Mein erster Eindruck von
Phnom Penh, einer Stadt, der ich allein wegen des Namens schon immer einen
Besuch abstatten wollte, war ein recht ernüchternder: Staubige Vororte, auffallend
viel Müll und Dreck auf den Wegen, und je nach Stadtteil eine eigene penetrante
Duftmarke, erbarmungsloses Manifest der Luft- und Umweltverschmutzung. Doch bei
genauerem Hinsehen verspürt man ein gewisses Flair zwischen den nummerierten
und rasterförmig angelegten Straßen, wo sich alle paar Meter entweder ein
Restaurant mit westlichen Preisen findet oder aber ein Imbiss unter freiem
Himmel. In einer gewöhnlichen Seitenstraße finden sich Reiseagenturen und
Gästehäuser, kleine Ecksupermärkte und Gardinenläden, gleich neben
zwielichtigen Bars und farbig ausgeleuchteten Bordellen. Auch gibt es in Phnom
Penh mehr Obdachlose und Bettler als auf den bisherigen Stationen unserer
Reise, doch man geht in der Regel respektvoll miteinander um: Der Wachmann, der
auf seinem Plastikstuhl vor einer Bank den Nachtdienst antritt, hat Zeit für
einen Plausch mit der obdachlosen Mutter, die an der Straßenecke gerade ihre
drei Kinder in einem Verschlag aus Pappkartons und Moskitonetzen zur Ruhe
gebettet hat. Da erscheint es noch surrealer, in einer amerikanischen Bar den
Abend mit einem kühlen Bier ausklingen zu lassen, obwohl man sich auf eine
sonderbare Art und Weise dennoch nicht fehl am Platze fühlt.
Wie überall
ist man auch in Phnom Penh auf gnädige Tuk-Tuk-Fahrer oder zumindest gutes
Schuhwerk angewiesen. Mopeds brausen umher und auch die eine oder andere
Luxuskarosse, die sich wohl nur ein Staatsbediensteter leisten kann, parkt auf
dem Bordstein.
In den
1970er Jahren litt Phnom Penh von alle Städten am meisten unter dem
verheerenden Regiment der Roten Khmer (oder Khmer
Rouge), der kommunistischen Bewegung unter ihrem Führer Pol Pot. Fast die
gesamte Stadtbevölkerung wurde aufs Land verschleppt, tausende Menschen wurden
in Internierungslagern ermordet. In Phnom Penh selbst litt neben den Menschen
auch die Architektur unter den Kommunisten. Einer blutigen Kulturrevolution fielen
vor allem Gebäude im französischen Kolonialstil und Tempel, aber auch Moscheen
und Kirchen zum Opfer. Doch viele Relikte des Bauhaus und des Art déco sind
erhalten geblieben, und manchmal lässt sich noch eine Ruine als verfallendes Erbe
der Kolonialzeit identifizieren.
Die
kambodschanische Hauptstadt liegt am Tonle Sap, einem aus dem gleichnamigen See
gespeisten Fluss, in den heute aber viele Abwässer aus den Fabriken, die in
Phnom Penh angesiedelt sind, geleitet werden. Die großen Textilproduktionen
liegen nördlich und südlich des Stadtzentrums, am Flussufer im eigentlichen Stadtkern
ermöglicht eine Promenade abendliche Spaziergänge, tagsüber bietet sie jedoch
wenig Schatten.
Zur
Tageszeit kann man den Königspalast gegenüber der Promenade besuchen, denn auch
Kambodscha ist wie Thailand eine Monarchie. Auf der Suche nach den spärlichen (offen
sichtbaren) Sehenswürdigkeiten der Stadt kommen sogar ganze Reisebusse hierher.
Nebenan
steht das Wat Ounalom, ein durchschnittliches buddhistisches Kloster mit
sorgfältig renovierten Gebäuden. Die Architektur ist nicht unbedingt außergewöhnlich,
aber interessanterweise scheint die Tempelmauer ein ganzes Viertel
einzuschließen. Dieses städtische Kloster muss einer Vielzahl von Mönchen und
Novizen als Zuhause dienen.
Märkte
gehören auf der ganzen Welt zu den wahren Attraktionen einer Stadt oder eines
Dorfes, denn hier spielt sich das örtliche Leben für die Beobachtenden offensichtlich
ab. Auf einem Markt wird normalerweise auch jede/-r Reisende fündig, sei er
oder sie nun auf der Suche nach Souvenirs, reifen Mangos oder einfach nur einem
Hauch exotischen Flairs. Und es gibt überall etwas zu essen…
An
verschiedenen Orten der Stadt kann man auf Marktstraßen stoßen. Angrenzend an
ein ostasiatisch geprägtes Viertel und umrahmt von chinesischen Goldhändlern
liegt jedoch der große Zentralmarkt von Phnom Penh. Das riesige gelbe
Art-déco-Gebäude wurde 1937 von den Franzosen auf einem trockengelegten Sumpf
errichtet und beherbergt bis heute die unterschiedlichsten Geschäfte.
Direkt unter
der großen Kuppel, die ein wenig an das Pantheon in Rom erinnert, werden Uhren,
Schmuck und Silberwaren gehandelt. In den äußeren Bezirken des Gebäudes gibt es
Textilien und billige Shirts, Räucherstäbchen und Porzellan, Gemüse und
frischen Fisch. Sogar Hai kann man unter den Auslagen entdecken.
Kambodscha
hat ein beachtliches Stück Küste und wird auch durch die Flüsse mit Fisch
versorgt. Es ist also nicht verwunderlich, dass alle Arten von Seafood die
Speisekarte um ein ordentliches Fischsortiment ergänzen. Auf dem Markt bekommt
man das Abendessen noch lebend zu Gesicht.
Die
Hygienestandards mögen andere sein als bei uns – was jedes Mal deutlich wird,
wenn Fleisch ungekühlt an Haken unter der Decke hängt oder der einzige
Widerstand gegen Keime und Insekten aus einem schwachen Ventilator mit
Fliegenstreifen besteht. Doch auf dem Hauptmarkt bleibt nichts dem Zufall
überlassen: Das kühlende Eis wird frisch angeliefert und rutscht als großer
Block über eine Schiene zum Eisverkäufer, der es dann in handliche Stücke
zerhackt und in Plastiktüten verpackt.
Man sollte
Phnom Penh nicht unrechttun, indem man nur einen einzigen Tag bleibt und sich
dann unbeeindruckt oder gar naserümpfend abwendet. Die Stadt bietet einen
sicheren Hafen für Gourmets (so lange sie ausreichend Dollars in der Tasche
haben) und stimmt nachdenklich, vor allem wenn man sich näher mit der
Geschichte des Landes und seiner Leute beschäftigt. Eine Station auf unserer
Rundreise waren auch die sogenannten Killing
Fields außerhalb der Stadt, wo sich eines der Todeslager der Roten Khmer
befand. Dorthin wollten wir einen Ausflug unternehmen, von dem ich in meinem nächstenBeitrag berichten werde.
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