Meine Leser drohen mir davonzulaufen. Aber das ist auch kein Wunder; seit Wochen habe ich mich jetzt schon nicht mehr gemeldet. Ich wollte ein wenig abwarten und die aktuellen Vorgänge beobachten, ohne gleich voreilig einen Kommentar zu schreiben. Aus einiger zeitlicher Distanz wollte ich eine Zusammenfassung schreiben. Naja, die Folgen dieser Strategie sind fatal: informative overflow. Und das ist auch kein Wunder...
Um es übersichtlich zu machen, fange ich in diesem Eintrag mal wieder mit einem uns allen bekannten/beliebten/gehassten Thema an:
STUTTGART 21
Ich habe vor allem gehofft, der ganze Rummel um Stuttgart 21 würde sich in der Zwischenzeit legen. Denn 1.) ist es für meine internationale Leserschaft langsam nicht mehr von Interesse, was sich in einem schwäbischen Provinznest - denn das wird es in naher Zukunft wieder werden - abspielt. Und 2.) geht mir diese ganze Debatte langsam selber auf den Senkel.
Aber was soll man machen? Dieses Thema ist nunmal aktuell. Und außerdem fällt Stuttgart 21 immer mehr Bedeutung im Hinblick auf die deutschlandweite Stimmung zu.
Es ist ja weitgehend bekannt, dass wir Deutschen ein Volks sind, das grundsätzlich erstmal dagegen ist. Veränderungen, nein danke! Manchmal liegen wir damit richtig, manchmal nicht. Es geht nicht darum, auf welcher Seite wir stehen. Mir persönlich macht es Sorgen, dass wir uns eine Meinung bilden, ohne uns vorher mit einem Thema beschäftigt zu haben:
"Islamunterricht an deutschen Schulen? - Nein danke! Wo kommen wir denn da hin..."
"Nacktscanner?? - Nein danke! Privatsphäre! Datenschutz!"
"Stuttgart 21? - Nein danke! Veränderungen, Baustelle, arme unschuldige Bäume, böse."
Aber zur Rente mit 67 sagt man "Ja und Amen". Im Grunde ist man auch da dagegen. Aber laut sagen tut es keiner. Anders als in Frankreich, wo man schon bei 62 auf die Straße geht.
Es ist in Deutschland mittlerweile so: Grundsätzlich ist einem die Politik egal. Auch jede gesellschaftliche Debatte - soll sich doch jemand anders drum kümmern.
Wenn etwas entschieden wird, dann nimmt man das erstmal hin, oft in der Erwartung, dass es ja doch nie so weit kommen wird. Und wenn es dann soweit ist, fangen so langsam die Proteste an.
Ach ja. *schwerer Seufzer*
Und was gibt es jetzt Neues bei Stuttgart 21?
Heiner Geissler (CDU) betritt die Bühne. Er marschiert durch Stuttgart, schüttelt Hände, lächelt in Kameras - und verkündet einen Baustopp. Dumm nur: Davon wusste bisher keiner was.
Mappus will sich auf Gespräche einlassen und will Eingeständnisse machen - allerdings ohne Baustopp.
Die andere Seite will ohne Baustopp nicht weiterverhandeln.
Irgendwie kommt mir das bekannt vor. Dieses ganze Theater erinnert mich an den Nahen Osten. Israel, Palästina. Intifada. Siedlungsbau. Bahnhofsbau. Baustopp.
Anfang der Woche saß ich im Zug in eine andere süddeutsche Stadt und las in meiner Lieblingswochenzeitung, dem konservativen FOCUS. Und was man da lesen konnte, hat mich irgendwie insgeheim gefreut. Erkenntnisse, die einem neuen Mut geben, dass man mit seiner Meinung doch nicht ganz so falsch liegt.
Interessant fand ich vor allem ein Bild aus einem Polizeivideo, das dort veröffentlicht wurde. Der zur Symbolfigur des Widerstands gegen Stuttgart 21 gewordene Dietrich W. war da zu sehen. Bisher war bekannt, dass er sich seine Verletzungen zuzog, als er sich schützend vor Jugendlichen aufgebaut hatte, um sie vor dem Wasserwerfer zu schützen. Nun ist der bärtige Rentner auf einem Bild zu sehen, wie er etwas in der zum Wurf erhobenen Hand hält. Nach eigenen Angaben waren es Kastanien. Aber es geht ums Prinzip. Wie der FOCUS schreibt: "Es könnten Kastanien gewesen sein, wie er selbst behauptet, vielleicht handelte es sich aber auch um Steine. Wattebällchen jedenfalls waren es nicht."
Man machte hier Demonstranten zu Helden und Märtyrern. Mir persönlich tut es Leid um die Verletzungen von Herrn W., und ich bin im Grunde ein Gegner von Wasserwerfern. Aber wir müssen uns auch mit der Tatsache abfinden, dass man in Deutschland zwar demonstrieren darf, aber dass es zu weit geht, wenn wir Polizeitransporter besetzen, Flaschen oder Kastanien werfen, oder wenn wir selbst Pfefferspray gegen Polizeibeamten einsetzen, die nur ihren Job machen. Immerhin geht es hier nicht um Menschenrechte oder Krieg oder sonstwas, sondern es geht um ein Bauprojekt und ein paar hundert Bäume. Ich denke, dass sich in manchen Kreisen die Überzeugung zu bilden scheint, dass sich der Slogan "Wir sind das Volk!" auf alles anwenden lässt.
Ah, apropos Bäume. Noch etwas, weshalb ich den FOCUS so gern lese. Fakten, Fakten, Fakten. Wussten Sie zum Beispiel, dass in Hamburg (wo die Grünen regieren) gerade 280 Bäume gefällt werden? Für die Stadtbahn zwischen Eppendorf und Winterhude. Hier legen die Grünen selbst "Axt an" - und keinen scheint es zu interessieren. Der FOCUS hat erkannt:
"Wichtig bei Verkehrsprojekten ist, wo man Bäume fällt und wer es tut. Lassen die Grünen selbst ihren Freund, den Baum, abholzen, geschieht das weitgehend geräuschlos und biologisch abbaubar."
Zwar bin ich (zumindest in seriösen Wochenzeitschriften) kein Freund von Sarkasmus. Doch die 10 Öko-Gebote haben mich zum Lachen gebracht. Die sind nicht neu - aber immer wieder gut. Als zehnter Punkt: "Wisse, die Schuld ist weiß, männlich, christlich und westlich! Die Unschuld ist eine Urwaldindianerin."
Der Konflikt um Stuttgart 21 wird immer unübersichtlicher - und er gewinnt immer mehr an nationaler Bedeutung. Es geht um das Prinzip "Regierung entscheidet - ein Teil des Volkes blockiert". In einer Demokratie hat jeder das Recht, eine eigene Meinung zu haben. Aber ist eine Gruppe von Demonstranten berechtigt, Milliardenprojekte zu verhindern, die vor Jahren beschlossen worden sind, und die auch von einem großen Teil der Bevölkerung befürwortet werden?
Die Zukunft Baden-Württembergs ist ohnehin schon beschlossen. Im März wird gewählt. Die Grünen werden gewinnen und zusammen mit der SPD die Regierung bilden. Vielleicht noch mit den Linken zusammen. Stuttgart 21 wird gestoppt und hinterlässt eine Baugrube, die wie eine Wunde in Stuttgart klafft. Stuttgart wird eine Stadt bleiben, die zwar eine TGV-Verbindung nach Paris hat, aber zu der eben dieser TGV einen Riesenbogen fahren muss - dank des Kopfbahnhofs (K 21). Stuttgart wird (vielleicht) Landeshauptstadt bleiben. Aber nie wieder bekommt diese Landeshauptstadt Geld für ein Milliarden- oder auch nur Millionenprojekt vom Staat. Denn als das Volk mit Stuttgart 21 den Fortschritt verhindert hat, sind wir zur Lachnummer der Nation geworden.
Um es übersichtlich zu machen, fange ich in diesem Eintrag mal wieder mit einem uns allen bekannten/beliebten/gehassten Thema an:
STUTTGART 21
Ich habe vor allem gehofft, der ganze Rummel um Stuttgart 21 würde sich in der Zwischenzeit legen. Denn 1.) ist es für meine internationale Leserschaft langsam nicht mehr von Interesse, was sich in einem schwäbischen Provinznest - denn das wird es in naher Zukunft wieder werden - abspielt. Und 2.) geht mir diese ganze Debatte langsam selber auf den Senkel.
Aber was soll man machen? Dieses Thema ist nunmal aktuell. Und außerdem fällt Stuttgart 21 immer mehr Bedeutung im Hinblick auf die deutschlandweite Stimmung zu.
Es ist ja weitgehend bekannt, dass wir Deutschen ein Volks sind, das grundsätzlich erstmal dagegen ist. Veränderungen, nein danke! Manchmal liegen wir damit richtig, manchmal nicht. Es geht nicht darum, auf welcher Seite wir stehen. Mir persönlich macht es Sorgen, dass wir uns eine Meinung bilden, ohne uns vorher mit einem Thema beschäftigt zu haben:
"Islamunterricht an deutschen Schulen? - Nein danke! Wo kommen wir denn da hin..."
"Nacktscanner?? - Nein danke! Privatsphäre! Datenschutz!"
"Stuttgart 21? - Nein danke! Veränderungen, Baustelle, arme unschuldige Bäume, böse."
Aber zur Rente mit 67 sagt man "Ja und Amen". Im Grunde ist man auch da dagegen. Aber laut sagen tut es keiner. Anders als in Frankreich, wo man schon bei 62 auf die Straße geht.
Es ist in Deutschland mittlerweile so: Grundsätzlich ist einem die Politik egal. Auch jede gesellschaftliche Debatte - soll sich doch jemand anders drum kümmern.
Wenn etwas entschieden wird, dann nimmt man das erstmal hin, oft in der Erwartung, dass es ja doch nie so weit kommen wird. Und wenn es dann soweit ist, fangen so langsam die Proteste an.
Ach ja. *schwerer Seufzer*
Und was gibt es jetzt Neues bei Stuttgart 21?
Heiner Geissler (CDU) betritt die Bühne. Er marschiert durch Stuttgart, schüttelt Hände, lächelt in Kameras - und verkündet einen Baustopp. Dumm nur: Davon wusste bisher keiner was.
Mappus will sich auf Gespräche einlassen und will Eingeständnisse machen - allerdings ohne Baustopp.
Die andere Seite will ohne Baustopp nicht weiterverhandeln.
Irgendwie kommt mir das bekannt vor. Dieses ganze Theater erinnert mich an den Nahen Osten. Israel, Palästina. Intifada. Siedlungsbau. Bahnhofsbau. Baustopp.
Anfang der Woche saß ich im Zug in eine andere süddeutsche Stadt und las in meiner Lieblingswochenzeitung, dem konservativen FOCUS. Und was man da lesen konnte, hat mich irgendwie insgeheim gefreut. Erkenntnisse, die einem neuen Mut geben, dass man mit seiner Meinung doch nicht ganz so falsch liegt.
Interessant fand ich vor allem ein Bild aus einem Polizeivideo, das dort veröffentlicht wurde. Der zur Symbolfigur des Widerstands gegen Stuttgart 21 gewordene Dietrich W. war da zu sehen. Bisher war bekannt, dass er sich seine Verletzungen zuzog, als er sich schützend vor Jugendlichen aufgebaut hatte, um sie vor dem Wasserwerfer zu schützen. Nun ist der bärtige Rentner auf einem Bild zu sehen, wie er etwas in der zum Wurf erhobenen Hand hält. Nach eigenen Angaben waren es Kastanien. Aber es geht ums Prinzip. Wie der FOCUS schreibt: "Es könnten Kastanien gewesen sein, wie er selbst behauptet, vielleicht handelte es sich aber auch um Steine. Wattebällchen jedenfalls waren es nicht."
Man machte hier Demonstranten zu Helden und Märtyrern. Mir persönlich tut es Leid um die Verletzungen von Herrn W., und ich bin im Grunde ein Gegner von Wasserwerfern. Aber wir müssen uns auch mit der Tatsache abfinden, dass man in Deutschland zwar demonstrieren darf, aber dass es zu weit geht, wenn wir Polizeitransporter besetzen, Flaschen oder Kastanien werfen, oder wenn wir selbst Pfefferspray gegen Polizeibeamten einsetzen, die nur ihren Job machen. Immerhin geht es hier nicht um Menschenrechte oder Krieg oder sonstwas, sondern es geht um ein Bauprojekt und ein paar hundert Bäume. Ich denke, dass sich in manchen Kreisen die Überzeugung zu bilden scheint, dass sich der Slogan "Wir sind das Volk!" auf alles anwenden lässt.
Ah, apropos Bäume. Noch etwas, weshalb ich den FOCUS so gern lese. Fakten, Fakten, Fakten. Wussten Sie zum Beispiel, dass in Hamburg (wo die Grünen regieren) gerade 280 Bäume gefällt werden? Für die Stadtbahn zwischen Eppendorf und Winterhude. Hier legen die Grünen selbst "Axt an" - und keinen scheint es zu interessieren. Der FOCUS hat erkannt:
"Wichtig bei Verkehrsprojekten ist, wo man Bäume fällt und wer es tut. Lassen die Grünen selbst ihren Freund, den Baum, abholzen, geschieht das weitgehend geräuschlos und biologisch abbaubar."
Zwar bin ich (zumindest in seriösen Wochenzeitschriften) kein Freund von Sarkasmus. Doch die 10 Öko-Gebote haben mich zum Lachen gebracht. Die sind nicht neu - aber immer wieder gut. Als zehnter Punkt: "Wisse, die Schuld ist weiß, männlich, christlich und westlich! Die Unschuld ist eine Urwaldindianerin."
Der Konflikt um Stuttgart 21 wird immer unübersichtlicher - und er gewinnt immer mehr an nationaler Bedeutung. Es geht um das Prinzip "Regierung entscheidet - ein Teil des Volkes blockiert". In einer Demokratie hat jeder das Recht, eine eigene Meinung zu haben. Aber ist eine Gruppe von Demonstranten berechtigt, Milliardenprojekte zu verhindern, die vor Jahren beschlossen worden sind, und die auch von einem großen Teil der Bevölkerung befürwortet werden?
Die Zukunft Baden-Württembergs ist ohnehin schon beschlossen. Im März wird gewählt. Die Grünen werden gewinnen und zusammen mit der SPD die Regierung bilden. Vielleicht noch mit den Linken zusammen. Stuttgart 21 wird gestoppt und hinterlässt eine Baugrube, die wie eine Wunde in Stuttgart klafft. Stuttgart wird eine Stadt bleiben, die zwar eine TGV-Verbindung nach Paris hat, aber zu der eben dieser TGV einen Riesenbogen fahren muss - dank des Kopfbahnhofs (K 21). Stuttgart wird (vielleicht) Landeshauptstadt bleiben. Aber nie wieder bekommt diese Landeshauptstadt Geld für ein Milliarden- oder auch nur Millionenprojekt vom Staat. Denn als das Volk mit Stuttgart 21 den Fortschritt verhindert hat, sind wir zur Lachnummer der Nation geworden.
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