Am
Nachmittag brachte uns ein Sammeltaxi zum Grenzbahnhof bei Vientiane. Von dort bringt
eine kurze Zugstrecke die Reisenden über die Erste Thailändisch-Laotische
Freundschaftsbrücke, welche seit 1994 die in der Geschichte oftmals
verfeindeten Staaten verbindet. Da ein Grenzübertritt aber bekanntlich keine
erholsame Angelegenheit sein soll, sondern ein bürokratischer Akt und ein
langer Weg, der uns Reisenden vor Augen führt, dass wir noch am Leben sind, brachte
uns das Sammeltaxi erstmal quer durch Vientiane, wo irgendwo die Hälfte der
Passagiere in einen Bus nach Hanoi (Vietnam) umstieg. Unser Fahrer gönnte sich
in aller Seelenruhe noch einen Maiskolben, während wir anderen in der Sonne zu
warten hatten. Und auch die willkürlich eingeforderten 10 Dollar, die als
Ausreisegebühr erhoben werden und von denen wir vor Ort zum ersten Mal etwas
hörten, sind Teil des Erlebnisses. Plötzlich fühlt man sich heimisch auf der
anderen Seite, wo pünktlich um achtzehn Uhr bei unserer Ankunft die
thailändische Nationalhymne gespielt wird. Irgendwann sitzen alle im Zug.
Und nein, die Körbe sind nicht die Betten. Die sind tatsächlich fürs Gepäck... |
Die
aufgeweckte Zugbegleiterin ist von uns großen Menschen sichtlich beeindruckt
und macht ihre Späße, was sie jedoch nicht davor zurückschreckt, uns irgendwann
von unseren Sitzen zu scheuchen und hastig die Betten auszuklappen. In der
Nacht schläft sie am einen Ende des Wagens und wir sollten doch bitte die
Toilette am anderen Ende benutzen, da wir sonst im Gang über ihre Beine
stolpern würden. Die Betten über unseren Köpfen klappt sie auf unseren Sitzen umher
kletternd ganz alleine auf, doch zum Kontrollieren der Tickets rücken gleich
vier Mann der Zugbesatzung an. Einer diktiert die Nummer des Reisepasses, der zweite
checkt die Liste und die anderen patrouillieren den Gang rauf und runter. Als
die Nacht beginnt verkriecht sich jeder in seiner viel zu schmalen Koje. Das leichte
monotone Geruckel ist dem Einschlafen durchaus förderlich, doch gegen drei Uhr
nachts habe ich das Gefühl, dass mir der Zug nach dem Leben trachtet und mich
mit aller Gewalt aus dem Bett schmeißen will. Es muss schlimm gewesen sein,
denn ich benutzte zum ersten Mal in meinem Leben die Diktiergerät-Funktion
meines Handys und hielt meine Gedanken fest: Eine Stimme, die wohl meine sein
muss, sich aber ganz anders (und ziemlich verschlafen) anhört, verwendet Worte wie
„Höllenritt“ und „Requiem für Eisenbahnliebhaber“. Ich hatte schon immer einen
Sinn fürs Melodramatische, vor allem wenn das Schicksal mir meinen Schlaf
stehlen will. – Gegen fünf werden wir dann formell geweckt, die Zugbegleiterin
geht wieder durch den Gang und rüttelt an den Betten. „Get up, get up!“ – Wir sind zwar noch nicht in Bangkok, aber wir
wollen ja schließlich mit gemachten Betten ankommen und müssen deshalb
unverzüglich wieder in der Vertikale platznehmen, bevor wir im Hauptbahnhof
einlaufen. Nach einer zweistündigen Pause, einer ordentlichen Nudelsuppe und dem Acht-Uhr-Appell zur Hymne brachen wir auf nach Kambodscha. Die Agentur, die uns am Bahnhof das Ticket
verkauft hatte, erschien durchaus vertrauenserweckend, doch wir bezahlten
dreimal so viel wie die meisten anderen an Bord des klimatisierten Reisebusses.
Das Erlebnis
des Grenzübergehens ging weiter, schon 20 Kilometer vor der kambodschanischen
Grenze. In einer privaten Raststätte der Agentur ließen wir die extrem falsch
grinsenden Angestellten, die alle miteinander verwandt zu sein schienen, unsere
Visa in den Pass klebten. Zwischen ein paar billigen Witzen verkaufte man uns
auch noch ein Guesthouse-Zimmer in Siem Reap, was uns trotz aller vernünftigen
Einwände recht unkompliziert vorkam. Zumindest sollten wir bei unserer Ankunft
versorgt sein. Das Zimmer war schließlich auch ganz gemütlich, aber da man
bekanntlich auch B sagen muss, sollte man schon A gemurmelt haben, kamen wir
über das Guesthouse auch an einen viel zu teuren Tuk-Tuk-Fahrer für unsere
Erkundungen in Angkor Wat. Es lässt sich zumindest festhalten, dass wir während
des ganzen Urlaubs nie so viel Geld ausgegeben hatten wie in diesen 24 Stunden.
Dazu trug natürlich auch der eigentliche Grenzübertritt bei: Es wurde uns
empfohlen Geld zu wechseln, da Kambodscha sehr rückständig sei. Letzte Bank für
die nächsten 7 Tage, quasi – was natürlich Unfug war. Der langen Rede kurzer
Sinn: Knapp zwanzig Euro verloren beim mehrfachen Umtausch, Schuld waren der
Wechselkurs und vor allem unsere Übermüdung. Ach ja, und wer die einstündige
Schlange an der Grenzkontrolle umgehen wollte, konnte für nur 200 Baht (sechs
Euro) ganz einfach an der Masse der Anstehenden vorbeigehen. Auf der anderen
Seite wartete dann ein Bus, der uns zu einem Busbahnhof fuhr, wo wir in einen
anderen Bus umsteigen mussten. Als dieser voll war und losfahren wollte, kam
noch ein Amerikaner mit Gitarre dazu, der nicht eine Stunde auf den nächsten Bus
warten wollte. Er setzte sich nach vorne zum Fahrer, hielt als das Gefährt
anrollte eine kurze Rede und hieß uns und sich selbst in Kambodscha willkommen.
Alle amüsierten sich prächtig und man merkte, dass die meisten Mitreisenden
wirklich froh waren, endlich wieder in einem Bus zu sitzen, der tatsächlich in
Richtung Ziel fuhr.
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