Freitag, 31. Dezember 2010

Der Ultimative Jahresrückblick 2010

(Endjahrsansprache)

Das Ende eines Jahrzehnts voller weltbewegender Ereignisse und Veränderungen. Das 21. Jahrhundert begann eigentlich erst mit den Terroranschlägen des 11. September 2001 in New York und Washington. Seitdem dreht sich die Weltpolitik um Terrorbekämpfung und Neuordnung der Machtverhältnisse. Es wurden Kriege geführt, einige von ihnen bis heute: Afghanistan und der Irak haben einen großen Teil der Außenpolitik der gesamten westlichen Welt bestimmt. Die Neuordnung der Macht brachte kaum Neues, aber den Versuch, Ordnung zu schaffen. Und zwar die klassische, wohlbekannte. Die Machtsicherung der USA ergreift die ganze Welt. Die Verhältnisse erinnern an die Zeitend es Kalten Kriegs, nur dass Russland zu einem Gegner geworden ist, der nur noch als Ehrenvorsitzender der Gegenseite agiert. In Russland sieht man schon lange keinen Feind mehr. Vielmehr sind im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts andere aus dem Schatten getreten. Der Iran bemüht sich um Atomwaffen und stellt damit die vorerst größte Bedrohung für Israel und die USA dar. Nordkorea hat als klassisches Feindbild zwar noch nicht ganz ausgedient, steht in diesen Tagen jedoch so nahe am totalen Zusammenbruch wie nie zuvor. China ist als wirtschaftliche Weltmacht nun vollends etabliert und lässt die Welt den Atem anhalten - die CO2-Emissionen sind einfach zu stark. Die Welt erstickt an Chinas Abgasen und sieht mit Sorge darauf, dass das "Reich der Mitte" die Weltwirtschaft in der Hand hat. Nun begann man zu reagieren. Vor allem 2010 tat sich etwas. Kurzum verlieh man dem chinesischen Bürgerrechtler Liu Xiabao den Friedensnobelpreis. Diese Handlung war an sich ja mehr als lobenswert, doch es stellt sich die Frage, wer denn tatsächlich lenkt, wann das Komittee in Oslo wem einen Preis verleiht. Denn auch hier geht es um höhere Interessen - um Politik und Wirtschaft. Eine schwere Anschuldigung. Doch der Nobelpreis hat seine Glaubwürdigkeit schon verloren, als man Barack Obama auszeichnete, obwohl dieser noch nichts ehrenwertes getan hatte außer als Schwarzer die Wahl zum US-Präsidenten zu gewinnen. War das des Friedensnobelpreises würdig?
Das Jahr 2010 stellt den Höhepunkt des Beginns des neuen Jahrtausends dar. Es wurde auch dieses Jahr wieder deutlich, wie sich die Zukunft gestalten wird. Die Welt hat sich in den letzten 10 Jahren gewandelt - und das nicht unbedingt immer zum Guten. Zwar ist auch viel Positives zu verzeichnen - man bedenke die neuen Abrüstungsvertäge zwischen den USA und Russland, die vor Kurzem geschlossen wurden, oder die Weltklimakonferenz in Cancún, wo man über die weitere Vorgehensweise zur Erhaltung unseres Planeten beriet - doch gerade 2010 ist ein Jahr des ersten Fazits. Das Fazit über den ersten Abschnitt des neuen Jahrtausends. Es stellt sich die Frage: Wo stehen wir heute?
Ja, wo stehen wir? Die EU steht vor ihrer ersten Krise. Der Euro ist nicht mehr so stabil wie er sein sollte. Die ersten Nostalgiker sehnen sich schon wieder nach der guten alten D-Mark. Währenddessen wird in Ungarn die Pressefreiheit von staatlicher Seite beschnitten. Zeitgleich regiert in Italien ein Diktator, der im Parlament keine Mehrheit zustande bringt und der den russischen Präsidenten Putin für dessen "Macho-Stil und autoritärer Art" bewundert (Quelle: WikiLeaks). Die Türkei hat sich unterdessen von ihrem dringenden EU-Beitritt distanziert, so meint man, und behauptet ihre Macht im Nahen Osten. Ein neuer Versuch zu Friedensverhandlungen im Nahen Osten ist gescheitert. Anderes war auch nicht zu erwarten.
Die Dinge sind im Wandel. Die Politik spielt verrückt. Und der unsichtbare Gegenspieler namens Al-Qaida experimentiert mit Paketbomben und kundschaftet die Luftpost-Routen zwischen den USA und dem Jemen aus. Doch nach einem Jahrzehnt der Terrorangst sind die einen abgehärtet, während die anderen überreagieren. Und aus ihrer Mitte kommt ein Mann namens Sarrazin. Dieser Mann stammt von französischen Hugenotten ab und trägt einen Namen, der übersetzt in etwa "der Sarazene" (= "der Araber") bedeutet. Dieser Mann jongliert gern mit verdrehten Zahlen und Fakten und wühlte die deutsche Gesellschaft auf. In diesem Jahr kam eine neue Integrationsdebatte auf, die kurz und hart diskutiert wurde, und mit der Zeit wieder in Vergessenheit gerät. Der einzige Profiteur der ganzen Angelegenheit ist Thilo Sarrazin selbst. Sein Buch verkaufte sich 1,25 Millionen Mal und machte den Schreiberling so zu einem Multimillionär - was er ja davor auch schon war.
Deutschland steckt inmitten einer Masse aus Problemen, die uns alle nichts anzugehen scheinen. Aus dem Irak-Krieg hielten wir uns vornehm heraus - was auch gut so war - und in Afghanistan haben wir unseren Job auch so gut wie erledigt, obwohl dort noch lange kein Frieden herrscht. Finanzkrise, Eurosturz - Deutschland muss wieder einmal zahlen und weiß nicht warum. Dabei haben uns Leute wie Sarrazin ganz deutlich aufgezeigt, dass wir eigene Probleme haben - was und wo diese Probleme tatsächlich sind, wurde während der ganzen Diskussion nicht eindeutig ersichtlich.
Da kam es nur Recht, dass für das Jahresende wieder einmal eine Terrorwarnung herausgegeben wurde. Das Volk freut sich ja über gelegentliche Zerstreuung, und der Staat sowieso. Passiert ist bis heute nichts, zumindest nicht in Deutschland. Dieses Glück hatten andere Länder nicht. Seit dem 11. September - und vor allem nach Madrid 2004 und London 2005 - wissen wir, dass eine Gefahr da ist. Doch was soll man dagegen tun? Während sich die Politik noch um solche Probleme kümmert, rauchen die Hirne der anderen Problemfaktoren, die Europa ja auch noch hat. Heimische Arten wie z.B. die RAF der letzten Jahrzehnte sind lange vergessen. Es war an der Zeit, sich wieder zu melden. Und das taten die linksextremistischen Strömungen zu allererst in Griechenland: Paketbomben an verschiedene Botschaften. Bis ins Kanzleramt reichte die Druckwelle. In Italien folgten die nächsten Schläge; dieses Mal musste die Schweizer Botschaft herhalten. Da fiel es gar nicht weiter auf, dass in Schweden eine Bombe hochging und dass bei der Jyllands-Posten (Mohammed-Karikaturen 2005) ein Massaker geplant war. Soll das etwa der neue Alltag des nächsten Jahrzehnts werden? Das ließe sich nur schwer akzeptieren.
Ach ja, und die größte Veränderung des 21. Jahrhunderts - zumindest für uns Deutsche - fand auch erst in diesem Jahr statt. Und alles lässt sich in unserem (Un)Wort des Jahres ausdrücken: Die Deutschen sind zu "Wutbürgern" geworden. Der kleine Mann fordert sein Recht ein. Man demonstriert. Nicht etwa montags gegen die DDR oder ähnliches, nein. Man demonstriert gegen Stuttgart 21 und gegen Castortransporte. Man will sich ab jetzt nicht mehr mit Entscheidungen der Regierung abfinden - nie mehr. Außer natürlich sie entsprächen der eigenen Meinung. Aber da ist es bei 81,751 Millionen Bürgern (zahlen rückläufig) wohl eher selten der Fall, dass alle einer Meinung sind. Doch hier wurde das Konzept von Demokratie ein wenig missverstanden.
Der Trend ist eindeutig: Die Entmachtung des Staates auf Teufel-komm-raus ist in vollem Gange. Und der Vorkämpfer dieser Bewegung: WikiLeaks-Gründer Julian Assange. (Für alle die es nicht wissen: Der Name kommt nicht aus dem Französischen, wie man annehmen würde, sondern aus dem Chinesischen. Der Urahn des Australiers war ein chinesischer Einwanderer. Unwichtig, aber dennoch interessant.) Dieser Mann war erst von allen geliebt, weil er mehr wusste als andere offen zu sagen bereit waren. Endlich wurden die verschleierten Staatsaffären aufgedeckt. Doch mit der Zeit verblasste die Begeisterung. Die USA und Schweden ließen den modernen Helden Assange kurzerhand von Großbritannien einsperren. Dies hielt ihn jedoch nicht vor weiteren Veröffentlichungen und Drohungen zurück. Langsam stellt sich mir eine Frage: Will Julian die Weltherrschaft an sich reißen? Die folgenden Behauptungen sind reine Spekulationen meinerseits: Google griff einst nach der Weltherrschaft (z.B. mittels GoogleStreetView). Daraufhin schaltete sich WikiPedia ein und griff seinerseits nach der Weltherrschaft. Zwar besteht zwischen WikiLeaks und WikiPedia keine offizielle Verbindung, aber möglich wäre es ja. Dabei wurde Julian Assange nur zu einer Marionette. Jetzt kämpfen die beiden Titanen Google und Wiki um ihre Machtstellung. Frühere Systeme wie z.B. die USA oder Russland haben ausgedient. (kleiner Spaß am Rande)

Das erste Jahrzehnt ist vorbei. Vieles hat sich verändert, einiges ist gleich geblieben. Das ist der Lauf der Geschichte. Es gibt für uns kleine Bürger nur eine Möglichkeit: Tief Luft holen, die Augen schließen, tief ausatmen. Dann öffnen wir die Augen wieder und sagen uns: Los geht's! Neues Spiel, neues Glück. Wir wollen uns keine guten Vorsätze machen. Wir wollen nur schauen, dass das nächste Jahr weniger chaotisch und dafür ein wenig zwischenmenschlicher wird. Sozial ist nicht nur eine Sache der Regierung bzw. der Regierenden. Es ist eine Sache zwischen uns Menschen selbst. Verantwortung übernehmen. Das könnte ein Stichwort sein. Nicht nur meckern und protestieren, sondern selbst handeln. Warum sollte die Vision von einer bessere Welt nicht mehr zeitgemäß sein? Weil die Großen unserer Zeit uns mit viel Gerede verwirren? Anstatt in unendlichen Sphären zu schweben sollten wir uns mehr auf das Miteinander konzentrieren, egal in welcher Hinsicht.

In diesem Sinne wünsche ich meinen Lesern einen guten Rutsch ins Neue Jahr! Möge es gesegnet und behütet sein.

Ihr
Thorschten

Donnerstag, 23. Dezember 2010

Schnee und Bomben

Die Welt spielt wieder mal verrückt. Wie so oft. Dazu nur wenige Stichworte.


Schneechaos! Wetterlage verändert sich überraschend und vollkommen unerwartet!
Alle Radiosender haben nur noch ein Thema: Schnee! Es ist wieder mal ganz spontan Winter geworden. "Das Streusalz ist alle!", melden die Stadtwerke nahezu jeder deutschen Stadt. Die kalte Jahreszeit ist angebrochen, und das auch noch in einer bisher ungekannten erbarmungslosen Härte und ohne jegliche Vorankündigung! Wie jeden Winter, muss man sagen. Komisch. Wir sind immer wieder auf's Neue überrascht und haben keine Erklärung dafür. "Dat waa frü'ä aba nech so!", sagt Willy Wilhelmson aus Wilhelmshaven. Der Moser Karl aus München kann da nur entgegnen: "Maai, a Hundswädda hamma heuer."
Der Winter und der Deutsche vertragen sich nicht so recht. Der eine regt sich gern auf und ist echauffiert, den anderen lässt das eher kalt.

Bombenstimmung in Rom
Wieder einmal hat jemand gemeint, er muss ein wenig basteln. Das eine mal waren es ein paa Al-Qaida-Azubis, die neue Flugpostverbindungen getestet haben - und zwar die zwischen dem Jemen und einer jüdischen Gemeinde in Brooklyn. Dann war es ein griechischer Student, der ein wenig Druck ablassen wollte und deshalb einige Botschaften in die Luft zu sprengen suchte. Und heute waren es dann einige Anarchisten aus dem schweizerisch-italienischen Raum, was bisher jedoch noch nicht bestätigt wurde. Der römische Bürgermeister hat natürlich gleich behauptet, keinesfalls seien diese Vorkommnisse auf innenpolitische Probleme zurückzuführen. Wär ja auch ein Ding. Bei der super Innenpolitik im Reich der (Partei)Freunde und Römer. Und bei dieser Führungselite! Der Name Ber-lus-coooni lässt Häuserwände erzittern. Ebenso wie Paketbomben in Schweizer und chilenischen Botschaften.
Aber Spaß beiseite: Denkt jetzt jeder, der eine eigene Meinung hat, er muss sich bei Google eine Bauanleitung raussuchen? Ein bisschen Schwarzpulver, ein Zünddraht, und ab die Post?? Sind jetzt alle verrückt geworden oder was.
Aber gut. Ein netter Herr aus Washington wird es schon richten. Der setzt sich nämlich für die Entwaffnung der Mächtigen der Welt ein:

Friedensnobelpreis für Obama wird endlich nachvollziebar!

Heute wurde in Washington ein Abrüstungsvertrag verabschiedet, der von Russland freudig begrüßt wurde. So sollen nun bald nur noch knapp über 1.500 Atomsprengköpfe in den Magazinen stehen. Ein Schritt weiter zu Obamas Vision einer atomwaffenfreien Welt, also im Klartext:
USA 1500 : Iran 0.
Aber nix für Ungut, der Trend geht in die richtige Richtung.
Gratulation, Mr. President.

Oh, und hier meine Lieblingsschlagzeile:

Weißrussische Verhältnisse in Ungarn - Nur noch Gulasch im Kopf?
Das neue Mediengesetz in Ungarn hat für Verwirrung gesorgt. Laut dem neuen Gesetzesentwurf darf die Regierung nun Medien zensieren, wenn die entsprechenden Paragrafen entsprechend interpretiert werden. Der Grund hierfür bleibt schleierhaft. Will Ungarn hier demonstrieren, wer das Sagen hat? Geht es hier um Macht? In der ersten Hälfte von 2011 wird Ungarn nämlich die Ratspräsidentschaft der Europäischen Union übernehmen.
Der tschechische Außenminister Schwarzenberg hatte gesagt: "Wir haben ja die Ungarn gerne, aber damit haben sie wirklich gleich am Anfang ihren Ruf verspielt." Wahre Worte.
Man kann dieses Gebilde namens Europäische Union mit einem Witzeerzähler vergleichen. Erst Berlusconi, dann die Ungarn. Die EU haut einen Kalauer nach dem nächsten raus, die Balken biegen sich vor Lachen. Die EU hat einen trockenen Humor, voller Ironie und Sarkasmus. Wo soll das hinführen?
Ich muss ja sagen, dass die Ungarn mit persönlich äußerst sympathisch sind. Umso schlimmer, dass jetzt auch dort kräftig auf Konfrontation zwischen Staat und freier Meinungsäußerung gesetzt wird.


Zusammenfassend macht sich in mir eine Erkenntnis breit:

Investierst Du jetzt in Atomwaffentechnik - wirst Du abgerüstet.
Investierst Du in Streusalz - hast Du gewonnen. Die Preise dürften steigen. Nur leider wurde das ganze Salz auf der Straße verstreut und wortwörtlich in den Gulli geworfen. Viel Nachfrage, keine Ware.
Investierst Du in die klassischen Medien - d.h. kaufst Du Zeitungen und Fernsehsender - steht Dir der Weg in den EU-Ratsvorsitz offen. Gratuliere.


Und zu guter Letzt wünsche ich meinen Lesern ein gesegnetes und besinnliches Weihnachtsfest. Lassen Sie sich nicht unterkriegen.

Samstag, 18. Dezember 2010

Aktualisierung

Es ist schon unglaublich viel Zeit seit meinem letzten Eintrag vergangen. Es besteht Aufholbedarf. Doch zunächst zu einer Topschlagzeile: Angela Merkel spricht in Afghanistan von Krieg!
Sagt mal, wie naiv sind wir hier eigentlich - immer noch! Krieg hat das doch unser Herr Verteidigungsminister schon genannt. Das ist also nichts Neues. Und dennoch regen sich einige Menschen darüber auf. "Mit dem Geld für diesen Einsatz hätte man das und das und das machen können!", lautet der Vorwurf. Andere Zeitgenossen sein wahrscheinlich entsetzt. "Krieg?!" - da wundert man sich doch. Wir dachten bis jetzt doch alle, dass da ein paar in Uniformen gesteckte Hauptschüler im Urlaub wären - auf Staatskosten.
Langsam reicht's mir. Wann wachen wir hier endlich auf? Während uns unser Fernsehprogramm seit Jahren eine heile Welt vorgaukelt und einige Privatsender von Partys auf Mallorca berichten und von enttäuschten Auswanderern, während man nach einem hunderttausendsten Supertalent sucht und der hundertste Bauer eine Frau sucht, lassen sich da einige Männer (und Frauen) am Hindukusch die Kugeln um die Ohren fliegen. Und was machen wir hier im sicheren Deutschland? Wir regen uns lauthals darüber auf, dass in Afghanistan Geld verschwendet wird! Aber es gibt noch tausend andere Stellen, an denen hier in Deutschland Geld verschwendet wird, so viel ist sicher. Ist es nicht vielleicht hilfreicher, den Soldaten in Afghanistan ein wenig Rückhalt zu geben? Und hier geht es gar nicht darum, ob man dem Afghanistan-Einsatz im Grunde zustimmt oder nicht. Hier geht es darum, dass ein beschlossener und gesetzlich gedeckter Einsatz durchgezogen wird. Anstatt hier rumzuzicken sollten wir uns daran machen, unsere Leute in unserer Gesellschaft wieder aufzunehmen, wenn sie zurückkommen - spätestens 2014.

Langsam habe ich von der Politik die Nase voll. Und daran sind alle - ich betone ALLE - mitwirkenden Parteien und Clubs schuld.

Jetzt habe ich doch die ganze Zeit unsere baden-württembergische Landesregierung verteidigt. Und was muss man sich dann anhören? Unser Prinzregent Mappus hat doch tatsächlich "den umstrittenen Polizei-Einsatz gebilligt"! (Spiegel online) Er wusste davon und hat dem Wasserwerfereinsatz von Anfang an zugestimmt. Dazu kommt noch der umstrittene EnBW-Rückkauf vor kurzem. Ohne irgendetwas vom Parlament absegnen zu lassen, hat er Anteile der EnBW zurückgekauft. Das Ganze schien ja eine ganz coole Sache zu sein. Der Bürger könne nur gewinnen. Der Bürger müsse nix zahlen. Und so weiter. Freudenbotschaften wie einst bei der Verkündung der neusten Arbeitslosenzahlen durch Ursel von der L. im Oktober. Und was passiert nur zwei Tage später? Der Rückkauf kommt doch teurer. Ganz unerwartet. Mehr als eine Milliarde soll es teurer werden. Von sechs Milliarden Euro war die Rede. Verwirrend. Alles zu verwirrend für den kleinen Mann.
Ich stehe den Grünen und den Sozialdemokraten ja bekanntlich eindeutig kritisch gegenüber. Aber in dieser Angelegenheit muss ich ihnen Recht geben. Die ganze Sache macht dem Anschein nach einen Eindruck der Vetternwirtschaft.

Langsam fühle ich mich - wie sagt man das öffentlichkeitstauglich - verarscht. Von allen seiten wird geredet und geredet. Eine einzige große Show.

[Nachtrag: Bitte entschuldigen Sie die etwas herbe Wortwahl der letzten Absätze, die ich aber aufgrund der Originalität im Nachhinein nicht verändern will.]

Zum Thema Show: Um es für meine nicht-baden-württembergischen Leser ein wenig interessant zu machen, will ich den nächsten Punkt aufgreifen. Und dieser Punkt ist der nette Italiener von nebenan im Süden: Silvio "der Pate" Berlusconi.
Der Ministerpräsident von Italien hat sich einem Vertrauensvotum im italienischen Senato della Repubblica unterzogen und - siehe und staune - gewonnen! Dazu war nur der Kauf einiger Stimmen nötig, keine große Sache. Das war weder überrschend noch neu. Zwar kann er keine Gesetzesänderungen mehr durchbringen, da hierfür eine Mehrheit im Parlament erforderlich ist, doch vorerst ist seine Macht gesichert. Im Grunde ist dieser feine Herr im Anzug eine Schande für eine europäische Demokratie wie Italien. Er klammert sich stur an seine Macht wie an einen Strohhalm - ansonsten würde er im stillen Wasser der Gerechtigkeit untergehen und vermutlich irgendwann in den Knast wandern. Seine Karrriere war geprägt von Eklats und Skandalen. Sexaffären, Hitler-Witze und Kontakte zur Mafia - kann man diesen Mann noch ernst nehmen?

Währenddessen wurde Julian Assange - WikiLeaks-Gründer und selbsternannter Rächer der Unerhörten - aus seiner britischen Untersuchungszelle entlassen. Und das meiner Meinung nach zu Recht. Es wäre ein Segen, wenn jeder mutmaßliche Vergewaltiger so konsequent verfolgt wird. In der WikiLeaks-Angelegenheit haben die USA ganz offensichtlich ihre Finger im Spiel. Ein Störenfried wird ausgeschaltet, mundtot gemacht. Aber wen wundert diese Vorgehensweise? Ist das etwas Neues?
Andererseits: Was fällt den Anhängern von Assange ein, sich in jeden potenziell feindlichen Banken-Computer einzuhacken und Unfrieden zu stiften? Greift diese neue Internet-Gang im Namen der Meinungsfreiheit nach der Weltherrschaft? Wo sind wir hier eigentlich?

Währendessen führen die Gegner des südwestdeutschen Bahnprojekts Stuttgart 21 ihren Protest fort. Über Weihnachten soll es jedoch eine Pause geben. Dann geht die Show weiter. Nachdem die Opposition den CDU-Polit-Veteran Heiner Geißler rekrutiert hatte - in der Hoffnung, dass er das Projekt kurzerhand still legt - schienen alle Seiten halbwegs beruhigt zu sein. Befürworter gerieten in die Defensive, die Opposition schöpfte Hoffnung. Doch nun, nachdem feststeht, dass Stuttgart 21 nicht einfach so gestoppt werden kann, ist man sicher: Geißler musste parteiisch gewesen sein. Unfassbar, dass er sich für die falsche Seite entschieden hatte. Er hatten den Grünen nicht nach dem Mund geredet. Also kann seine Entscheidung nicht unparteiisch gewesen sein. Denn unparteiisch, gerecht und ohne eigene Interessen sind natürlich nur die Grünen. Wer sonst.

Wie schon wiederholt gesagt: Mir wird es langsam zu viel. Kann man hier noch jemandem glauben? Jeder macht was er will, ohne nachzudenken. Und diejenigen, die nachdenken, sind viel zu intelligent, um nicht im eigenen Interesse zu handeln. Wo soll das hinführen? - Diese Frage will ich vorerst offen lassen. Mir ist jetzt aber klar, woher die Politikverdrossenheit der Bürger kommt. Oder besser: Diese Politikverdrossenheit erfasst mich, während die Massen auf die Straße gehen und gegen das protestieren, das gerade auf der Tagesordnung steht.

Montag, 29. November 2010

Die USA und ihre Meinung von der Welt

Endlich gibt's wieder was Neues vom US-Außenministerium: Merkel ist "wenig risikobereit" und auch "wenig kreativ". Und aus Außenminister Westerwelle werden die US-Diplomaten nicht schlau, lässt sich herauslesen. Er sei ein "Rätsel". Seine Gedanken hätten außerdem "wenig Substanz", berichtet der US-Botschafter aus Berlin, Philip Murphy. Die gesamte Führung der Grünen hätte zu wenig Star-Potenzial.

Die USA verachten die Regierung Kenias. Die Frau des aserbaidschanischen Staatschefs habe sich so oft liften lassen, dass sie aus der Ferne zwar ihrer Tochter zum Verwechseln ähnlich sieht, ihr Gesicht jedoch kaum noch bewegen könne. Die Türkei befinde sich auf dem Weg, ein islamistisches Land zu werden und sei für Europa womöglich schon verloren. Medwedews Frau hat eine Schwarze Liste mit den Namen derjenigen russischen Politikern, die ihrem Mann nicht loyal genug gegenüberstehen und deswegen demnächst ihren Platz verlieren. Auch interessant: Ahmadinedschad hat sich überraschend für mehr Pressefreiheit eingesetzt und deshalb vom Chef der Revolutionswächter, Mohammed Ali Dschaafari, einen Schlag ins Gesicht bekommen.

Ja, ja - WikiLeaks hat wieder einmal zugeschlagen, mit ein paar Auswirkungen auf die Politik des mächtigsten Staates der Welt. Die USA stehen in der Gefahr, ihr Vertrauen und ihre Ernsthaftigkeit zu verlieren.

Aber sehen wir die ganze Sache auch mal so: Ähnliche Berichte und Notizen wird es auch im deutschen Auswärtigen Amt und bei unseren Chefdiplomaten geben. Es wäre schon mal interessant zu erfahren, was Merkel & Co. über ihre österreichischen, amerikanischen und kongolesischen Amstkollegen denken - oder nicht?

Die Frage ist viel eher: Ist es richtig, dass die ganze Welt erfährt, was im US-Außenministerium in Washington vor sich geht? Oder was einzelne Diplomaten über Politiker denken? Vielleicht ist das wichtig für unsere Politiker und die deutsche Regierung. Dann wissen sie, mit wem sie reden und wie derjenige über sie denkt. Aber langsam beginne ich mich auch zu fragen, ob es uns wirklich etwas angeht, was in den innerstern Kreisen der US-Regierung besprochen wird. WikiLeaks-Gründer Julian Assange ist im Begriff, die Weltherrschaft zu ergreifen.
Andererseits: Die Ansichten, die von US-Diplomaten vertreten werden, werden von einem großen Teil der Journalisten und Reporter doch auch vertreten.

Wir müssen langsam einmal beginnen uns Gedanken zu machen, was Demokratie überhaupt bedeutet. Demokratie heißt, dass die Mehrheit bestimmt und die Minderheit jedoch nicht diskriminiert wird. Die direkte Demokratie ist die Volksabstimmung. Wie in der guten alten Sowjetunion. Hat super funktioniert. Ein Beispiel aus der heutigen Zeit: die Schweiz. Man hat dort gestern (per Volksabstimmung) entschieden, dass kriminelle Ausländer generell erstmal abgeschoben werden. Super. So funktioniert das also. Sollten wir auch so machen, oder? Direkte Demokratie auf allen Ebenen! Wenn wir in Deutschland diese Art der Demokratie einführen, dann wird Stuttgart 21 erstmal gestoppt. Okay, das wird es morgen (Dienstag, 30. November) durch den Schlichterspruch von Heiner Geißler sowieso. Aber eine direkte Demokratie könnte zum Beispiel die Steuern senken! Ja, und man könnte alle Türken abschieben! Und man könnte den Winter abschaffen, damit man nicht mehr Schneeschippen muss!

Darf ich einmal ganz direkt sein? Volksabstimmungen können nicht bei jeder Gelegenheit funktionieren. Warum nicht? Weil das Volk oft keine Ahnung hat.
Soviel einmal dazu.

Doch noch einmal zu den Hintergründen der Volksabstimmung in der Schweiz: Offiziel ging es darum, dass man kriminelle Ausländer (anch Verbüßung der Haftstrafe!) in ihre Heimatländer abschiebt und ihnen das Recht auf Rückkehr verweigert.
Zuerst einmal: Dieser Volksabstimmung folgt jetzt eine fünf Jahre andauernde Periode, in der ein passendes Gesetz formuliert werden soll. Noch ist also nicht sicher, ob kriminelle Ausländer so schnell abgeschoben werden können wie das Volk es gestern verlangt hat.
Was jedoch viel bedeutender ist: Diese Volksbefragung hat nur offiziell mit kriminellen Ausländern zu tun. In Echt geht es um die vielen Ausländer, der in der Schweiz leben. (Die Schweiz hat einen Ausländeranteil von 22%.) Viele Schweizer sind unzufrieden, sie wollen ihre kleine, sichere Schweiz zurück.
Erschreckend: Auf ihren Plakaten hat die rechtspopulistische Schweizer Volkspartei Namen angeprangert wie Ivan S. (Vergewaltiger), aber auch z.B. ein Detlef S. (Kinderschänder). Dieser Detlef steht für die Angst der Schweizer vor den vielen Deutschen, die mittlerweile im Land leben. In der Schweiz gibt es eine erschreckend hohe Deutschenfeindlichkeit. Immer mehr Deutsche wandern in die Schweiz aus. Doch in der Schweiz kommt es sogar schon zu Beleidigungen und Anfeindungen in der Öffentlichkeit, etwa in Bussen. Die Schweizer Volkspartei hat in dieser Volksabstimmung ganz geschickt die Stimmung des Volkes ausgenutzt. Man will die Ausländer los werden. Und allen voran die Deutschen. Man will sie ausschaffen, wie das auf Schweizerisch heißt.

Was gibt es ansonsten noch so? Ahja, heute morgen im Radio: Auf zwei Atomwissenschaftler im Iran sind Sprengstoffanschläge verübt worden. Einer wurde getötet, der andere verletzt. Interessant. Autobomben, aktiviert durch das Umdrehen des Zündschlüssels. Fast wie in einem dieser Kalten-Kriegs-Filme in den späten Achtzigern. Jetzt ist die Frage: Wer steckt dahinter? Der CIA? Oder der Mossad?
Eins ist sicher: Der Mossad war es nicht. Denn dann wäre das Atentat erfolgreich gewesen. Wer war es also dann? Wer hätte ein Interesse daran? Ich habe keine Ahnung. Aber wir könnten WikiLeaks fragen. Die haben bestimmt irgendeinen freien Kanal im US-Verteidigungsministerium.

Des Weiteren warten wir noch immer darauf, dass man die 25 Attentäter festsetzt, die in Deutschland angebllich gerade rumlaufen. Oder dass man zumindest den Bombo fasst. Kennen Sie? Der neue Zungenbrecher: Bombo der Bombenbastler bastelt Bonbon-Bomben. Hoffentlich fassen wir diesen Schlawiner bis zum Frühling. Da könnten wir nämlich ein paar Bonbons gebrauchen, zum Karneval.

Und damit wünsche ich meinen LeserInnen/Leserinnen und Lesern/usw. eine wunderbare, schneeweiße erste Adventswoche.

Dienstag, 23. November 2010

End of November - End of the World?

Der 22. November ist jetzt auch vorbei. In einem Internetforum wurde in den letzten Tagen stark diskutiert, ob, wann und wo ein Terroranschlag in Deutschland passieren wird. Einer der Teilnehmer hatte gehört, dass dieser Anschlag am 22. November passieren würde. Dieser Termin wurde heftig debattiert. Man war der Meinung, das Ende aller Tage sei gekommen, und im Grunde alles nur im Interesse der Amerikaner. Internetforen eben... Doch im Grunde ging es zuerst einmal um den konkreten Termin. Dabei konnte man in den Nachrichten ja lesen, dass die Terroristen an diesem Tag - dem gestrigen Montag - erst nach Deutschland einreisen würden! Von einem Anschlag war noch nicht die Rede. Der Montag verstrich dementsprechend ohne nennenswerte Vorkommnisse. Heute kann man in dem Forum interessante Kommentare lesen:

"Schlimm mit den Politikern.
Wahlversprechen halten sie nicht,
Terrorversprechen auch nicht."

Ein anderer Teilnehmer reagiert so auf die Tatsache, dass es bis jetzt (Gott sei Dank) zu keinem Anschlag in Deutschland gekommen ist:

"Lasst die Jungs doch erstma auspacken." Schon makaber irgendwie...

Tatsache ist - oder könnte zumindest sein -, dass in diesem Moment zwei bis fünfundzwanzig Terroristen in Deutschland herumlaufen und irgendwas planen. Aber seien wir mal ehrlich: Das könnte doch auch so jederzeit der Fall sein, ohne Terrorwarnung. Oder?

In letzter Zeit machen wir viel durch. Castortransporte, die Grünen gewinnen an Stimmen, Terroralarm, und dann regnet es auch noch!
Ostasien dagegen hat ganz andere Probleme: Die Koreaner schießen mal wieder aufeinander, vorzugsweise der Norden auf den Süden.

Am Sonntag starten wir in den Advent, eine besinnliche und ruhige Zeit. Kurz gesagt: Jetzt ist jeder auf sich selbst gestellt - entweder man folgt dem Kaufrausch und stürzt sich in die vorweihnachtliche Hysterie, oder man bleibt zuhause am Kaffeetisch und isst das Gebäck, das man schon im Oktober bei ALDI eingekauft hat.

Donnerstag, 18. November 2010

TERRORWARNUNG

Jetzt ist es also so weit. Sagte zumindest unser Innenminister Thomas de Maizière gestern am frühen Nachmittag. Gegen Ende des Monats soll es konkrete Planungen für einen Anschlag in Deutschland geben. Und promt wurden die Sicherheitsmaßnahmen verschärft. Polizeipräsenz, Kontrollen an Bahnhöfen und Flughäfen deutscher Großstädte.

Vorgestern kam ein Spielfilm in Internet, wo es unter anderem um einen geplanten Terroranschlag auf den Weihnachtsmarkt in Hannover ging.
Heute Nacht fand man dann in einem LTU-Flug von Windhoek/Namibia nach München/Deutschland einen verdächtigen Koffer, mit Kabeln und einem Wecker und einem Zünder. Jetzt ist nur noch zu klären, ob das Ding auch tatsächlich hätte explodieren können.
Und was passiert heute? GoogleStreetview kommt ins Internet! Jetzt kann man also geschickt vom Hindukusch aus ein kleines Feuerwerk planen. Das spart Al Qaida Geld und Zeit. Wie praktisch!

Sind das die Zeichen? Naht das Ende?

Ich will ja nicht diskriminierend werden, doch uns ist ja allen klar, woher die konkrete Terrorgefahr kommt (wenn nicht von einem durchgeknallten Studenten aus Griechenland, der Paketbomben ins Kanzleramt schickt): AL QAIDA.
Jetzt gilt es nur noch rauszufinden, wie viele (muslimische) Terroristen in Namibia leben. An dieser Stelle möchte ich Wikipedia zur Hilfe ziehen. Zitat: "Der Islam spielt in Namibia praktisch keine Rolle, [...]" Hmm, also ich persönlich vermute hinter dem Namibianischen Bombenterror ja eher auch einen missmutigen Studenten, der mit einem Koffer voller Wecker, alter Brötchen und einem Föhn (mit zündkabelähnlichem Stecker) seiner Heimat den Rücken kehren wollte und in München ein neues Leben beginnen wollte.

Gerade kommen die neusten Meldungen im Radio:
Die Sprecher der Polizei und des Innenministeriums geben konkrete Anweisungen: "Aufmerksam sein, aber nicht hysterisch werden." Und: "Auf Bahnhöfen einfach drauf achten, ob sich jemand verdächtig oft umsieht oder sogar einen Rucksack trägt."
Super! So einfach ist das...

Okay, aber jetzt noch ein bisschen Ernsthaftigkeit zum Schluss.
Unsere Polizei und die ganzen Ermittler im Hintergrund machen in der Regel einen guten Job. Erinnert sich jemand an die "Sauerlandmomber"? Die haben fröhlich irgendwo im Sauerland ihre Bomben gebaut und haben auf fast alles geachtet. Aber doch haben unsere Leute sie geschnappt.

Also. Die sollen nur kommen. Weit kommen sie nicht... Und sollte es Al Qaida auf unser Stuttgart 21 abgesehen haben - unsere Wasserwerfer stehen bereit!

Vaterunser (nach N. Lammert)

Im FOCUS habe ich jetzt letztens doch tatsächlich gelesen, dann der Bundestagspräsident Norbert Lammert das Vaterunser umgedichtet hat! Er hat sogar die gesamte Deutsche Messe (Gottesdienstordnung aus der Reformationszeit) neu übersetzt und neu interpretiert.
Man ist bei Neuerungen ja zuerst immer skeptisch. Aber ich finde, Lammert hat da eine erstaunliche Arbeit geleistet. Hier ist einmal die neue Fassung des Vaterunser (nach N. Lammert):

Unser Vater im Himmel!
Groß ist dein Name und heilig.
Dein Reich kommt,
wenn dein Wille geschieht,
auch auf Erden.
Gib uns das, was wir brauchen.
Vergib uns, wenn wir Böses tun
und Gutes unterlassen.
So wie auch wir denen
verzeihen wollen,
die an uns schuldig geworden sind.
Und mach uns frei, wenn es Zeit ist,
von den Übeln der Welt.

Nun soll die gesamte Deutsche Messe nach Lammert musikalisch vertont werden. Dies soll durch den (evangelischen) Komponisten Stefan Heucke geschehen, der zur Zeit Sponsoren für das Werk sucht. Er lobt Lammert (Katholik) für seine Arbeit. Die Texte seien voller Melodik und auf höchstem literarischen Niveau neu interpretiert.
Zwar gibt es das Vaterunser in der allgemeingültigen ökumenischen Fassung, doch ist auch unser Bundestagspräsident auf dem Weg, die deutsche Christeinheit einmal mehr zu einen.

Und auch theologisch gibt es einen Punkt, den ich ansprechen möchte: Lammert hat die Zeile "Und führe uns nicht in Versuchung" gestrichen. Wahrscheinlich hat er dafür gut Gründe gehabt. Denn im neutestamentlichen Jakobusbrief steht: "Niemand sage, wenn er versucht wird, dass er von Gott versucht werde. Denn Gott kann nicht versucht werden zum Bösen, und er selbst versucht niemand. Sondern ein jeder, der versucht wird, wird von seinen eigenen Begierden gereizt und gelockt." (Jak 1,13-14)
Natürlich war diese eine Vaterunser-Zeile schon oft Mittelpunkt von Diskussionen. Der Urtext wurde viele Male neu interpretiert und übersetzt. In Frankreich beispielsweise beten Christen statt dieser Zeile "Und lass uns der Versuchung nicht unterliegen". Lammert hat diese Problematik geschickt umgangen - er hat sie einfach gestrichen.

Kritische Blicke meinerseits gibt es bei Lammerts Fassung allerdings auch, und zwar an der Stelle "Dein Reich kommt, wenn Dein Wille geschieht, [...]" - Was ist der Wille Gottes bzw. was meint Lammert damit? Wenn er damit meint, dass das Reich Gottes erst kommt, wenn Gottes Wille durch die Menschen getan wird, dann würde das den meisten christlichen Theologien widersprechen. Andererseits hat er auch hier gute Arbeit geleistet, wenn er damit sagen will: "Dein Reich kommt wenn Du es willst." So wird daraus einfach nur eine "wahre Aussage".; Lammert bestätigt, dass Gottes Reich kommt und sein Wille geschieht. In der ökumenischen Fassung heißt es: "Dein Wille geschehe" - wir bitten darum, dass Gottes Wille geschehe. Doch der Wille Gottes geschieht ohnehin.
Doch um ehrlich zu sein: Hierbei geht es nur um Kinkerlitzchen. Im Großen und Ganzen muss man sagen: Gratulation, Herr Lammerts. Denn es gehört ein ganzes Stück Mut dazu, etwas so Fundamentales und Grundlegendes wie das Vaterunser (sowie die gesamte Deutsche Messe) neu zu übersetzen und zu interpretieren.

Sonntag, 14. November 2010

Stichprobe: Gesellschaft

Es ist der frühe Sonntagmorgen und ich werfe noch einen letzten Blick auf meinen GMX-Account. Natürlich bin ich bei GMX, wo sonst. Denn GMX bietet doch immer wieder die Möglichkeit, einen tiefen Blick in unsere Gesellschaft zu werfen. Was berichten die Schlagzeilen uns denn heute?

Ganz groß: Sex, Drogen und Alkohol: Das Promi-Quiz der Woche

Weiter unten, unter der Rubrik "Gesundheit": Was bringen Lustpillen wirklich? - zur Verdeutlichung, welchem Themenblock der Beitrag angehört, ist eine nackte Frau abgebildet.

Aber auf der anderen Seite sieht man einen weiteren Beitrag, unter der gleichen Rubrik: Geburtenzahl auf Rekordtief. Irgendwas läuft da doch falsch, oder?

Unter "Wissen": Schwule Flamingoeltern - Die homosexuellen Vögel Siegfried und Roy bekommen ein Baby. Oh Mann, kein Scherz! Die doppelte oder dreifache Ironie wird erst bei mehrmaligem Lesen klar. Klar wird aber auch: Wenn das sogar die Vögel machen, warum kann daraus keine neue Mode werden?

Natürlich gibt es auch eine Unzahl dubioser Anzeigen und Angebote, sogar auf GMX. Komischerweise ist da um viertel vor eins mitten in der Nacht ungewöhnlich wenig zu finden. Die meisten Partner- bzw. Seitensprungbörsen (ersteres kommt langsam wieder aus der Mode, das zweite gaukelt der Gesellschaft vor, in Mode zu sein) sind schon ab sechs Uhr abends geschaltet und haben zu dieser Zeit jetzt wahrscheinlich schon ihren Dienst getan. Nur das Angebot einer "seriösen" Agentur sticht mir ins Auge: Hat Ihre Liebe noch eine Chance? Aha, da kann man "gratis in die eigene Zukunft sehen". Klar, bietet sich ja an. Warum Zeit mit jemandem verschwenden, wenn die Chance besteht, dass es eventuell doch nichts wird? Lieber gleich orientieren. Für alles andere bleibt keine Zeit.

Ein ruhiger Abend/Morgen hier im Internet, bei GMX. Ansonsten finden sich mehr Sachen, die einen aufregen könnten. Gut wenn man mal die wirklich seriösen - und deshalb umso schlimmeren - Nachrichten betrachtet, dann bekommt man zu zehnten Mal in den letzten Tagen berichtet, dass endlich Mircos Handy gefunden wurde. Aha. Aber wie wäre es vielleicht mal mit dem perversen Dreckschw**n, das hinter der ganzen Sch**ße steckt??
Dann erfährt man, dass der Brand im Karlsruher Zoo sich wahrscheinlich gar nicht alleine angezündet hat. Da hat sich wahrscheinlich einer gedacht "Lass ma kurz so um die 26 Tiere braten!" In den *rsch getreten gehört der!
Und in Afrika haben sich ein Zebra und einen Esel zum Zedonk gekreuzt. Na, das is ja mal ein Ding. Ist das vielleicht der Platz, an den man sich verkriechen muss, wenn man keinen Bock mehr auf die Trends und Moden dieser Gesellschaft hat??

Aber am besten ist ja der Video-Text bei ProSieben. Da stehen die wirklich wichtigen Dinge. Und das schon in der dritten Spalte von oben. Samstagnachmittag, ich zitiere:
Justin Bieber verletzt sich am Knie!
Sag mal, ganz ohne Witz, haben wir keine anderen Sorgen?? Das erscheint ja ganz witzig. Ist es auch. Ich musste auch lachen. Aber eigentlich kann man dazu nur den Kopf schütteln.

Was ergibt also unsere kleine abendliche/morgendliche Stichprobe in der Gesellschaft?
Ergebnis: durchgefallen. Probiert es morgen wieder, Leute.

Nur mal so viel bis dahin.

Mittwoch, 10. November 2010

16. Islamwoche in Stuttgart

Letzte Woche war die 16. Islamwoche an der Universität Stuttgart. Sehr interessant, doch leider konnte ich nur die abendlichen Vorträge an drei von fünf Tagen besuchen. Aber über diese drei Veranstaltungen möchte ich jeweils einen kurzen Kommentar abgeben.

Im Vorfeld sei gesagt, dass die Islamwoche eine interessante Veranstaltung war, die vielen Menschen den Horizont erweitert hat. Dem Islam, wie er hier und heute gelebt wird, wurde ein Forum gegeben. Das Motto: "Ein Gott. Eine Welt." Die Islamwoche war nicht zuletzt dafür gedacht, Vorurteile abzubauen und eine Sichtweise aus muslimischer Sicht vorzustellen. Hierzu waren viele Referenten eingeladen, die selbst zumeist deutsche Muslime waren. Im Grunde hat das Event voll und ganz seinen Sinn und Zweck erfüllt. Doch es bleibt immer noch ein wenig Interpretationsspielraum.

Jeder Vortrag begann mit einem Vorprogramm, wo zumeist eine Hilfsorganisation vorgestellt wurde. "Muslime helfen e.V." wurde vorgestellt, ebenso wie "Wüstenkind e.V." und andere.
Der nächste zentrale Punkt war die Koranrezitation. Ein Koranvers wurde von einem "Bruder" auf Arabisch vorgelesen.
Dann folgte der Vortrag. Am ersten Tag (Montag, 1. November) redete Fatima Grimm, eine ältere Konvertitin aus Hamburg, über das Thema "Menschenwürde - Frauenwürde". Sie beschrieb im Großen und Ganzen einige Beispiele, wie muslimische Frauen heute in Deutschland leben. Dabei brachte sie das Beispiel einer jungen Frau, die ("bemerkenserterweise schon") Sara hieß und nach langjährigen Emailkontakten mit einem Algerier zum Islam konvertierte. Diese Frau reiste schließlich nach Algerien. Als sie zurückkam, war sie tief verschleiert. "Wir sagten: Wie kannst Du so etwas machen, Du wirst Deinen Job verlieren usw.", berichtet Grimm. Doch ("wie Allah es wollte") fand diese Frau einen neuen Job (als Übersetzerin muslimischer Kinerbücher) und konnte doch ihre Verschleierung beibehalten. "Gepriesen sei Allah". Ein weiteres Beispiel beschreibt einen jungen Bosnier, dessen Vater ihn gerne in der Wirtschaftsbranche gesehen hätte. Doch als der Junge älter wurde, entschied er sich anders, wurde gläubiger Muslim und ging nach Bosnien. Dort heiratete er ein Mädchen, das kurz vor dem Abitur stand. Fatima Grimm erzählt all dies, als wäre es selbstverständlich das Paradies auf Erden, wenn man so früh wie möglich heiratet, solange man doch nur religiös sei. Eine legitimierte Ansicht vielleicht, aber dennoch für den Außenstehenden etwas irritierend.
Und so ging es weiter. Im Grunde beschrieb Grimm nur, wie mislimische Frauen ihren Glauben trotz Hindernissen leben können. Um "Frauenwürde" geht es nur in dem Punkt, dass das Kopftuch für Frauen würdiger sei, als alles von sich zu zeigen und die Männer draufstarren zu lassen. Damit kann sie unter Umständen Recht haben; das will ich gar nicht bestreiten. Doch als Fazit zu diesem ersten Vortrag:
Unter dem Titel "Menschenwürde - Frauenwürde" stellt sich der Besucher einer Veranstaltung, die den Dialog und Abbau von Vorurteilen zum Ziel hat, etwas mehr Vielfalt vor. Um Vorurteile zu bekämpfen, muss man wenigstens auf sie eingehen.
Der Vortrag endet passend zur Gebetszeit. Frauen verschwinden in einem extra dafür gekennzeichneten Raum, die Männer stellen sich im Foyer in drei Reihen auf und verrichten ihr Gebet.

Der zweite (von mir besuchte) Vortrag: Der katholische Uni-Professor Karl Josef Kuschel aus Tübingen spricht über das Thema "Für ein Miteinander von Juden, Christen und Muslimen: Lessings Vision als Herausforderung heute".
Und dieser Vortrag hat mir schon etwas besser gefallen. Es ging um das Werk "Nathan der Weise", das von Gothold Ephraim Lessing vor 230 Jahren geschrieben wurde. Kuschel setzt sich seit 20 Jahren für den Dialog (oder besser: Trialog) der drei Weltreligionen ein. Der gesamte Vortrag war extrem komplex, doch in sich total schlüssig und logisch. Hier nur einige Stichworte:
Das Stück "Nathan der Weise" ist das einzige Drama der deutschen Literatur, das alle drei Religionen zum Thema hat.
Das Drama hat ein gutes Ende, ganz gegen den Trend der damaligen Zeit. Lessing wollte weder Opfertod noch Märtyrertum in seinem Stück. Er lässt es gut ausgehen.
"Nathan der Weise" sei ein Toleranzstück, wird oft behauptet. Kuschel sagt: "Nein, es ist noch viel mehr als das." Toleranz bedeute Duldung. Und Duldung ist eine Beleidigung, so Kuschel. Lessing fordert Akzeptanz.
Auch die Tatsache, dass in seinem Buch ein Jude im Mittelpunkt steht, hat für Lessing eine Bedeutung. "Tugend da suchen, wo man keine vermutet", beschreibt Kuschel diese Vorgehensweise. Auch der weise Muslimherrscher Saladin wird diesem Zweck gerecht. Die Ansichten in der Zeit Lessings waren geprägt von Vorurteilen gegen Juden und "Muselmänner", denen er entgegenwirken wollte.
Lessing hat den Koran gelesen. Einen seiner Ansatzpunkte hat er aus der Koransure 5,48: "Wetteifert im Guten!" Es wird eine "echte Liebe zwischend en Religionen" gefordert. Lessing betrachtet die Religionen nicht isoliert, sondern blickt hinter die Kulissen, leuchtet die Hintergründe seiner Charaktere aus und zeigt, dass alles miteinander vernetzt ist.
Das wichtigste Element bei "Nathan der Weise" ist die sogenannte Ringparabel. Diese will ich hier einmal kurz vorstellen (für alle, die das Buch nicht bzw. mit mangelnder Aufmerksamkeit gelesen haben):
Ein Vater hat drei Söhne und einen Ring. Er liebt alle drei Söhne gleich und will den Ring deshalb an alle drei vererben. Er lässt von einem Goldschmied zwei andere Ringe machen, die dem echten so ähnlich sehen, dass nur der Vater weiß, welcher der echte Ring ist. Am Ende bekommt jeder Sohn einen Ring und denkt, er hätte den richtigen. Schließlich ziehen die Söhne vor einen Richter und wollen jeweils die Bestätigung, dass ihr Ring der echte sei. Der Richter kann/will nicht urteilen und sagt, das müsse ein anderer Richter zu einer späteren Zeit bestimmen. Der Richter fordert die Söhne gleichermaßen heraus. Er will, dass jeder seiner Sache im Guten nacheifre. Dieses Motiv kommt aus dem Koran. Die Wahrheit kann nur bewahrheitet werden durch das Wetteifern der Liebe. Jeder der Söhne solle also nicht um sein Recht kämpfen, sondern einfach annehmen, dass sein Ring der echte sei.
Eine interessante Ansicht. Ich muss zugeben, dass ich das Buch "Nathan der Weise" damals in der Schulzeit nicht wirklich mit Interesse gelesen habe. Doch wer bei diesem Buch hinter die Kulissen schaut, der entdeckt eine Sichtweise, die den meisten Menschen unbekannt ist. Doch es lohnt sich auf jeden Fall, über diese Sichtweise nachzudenken.
Das Problem ist nur: Bei der Ringparabel wird der Vater nicht wirklich nach seiner Ansicht gefragt. Lessing setzt praktisch voraus, dass Gott alle drei Religionen gleichberechtigt hat. Der Koran versteht sich jedoch als einzige und endgültige Offenbarung Gottes an den Menschen. Und noch weiter gehen (zumeist evangelikale) Christen: Hier wird der muslimische Gott erst gar nicht als derselbe Gott wie der der Juden und Christen anerkannt. Nach Lessing haben aber alle drei Religionen den gleichen Gott.

Der dritte von mir besuchte Vortrag war der letzte der diesjährigen Islamwoche. Es war der gewichtigste und umfassendste. Es ging um das zentrale Thema bzw. um eine der zentralen Fragen in der Religion: "Liebt Gott den Menschen?" Den Vortrag über Gottesliebe im Islam hielt der Konvertit Gerhard Abdulqadir Schabel.
Auch hier will ich aus Platzgründen nur die wichtigsten Thesen ansprechen.
Die simple Frage, ob auch der islamische Gott den Menschen liebe, wird mit "ja" beantwortet. Gott hat den Menschen die Verantwortung über die Schöpfung gegeben. Das hat mit Vertrauen zu tun, und wen man liebt, dem vertraut man auch.
Gott hat uns mit göttlichen Eigenschaften ausgestattet sowie mit Eugenschaften, die uns ein Leben im Diesseits ermöglichen, so Schabel. Er hat uns auch mit dem freien Willen ausgestattet, also: Wer zu Gott will, kann selbst entscheiden, ob er Gutes oder Böses tut.
Frage: Haben wir Gottes Liebe entgegnet? Nehmen wir unseren Job als Behüter der Erde wahr?
Für Muslime ist das Leben eine Prüfung Gottes. Und hier haben sie es im Gegensatz zu den Christen einfacher: Der Koran verlangt, dass Muslime gegen alle Menschen "gerecht" werden. Christen würden jedoch von sich selbst verlangen, immer und andauernd Liebe zu üben. Das sei insofern schwierig (wenn nicht sogar unmöglich), da Liebe eine göttliche Eigenschaft sei. Es ist eher möglich, seinem Umfeld (auch den Menschen die man liebt) mit Gerechtigkeit zu begegnen.
Für Muslime gilt: Niemand ist befreit von der Prüfung Gottes, nur weil er sagt "Ich glaube!" ("Ich bin Muslim!") Diese Prüfung kann sowohl Angst, Not und Hunger sein, als auch bei Reichen die Bereitschaft zur Nächstenliebe.
Der Koran hat dem Muslim Regeln gegeben, an die er sich halten soll. Doch Gott liebt den Menschen für sein freiwilliges Tun, so Schabel.
Der Vortrag war sehr interessant. Er vermittelte eine andere Sichtweise auf das Gottesbild des Islam und auf den Islam selbst, als das, das uns von den Medien gemacht wird. In der anschließenden Diskussionsrunde fiel auch die Frage eines Muslims, wie man "mit Politikern wie Sarrazin oder Seehofer umgehen" solle. Zum Erstaunen vieler verteufelt Schabel niemanden, sondern er fordert die Muslime auf, sich vielmehr selbst an der eigenen Nase zu packen. Denn nicht jeder, der sich in Deutschland Muslim nennt, sei auch ein solcher. "Es gibt Muslime, die ihre Religion selbst in Verruf bringen". Auf sowas würden die Politiker reagieren.
Interessant auch: Der Islam will an vielen Stellen eher die Eintracht, wo wir sie als Außenstehende nicht vermuten. So steht im Koran angeblich am Ende einer jeden Anweisung für ein Urteil, dass in jedem Fall das "Verzeihen" der bessere Weg zu Gott wäre.

Ein Fazit:
Eine interessante Woche mit vielen Informationen und Sichtweisen. Auf jeden Fall eine Horizonterweiterung.

Kritik:
Natürlich ist alles eine Sache der Interpretation. Für außenstehene Personen war vor allem der erste Vortragstag etwas verwirrend, wenn nicht sogra abeschreckend. Betende Muslime im Foyer, Koranrezitationen. Es glich wahrhaft eher einer Missionsveranstaltung. Die meisten Besucher der Vorträge waren Studentinnen mit Kopftuch. An Info-Material gab es vor allem Bücher und Broschüren, die auf die Stellung Jesu im Koran eingingen. Die vorgestellten Hilfsorganisationen arbeiten vor allem in muslimischen Ländern und helfen auch in erster Linie Muslimen (z.B. in Gaza). Es schien alles eher eine innermuslimische Angelegenheit und Propagandaveranstaltung zu sein. Jedoch alles im Rahmen des Legalen. Es ist ja schließlich nicht verboten, Werbung für seine Religion zu machen. Nur ein wenig hat es mich gewurmt, als in den Pausen und vor Beginn der Vorträge einige muslimische Lieder kamen, - es waren ziemlich genau immer drei gleiche -, die teilweise zweifelhaften Inhalt hatten. Eines dieser Lieder erzählte davon, wie Muslime in "ihren Ländern für den Islam" sterben, wie sie verfolgt werden. In diesem Lied kommen folgende Textzeilen vor (auf Englisch): "So leben wir unser Leben in Stille/und geben vor, nicht zu hören/die Stimmen unseres Volkes nicht zu hören./Der Schrei ist so klar./Warum stehen wir nur dabei und schauen zu/wenn unsere Brüder "Dschihad" rufen?/Wir sind verbunden durch unsere Überzeugung,/wir glauben an Allah!" Der Refrain fragt: "Hast du gehört von Kosovo gehört, von Afghanistan?" und zählt einige weitere Länder auf. Das Ende des Refrains lautet: "Weißt Du, dass all diese Menschen für den Islam sterben?" Ich weiß nicht ob dieses Lied es wert ist, dass man so ausführlich darauf eingeht. Doch es war irgendwie charakteristisch.
Kritik jedoch auch an einem anderen Punkt: Angeblich hat die MSU (Muslimische Studentenunion) zur Islamwoche unzählige Einladungen - auch an offizielle Stellen - verschickt. Niemand ist gekommen. Da muss man sich fragen: Ist es so verwunderlich, dass die ersten Vorträge eher einer rein muslimischen Angelegenheit glichen, wenn es von deutscher/christlicher Seite niemand nötig hat, sich blicken zu lassen? Dialog ist wichtig und in unserer heutigen Zeit unerlässlich.

Zum Stichwort Dialog.
Ich habe einmal an der Uni ein Seminar besucht, wo es um Dialog ging, allerdings im christlich-jüdischen Sinne. Und ein Fazit ist mir ganz interessant erschienen:
Dialog heißt, dass ich mich mit dem anderen auseinandersetze, mit ihm ins Gespräch komme. Dialog heißt aber nicht, dass ich mich auf irgendetwas einigen muss. Jeder Teilnehmer am Dialog hat das Recht zu sagen: "Okay, ich hab deine Position gehört, ich hab dir meine Position erklärt. Wir haben miteinander geredet, wir haben miteinander Kaffee getrunken. Aber das war's dann auch." Wo steht geschrieben, dass man beim Dialog auf eine "Einigung" oder auf irgendeine Lösung kommen muss? Doch ich glaube das ist es, was die meisten Menschen vom Dialog abhält - die Angst, sich mit dem anderen auf irgendeinen Punkt einigen zu müssen.
Soviel nur dazu. Dialog ist wichtig - auch mit den Muslimen in Deutschland.

Dienstag, 9. November 2010

Die Reichspogromnacht und Alfred Grosser

Zum Gedenken an die Reichspogromnacht vor 72 Jahren fand heute Abend eine Veranstaltung in der Frankfurter Paulskirche statt. Gedacht wurde der als "spontanen Volksgewalt" getarnten Pogrome der SS im Jahre 1938. Landesweit wurden Synagogen niedergebrannt, Heilige Schriften geschändet und tausende von jüdischen Geschäften geplündert. Bei den Ausschreitungen kamen auch 91 Menschen ums Leben. Dieses Ereignis bot den in Deutschland verbliebenen Juden damals ein deutliches Zeichen, dass es wohl doch schlimmer kommen würde als befürchtet.

Was für mich interessant ist, ist der Redner an diesem Gedenktag selbst: der wie es heißt "umstrittene" Publizist und Autor Alfred Grosser. Der Zentralrat der Juden hatte im Vorfeld schon gedroht, sollte Grosser gegen Israel oder den Zentralrat selbst wettern, würden die Mitglieder die Veranstaltung verlassen. Zu dem großen Eklat kam es nicht.
Ich hatte im Oktober die Ehre, einer Rede von Grosser an der Uni Tübingen beizuwohnen. Grosser, selbst deutschstämmiger Jude, ist eine höchsstinteressante Persönlichkeit. Ich teile mit ihm so gut wie keine Meinung. Aber ich bewundere ihn. Er vertritt nicht etwa eine bestimmte Strömung an Meinungen. Er hat sich seine Meinung zu jedem Thema selbst gebildet.
Grosser hielt Mitte Oktober 2010 die 9. Theodor Eschenburg Vorlesung an der Uni Tübingen zum Thema "Welche Last der Vergangenheit? Deutschland und Israel". Und da ich zu dieser Vorlesung damals keinen Blogeintrag gestaltet habe, will ich das nun nachholen und Euch einmal die Politik des A. Grosser vorstellen.

Als Franzose ging Grosser natürlich zuerst einmal auf die Deutsch-Französische Zusammenarbeit nach dem Zweiten Weltkrieg ein und betont, dass schon die Französische Verfassung in ihrer Präambel vom Zweiten Weltkrieg als Krieg gegen ein "Regime", nicht gegen Völker oder Länder, spricht. Grosser distanziert sich betont von der "Kollektivschuld" ("Alle Deutschen waren Nazis") und erwähnt, dass es auch Deutsche gab, die geholfen haben und von denen niemand spricht.
Er spricht die "Auschwitzkeule" an - das Totschlagargument Auschwitz. Mit der Schuldfrage geht er liberaler um als die meisten Deutschen es heute tun.
Elie Wiesel werde in Deutschland zu Unrecht verehrt, behauptet Grosser.

Auch auf Sarrazin geht er ein. Er verurteilt dessen "Werk" und weist darauf hin, dass Sarrazin geschickt Quellen verfälscht hätte - eine Sache, auf die man selten eingegangen ist, als die großen Diskussionen um Integration und Islam tobten. Grosser hält nichts vom Trend der Deutschen: "Ein bisschen Wahrheit steckt ja schon drin..." usw. hält er für schwachsinnig.

Schlagwort zur Integration:
"Frei machen ohne zu entwurzeln."

Grosser befürwortet den Ethikunterricht als Pflichtveranstaltung. So würde das muslimische Mädchen außerhalnb ihrer Familienstrukturen erkennen, dass man nicht unbedingt ein Kopftuch tragen müsse. Das gelte (in einer anderen Konstellation) natürlich auch für den katholischen Jungen aus Bayern.

Die Kirchen würden zu wenig sagen zu den verfolgten Christen weltweit, vor allem denen in der islamischen Welt.

Grossers Ansatzpunkt zur Israel-Politik und zu einigen anderen Themen lautet:
"Die Leiden der Anderen anerkennen."
Wie könne der palästinensische Junge den Schrecken der Selbstmordattentate verstehen, wenn man sein Leiden nicht anerkenne?
Grosser sieht die Gaza-Blockade als völkerrechtswidrig an.
Er sagt, es gäbe auf der Welt kein "Rückkehrrecht". Das gibt es für die vertriebenen/geflüchteten Palästinenser genauso wenig wie für die Juden (nach 2.000 Jahren!), so Grosser.
Der Schriftsteller spricht sich gegen eine Zwei-Staaten-Lösung aus. Er würde eine Ein-Staaten-Lösung anstreben, nach dem Modell Theodor Herzls. Denn schon der Begründer des Zionismus spricht in seinem Werk "Der Judenstaat" von einem friedlichen Miteinander. Hier geht er einen ziemlich einsamen Weg in unserer heutigen Zeit. Doch ich muss ehrlich sagen, dass das auch mein Lösungsansatz war, bevor ich ein Jahr in Israel verbracht habe.
Grosser weist deutlich auf das Unrecht hin, das den Palästinensern in Israel widerfahre. Doch er kritisiert auch die arabischen Staaten rund um Israel. Deutschland hätte nach dem Krieg die Vertriebenen (Sudentendeutsche, u.a.) erfolgreich in die Gesellschaft integriert. In den arabischen Staaten geschieht genau das Gegenteil. Palästinensische Flüchtlinge werden gezielt ausgegrenzt.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass Alfred Grosser dem Staat Israel das Existenzrecht abspricht, wenn dieses nur auf die jüdische Identität aufbaut. Grosser, der selbst Atheist ist, verurteilt außerdem jene atheistischen Israelis, die trotz des Abfalls von der jüdischen Religion auf die Bibel als Legitimation eines jüdischen Staates verweisen. Ich kritisiere vor allem die Ansicht, dass der Staat Israel als jüdischer Staat nicht nötig wäre. Ich stimme Grosser zu, wenn er auf dass Unrecht hinweist, das den Palästinensern geschieht. Doch er differenziert nicht genug zwischen den Ursachen für dieses Unrecht. Grossers Haltung gegenüber Lobbypolitikern wie den Mitgliedern des Zentralrats der Juden in Deutschland kommt klar rüber.

Vor allem in der nachfolgenden Diskussion kommen Anmerkungen und Fragen aus dem Publikum, bei denen in mir stellenweise die Wut aufkocht. "Warum tut keiner was, um Israel an seinen Verbrechen zu hindern?" So nach dem Motto: Wann stürzt sich die Welt endlich auf diesen kleinen, jüdischen Staat? Dann wären alle Probleme gelöst. Ich glaube, die Leute vergessen, dass sich unsere Presse auf jedes kleine Detail stürzt, mit dem der israelische Staat falsch umzugehen scheint. Und dass sich unsere Politiker doch schon an Free Gaza Aktionen auf bewaffneten Schiffen beteiligen. Und dass in Deutschland tausende Menschen auf offener Straße Israel den Tod wünschen dürfen, wenn die Demonstration nur angemeldet ist. Und dass Bundesaußenminister Westerwelle bei jedem Besuch in Israel seine Kritik an den Siedlungen im Westjordanland rauslässt? Zum Kuckuck, ist das denn nicht genug?! Was erwarten die Menschen? Dass wir Israel höchstpersönlich ausradieren?

Jetzt bin ich ein wenig vom Thema abgekommen. Ob dieser Artikel seiner Überschrift gerecht wird, weiß ich nicht. Doch ich wollte einmal auf Herrn Grosser eingehen, denn ich denke den wenigsten Menschen in Deutschland sagt dieser Name wirklich etwas. Wie gesagt, obwohl ich ihm nicht oft zustimme, bewundere ihn auf eine gewisse Weise. Denn er hat seine eigene Meinung - was man heute von den wenigsten Menschen behaupten kann.

Sonntag, 24. Oktober 2010

Tacheles

Gerade kommt auf phoenix die Talksendung "Tacheles". Das Thema: "Islam in Deutschland - Friedensreligion oder Kultur der Gewalt?" Schade nur, dass so eine interessante Sendung zu einer so "unchristlichen" Zeit kommt. Beginn: 22:30 Uhr.

Unter den Gästen sind Wolfgang Bosbach (CDU), der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Ayman Maziek, der Kriminologe Dr. Christian Pfeiffer und EKD-Präses Nikolaus Schneider.

Leider geht die Gesprächsrunde der eigentlichen Frage nach einigen ersten Anläufen weitgehend aus dem Weg. Punkt eins: Der Kriminologe Dr. Pfeiffer stellt klar, dass die meiste häusliche Gewalt in Familien stattfinden, die christlichen Freikirchen anhängen. Punkt zwei: Jesus sei ein Zimmermannssohn gewesen, Muhammad ein Feldherr. Moderator Jan Diekmann will die Diskussion anheizen, indem er Matthäus 10,34 einwirft: "Denkt nicht, dass ich gekommen bin, Frieden auf die Erde zu bringen. Ich bin nicht gekommen, den Frieden zu bringen, sondern das Schwert." Erschreckenderweise wehrt sich Nikolaus Schneider von der Evangelischen Kirche erst Minuten später. Im weiteren Verlauf geht es noch kurz um den (äußerst gewichtigen) Widerspruch zwischen Verfassung und Demokratie und der Scharia, dem islamischen Gesetz. Weiter eingegangen wird hierauf jedoch nicht.

Aber eigentlich ist es auch besser, wenn Politiker nicht über Theologie disskutieren. Es geht hier im Grunde weniger um den Islam als um die Integrationsdiskussion an sich. Die "Kontextuierung mit der Religion" wird beiseitegeschoben. Vor allem werden Positivbeispiele wie der Berliner Sozialarbeiter Fadi Saad hervorgehoben.

Ist die anfängliche Frage "Islam = Gewalt oder Frieden?" einmal abgehakt, geht die Runde einen entspannteren Kurs. Man redet. In unserer Gesellschaft wird viel "totgeredet". Doch diesen Abend zerfetzt man sich nicht, man redet miteinander. Das letztendliche Fazit: "Raus aus den Ghettos, Bildung, Bildung, Bildung, Integration." Und: "Es lohnt sich, in diesem Land mitzumachen."

Unsere Gesellschaft durchläuft einen angenehmen Wandel, scheint es mir. Offen wird bekannt, dass wir uns jahrzehntelang vor der Realität versteckt haben. Zwar war Deutschland nie als "Einwanderungsland" gedacht, wir sind aber dazu geworden. Und damit müssen wir nun umgehen. Das müssen wir akzeptieren. Und so langsam begeben wir uns auf den Kurs eines kritischen, selbstkritischen, aber auch bestimmten Dialog.

Geht es um Politik, Integration, Gesellschaft, dann ist alles machbar. So scheint es zumindest. Will man jedoch über Religion reden, stößt man auf taube Ohren. Als Mangel in unserer "christlich-jüdischen Wertegesellschaft" ist zu notieren, dass wir noch mit zu wenig Selbstbewusstsein in diese Diskussion gehen. Wir lassen uns gerne einreden, das Christentum sei aus der Mode gekommen und nur noch im Grundgesetz unter der Rubrik "Werte" (praktisch als Filiale einer Museumskultur) verankert. Das Christentum ist nicht mehr lebendig, so scheint die Mehrheit der in Deutschland lebenden Menschen zu denken. Doch um uns gegen unangenehme Einflüsse von außen zu schützen, berufen wir uns auf eben jene "jüdisch-christliche Wertekultur" - ohne dabei zuzugeben, dass der jüdische Teil unserer gesellschaftlich-religiösen Wurzeln mehr als ein Jahrtausend lang der Willkür unserer Launen ausgesetzt war. Wie unverschämt ist das denn? Pogrome (z.B. die Kreuzzüge), Diskriminierung vor und nach der Französischen Revolution, Völkermord (1933-1945) - und jetzt plötzlich stellen wir uns in unserer Not hinter den Schatten des jüdischen Teils der europäischen Geschichte und Kultur, den wir noch vor knapp 70 Jahren nahezu ausgerottet hatten. Wow.

Mittwoch, 20. Oktober 2010

Die Universität, ein Universum - Eine kleine Novelle

Ach ja, die Universität. Eine wundersame Institution, die man schnell zu lieben lernt. Der einsame Student betritt einen ihm bisher unbekannten Kosmos. Ein Gebilde, das in sich so unheimlich viele Komplexitäten und Komplexe aufweist wie ein Schweizer Käse Löcher hat. Und doch fühlt man sich gleich wohl.
Der Dozent im Hörsaal verkörpert ein Medium höherer Wissenschaften. Durch ihn erlangt der ehemalige Schüler und Abiturient Wissen. Dieses Medium kann zugleich gleichermaßen bildungsvermittelnd als auch zerstreut, wenn nicht sogar hochgradig verwirrt, sein. Es gibt sie beide: Den bärtigen Professor, der eine Brille mit kleinen Gläsern trägt, genauso wie den jungen, dynamischen Dozenten, der den Anschein macht, doch irgendwie im Leben zu stehen.
Der Studienanfänger erinnert sich noch an die Schultage, als man lässig in seinem Stuhl lehnte - nachdem man in der Regel zwischen der 10. und der 12. Klasse aufgehört hatte, auf ihm zu schaukeln - und sich dem Lehrer irgendwie überlegen fühlte. Sei es aus bloßem Übermut oder auch einfach, weil man das, was einem der Lehrkörper vermittelte, schon längst wusste. Oft erwies sich dieses vermeintliche Wissen bei dem ein oder anderen als bloßes Missverständnis, und so mancher musste vor der Herausgabe der Klausur zittern. Doch im Grunde sah man sich als alten Hasen und blickte mitleidig auf die kleinen Fünftklässler, die von Jahr zu Jahr kleiner zu werden schienen.
Und dann kommt man auf die Universität. Allein das Wort flößt Respekt ein. Nicht die Kurzform, die sich anhört als wäre es ein Einkaufsladen. Uni. Das Wort UNIVERSITÄT. Respekt, keine Furcht. Es gehört zu den Wörtern, die im Raum schweben und ausstrahlen.
Na gut. Wie dem auch sei, der mit Urkunden und Zeugnissen ausgezeichnete Abiturient betritt die Universität - und ist auf einmal klein. Er erkennt, dass er im Grunde keine Ahnung hat. Doch zu seinem Glück merkt er gleich, dass er bald dazugehören wird. Ein Trost. Doch ein langer Weg, den es da zu durchlaufen gibt, um dann endlich Bachelor oder gar Master zu heißen. So heißt man dann doch, oder?
Die Universitätsstadt - eine Stadt, in der mehr Regen auf Lehrhäuser fällt als auf Industriegebiet. Eine Stadt, wo selbst im sonntäglichen Gottesdienst ein halbes Jahr als Semester gerechnet wird. Und der Gottesdienst ist es auch, der die angehenden Theologiestudenten verschreckt: Die Predigt zum Dies Universitatis (Uni-Tag, für alle nicht-Lateiner) wird von einem Professor gehalten. Er spricht von Zeit als Element im metaphysischen So-und-so, überschlägt sich in minutenlangen Sätzen. Und das eine geschlagene halbe Stunde lang. Das Wort "Jesus" kommt ganze zwei Mal vor. Erstaunlich. Und verwirrend.

Noch verwirrender:

"Warst Du auch im Interpretationskurs?"
"Ja."
"Und, wie war's?"
"Wenn man Kartoffel richtig interpretieren würde, müsste es Kartöffel heißen."
"So so. Und was ist mit Pantoffel?"
"Na aber! Unregelmäßige Demonstrativpronomina lassen sich nicht interpretieren."
"Ach so. Naja. Wäre schön gewesen."
"Über Geschmack lässt sich streiten."
"Apropos - was hat es heute denn zu Mittag gegeben?"
"Kartoffelsuppe. Aber wir hatten keine Löffel mehr."
"Lässt sich Löffel auch interpretieren?"
"Was Du immer für Ideen hast... Sag mal, wann werden eigentlich die Telefonzellen wieder geleert?"
"Das hat doch nichts mit Gelehrsamkeit zu tun!"
"Oh doch. Telefonieren ist schließlich eine Tugend, die man pflegen muss!"
"Da hast Du auch wieder Recht."
"Ja ja, die Juristen..."
[...]

(Na, genug jetzt. Von diesem Gespräch haben nur die ersten zwei Sätze wirklich stattgefunden. Aber es ist von Zeit zu Zeit doch auch ganz gut, sich ein bisschen verwirren zu lassen. Danach schläft es sich nachts leichter.)

Donnerstag, 14. Oktober 2010

News Update No. 3

Und hier ein paar andere Themen aus den Medien.


Chile

In Chile wurden gestern im Laufe des Tages alle 33 verschütteten Bergleute lebend geborgen! Der Präsident war anwesend, als einer nach dem anderen (mit Sonnenbrille) ans Tageslicht kam. Mit einer Rettungskapsel wurden die Kumpel einzeln nach oben befördert. Insgesamt dauerte die Gefangenschaft bzw. die unfreiwillig "verlängerte Schicht" ganze 70 Tage.
Schön, dass es auf der Welt auch noch erfreuliche Botschaften gibt.


Libanon

Der iranische Präsident Machmud Achmadinedschad ist auf dem Weg zur israelischen Grenze. Er will einige grenznahe Hisbollah-Dörfer besuchen und ins "Feindesland" schauen. Gestern hat er inmitten seiner Anhängerschar gegen Israel gewettert und war von seinen Fans so begeistert, dass er sogar zu Tränen gerührt war. Der Besuch wird von weiten Teilen der Öffentlichkeit (auch im Libanon selbst) als pure Provokation aufgefasst.
Der hat wohl nix Besseres zu tun.


Schon gewusst...?

Der Fußball-Zwerg Aserbaidschan hat vorgestern zuhause gegen die Türkei mit 1:0 gewonnen (!). Zwar haben die Kaukasier keinerlei Chancen auf eine EM-Teilnahme, aber dennoch ist mti diesem Sieg ein beachtlicher Sprung auf der Weltrangliste nach oben zu verzeichnen.


Wetter

Mir ist gerade aufgefallen, dass es im nahöstlichen Jerusalem gerade 36°C hat. Und da sitze ich in einer süddeutschen Uni-Stadt, wo die heutige Wettervorhersage "6°C, wolkig" lautet...
Oh Mann.


Schönen Tag euch noch. :)

News Update No. 2

Hier noch ein schneller Überblick über ein paar (bekannte) Themen der letzten Wochen.


Nahostkonflikt

Die Debatte ist nun zum entscheidende Punkt gekommen: Israels Ministerpräsident Netanjahu hat einen neuen Baustopp angeboten, sollten sich die Palästinenser bereiterklären, Israel als jüdischen Staat anzuerkennen. Zuerst stieß dieses Angebot bei der Palästinenserführung auf strikte Ablehnung. Und aus paläsinensischer Sicht ist das auch verständlich: Würden die Palästinenser Israel als jüdischen Staat anerkennen, würde auch die letzte Hoffnung auf eine Rückkehr der Flüchtlinge von 1948/49 in die heute israelischen Gebiete ausgelöscht werden. Hinzu kommen Fragen wie: "Was passiert mit den arabischen Israelis, die etwa 20 Prozent der israelischen Bevölkerung ausmachen?" "Sind die Araber in Israel dann Bürger zweiter Klasse?"
Ein jüdischer Staat Israel stieß bei der Gegenseite immer auf Ablehnung. Keine palästinensische Regierung hat Israel als jüdischen Staat anerkannt. Aber umso wichtiger ist diese Diskussion für Israelis. Denn eines ist klar: Die Souveränität des jüdischen Staates muss gewehrleistet sein. Wohin soll das jüdische Volk denn sonst? Israel ist ein jüdischer Staat, und Jerusalem ist seine Hauptstadt. Zumindest aus jüdischer Sicht. Die Fragen von israelischer Seite ist vor allem: "Was passiert mit Jerusalem, der unteilbaren Hauptstadt des jüdischen Volkes?" Die von den Palästinensern angestrebte Lösung lautete bis jetzt, man müsse einen palästinensischen Staat schaffen (ohne jüdische Siedlungen, mit (Ost)Jerusalem als Hauptstadt) und der Staat Israel müsse binational bleiben, also jüdisch und arabisch. Aber wo wäre da der Kompromiss? Wo wäre die Garantie für einen Staat der Juden?
Die Lage ist und war schon immer verzwickt. Ein Lichtblick - oder besser ein kleiner Funke Hoffnung - kommt jetzt vonseiten des PLO-Funktionärs Jassir Abed Rabbo. Er ist seit 2006 Berater des Palästinenserpräsidents Machmud Abbas und verkündete in den letzten Tagen, dass man unter bestimmten Umständen bereit sei, Israel als jüdischen Staat anzuerkennen. Ist hier eine Wende zu beobachten? Wir wollen es hoffen. Die Voraussetzungen bleiben allerdings dieselben wie früher: Ein Palästinenserstaat in den Grenzen von 1967 mit Ostjerusalem als Hauptstadt. Und dazu gehören der Tempelberg und die Klagemauer, beides wichtige Orte der jüdischen Religion.
Die Amerikaner haben jedenfalls bekräftigt, dass Israel ein Staat für die Juden sei. Ebenso sei es aber auch ein Staat für die Bürger der anderen Glaubensrichtungen (so Hillary Clinton am Dienstag).
Der PLO-Politiker Rabbo bat unterdessen Israel und die USA, der Palästinenserführung eine Karte vorzulegen, die zeigt, in welchen Grenzen man den jüdischen Staat anerkennen solle.


Tag der Deutschen Einheit

Schon etwas länger zurück liegt der Tag der Deutschen Einheit, am 3. Oktober (für alle, die es nicht wissen). Die Einheit jährte sich dieses Jahr schon zum 20. Mal, womit wir ein Jubiläum zu feiern hatten. Der Bundespräsident sprach in Bremen. Und erstmals kam auch unser Freund der Islam zur Sprache. Der Islam gehöre "inzwischen auch zu Deutschland", betonte Christian Wulff in seiner Rede.
Wulffs Rede macht den Anschein, als wolle sie den Islam mit dem Christentum und dem Judentum gleichstellen. Es ist ein gutes Zeichen, dass er die deutschen Muslime mit Deutschland in Verbindung bringt. Wahrscheinlich wollte er Fronten aufweichen, Unterschiede relativieren, Toleranz zeigen. Es war gut gemeint.
Tatsache ist aber, dass keine andere Religion Deutschland in dem Maße geprägt hat wie das Christentum. Der christlich-jüdische Hintergrund unserer Kultur, die doch sehr eingehend geprägt wurde von Altem und Neuem Testament, droht in unserer Gesellschaft zunehmend in Vergessenheit zu geraten. Ein Großteil der Deutschen nennt sich auf dem Papier noch Christen. Aber wenn man nachfragt, bietet sich einem ein Bild der Verwirrung. Glauben hat in unserer Gesellschaft angeblich keinen Platz mehr. Und wenn man glaubt, dann wird man mitleidig belächelt. Da ist es dem Durchschnittsdeutschen eher egal, welche Religionen in einem Atemzug genannt werden. Religion - ein Begriff, der zum Phantom geworden ist.
Der Islam steht dem allem entgegen. Er demonstriert Macht, er flößt Respekt ein. Er reagiert auf Kritik oftmals mit Intoleranz und dem Verbrennen von Fahnen und Flaggen in aller Welt.
Der Islam verbreitet Angst. Und genau dieser Tatsache will Wulff entgegenwirken, indem er den Islam mit einbinden will in den Begriff Deutschland. Klar, der Islam gehört dazu. Und was dazugehört, damit freundet man sich an. Ergebnis: Friede, Freude, Eierkuchen.
Das ist ja alles ganz gut und schön. Aber es geht auch ein bisschen ums Prinzip. Ein Kritiker der Islam-Gleichstellung ist zum Beispiel der Limburger katholische Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst, der sich im FOCUS zu Wort meldet: "Gehören Werte und Traditionen unserer Kirche nur noch der Vergangenheit an, während der Islam das Heute bestimmt?"
In seinem Artikel zeigt Tebartz-van Elst einige Aspekte, die wir oft unter den Tisch fallen lassen. Wie hat das Christentum unsere deutsche/westliche Gesellschaft geprägt? Unsere Ansichten zu "Ehe und Familie als Keimzelle gesellschaftlichen Lebens" zum Beispiel. Die Bibel spielt in vielem eine große Rolle, wo wir es kaum noch merken. Und der Koran? Was hat dieses Buch, das noch nicht einmal kritisch betrachtet werden kann, in Deutschland gewirkt? Was hat der Islam zu Deutschland beigetragen, zu unserem gesellschaftlichen Leben und Denken?
Der Islam hat keine Wurzeln in Deutschland. Seine Wurzeln liegen woanders. In Deutschland ist jeder willkommen. Aber Deutschland ist ein Land, das von der christlich-jüdischen Abendlandskultur geprägt wurde. Bei allem Toleranzgedudel müssen wir uns über die historischen Fakten klar werden. Das ist kein Nachteil für die Muslime in Deutschland.

Was hat das mit dem Tag der Deutschen Einheit zu tun? Eine ganze Menge. Ob der Islam jetzt in einem Atemzug zu nennen ist mit Christentum und den jüdischen Wurzeln unseres Glaubens sei einmal dahingestellt. Aber Fakt ist auch, dass der Islam in Deutschland präsent ist. Er wirft neue Problematiken auf, die wir bisher noch nicht kannten.
Doch der Islam ist nicht die einzige nationale Angelegenheit. Da gibt es noch viel mehr solcher "Problematiken". Auch das Schlagwort Hartz IV nimmt in der öffentlichen Meinungsbildung eine besondere Stellung ein.
Alle diese Problematiken gehören zum 21. Jahrhundert dazu. Das erste Jahrzehnt haben wir hinter uns. Sogar das zweite Jahrzehnt seit der Wiedervereinigung. Und seien wir einmal ehrlich: Das Fazit der BRD seit 1990 ist nicht so schlecht, wie sie uns manchmal gemalt wird. Im Grunde versteht sich Ost und West. Und was noch besser ist: Die Grenzen von Ost und West verschwimmen mittlerweile. Ganz einfach weil sie nicht mehr da sind. Das ist demografisch zwar nicht ganz korrekt. Aber in ihren Köpfen haben die Deutschen auch diese Grenzen größtenteils überwunden.
Die Problematiken, die bleiben bzw. neu entstanden sind, werden heiß diskutiert. Nie war die Öffentlichkeit so stark beteiligt wie in diesen Tagen. Hartz VI, Islam, Gesellschaft, Stuttgart 21 - alles Themen des Jetzt und Heute. Zwar werden fast alle Diskussionen jämmerlich emotional geführt, aber die Gesellschaft ist wachgerüttelt, in jeder Hinsicht. Und das ist ein gutes Zeichen.

Mittwoch, 13. Oktober 2010

News Update No. 1

Meine Leser drohen mir davonzulaufen. Aber das ist auch kein Wunder; seit Wochen habe ich mich jetzt schon nicht mehr gemeldet. Ich wollte ein wenig abwarten und die aktuellen Vorgänge beobachten, ohne gleich voreilig einen Kommentar zu schreiben. Aus einiger zeitlicher Distanz wollte ich eine Zusammenfassung schreiben. Naja, die Folgen dieser Strategie sind fatal: informative overflow. Und das ist auch kein Wunder...

Um es übersichtlich zu machen, fange ich in diesem Eintrag mal wieder mit einem uns allen bekannten/beliebten/gehassten Thema an:

STUTTGART 21


Ich habe vor allem gehofft, der ganze Rummel um Stuttgart 21 würde sich in der Zwischenzeit legen. Denn 1.) ist es für meine internationale Leserschaft langsam nicht mehr von Interesse, was sich in einem schwäbischen Provinznest - denn das wird es in naher Zukunft wieder werden - abspielt. Und 2.) geht mir diese ganze Debatte langsam selber auf den Senkel.

Aber was soll man machen? Dieses Thema ist nunmal aktuell. Und außerdem fällt Stuttgart 21 immer mehr Bedeutung im Hinblick auf die deutschlandweite Stimmung zu.
Es ist ja weitgehend bekannt, dass wir Deutschen ein Volks sind, das grundsätzlich erstmal dagegen ist. Veränderungen, nein danke! Manchmal liegen wir damit richtig, manchmal nicht. Es geht nicht darum, auf welcher Seite wir stehen. Mir persönlich macht es Sorgen, dass wir uns eine Meinung bilden, ohne uns vorher mit einem Thema beschäftigt zu haben:

"Islamunterricht an deutschen Schulen? - Nein danke! Wo kommen wir denn da hin..."
"Nacktscanner?? - Nein danke! Privatsphäre! Datenschutz!"
"Stuttgart 21? - Nein danke! Veränderungen, Baustelle, arme unschuldige Bäume, böse."

Aber zur Rente mit 67 sagt man "Ja und Amen". Im Grunde ist man auch da dagegen. Aber laut sagen tut es keiner. Anders als in Frankreich, wo man schon bei 62 auf die Straße geht.

Es ist in Deutschland mittlerweile so: Grundsätzlich ist einem die Politik egal. Auch jede gesellschaftliche Debatte - soll sich doch jemand anders drum kümmern.
Wenn etwas entschieden wird, dann nimmt man das erstmal hin, oft in der Erwartung, dass es ja doch nie so weit kommen wird. Und wenn es dann soweit ist, fangen so langsam die Proteste an.

Ach ja. *schwerer Seufzer*
Und was gibt es jetzt Neues bei Stuttgart 21?

Heiner Geissler (CDU) betritt die Bühne. Er marschiert durch Stuttgart, schüttelt Hände, lächelt in Kameras - und verkündet einen Baustopp. Dumm nur: Davon wusste bisher keiner was.

Mappus will sich auf Gespräche einlassen und will Eingeständnisse machen - allerdings ohne Baustopp.

Die andere Seite will ohne Baustopp nicht weiterverhandeln.

Irgendwie kommt mir das bekannt vor. Dieses ganze Theater erinnert mich an den Nahen Osten. Israel, Palästina. Intifada. Siedlungsbau. Bahnhofsbau. Baustopp.

Anfang der Woche saß ich im Zug in eine andere süddeutsche Stadt und las in meiner Lieblingswochenzeitung, dem konservativen FOCUS. Und was man da lesen konnte, hat mich irgendwie insgeheim gefreut. Erkenntnisse, die einem neuen Mut geben, dass man mit seiner Meinung doch nicht ganz so falsch liegt.
Interessant fand ich vor allem ein Bild aus einem Polizeivideo, das dort veröffentlicht wurde. Der zur Symbolfigur des Widerstands gegen Stuttgart 21 gewordene Dietrich W. war da zu sehen. Bisher war bekannt, dass er sich seine Verletzungen zuzog, als er sich schützend vor Jugendlichen aufgebaut hatte, um sie vor dem Wasserwerfer zu schützen. Nun ist der bärtige Rentner auf einem Bild zu sehen, wie er etwas in der zum Wurf erhobenen Hand hält. Nach eigenen Angaben waren es Kastanien. Aber es geht ums Prinzip. Wie der FOCUS schreibt: "Es könnten Kastanien gewesen sein, wie er selbst behauptet, vielleicht handelte es sich aber auch um Steine. Wattebällchen jedenfalls waren es nicht."
Man machte hier Demonstranten zu Helden und Märtyrern. Mir persönlich tut es Leid um die Verletzungen von Herrn W., und ich bin im Grunde ein Gegner von Wasserwerfern. Aber wir müssen uns auch mit der Tatsache abfinden, dass man in Deutschland zwar demonstrieren darf, aber dass es zu weit geht, wenn wir Polizeitransporter besetzen, Flaschen oder Kastanien werfen, oder wenn wir selbst Pfefferspray gegen Polizeibeamten einsetzen, die nur ihren Job machen. Immerhin geht es hier nicht um Menschenrechte oder Krieg oder sonstwas, sondern es geht um ein Bauprojekt und ein paar hundert Bäume. Ich denke, dass sich in manchen Kreisen die Überzeugung zu bilden scheint, dass sich der Slogan "Wir sind das Volk!" auf alles anwenden lässt.

Ah, apropos Bäume. Noch etwas, weshalb ich den FOCUS so gern lese. Fakten, Fakten, Fakten. Wussten Sie zum Beispiel, dass in Hamburg (wo die Grünen regieren) gerade 280 Bäume gefällt werden? Für die Stadtbahn zwischen Eppendorf und Winterhude. Hier legen die Grünen selbst "Axt an" - und keinen scheint es zu interessieren. Der FOCUS hat erkannt:
"Wichtig bei Verkehrsprojekten ist, wo man Bäume fällt und wer es tut. Lassen die Grünen selbst ihren Freund, den Baum, abholzen, geschieht das weitgehend geräuschlos und biologisch abbaubar."

Zwar bin ich (zumindest in seriösen Wochenzeitschriften) kein Freund von Sarkasmus. Doch die 10 Öko-Gebote haben mich zum Lachen gebracht. Die sind nicht neu - aber immer wieder gut. Als zehnter Punkt: "Wisse, die Schuld ist weiß, männlich, christlich und westlich! Die Unschuld ist eine Urwaldindianerin."

Der Konflikt um Stuttgart 21 wird immer unübersichtlicher - und er gewinnt immer mehr an nationaler Bedeutung. Es geht um das Prinzip "Regierung entscheidet - ein Teil des Volkes blockiert". In einer Demokratie hat jeder das Recht, eine eigene Meinung zu haben. Aber ist eine Gruppe von Demonstranten berechtigt, Milliardenprojekte zu verhindern, die vor Jahren beschlossen worden sind, und die auch von einem großen Teil der Bevölkerung befürwortet werden?
Die Zukunft Baden-Württembergs ist ohnehin schon beschlossen. Im März wird gewählt. Die Grünen werden gewinnen und zusammen mit der SPD die Regierung bilden. Vielleicht noch mit den Linken zusammen. Stuttgart 21 wird gestoppt und hinterlässt eine Baugrube, die wie eine Wunde in Stuttgart klafft. Stuttgart wird eine Stadt bleiben, die zwar eine TGV-Verbindung nach Paris hat, aber zu der eben dieser TGV einen Riesenbogen fahren muss - dank des Kopfbahnhofs (K 21). Stuttgart wird (vielleicht) Landeshauptstadt bleiben. Aber nie wieder bekommt diese Landeshauptstadt Geld für ein Milliarden- oder auch nur Millionenprojekt vom Staat. Denn als das Volk mit Stuttgart 21 den Fortschritt verhindert hat, sind wir zur Lachnummer der Nation geworden.

Donnerstag, 30. September 2010

Aktuelle Bilder - Stuttgart 21 und Nordkorea

Es gibt nun ein Foto, das den neuen Mann in Nordkorea zeigt. Nur zwei Plätze weiter sitzt der "alte" Mann, sein Vater Kim Jong-il. Die Mienen der beiden Männer - versteinert, wie immer.












Wer hier noch eine kurze Übersicht des BBC sehen will (allerdings auf Englisch):
Video1

Und hier: Bilder wie vom G8-Gipfel. Ich bin ja ein Befürworter von Stuttgart 21, ganz einfach aus Protest, weil alle anderen dagegen sind und denken, die andere Hälfte Baden-Württembergs müsse auch dagegen sein. Jetzt geht es ans Eingemachte. Demnächst werden die ersten Bäume des Schlossparks gefällt, an die seit heute Mittag jedoch einige Demonstranten gekettet sind.
Es gab Szenen, die wir aus Deutschland nicht mehr kennen.
Wasserwerfer, Pfefferspray, prügelnde Polizisten. Seit Jahren, Jahrzehnten hat es in Stuttgart keine Wasserwerfer mehr gegeben. Und heute war es dann doch so weit. Die Polizei griff durch. Gegen unbewaffnete, friedliche Demonstranten - bei einer angemeldeten Demonstration. Es gab blutige Nasen, tränende Augen, nasse T-Shirts.
Man muss sich jetzt doch fragen: War das nicht vielleicht ein bisschen viel?












































(Das sind Pressefotos; die stammen nicht von mir.)

Mittwoch, 29. September 2010

Korruption, Politik und der kleine Mann

Geld regiert die Welt. Das wusste man schon immer. Bis heute hat sich daran nichts geändert. Eigentlich wollte ich heute ein wenig über den Nahen Osten plaudern. Die Friedensgespräche ziehen sich weiter in die Länge, während nun sogar ein "jüdisches" Boot den Gazastreifen angesteuert hat, um dort die humanitäre Lage zu verbessern. Die israelische Marine stoppte das Boot mit seinem Inhalt, der sprichwörtlich "in einen Kofferraum gepasst hätte". Und am Rande diskutiert man weiter über die Zwei-Staaten-Lösung. Am 28. September hatten die Israelis die zehnmonatige Unterbrechung der Bautätigkeiten im Westjordanland beendet - so wie es vereinbart war. Nun bekommen einige der Familien wieder ein Zuhause, die vor fünf Jahren ihre Häuser im Gazastreifen verloren haben und seitdem in Wohncontainern schlafen und leben mussten.
Doch das alles ist heute nicht mein Thema. Dafür will ich ein paar andere Dinge anschneiden, die mir in den letzten Tagen durch den Kopf gegangen sind.

Korruption - ein hartes Wort. Und genau so lautete der Vorwurf gegen Juri Michailowitsch Luschkow, den (nunmals ehemaligen) Oberbürgermeister von Moskau. Nun wurde er entlassen. Der 74jährige wurde abgesetzt durch ein Dekret, das der russische Staatspräsident Wladimir Medwedjew höchstpersönlich unterzeichnet hatte. Doch wer war Juri Luschkow? Der deutschen Öffentlichkeit war dieser Name nicht wirklich geläufig. Bekannt wurde Luschkow jedoch, als er die russische Millionenmetropole während der verheerenden Waldbrände vor ein paar Monaten alleine ließ. Wahrscheinlich vertrug er den Smog nicht mehr, deshalb flüchtete er aus seinem kleinen "Fürstentum". Denn ein "Fürst" war er, der Herr Luschkow. Kaum ein anderer Bürgermeister dieser Welt hatte so viel Macht und Einfluss wie er. Nicht zuletzt ihm ist es zu verdanken, dass die Wirtschaft in der Kreml-Stadt floriert. "Die russische Hauptstadt ist wirtschaftlich so stark wie Südafrika. Fast ein Viertel des russischen Bruttoilandsprodukts wird in Moskau erwirtschaftet", schreibt die FAZ. Luschkow war seit 1992 im Amt, fast zwei Jahrzehnte. Er hatte überall seine Hände im Spiel - legal wie illegal, wird vermutet. Wurde er dem russischen Präsidenten zu mächtig? Oder wurde er im Rahmen einer Anti-Korruptions-Maßnahme abgesägt? Wir wissen es nicht. Wie einfach so etwas in Russland funktioniert, zeigt Medwedjews Statement: "Gemäß dem Erlass, den ich unterzeichnet habe, gibt es einen amtierenden Oberbürgermeister von Moskau - das ist Wladimir Ressin." Ressin übernahm die Amtsgeschäfte Luschkows kommissarisch, bis ein neuer Bürgermeister gewählt/eingesetzt werden kann.

Was gibt es noch? Ach ja, ein paar Talkshows und Diskussionen um die letzte Hartz-IV-Erhöhung. Ganze 5 Euro erhalten Arbeitslose nun zusätzlich. Bei der Linken und bei den meisten Hartz-IV-Empfängern sorgte das natürlich für Empörung, Enttäuschung und Protest. Aber jetzt müssen wir uns mal eines fragen: Was haben wir erwartet? Was war abgemacht?
Ursula von der Leyen stellte klar: Die Erhöhung des Geldsatzes war aus dem Durschnittseinkommen eines kleines Verdieners errechnet worden.
Was ist daran falsch?
Was für eine Erhöhung haben wir uns erwartet? 40 Euro? 100 Euro??
Wir müssen uns einmal eines klar machen: Es gibt Länder in Europa, wo Menschen einen Grundbetrag erhalten - egal was sie vorher verdient haben. In Polen erhält ein Arbeitsloser ein Jahr lang Unterstützung. Ein Jahr, danach sollte er wieder einen Job haben. In Spanien muss man 6 Jahre lang eingezahlt haben, um überhaupt etwas zu erhalten.
Unsere Einstellung gegenüber Hartz IV ist eine falsche. Hierbei handelt es sich nämlich um eine Übergangslösung - bis der oder die Betroffene wieder Arbeit hat. Es wird in unserem Land immer mehr zur Angewohnheit, dass sich der Hartz-IV-Empfänger mehr darum kümmert, sein Recht auf ein Leben in Wohlstand einzufordern, als sich einen neuen Job zu suchen. Ein Arbeitsloser kann nunmal nicht so viel verdienen wie ein Mensch, der ein mittleres Gehalt mit einem Fulltime-Job in einer 48-Stunden-Woche.
Ich will hier niemandem zu nahe treten. Aber heute beklagt man sich von allen Seiten, dass das Geld nicht reicht. Die Gründe hierfür werden gern verdrängt. Liegt es vielleicht an der Weise, wie wir Deutschen unser Geld ausgeben? Haben Sie sich schon einmal Gedanken darüber gemacht, dass fünf Tiefkühlpizzen (für eine fünfköpfige Familie) mehr kosten als zwei selbstgebackene Pizzen? Haben Sie schonmal nachgedacht, wie lange man an einer kräftigen Gulaschsuppe essen kann?
Als Arbeitsloser muss man umdenken. Wenn das Geld nicht reicht, muss man sparen. Wenn es dann immer noch nicht reicht, dann muss der Staat ran. Aber heute ist es so: Wenn es so aussieht, als würde das Geld nicht reichen, wird laut protestiert.
Das ist meine Meinung. Und eine Meinung steht ja wohl jedem zu.
Statt Geld brauchen wir Maßnahmen. Jedes Kind braucht Bildung und Erziehung. Und bei Kindern aus sozial schwachen Familien ist das besonders wichtig. Auch als Arbeitsloser muss man die Möglichkeit bekommen, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Der "kleine Mann" freut sich nicht nur über Euros. Maßnahmen müssen ergriffen werden. Eine warme Mahlzeit in der Schule. Kostenlose Kulturangebote. Unterstützung von sozial Schwachen findet nicht nur in finanzieller Form statt - das haben wir in den letzten Jahren nur etwas verkannt. Und wenn Frau von der Leyen jetzt den Weg einschlägt, der in Richtung Maßnahmen führt, dann erntet sie vonseiten der SPD und der Linken nur Hohn, Spott und Gelächter. Was soll man dazu sagen?

Zum Thema SPD: Und schon sind wir wieder mitten im Wahlkampf. Stuttgart 21 ist immer noch aktuell. Und die Masche dürfte ja jedem mittlerweile klar sein: Kaum stellt sich die breite Masse (so scheint es zumindest) gegen das Bahnprojekt, tritt der Sprecher des Projekts, Wolfgang Drexler, zurück (ich berichtete). Somit scheidet die SPD endgültig aus dem Projekt aus, das sie vor Jahren noch selbst am Schreibtisch unterschrieben hatte. Sie fällt ihrem eigenen Vorhaben in den Rücken. Doch was bleibt der SPD in der Rolle der Opposition anderes übrig?
Der Effekt war erstaunlich. Die CDU fällt - natürlich nicht nur wegen Stuttgart 21 - bei der letzten Umfrage auf 29 Prozent zurück. Ein Rekordtief. Die SPD steht bei 24 Prozent, punktgleich mit den Grünen (!). Die FDP kommt über 5 Prozent nicht hinaus.
Es stehen hochinteressante Zeiten an. Und in Baden-Württemberg kommt die Landtagswahl im März 2011...

Nordkorea - Veränderungen ohne Wandel

In den letzten Tagen wurde heftig spekuliert: Wer ist der junge Mann, der auf dem Foto aussieht wie der nette Verkäufer vom Asia Imbiss nebenan? Die Fakten sind alles andere als gesichert; ja, man weiß nicht einmal, ob das Foto ihn überhaupt wirklich zeigt. Die verfügbaren Daten - so aufschlussreich wie der Steckbrief eines polizeilich gesuchten Verbrechers:


















Kim Jong-un,
26 bis 28 jahre alt,
spricht gebrochen Deutsch,
hält sich wahrscheinlich im Ausland auf.

Sicher ist nur eines: Am 27. Oktober wurde Kim Jong-un zum General ernannt, und das in einem Land, das als das unbekannteste der Welt gilt: Nordkorea. Und damit wurde er von seinem Vater (dem "Geliebten Führer") praktisch zum Prinzregenten ernannt. Der Machtwechsel dürfte in Kürze vollzogen werden. Und damit hätte Nordkorea einen neuen Mann an der Spitze. Den dritten aus der Kim-Dynastie.

Über Kim Jong-un weiß man aber noch etwas Interessantes: Er genoss zumindest einen Teil seiner Schulbildung in der Schweiz, und zwar an der privaten International School of Berne in Gümligen. Andere Berichte behaupten, er habe die 6. bis 8. Klasse an einer Volksschule in Köniz besucht - als Sohn eines Fahrers der Nordkoreanischen Botschaft.
Die Berichte sind verworren und fast nichts kann als sicher bestätigt werden. Das macht die Sache aber nur noch interessanter.

Interessanter ist aber vor allem eines: Wie wird er sein, der neue Herr Präsident? Welchen Titel wird man ihm geben, nachdem der Große Führer an seinen Großvater und der Geliebte Führer an seinen Vater vergeben sind? Wie wird er die Politik gestalten?
Nordkorea kann als letzte große Bastion des Kommunismus gelten, denn im Gegensatz zu Kuba hat man sich hier in den letzten Jahren verstärkt um Atomwaffen gekümmert. Während politische Gegner (und auch Christen) in den Lagern des Landes dahinvegetieren, ging es Nordkoreas Führern stets gut. Das Land des Winterkohls und des Ginseng (daraus kann man auch Tee machen) gilt als eines der ärmsten der Welt. Doch Kim Jong-il residiert in Palästen, besucht Militärparaden und lauscht andächtig den in den Theatern zelebrierten Lobeshymnen, wo nur eine einzige Person gelobt und gepriesen wird - nämlich er selbst.
Wird der junge Kim Jong-un in die Fußstapfen seines Vaters treten? Wird er sein Volk genauso unterdrücken? Man munkelt, dass der junge Kim den Angriff auf ein südkoreanisches Militärschiff (Ende März, 46 Tote) selbst kommandiert haben soll. Sieht der Thronfolger den Nachbarn aus dem Süden ebenso als Klassenfeind?

Fragen über Fragen. Nordkorea wird in den nächsten Jahren ein interessantes und höchst explosives Thema bleiben. Denn eines ist sicher: Die ersten Atomtests fanden schon 2006 statt. Zwar droht der kommunistische Staat nicht mit der Auslöschung Israels, aber er hätte die Macht, einen neuen Weltkrieg zu beginnen. Wo sich Achmadinedschad den Mund fusslig redet, noch an einer Bombe bestellt und nebenher mit Atomkraftwerken sein Volk mit Strom versorgt (so scheint es), hat Kim Jong-il die Phase mit der Energieversorgung übersprungen. Überholen ohne einzuholen, war das nicht schon die Devise der DDR? Anstatt die Hauptstadt Pjöngjang mit Strom zu beliefern - und zu verhindern, dass um 22 Uhr der Saft im gesamten Stadtgebiet abgeschaltet werden muss - baut Kim Jong-il die Bombe. Still und heimlich, ein paar weniger leise Tests, und schon gehört man dazu. Und so richtig schien das damals keinen zu interessieren. Hoch interessant. Wir werden sehen, wie sich die Dinge entwickeln, wenn der Machtwechsel vollzogen ist.

Und was macht der Nahostkonflikt? Über den schreibe ich euch morgen. Beziehungsweise heute. Aber zu einer anderen Tageszeit...