Freitag, 4. Juli 2014

Der bärtige Mann am Euphrat - IS(IS) und der Irak

Der Syrien-Konflikt ist seit Jahren am brodeln, tagtäglich sterben Menschen bei den Kämpfen zwischen den Regierungstruppen und dutzender Rebellengruppierungen. Der Bürgerkrieg hat seit 2011 etwa 160.000 Menschen das Leben gekostet, Millionen sind auf der Flucht. Und den Überblick hat jeder schon lange verloren. Vor ein paar Wochen bekam dann auch eine ganz spezielle Gruppierung für einige Tage die ungeteilte Aufmerksamkeit der Welt: Der „Islamische Staat im Irak und Syrien“ (ISIS) war wieder auferstanden, nachdem man die Bewegung vor langer Zeit schon abgeschrieben hatte. Es handelt sich dabei um eine Gruppe von militanten Salafisten und Dschihadisten, unter ihnen zu einem großen Teil Ausländer. Lange war der noch einfluss- und landlose ISIS mit al-Qaida verbündet, seit Mitte 2013 sind die beiden Gruppen jedoch zerstritten. Auch mit der ebenfalls dschihadistischen Al-Nusra-Front, die in Syrien kämpft, kam es zum Bruch. Doch der ISIS scheint keine Verbündeten zu brauchen.


Seit Sonntag (29.06.14) heißt die Terrorgruppe nur noch IS, nachdem Abu Bakr al-Baghdadi al-Husseini al-Quraschi im Irak das Kalifat ausgerufen und sich selbst zum „Befehlshaber der Gläubigen“ ernannt hat. Der Terrorist ist ein Doktor der Philosophie und hat angeblich Islamwissenschaft an einer Universität in Bagdad studiert. Er will an eine Herrschertradition anknüpfen, die mit dem Ende des Osmanischen Reichs abgeschafft wurde und deren Glanzzeiten von vielen Muslimen in den Jahren nach Muhammads Tod gesehen werden. Al-Baghdadi, der Mann aus Samarra, versucht sich nun in eine Reihe mit den wichtigsten Personen der islamischen Geschichte zu stellen. Aus diesem Grund hat er sich mit der Zeit einen neuen Namen zugelegt: Sein echter Name lautet Ibrahim, doch er lässt sich Abu Bakr nennen - so hieß der erste der vier rechtgeleiteten Kalifen und direkte Nachfolger des Propheten. Er nennt sich al-Baghdadi - obwohl er nicht aus Bagdad kommt - um sich den Rückhalt der Iraker zu sichern. Bagdad war außerdem jahrhundertelang der Mittelpunkt der islamischen Welt. Und schließlich ordnet er sich selbst dem Stamm der Quraisch zu, dem Stamm der Familie Muhammads. Er will ein legitimer Herrscher sein, deshalb gibt er sich die nötige Legitimation über seinen Stammbaum. Auf der Liste der vom US-Außenministerium gesuchten Terroristen steht al-Baghdadi nun auf Platz zwei.


Die aktuelle Situation im Land zwischen Euphrat und Tigris ist ernst: US-Experten sehen die irakische Armee nicht imstande, außer Bagdad selbst noch weitere Gebiete zu verteidigen, geschweige denn verlorene Regionen zurückzuerobern. Und in Nordsyrien hat der IS mittlerweile ein Gebiet unter Kontrolle, das sich über mehrere Ölquellen erstreckt und fünfmal so groß ist wie der Libanon. Weite Teile des Irak und Syriens sind unter IS-Kontrolle, die Grenze zu Saudi-Arabien wurde von irakischen Soldaten geräumt. Jordanien hat Truppen mobilgemacht, ebenso der Iran. Aus Teheran sollen gebrauchte Flugzeuge nach Bagdad geliefert worden sein, mit dem zur Bedienung notwendig ausgebildeten Personal gleich dazu. Gleiches gilt für Russland: Insgesamt wurden 25 „technisch veraltete, aber robuste“ Maschinen aus Moskau eingekauft.
Doch kann Iraks Ministerpräsident al-Maliki das Land zusammenhalten? Eine neue Regierungsbildung ist gescheitert, zu wenige Abgeordnete waren aus der Pause zurückgekehrt. Der Irak droht zu zerfallen in einen sunnitischen, einen schiitischen und einen kurdischen Staat. Kurdistan erwägt eine vorzeitige Unabhängigkeit vom geschwächten und zukunftsunfähigen Irak. Zusammen sind die Ethnien und Religionsgruppen des Irak unregierbar, alleine haben sie vielleicht eine Chance. Doch momentan ist der IS die größte Gefahr. Die Friedrich-Naumann-Stiftung schätzt die Truppenstärke der Terrorgruppe auf bis zu 15.000 Mann. Allerdings waren 800 Kämpfer genug, um 30.000 Regierungssoldaten aus Mosul zu vertreiben. Gerüchte über Massenhinrichtungen machten die Runde, mittlerweile gilt als sicher, dass der IS Gefangene exekutiert. Menschen sollen sogar gekreuzigt worden sein. Die USA zögern, Israel und Jordanien sind in Wartestellung. Gleichzeitig rief al-Baghdadi die Muslime der Welt auf, in sein neu gegründetes Kalifat einzuwandern.

Mittlerweile hat der IS begonnen, Öl aus den erbeuteten Förderanlagen an die umliegenden Staaten zu verkaufen. Dabei dürfte es dem IS nicht an Geld mangeln: Bei der Einnahme Mosuls, der zweitgrößten Stadt des Irak, erbeutete die Terrorgruppe im Juni ganze 429 Millionen US-Dollar. Erste Tankwagen machten sich jedoch schon auf den Weg zur iranischen Grenze, aus Syrien erreichen die ersten Lieferungen die Türkei und auch das verhasste Assad-Regime. Die Machtverhältnisse sind äußerst komplex. Bündnisse werden geschmiedet und Konzepte werden durchdacht, so recht scheint aber keine der direkt oder indirekt durch den IS bedrohten Konfliktparteien zu wissen, wie es weitergeht.


2 Kommentare:

  1. Wer weisst, vielleicht hat uns Muhammad den fünfte rechtgeleiteten Khalifa gesendet :D Muslimen haben zu lagen auf ihn gewartet,oder?

    lg Linda

    ps: dein Blog finde ich sehr interessant :D

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