererin im Supermarkt arbeitet, erhält also etwa 600 Euro im Monat, eine Bankkauffrau 1200 Euro und eine Akademikerin 1800 Euro. Mütter mit dem geringsten Einkommen erhalten den niedrigsten Betrag. Das ist die größte Ungerechtigkeit, die man sich denken kann."


Bildung

Das dreigliedrige Schulsystem, das Begabung erkennt und Leistung fördert, hat über viele Jahre eindeutig bessere Ergebnisse erbracht als die integrierte Gesamtschule. Die Hauptschule - warum sagt das niemand?! - muss in Einheit mit der Berufsschule gesehen werden. Ich hätte überhaupt nicht die moralische Kompetenz, einem jungen Menschen mit zehn Jahren und seinen Eltern nach der Grundschule zu sagen: "Sie geben vernünftigerweise Ihr Kind lieber in die Hauptschule", wenn das die Entscheidung fürs Leben wäre. Aber ein Hauptschüler, der hat die Möglichkeit, nach der Hauptschule an einer zweijährigen Berufsfachschule auf seine Begabung bezogen zur mittleren Reife zu kommen. Er hat die Möglichkeit, zu einem beruflichen Abitur zu kommen. Bei uns kommen schon fast so viele Abiturienten auf diesem zweiten Weg zur Studienberechtigung wie aus dem allgemeinbildenden Gymnasium. Auch Meisterprüfungen müssen als Hochschulzugang gewertet werden. Wir brauchen ein offenes und differenziertes Hochschulsystem.
Ich lese, jetzt wird sich der Bundesparteitag mit der Hauptschule und der Auflösung der Hauptschule beschäftigen. Wissen Sie, ich frage mich auch, wofür wir in der Verfassung stehen haben, dass die Länder für die Schulen zuständig sind, warum wir vor fünf Jahren eine Föderalismusreform gemacht haben und in dieser Föderalismusreform alle Zuständigkeiten, die der Bund im Lauf von 40 Jahren an sich gezogen hatte in der Bildungspolitik, wieder zurückgegeben haben an die Länder. Und jetzt beschließt ein Bundesgremium der Partei, wie unsere Bildungspolitik in den Ländern aussehen soll."


Angst

"Angst ist heute ein vorrangiges Merkmal der Deutschen in den Augen der Welt. "German Angst" ist in die englische Sprache eingegangen. Wir brauchen deshalb, meine ich, vorrangig einen Ausstieg aus der Angst in unserem Land. Angst ist ein schlechter Ratgeber. Bei einem der großen deutschen lebenden Theologen, er ist jetzt 93, Eugen Biser in München, habe ich den Satz gelesen: "Der Gegensatz zum Glauben ist nicht der Unglaube, sondern die Angst." Und ich frage mich: Haben wir deshalb so große Ängste, mehr als in jedem anderen Land, weil bei uns der Glaube verdunstet und vielen von uns keinen Halt mehr gibt?"


Alter, Rente und Armut

"Wenn in unserem Land durch ein beispielhaft gutes Gesundheitswesen die Menschen länger leben als alle ihre Vorfahren, wird es nicht zu vermeiden sein, dass wir das Renteneintrittsalter heraufsetzen. Aber die Lebenserfahrung, dass Menschen an der Schwelle des Rentenalters ganz unterschiedlich sind, sollte zu einer viel größeren Flexibilität führen. Mancher erreicht mit 60 kaum das Ufer. Ein anderer ist mit 65 und höher noch voll arbeitsfähig und will auch länger arbeiten. Ein starres Renteneintrittsalter wird dem nicht gerecht. Selbstverständlich muss einer, der länger arbeitet, auch eine höhere Rente bekommen als einer, der weniger lange im Arbeitsprozess ist.
Es gibt in unserem Land eine ganz neue Form von Armut. Ich hab sie vor vielen Jahren definiert gelesen, zum ersten Mal bei einem französischen Arbeiterpriester, nämlich bei Jacques Loew. Er schreibt: "Arm ist der, dem niemand zuhört." Mehr als die Hälfte der Haushalte in den deutschen Großstädten sind heute Einpersonenhaushalte. Da sind natürlich junge Menschen dabei, die gerne für ein paar Jahre eine sturmfreie Bude haben. Aber da sind auch unglaublich viele ältere Menschen dabei, die allein sind und vereinsamen. Sie haben das Existenzminimum, aber sie haben niemanden, der ihnen zuhört."


Europa, Vertrauen und Finanzen

"Die Ursache für den Europa-Frust sind heute die überzogene Bürokratie in Brüssel und, jüngsten Datums, die Unsicherheit über die Zahlungsfähigkeit von Euro-Ländern und über die Wirksamkeit der Hilfen in Milliardenhöhe. [...] Wir müssen Europa von den Menschen her denken und von unten nach oben aufbauen. Das heißt, wir müssen Europa vom Kopf auf die Füße stellen."

"Wenn Staats- und Regierungschefs in einer Nacht wesentliche Stabilitätskriterien wegputzen, die in Verträgen festgehalten, also geltendes Recht sind, geht Vertrauen verloren. Vom Bürger erwartet man, dass er sich an Normen, an Recht und Gesetz, an Verträge hält - und Staats- und Regierungschefs tun es nicht."

"Ich würde keinem Politiker vertrauen, der sich nicht an Recht und Gesetz, nicht an die Verfassung hält. Denn keiner von uns steht über dem Recht. Das ist das Wesen des Rechtsstaats."


(Erwin Teufel war 1991 bis 2005 Ministerpräsident von baden-Württemberg.)


(Quelle: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, Nr. 30 D am 31.07.2011)