Den ersten Teil meiner quasi mehrmonatigen Expedition
durch Sachsen bildete vor ein paar Wochen ein Ausflug in das Städtchen Torgau, etwa
50 Kilometer nordöstlich von Leipzig. Der Bahnhof empfängt mich wie jeder
andere mehr oder weniger ländliche Bahnhof auch: trostlos und in bahnhöflicher
Nostalgie. Und genau das gefällt mir immer wieder.
Ein kurzer Regenschauer treibt die Leute
unter das Vordach der winzigen Wartehalle, wo man sich ein Schnitzel im
Brötchen bestellen kann, frisch aus der Tiefkühltruhe und ab in die Pfanne.
Über eine Allee geht es in Richtung Stadt. An
diesem Ostermontag ist nicht viel los. Gleich am Ortseingang liegt der
sowjetische Soldatenfriedhof aus dem Zweiten Weltkrieg.
Kaum jemand ist unterwegs. Die Kopfsteinpflasterstraßen
sind mehr oder weniger leer. Ein älterer Herr mit Sakko schlendert durch die
Gegend und fühlt sich von mir beobachtet.
Ich gehe in die Touristeninformation und hole
mir ein bisschen Literatur. Torgau und Luther. Torgau und die sächsischen
Burgen. Torgau und das DDR-Jugendumerziehungslager. Hier kann man auf den
Spuren der Geschichte wandeln. Es gibt immer irgendwo ein Haus, in dem Luther mit
Melanchthon über seine Thesen diskutiert hat.
Meine Kamera macht sich daran, noch ein wenig
Architektur einzufangen. Schloss Hartenfels, in dessen Burggraben sich zur
richtigen Zeit Braunbären zeigen.
Die spätgotische Marienkirche, in der Luthers
Ehefrau und Witwe Katharina von Bora begraben liegt.
Das slawische Wort torgov, von dem sich der
Name der Stadt ableitet, bedeutet so viel wie „Marktort“. Torgau hat eine
bewegte Geschichte, geprägt von neuzeitlichen Kriegen, Reformation und Hexenverbrennungen.
Die meisten, denen die Stadt ein Begriff ist, kennen sie jedoch aus den
hinteren Kapiteln der Geschichtsbücher: An der Elbe bei Torgau trafen 1945 die
Sowjets und die Amerikaner zusammen, auf ihrem Weg durch Deutschland.
Der Elbe Day erinnert an den 25. April 1945,
an dem sich Soldaten zweier gegensätzlicher und doch verbündeter Staaten gegenüberstanden.
Der genaue Ort des Zusammentreffens befindet sich eigentlich 30 Kilometer
flussaufwärts, bei Strehla. Das Denkmal hat man jedoch hier gesetzt.
Der Text zeugt davon, dass sich Torgau nach
dem Zweiten Weltkrieg auf der anderen Seite der innerdeutschen und innereuropäischen
Grenze wiederfand:
„Ruhm und Ehre der siegreichen Roten Armee und
den heldenmütigen Truppen unserer Verbündeten die den Sieg über das
faschistische Deutschland erkämpft haben.“ Und darunter auch auf Englisch: „Glory
to the victorious Red Army…“
Der Fluss selbst, die Elbe, bietet allerdings
kein sonderlich majestätisches Bild. Das etwas verschlafene Städtchen Torgau war
seinen Besuch jedoch wert.
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