Montag, 23. März 2015

Nachtzug & Co. - Über Thailand nach Kambodscha (Teil 7)

Am Nachmittag brachte uns ein Sammeltaxi zum Grenzbahnhof bei Vientiane. Von dort bringt eine kurze Zugstrecke die Reisenden über die Erste Thailändisch-Laotische Freundschaftsbrücke, welche seit 1994 die in der Geschichte oftmals verfeindeten Staaten verbindet. Da ein Grenzübertritt aber bekanntlich keine erholsame Angelegenheit sein soll, sondern ein bürokratischer Akt und ein langer Weg, der uns Reisenden vor Augen führt, dass wir noch am Leben sind, brachte uns das Sammeltaxi erstmal quer durch Vientiane, wo irgendwo die Hälfte der Passagiere in einen Bus nach Hanoi (Vietnam) umstieg. Unser Fahrer gönnte sich in aller Seelenruhe noch einen Maiskolben, während wir anderen in der Sonne zu warten hatten. Und auch die willkürlich eingeforderten 10 Dollar, die als Ausreisegebühr erhoben werden und von denen wir vor Ort zum ersten Mal etwas hörten, sind Teil des Erlebnisses. Plötzlich fühlt man sich heimisch auf der anderen Seite, wo pünktlich um achtzehn Uhr bei unserer Ankunft die thailändische Nationalhymne gespielt wird. Irgendwann sitzen alle im Zug.

Und nein, die Körbe sind nicht die Betten. Die sind tatsächlich fürs Gepäck... 

Die aufgeweckte Zugbegleiterin ist von uns großen Menschen sichtlich beeindruckt und macht ihre Späße, was sie jedoch nicht davor zurückschreckt, uns irgendwann von unseren Sitzen zu scheuchen und hastig die Betten auszuklappen. In der Nacht schläft sie am einen Ende des Wagens und wir sollten doch bitte die Toilette am anderen Ende benutzen, da wir sonst im Gang über ihre Beine stolpern würden. Die Betten über unseren Köpfen klappt sie auf unseren Sitzen umher kletternd ganz alleine auf, doch zum Kontrollieren der Tickets rücken gleich vier Mann der Zugbesatzung an. Einer diktiert die Nummer des Reisepasses, der zweite checkt die Liste und die anderen patrouillieren den Gang rauf und runter. Als die Nacht beginnt verkriecht sich jeder in seiner viel zu schmalen Koje. Das leichte monotone Geruckel ist dem Einschlafen durchaus förderlich, doch gegen drei Uhr nachts habe ich das Gefühl, dass mir der Zug nach dem Leben trachtet und mich mit aller Gewalt aus dem Bett schmeißen will. Es muss schlimm gewesen sein, denn ich benutzte zum ersten Mal in meinem Leben die Diktiergerät-Funktion meines Handys und hielt meine Gedanken fest: Eine Stimme, die wohl meine sein muss, sich aber ganz anders (und ziemlich verschlafen) anhört, verwendet Worte wie „Höllenritt“ und „Requiem für Eisenbahnliebhaber“. Ich hatte schon immer einen Sinn fürs Melodramatische, vor allem wenn das Schicksal mir meinen Schlaf stehlen will. – Gegen fünf werden wir dann formell geweckt, die Zugbegleiterin geht wieder durch den Gang und rüttelt an den Betten. „Get up, get up!“ – Wir sind zwar noch nicht in Bangkok, aber wir wollen ja schließlich mit gemachten Betten ankommen und müssen deshalb unverzüglich wieder in der Vertikale platznehmen, bevor wir im Hauptbahnhof einlaufen. Nach einer zweistündigen Pause, einer ordentlichen Nudelsuppe und dem Acht-Uhr-Appell zur Hymne brachen wir auf nach Kambodscha. Die Agentur, die uns am Bahnhof das Ticket verkauft hatte, erschien durchaus vertrauenserweckend, doch wir bezahlten dreimal so viel wie die meisten anderen an Bord des klimatisierten Reisebusses.
Das Erlebnis des Grenzübergehens ging weiter, schon 20 Kilometer vor der kambodschanischen Grenze. In einer privaten Raststätte der Agentur ließen wir die extrem falsch grinsenden Angestellten, die alle miteinander verwandt zu sein schienen, unsere Visa in den Pass klebten. Zwischen ein paar billigen Witzen verkaufte man uns auch noch ein Guesthouse-Zimmer in Siem Reap, was uns trotz aller vernünftigen Einwände recht unkompliziert vorkam. Zumindest sollten wir bei unserer Ankunft versorgt sein. Das Zimmer war schließlich auch ganz gemütlich, aber da man bekanntlich auch B sagen muss, sollte man schon A gemurmelt haben, kamen wir über das Guesthouse auch an einen viel zu teuren Tuk-Tuk-Fahrer für unsere Erkundungen in Angkor Wat. Es lässt sich zumindest festhalten, dass wir während des ganzen Urlaubs nie so viel Geld ausgegeben hatten wie in diesen 24 Stunden. Dazu trug natürlich auch der eigentliche Grenzübertritt bei: Es wurde uns empfohlen Geld zu wechseln, da Kambodscha sehr rückständig sei. Letzte Bank für die nächsten 7 Tage, quasi – was natürlich Unfug war. Der langen Rede kurzer Sinn: Knapp zwanzig Euro verloren beim mehrfachen Umtausch, Schuld waren der Wechselkurs und vor allem unsere Übermüdung. Ach ja, und wer die einstündige Schlange an der Grenzkontrolle umgehen wollte, konnte für nur 200 Baht (sechs Euro) ganz einfach an der Masse der Anstehenden vorbeigehen. Auf der anderen Seite wartete dann ein Bus, der uns zu einem Busbahnhof fuhr, wo wir in einen anderen Bus umsteigen mussten. Als dieser voll war und losfahren wollte, kam noch ein Amerikaner mit Gitarre dazu, der nicht eine Stunde auf den nächsten Bus warten wollte. Er setzte sich nach vorne zum Fahrer, hielt als das Gefährt anrollte eine kurze Rede und hieß uns und sich selbst in Kambodscha willkommen. Alle amüsierten sich prächtig und man merkte, dass die meisten Mitreisenden wirklich froh waren, endlich wieder in einem Bus zu sitzen, der tatsächlich in Richtung Ziel fuhr.


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