Wie sieht
Öffentlichkeitsarbeit von Terroristen aus? Heute möchte ich unseren Blick auf
das Al-Hayat Media Center, die
Propaganda-Abteilung des Islamischen Staates, und vor allem auf seine Videos lenken. Public Relations spielen auch
im Dschihadismus eine wichtige Rolle. Während Osama bin Laden seinerzeit in
unregelmäßigen Abständen Drohbotschaften gegen die USA in die Welt sendete und sich
die Youtube-Channels der meisten Terrorgruppen durch verwackelte Handyvideos
von nächtlichen Kampfszenen auszeichnen, fährt der IS mittlerweile ganz andere
Kaliber auf. Mehrminütige Videos, raffiniert zusammengeschnitten und qualitativ
hochwertig. Es soll scheinbar mehr auf die Leinwand gebracht werden als nur
Dschihad und Geballer.
Wie die
meisten Videos aus islamistischer oder dschihadistischer Produktion arbeiten
auch die Filme des IS mit Musik. Bei manchen von ihnen bleibt die Musik im
Hintergrund, anderswo ist sie Trägerin der eigentlichen Botschaft. Im folgenden
Video spielt der Nasheed, die a-cappella-Lobpreisung des Propheten (oder
in diesem Fall: des Kalifen), eine zentrale Rolle. Es ist ein deutschsprachiges
Video, das sich an muslimisches Publikum richtet:
[Warnung: Zwischen
2:29 und 3:05 wird eine sehr unschöne Aufnahme eines toten kurdischen Kämpfers
gezeigt.]
In diesem
kurzen Film wird all das deutlich, was eine Produktion von Al-Hayat Media
Center ausmacht: Gesang und Lobpreisung des Kalifen auf der Audio-Ebene, die
schwarze Fahne des Propheten, Kämpfer auf Pferden und in den Sonnenuntergang
ziehende Dschihadisten auf der visuellen Ebene. Bemerkenswert ist der Einsatz
von Effekten – erbebender Boden beim Abschuss einer Mörsergranate, bewegte Aufnahmen
aus unterschiedlichen Perspektiven. Vor allem mit Zeitlupen wird gearbeitet,
einzelne Abschnitte innerhalb bestimmter Sequenzen werden im Tempo verlangsamt,
um gezielt Elemente wie etwa vorbeifahrende Panzer oder einen Jungen, der die
schwarze Fahne des IS über eine Straße trägt, hervorzuheben. Zu diesem Zweck
wird auch mit Schärfen und Unschärfen gespielt.
Ein weiteres
Element, das in keinem der zahlreichen IS-Videos fehlt, sind die vielen
kampferprobten Männer, die sich in den wenigen Pausen, die der Dschihad ihnen
bietet, versammeln um zu beten, ihrem Kalifen die Treue zu schwören und sich an
mehreren Stellen in den Videos kameradschaftlich umarmen. Ob am Ende eines
Gebets oder anlässlich eines Sieges – Kameradschaft und Umarmungen spielen eine
wichtige Rolle.
Doch wieso? Und
hier kommen wir auch schon zum Sinn und Zweck dieser Videos: Während die ersten
unkoordinierten Produktionen des IS noch Szenen der Eroberung irakischer und
syrischer Armeestützpunkte zeigten, hat sich der Fokus nun gewandelt. In jungen
muslimischen Männern aus aller Welt soll nicht mehr nur der Kampfesgeist
geweckt werden. Anstelle das blutige Gemetzel zu zeigen, das der IS zwischen
Euphrat, Tigris und Mittelmeer anrichtet, wird vielmehr die Illusion eines
islamischen „Staates“, eines funktionierenden Kalifats in den Mittelpunkt
gerückt, in dem neben (radikal ausgelegtem islamischen) Recht und Ordnung auch
vor allem die Männerfreundschaft unter Kameraden und Kampfgenossen herrscht.
Die IS-Propagandaabteilung versucht, das Bild einer Oase inmitten einer Wüste
von Ungläubigen zu zeichnen. Hierbei füllen Kalaschnikows, Panzer und Raketen zwar
noch eine Rahmenfunktion aus, doch der Trend geht zu befriedeten Straßen, im
Park spielenden kleinen Jungen oder auch zu Besuchen im Scharia-Gerichtshof
(ein Beispiel folgt im nächsten Teil der Reihe).
Das nächste
Beispielvideo wurde anlässlich des Eid al-Fitr, dem islamischen Fest des
Fastenbrechens zum Ende des Monats Ramadan, im Sommer 2014 veröffentlicht und
übermittelt die Grüße verschiedener Dschihadisten an ihre „Brüder“ im Rest der
Welt. Das Video beginnt mit einer längeren Gebetsszene in der Hauptmoschee des
IS im irakischen Mosul. Dann folgen verschiedene Szenen, in denen kleine Jungen
instrumentalisiert werden und „Allahu Akbar“ singen und rufen. Schließlich
kommen die Grüße, die dem Video den Titel „Eid
Greetings from the Land of Khilafa“ („Eid-Grüße aus dem Land des Kalifats“)
gegeben haben. Abu Abdullah al-Habashi aus Großbritannien spricht ein Grußwort,
Abu Shua’ib as-Somali aus Finnland kommt zu Wort und reitet auf einem Esel über
eine Kreuzung. Zwischendurch verteilen Männer Spielzeugpistolen an Kinder im
Park. Ein belgischer Dschihadist wendet sich sogar auf Flämisch an seine
Glaubensgenossen (14:00).
Auffällig
ist vor allem in diesem Video, dass keine einzige Frau auf den Straßen, im
Park, oder generell in der Öffentlichkeit zu sehen ist. In der islamischen Welt
kommt Frauen traditionell verstärkt die Rolle der Hausfrau und Mutter zu, was
sie jedoch nicht aus dem öffentlichen Leben und alltäglichen Straßenszenen
ausschließt. Im Islamischen Staat sind Frauen jedoch in die Häuser verbannt,
die Straße bleibt den Männern vorbehalten. Ob diese Diskriminierung auch in der
Realität so durchgesetzt wird lässt sich mit Sicherheit kaum feststellen, doch
in den PR-Videos wird dieses Bild (bewusst) vermittelt.
Wo wir auch
schon beim viel interessanteren Teil der Analyse wären: Was können wir anhand
der Propaganda-Videos des IS an Einblicken in das Innerste der Bewegung gewinnen?
Diese Art von Videos unterscheidet sich nämlich von jenen, die abschrecken
sollen (Hinrichtungen, v.a. Enthauptungen ausländischer Geiseln), und solchen,
die durch Kampfszenen einfach nur die Abenteuerlust vieler junger Männer
ansprechen. Die aufwändigen Produktionen von Al-Hayat Media Center versuchen
ein (trotz aller Waffen und der zynischen Botschaften) harmonisches Bild darzustellen.
Dennoch zeigen sie uns vor allem das, was die Terroristen uns sehen lassen
wollen. Man bekommt keine getöteten Jesiden zu Gesicht, keine gesprengten
schiitischen Schreine und keine vertriebenen Christen. Die Beter in der Moschee
von Mosul sind ausgewählt, die Jungen im Park sind naive Kinder und
Jugendliche. Die bärtigen Männer, die sich in ihrer Landessprache an die
Daheimgebliebenen richten, offenbaren ihre eigene Identität, verbrennen
teilweise vor den IS-Kameras ihre Pässe. Sie sind sich ihrer Sache sicher. Sie
kämpfen nicht einmal mehr nur für eine verzerrte Paradiesvorstellung, sondern
sie opfern sich bereitwillig einem Staat, der in losen Grenzen schon lange besteht.
Ein wichtiges Mittel, um den Islamischen Staat zu festigen, sind neben Waffen
und Männern auch die Propagandavideos. Sie locken neue Kämpfer an, heben die
Moral der Alten und bauen mit an dem Bild eines Staates, der zum Schrecken der
ganzen Welt zu existieren begann. Das Kalifat ist ein funktionierendes System
und es heißt alle Gläubigen willkommen, sich hier niederzulassen – das ist die
Botschaft.
Schöne Analyse! Die Perfektion der IS Propaganda zeigt auch die Gefahr für den Westen.
AntwortenLöschenWir haben es hier nur zweitrangig mit ungebildeten "Wüsten-Djihadisten" zu tun, die Hintermänner sind strategisch geschulte Leute, die den Islam nur als Mittel zum Zweck missbrauchen. Es geht um ein einfaches politisches Ziel, Macht.
Das Fatale ist, sie sind verdammt Gut, es klappt.
Gruß Dete