Seit einigen
Tagen fahren plakatierte Stadtbusse durch die US-amerikanische Metropole
Philadelphia, PN und verbreiten u.a. den Slogan „Islamic Jew-Hatred: It’s in
the Quran“ („Islamischer Judenhass: Es ist im Koran“). Dahinter steckt eine
Organisation mit dem Namen American Freedom Defense Initiative (AFDI), die in New
Hampshire angesiedelt ist. Mit der Banner-Aktion protestiert die „Initiative“ gegen
eine vorhergegangene Kampagne, die sich gegen die amerikanische Unterstützung
für Israel gewandt hatte. Nun seien verschiedene Anzeigen der Gruppe auf insgesamt
84 Bussen zu sehen, meldete der Tagesspiegel
– darunter eben auch dieses Bild aus dem Jahre 1941, das den palästinensischen
Nationalisten und Großmufti von Jerusalem al-Husseini zusammen mit Adolf Hitler
zeigt. Gegen die Aktion gab es Proteste und Demonstrationen, die u.a. von
Bürgermeister Michael Nutter unterstützt wurden.
Die Werbemaßnahme
der AFDI reiht sich ein in eine Fülle antiislamischer Aktionen. Im Mai wird
eine provokante Muhammad Art Exhibit
eröffnet: In der Ausstellung werden künstlerische Werke rund um den Propheten
Muhammad gezeigt, der nach den gängigsten Meinungen in der islamischer
Tradition nicht visuell abgebildet werden darf. Für die AFDI steht Pamela
Geller, eine New Yorker Aktivistin der extremen Rechten und Mitgründerin der Initiative.
Entstanden war die AFDI als amerikanischer Arm von Stop Islamisation of Europe (SIOE) im Jahr 2010. Die Busaktion ist in ihrer Art nicht neu, schon 2014 gab es ähnliche Projekte.
Was steckt
hinter den Aussagen? Ein kurzer Blick auf die Hintergründe. Der arabische
Geistliche Hajj Mohammed Amin al-Husseini wird als „leader of the Muslim world“ bezeichnet, was historisch schon einmal
falsch ist. Der aus einer arabischen Notablenfamilie von Jerusalem stammende
al-Husseini (1897-1974) brach sein religiöses Studium in Kairo ab, stieg aber
dennoch zu einer bedeutenden religiösen Autorität auf, als ihn die britische
Mandatsverwaltung von Palästina zum Großmufti von Jerusalem erhob. Zuvor war er
durch seine starke Opposition gegen die jüdische Besiedlung des Heiligen Landes
aufgefallen und wurde zeitweise von den Briten inhaftiert. Er gilt als einer
der ersten großen Verfechter des palästinensischen Nationalismus und trat vor
allem durch seinen Antisemitismus in Erscheinung. Er instrumentalisierte die
fiktiven „Protokolle
der Weisen von Zion“ für seine politischen Zwecke und war nach der Flucht vor
den britischen Behörden 1939 in einen Pogrom an irakischen Juden verwickelt. Heute
ist er in der westlichen Geschichtsschreibung in erster Linie aufgrund seiner Reise
zu Adolf Hitler (1941) und durch seinen Besuch im Vernichtungslager
Auschwitz-Birkenau bekannt. Hitler hätte den Mufti als „berufensten Sprecher
der arabischen Welt“ angesehen, wenn sich der deutsche Machtbereich bis nach
Palästina ausgedehnt hätte. Doch ein „Führer der [gesamten] muslimischen Welt“
war al-Husseini nie.
Die zentrale
Aussage der Banner-Aktion ist jedoch: „Der
Judenhass steckt schon im Koran.“ – Dies ist ein gängiges Argument unter
antiislamischen Aktivisten und Wasser auf den Rädern der sich breitmachenden
Islamophobie unter besorgten Bürgern. In der Geschichte des Islam gab es immer
auch Perioden, in denen Juden zusammen mit den Christen als Bürger zweiter
Klasse und sogenannte Dhimmis (Schutzbefohlene
mit Sondersteuer) behandelt wurden. Auch unter islamischer Herrschaft gab es
verpflichtende Kennzeichnungen an der Kleidung, die einen Juden oder eine Jüdin
als solche auswies. Abgesonderte Wohnviertel (Mellah) hatten wie auch die europäischen Ghettos zunächst die Aufgabe,
eine dauerhafte Trennung durch eine (geografische und juristische) Parallelwelt
zu gewährleisten. Es gab jedoch (ebenso wie in Europa) auch Blutbäder und Ausschreitungen.
Die Aussage, der Judenhass stecke schon im Koran, ist trotzdem falsch: Die
meisten der oft zitierten antijüdischen Aussagen stammen aus anderen
islamischen Quellen, u.a. aus den extra gesammelten Aussprüchen der Propheten.
Im Koran gibt es lediglich Stellen, die man bei großzügigem
Interpretationsspielraum als antisemitisch auslegen könnte: Einer der
sogenannten Schwertverse des Koran
lautet „Und erschlagt die Ungläubigen, wo
immer Ihr sie findet […]“ (2,191). Zu ihm sagte die Islamwissenschaftlerin
Lamya Kaddor in einem taz-Interview: „Gemeint
sind unter anderem jüdische Stämme, mit denen der historische Mohammed damals
kämpfte. Es geht dabei aber um eine Kriegshandlung und nicht um einen
religiösen Disput. Gleichzeitig spricht der Koran an anderer Stelle auch
positiv über Juden.“ In der islamischen Tradition findet sich ein hohes
Antisemitismus-Potenzial, doch anderswo in der Geschichte funktionierten
Koexistenz und Zusammenleben von Juden und Muslimen auch durch die Gemeinsamkeiten
der beiden Religionen. Islamistische Fundamentalisten ziehen aus den Schwertversen außerdem ihre religiöse
Grundlage für die Bekämpfung aller Ungläubigen, die antisemitische Nuance
ist da eher ein Nebenprodukt. Anders war es im Christentum, wo das Neue Testament
zu unterschiedlichsten Zeiten als Werkzeug der Antisemiten diente, u.a. weil es
sich explizit und zuallererst an (und unter bestimmten Aspekten auch gegen) die
Juden richtete.
Fazit: Die Aktivisten
von AFDI versuchen mit oberflächlichen Aussagen die israelkritischen Stimmen
innerhalb der amerikanischen Öffentlichkeit zu übertönen, doch genau diese
Unsachlichkeit entlarvt sie als rassistische Scharlatane. Es geht ihnen nicht
darum, den Antisemitismus zu bekämpfen, sondern schlichtweg „den Islam“ und
alle Menschen, die sich mit ihm in irgendeiner Weise identifizieren.