Freitag, 11. Juli 2014

Neun Fragen an die pro-palästinensischen Möchtegern-Freiheitskämpfer und Facebook-Aktivisten unter euch

(Für die andere Seite gibt es natürlich auch was: Neun Fragen an die bedingungslosenIsrael-Freunde unter euch.)

Ich habe in den letzten Tagen intensiv beobachtet, was und wie auf Facebook zum aktuellen Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern gepostet, kommentiert und reagiert wurde. Wie bei den pro-israelischen Aktivisten nehmen auch in der pro-Palästina-Fraktion zahllose Menschen uneingeschränkt eine Seite ein. Hier will ich nun endlich auch mal den Friedens- und Gerechtigkeitsaktivisten der palästinensischen Seite ordentlich ans Bein zu pinkeln. (Keine Angst, die anderen bekommen anderswo ihr Fett ab, siehe oben.)

Die ganze Arabische Welt hasst Israel und möglicherweise hat sie ihre Gründe. Doch mit #GazaUnderFire lockt man Millionen Menschen aus der Reserve, von denen man seit 2012 kein politisches Statement mehr gehört hat. Vielerorts ist sogar ein (angebliches und nachweislich falsches) Hitler-Zitat aufgetaucht: „Ich könnte alle Juden töten, aber ich habe einige am Leben gelassen um euch zu zeigen, wieso ich sie getötet habe.“ - Die Hamas als Freiheitskämpfertruppe, die Israelis (oder noch genauer: die Juden) als unmenschliche Besatzer, Killer, Monster. Bilder von toten Kindern kursieren im Internet, Fotos von Trümmerhaufen der letzten Bombenangriffen. Gaza steht im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, der Sympathie, der Solidarität. Hierzu ein paar akute und ein paar grundsätzliche Fragen:


Warum hat Euch vor einigen Jahren eigentlich z.B. Darfur nie interessiert, als dort 200.000 Menschen in die Wüste getrieben wurden, um zu verdursten? (Weil die Opfer größtenteils weder Araber noch Muslime waren?)

Wieso applaudiert Ihr, wenn orthodoxe Juden das Existenzrecht Israels anfechten und betonen, dass nicht alle Juden Zionisten sind, wenn Ihr auf der anderen Seite alle Juden und Zionisten in einen Topf werft und gefälschte Hitler-Zitate rausholt?

Wieso tauchen in solchen Tagen immer Karikaturen auf, die abgrundtief antisemitisch sind und eine jüdische Weltverschwörung propagieren? Und schämt Ihr Euch nicht, wenn Ihr auf Demonstrationen „Tod den Juden“ brüllt?

Weshalb gebt ihr jedes Bild eines toten Kindes als ein Foto von Gaza aus, auch wenn ein beachtlicher Teil dieser Bilder in den letzten Jahren in Syrien oder dem Irak entstanden sind? Warum postet Ihr überhaupt Bilder von toten Kindern? Wem soll das helfen?

Und seid Ihr wirklich der Meinung es sei richtig, Jugendliche zu entführen und zu töten, weil ihre Eltern Häuser (!) auf Land (!) bauen, das euch gehört?*

Wohin, denkt Ihr, sollen die Nachkommen der 850.000 Juden verschwinden, die nach 1948 aus arabischen Ländern nach Israel eingewandert sind? Zurück in den Irak, während man sich vehement dafür einsetzt, dass der Westen Flüchtlinge aus eben diesem Land aufnehmen soll?

Wie würde Deutschland reagieren, wenn aus der Schweiz innerhalb einer Woche mehr als 300 Raketen auf deutsche Städte geschossen würden?

Und wieso verlangt Ihr eigentlich von den „Westlern“, die „westliche“ Sichtweise in Zeiten von Konflikten zu hinterfragen und kritisch zu beurteilen, wenn Ihr in Zeiten von Konflikten bedingungslos hinter Terrorgruppen wie der Hamas steht?

Viele von Euch jubeln Hamas unterstützend zu bei der Aussage: „Wir lieben den Tod mehr als das Leben!“ - Meine Frage hierzu: Habt Ihr eigentlich einen Schaden?

*Die Eltern von zwei der drei ermordeten Israelis waren überhaupt keine Siedler.


Das sind nur wenige der Gründe, wieso Euch niemand zu Talkshows einlädt und bei Friedensverhandlungen keiner nach Eurer Meinung fragt. Vielleicht habt auch Ihr gemerkt, dass ich die israelische Seite, ihre Vorgehensweise und Politik hier mit keinem Wort verteidigt habe. Falls nicht, mache ich Euch hiermit darauf aufmerksam.
Und dennoch kann es vielleicht nicht schaden, sich einmal in die Situation der Gegenseite hineinzuversetzen. Das fällt Menschen in Gaza verständlicherweise sehr schwer, doch Euch, die Ihr in der Ferne weilt, müsste es genauso leicht fallen wie wenn Ihr Euch in die Lage einer Familie in Gaza versetzt. Leid gibt es auf jeder Seite, auch wenn Euch dieser Vergleich lächerlich erscheinen mag: Doch jeden Tag, an dem eine Qassam-Rakete israelische Kinder aus dem Schlaf jagt und zu einer fünften im Bombenkeller verbrachten Nacht innerhalb einer einzigen Woche zwingt, werden eine ganze Generation zerstört und Kinder zu den Hardlinern der Zukunft gemacht. Ab dem Tag, an dem die letzte Bombe auf Gaza und die letzte Rakete auf Sderot, Tel Aviv oder Aschkelon gefallen ist, wird es gute 20 Jahre dauern, bis echter Frieden möglich ist. Und der Tag der letzten Bomben und Raketen wird immer und immer wieder auf morgen verschoben.

Ich werde hier niemanden zum Umdenken bringen. Aber vielleicht zum Nachdenken.

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