Der Syrien-Konflikt ist seit Jahren am brodeln, tagtäglich
sterben Menschen bei den Kämpfen zwischen den Regierungstruppen und dutzender
Rebellengruppierungen. Der Bürgerkrieg hat seit 2011 etwa 160.000 Menschen das
Leben gekostet, Millionen sind auf der Flucht. Und den Überblick hat jeder
schon lange verloren. Vor ein paar Wochen bekam dann auch eine ganz spezielle
Gruppierung für einige Tage die ungeteilte Aufmerksamkeit der Welt: Der „Islamische
Staat im Irak und Syrien“ (ISIS) war wieder auferstanden, nachdem man die
Bewegung vor langer Zeit schon abgeschrieben hatte. Es handelt sich dabei um
eine Gruppe von militanten Salafisten und Dschihadisten, unter ihnen zu einem
großen Teil Ausländer. Lange war der noch einfluss- und landlose ISIS mit
al-Qaida verbündet, seit Mitte 2013 sind die beiden Gruppen jedoch zerstritten.
Auch mit der ebenfalls dschihadistischen Al-Nusra-Front, die in Syrien kämpft,
kam es zum Bruch. Doch der ISIS scheint keine Verbündeten zu brauchen.
Seit Sonntag (29.06.14) heißt die Terrorgruppe nur noch IS,
nachdem Abu Bakr al-Baghdadi al-Husseini al-Quraschi im Irak das Kalifat
ausgerufen und sich selbst zum „Befehlshaber der Gläubigen“ ernannt hat. Der Terrorist ist ein Doktor der Philosophie und hat angeblich Islamwissenschaft an einer Universität in Bagdad studiert.
Er will an eine Herrschertradition anknüpfen, die mit dem Ende des Osmanischen
Reichs abgeschafft wurde und deren Glanzzeiten von vielen Muslimen in den
Jahren nach Muhammads Tod gesehen werden. Al-Baghdadi, der Mann aus Samarra, versucht
sich nun in eine Reihe mit den wichtigsten Personen der islamischen Geschichte
zu stellen. Aus diesem Grund hat er sich mit der Zeit einen neuen Namen zugelegt:
Sein echter Name lautet Ibrahim, doch er lässt sich Abu Bakr nennen - so hieß
der erste der vier rechtgeleiteten Kalifen und direkte Nachfolger des
Propheten. Er nennt sich al-Baghdadi - obwohl er nicht aus Bagdad kommt - um sich
den Rückhalt der Iraker zu sichern. Bagdad war außerdem jahrhundertelang der
Mittelpunkt der islamischen Welt. Und schließlich ordnet er sich selbst dem
Stamm der Quraisch zu, dem Stamm der Familie Muhammads. Er will ein legitimer
Herrscher sein, deshalb gibt er sich die nötige Legitimation über seinen
Stammbaum. Auf der Liste der vom US-Außenministerium gesuchten Terroristen
steht al-Baghdadi nun auf Platz zwei.
Die aktuelle Situation im Land zwischen Euphrat und Tigris
ist ernst: US-Experten sehen die irakische Armee nicht imstande, außer Bagdad
selbst noch weitere Gebiete zu verteidigen, geschweige denn verlorene Regionen
zurückzuerobern. Und in Nordsyrien hat der IS mittlerweile ein Gebiet unter
Kontrolle, das sich über mehrere Ölquellen erstreckt und fünfmal so groß ist
wie der Libanon. Weite Teile des Irak und Syriens sind unter IS-Kontrolle, die
Grenze zu Saudi-Arabien wurde von irakischen Soldaten geräumt. Jordanien hat
Truppen mobilgemacht, ebenso der Iran. Aus Teheran sollen gebrauchte Flugzeuge
nach Bagdad geliefert worden sein, mit dem zur Bedienung notwendig
ausgebildeten Personal gleich dazu. Gleiches gilt für Russland: Insgesamt
wurden 25 „technisch veraltete, aber robuste“ Maschinen aus Moskau eingekauft.
Doch kann Iraks Ministerpräsident al-Maliki das Land
zusammenhalten? Eine neue Regierungsbildung ist gescheitert, zu wenige
Abgeordnete waren aus der Pause zurückgekehrt. Der Irak droht zu zerfallen in
einen sunnitischen, einen schiitischen und einen kurdischen Staat. Kurdistan
erwägt eine vorzeitige Unabhängigkeit vom geschwächten und zukunftsunfähigen
Irak. Zusammen sind die Ethnien und Religionsgruppen des Irak unregierbar,
alleine haben sie vielleicht eine Chance. Doch momentan ist der IS die größte
Gefahr. Die Friedrich-Naumann-Stiftung schätzt die Truppenstärke der
Terrorgruppe auf bis zu 15.000 Mann. Allerdings waren 800 Kämpfer genug, um
30.000 Regierungssoldaten aus Mosul zu vertreiben. Gerüchte über
Massenhinrichtungen machten die Runde, mittlerweile gilt als sicher, dass der
IS Gefangene exekutiert. Menschen sollen sogar gekreuzigt worden sein. Die USA
zögern, Israel und Jordanien sind in Wartestellung. Gleichzeitig rief
al-Baghdadi die Muslime der Welt auf, in sein neu gegründetes Kalifat einzuwandern.
Mittlerweile hat der IS begonnen, Öl aus den erbeuteten Förderanlagen
an die umliegenden Staaten zu verkaufen. Dabei dürfte es dem IS nicht an Geld
mangeln: Bei der Einnahme Mosuls, der zweitgrößten Stadt des Irak, erbeutete
die Terrorgruppe im Juni ganze 429 Millionen US-Dollar. Erste Tankwagen machten
sich jedoch schon auf den Weg zur iranischen Grenze, aus Syrien erreichen die
ersten Lieferungen die Türkei und auch das verhasste Assad-Regime. Die Machtverhältnisse
sind äußerst komplex. Bündnisse werden geschmiedet und Konzepte werden
durchdacht, so recht scheint aber keine der direkt oder indirekt durch den IS
bedrohten Konfliktparteien zu wissen, wie es weitergeht.
Wer weisst, vielleicht hat uns Muhammad den fünfte rechtgeleiteten Khalifa gesendet :D Muslimen haben zu lagen auf ihn gewartet,oder?
AntwortenLöschenlg Linda
ps: dein Blog finde ich sehr interessant :D
Danke, Linda. ;)
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