[Dieser Beitrag entstand als Reaktion auf die vielen Stimmen, die ihr Fähnchen gerne nach dem Wind hängen. Als eine "Reaktion" sollte er deshalb auch gelesen werden, Thorschten vertritt darüber hinaus grundsätzlich nämlich pazifistische Positionen.]
Vor fast genau einem Jahr gab Kofi Annan sein Mandat als Syrien-Sondergesandter der Vereinten Nationen auf. Sein Nachfolger Brahimi hat bisher keine nennenswerten Fortschritte erreicht, eine politische Lösung des Konflikts bleibt weiterhin in unüberwindbarer Ferne. Irgendwann kamen dann zum ersten Mal chemische Waffen zum Einsatz und US-Präsident Obama in die erste moralische Zwickmühle: Er hatte zuvor die sagenumwobene „rote Linie“ gezogen und konnte sie nun nicht verteidigen. Das Gespött war ebenso groß wie die Hilferufe aus Syrien. Obama hatte angekündigt, einzugreifen – und tat es nicht. Der Westen würde seine Werte immer weiter verraten, hieß es. Dann gab es zum zweiten Mal die Meldung über Chemiewaffeneinsätze. Und dieses Mal mobilisierten die USA ihre Flugzeugträger. Der nächste Aufschrei erfolgte: Die USA dürfen sich auf keinen Fall einmischen! Bomben sind keine Lösung! Der imperialistische Westen greift wieder um sich und will ein Land ins Chaos stürzen. Ein brauner Wolf im roten Schafspelz, der Publizist Elsässer, will sogar eine Abschussprämie zahlen, für vom Himmel geholte NATO-Flugzeuge. Und er bekommt virtuellen Beifall. Elsässer schreibt über die „tapferen Soldaten an der Flak, die ihre Heimat verteidigen“. Plötzlich ist von den USA, Großbritannien und Frankreich als kriegstreibende Aggressoren die Rede. – Wir haben wieder einmal einen Sündenbock gefunden für das Syrien-Desaster, das seit über zwei Jahren in vollem Gange ist: Uns selbst. Es läuft immer auf dasselbe hinaus. Auch der angesehene Nahost-Spezialist Jürgen Todenhöfer sagte (schon im Mai): „Jetzt hat der Westen in Syrien wieder einmal ein politisches Chaos angerichtet.“
Vor fast genau einem Jahr gab Kofi Annan sein Mandat als Syrien-Sondergesandter der Vereinten Nationen auf. Sein Nachfolger Brahimi hat bisher keine nennenswerten Fortschritte erreicht, eine politische Lösung des Konflikts bleibt weiterhin in unüberwindbarer Ferne. Irgendwann kamen dann zum ersten Mal chemische Waffen zum Einsatz und US-Präsident Obama in die erste moralische Zwickmühle: Er hatte zuvor die sagenumwobene „rote Linie“ gezogen und konnte sie nun nicht verteidigen. Das Gespött war ebenso groß wie die Hilferufe aus Syrien. Obama hatte angekündigt, einzugreifen – und tat es nicht. Der Westen würde seine Werte immer weiter verraten, hieß es. Dann gab es zum zweiten Mal die Meldung über Chemiewaffeneinsätze. Und dieses Mal mobilisierten die USA ihre Flugzeugträger. Der nächste Aufschrei erfolgte: Die USA dürfen sich auf keinen Fall einmischen! Bomben sind keine Lösung! Der imperialistische Westen greift wieder um sich und will ein Land ins Chaos stürzen. Ein brauner Wolf im roten Schafspelz, der Publizist Elsässer, will sogar eine Abschussprämie zahlen, für vom Himmel geholte NATO-Flugzeuge. Und er bekommt virtuellen Beifall. Elsässer schreibt über die „tapferen Soldaten an der Flak, die ihre Heimat verteidigen“. Plötzlich ist von den USA, Großbritannien und Frankreich als kriegstreibende Aggressoren die Rede. – Wir haben wieder einmal einen Sündenbock gefunden für das Syrien-Desaster, das seit über zwei Jahren in vollem Gange ist: Uns selbst. Es läuft immer auf dasselbe hinaus. Auch der angesehene Nahost-Spezialist Jürgen Todenhöfer sagte (schon im Mai): „Jetzt hat der Westen in Syrien wieder einmal ein politisches Chaos angerichtet.“
Liebe
Leute, entscheidet euch! War euch die zynische Haltung von Sarah Palin („Let
Allah sort it out!“) etwa lieber? Wer mich kennt weiß, dass ich eine
Bevormundung arabischer Staaten durch den Westen nicht gutheiße, dass ich
militärische Einmischungen à la Kreuzzug („Wir bringen den Arabern Zivilisation
und Christentum“) entschieden ablehne und in die Zeit des Kolonialismus
verordne. Aber wie lange soll man dem Schlachten noch tatenlos zusehen? Man hat
Zurückhaltung geübt in Tunesien und vor allem im demografischen Zentrum des
Nahen Ostens, in Ägypten. Man hat Gaddafi in Libyen aus dem Amt gebombt und
Unordnung hinterlassen, na gut. Aber man hat die Rebellen höchstens aus der
Luft unterstützt und ansonsten den Dingen (zu Land) ihren Lauf gelassen. Soll
sich der Westen aus dem Syrien-Konflikt heraushalten? Das wäre scharf zu
verurteilen. Doch für eine politische Lösung ist es doch längst zu spät. Und
sagt nicht, dass „der Westen“ Verhandlungen blockiert hätte. Will sich denn
Assad an einen Tisch setzen mit „Terroristen“ und „ausländischen Agenten“, die
er von Anfang an für den Ausbruch der Demonstrationen und Aufstände
verantwortlich gemacht hat? Assad sitzt stattdessen in seinem Bunker, schart
Hisbollah-Milizen und iranische Religionswächter um sich und hat jeglichen Sinn
für die Realität verloren. Ist so jemand noch ein ernstzunehmender
Verhandlungspartner? Dennoch wird er von einigen Publizisten wie Herrn
Todenhöfer – den ich als erfahrenen Kenner der Region eigentlich sehr schätze –
immer noch gedeckt. Hat bald jeder lupenreine Demokrat dieser Welt einen
deutschen Fürsprecher?
Es
ist egal, ob Assad, sein Militärchef, ein Unteroffizier oder gar die Rebellen
selbst Giftgas gestreut haben – die Welt muss endlich etwas tun. Und auch wer
sich als Pazifist bezeichnet, sollte sich nicht aus Gegnerschaft zu
islamistischen Rebellen auf die Seite eines skrupellosen Diktators stellen.
„Greifen
Sie Syrien nicht an!“, fordert Jürgen Todenhöfer auf seiner Facebook-Seite den
US-Präsidenten Obama auf. Doch wer will denn „Syrien“ als solches attackieren?
Wird denn „Syrien“ im Weltsicherheitsrat von China und Russland gedeckt oder
vielmehr das Regime? Die westliche Öffentlichkeit sollte überdenken, ob die
Problematik Syriens wirklich mit der des Irak 2003 vergleichbar ist. Im Irak
gab es keine Demonstrationen gegen Saddam Hussein, es gab keinen Bürgerkrieg.
Und es gab nachweislich keine Massenvernichtungswaffen. In Bosnien hingegen gab
es – wie in Syrien – Kriege und Regierungstruppen, die ein zerfallendes
Jugoslawien zusammenhalten wollten. Weder NATO noch UN-Blauhelme konnten damals
Massenmorde (aller Beteiligten) verhindern, genauso wenig wie sie es heute in
Syrien können. Doch letztendlich hat man versucht, dem Gemetzel Einhalt zu
gebieten, auch mit militärischen Mitteln, und hat so eine Serie von bewaffneten
Konflikten eingedämmt. Das alles hat weniger Jahre in Anspruch genommen wie der
letztlich erfolglose Einsatz im Irak. Heute ist der Balkan befriedet. Wieso
sollte das – gut überlegt und planvoll – nicht auch in Syrien klappen? Eine
militärische Intervention wird nicht ohne zivile Opfer auskommen, doch wird
denn etwa jetzt gerade, in diesen Sekunden, das Sterben von Zivilisten
verhindert? Nein! Die Opferzahlen haben die Marke von 100.000 bereits weit
überschritten und steigen von Tag zu Tag. Auch ohne US-Marschflugkörper. Da ist
gar keine „rote Linie“ mehr nötig, denn allein der gesunde Menschenverstand
schreit nach dem Eingreifen.
Bin
ich jetzt ein kriegstreibendes Medium? Das muss jeder selbst beurteilen.
Natürlich wünsche ich mir für alle Aktionen ein UN-Mandat, keine Frage. Doch
ich bin auch dafür, dass etwas geschieht, so schnell wie möglich.
Egal
was „der Westen“ in den nächsten Tagen, Wochen und Monaten tun wird – am Ende
hat er es entweder falsch oder viel zu spät getan.
Nur
irgendetwas sollte getan werden, denn danach werden wir uns nicht m e h r
hassen als wir es ohnehin jetzt schon tun.
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An
dieser Stelle möchte ich noch für eine Organisation werben, die schon jetzt
wichtige Arbeit leistet und auch in der Zeit danach (denn egal wie, es wird
eine Zeit danach geben) von enormer Wichtigkeit für die Menschen sein wird. Die
Organisation Relief & Reconciliation for Syria hat motivierte, weitsichtige
Aktivisten aus den verschiedensten Bereichen in ihren Reihen, von denen viele
schon Erfahrungen auf den Trümmern der Jugoslawien-Kriege gesammelt haben und
sich für sinnvolle Versöhnungsarbeit in Syrien einsetzen.
"Kritik" kann man das schon gar nicht mehr nennen. "blame the West" ist nichts als ein ideologischer Reflex. Man sieht das hier deutlich wie selten: Wenn die USA nichts unternehmen, sind sie verantwortungslose, skrupellose Realisten. Reden sie von chemischen WMDs, ist das eine Verschwörung (false flag!) oder mindestens eine finstere Lüge zwecks Kriegstreiberei. Greifen sie ein, sind sie rückwirkend an allem Schuld, was in der Region passiert, inklusive djihadistischem Terror. Wie man es dreht und wendet, die Gut-Böse-Verteilung stimmt immer mit der anti-Westlichen/anti-Amerikanischen Weltsicht überein. So funktioniert Ideologie.
AntwortenLöschenUm dieser Haltung zu begegnen, muss man traurigerweise gar nicht zu Extremisten wie Elsässer schauen. Da kann ich auch einfach meine bevorzugte deutsche Wochenzeitung aufschlagen oder mich mit ein paar meiner Politik-Kommilitonen unterhalten. Es ist eine Ideologie, die in Dland viele als ein Zeichen von Bildung und "kritischer Haltung" ansehen. :-\