Montag, 25. Juni 2012

Die Wasserfrage im Nahostkonflikt - Der Streit um ein knappes Gut


Nahostkonflikt

Israel und Palästina liegen in einer heißen Region mit vielen Sonnen- und wenigen Regentagen. Die Frage nach dem Wasser ist alltäglich im Nahen Osten. Sie wird auch dementsprechend heftig diskutiert und politisch wie propagandistisch ausgeschlachtet. Die große und ständig wachsende Bevölkerung bezieht ihr Wasser aus den verschiedenen natürlichen Reservoirs des Landes, von denen der See Genezareth im Norden des Landes das größte bildet.
Das Thema ist sehr komplex. Die Klärung der Fakten bietet einen kleinen Einblick in die Problematik.

Der Hausverbrauch an Trinkwasser lag in Israel bei etwa 84 Kubikmetern pro Kopf, in den Palästinensergebieten bei nur 58 Kubikmetern (2006).[1] – Woher kommt dieser doch deutliche Unterschied? Laut palästinensischen Angaben ist die israelische Besatzung für die Wasserknappheit und den niedrigen Verbrauch in den Palästinensergebieten verantwortlich. Siedlungen, Mauern und die Zerstörung der Infrastruktur werden als vom israelischen Staat ergriffene Maßnahmen gedeutet. Diese Erklärung greift jedoch deutlich zu kurz. Anders als von einigen palästinensischen Quellen dargestellt hat auch Israel Probleme mit der Wasserknappheit. Gegen zu hohen Verbrauch in heißen Sommern geht die Regierung mit Bußgeldern vor. Beim Erhalt von Grünflächen hilft man sich anderweitig: Im Sommer 2009 entschloss sich die Stadt Netanya, die wegen der Dürre ihre Grünflächen nicht mehr bewässern konnte, mit grüner Lebensmittelfarbe nachzuhelfen.[2] – Laut Haim Gvirtzman, Professor für Hydrologie an der Hebrew University in Jerusalem, ist vor allem der unterschiedliche Lebensstandard beider Gesellschaften für die große Diskrepanz verantwortlich, die beim Verbrauch sichtbar wurde. Dies könne durchaus auch innerhalb der israelischen Gesellschaft beobachtet werden: So sei der Verbrauch eines Jerusalemers (65 Kubikmeter Wasser) deutlich niedriger als der eines Einwohners von Tel Aviv (115 Kubikmeter Wasser).[3]
Weitere Daten weisen auf ein anderes Problem hin: Israel verliert 11 Prozent des Trinkwassers durch schadhafte Leitungen[4], die PA sogar ganze 33,6 Prozent[5]. In der Palästinensischen Autonomie könnte der relativ hohe Verlust an Trinkwasser also allein durch weitreichende Sanierungsmaßnahmen deutlich gelindert werden.
Verglichen mit den Nachbarstaaten werden noch weitere Unterschiede beim Wasserverbrauch sichtbar: Während der Frischwasserverbrauch pro Kopf und Jahr in Israel bei 150 Kubikmetern und in den Palästinensergebieten bei 140 Kubikmetern liegt, verbraucht ein Jordanier 172 Kubikmeter, ein Ägypter 732 Kubikmeter, ein Syrer 861 Kubikmeter und ein Libanese sogar 949 Kubikmeter![6] Vergleicht man also die Situation Israels und Palästinas mit der Lage der Nachbarn, so werden noch gravierendere Unterschiede deutlich, die vor allem auf den hohen Anteil von geklärtem und entsalztem Wasser zurückzuführen sind. Israel investiert eine Hohe Summe in die Aufbereitung von Abwasser, das dann zu 75 Prozent der Landwirtschaft zufließt. Während an das Wassernetz angeschlossene Israelis und Palästinenser normalerweise rund um die Uhr fließendes Wasser bekommen, haben die Einwohner von Amman oder anderen Hauptstädten des Öfteren mit Engpässen zu kämpfen.

In den Palästinensergebieten besteht gerade mit dem Abwasser ein großes Problem: Von 52 Millionen Kubikmetern Abwasser fließen ganze 34 Millionen Kubikmeter ungeklärt in die Umwelt ab. Und das geklärte Wasser wird kaum für die Landwirtschaft verwendet. Es mangelt an palästinensischen Kläranlagen, obwohl die Gelder von der EU und den USA durchaus bereitgestellt werden würden. Außerdem existieren für die jüdischen Siedlungen bereits Klärsysteme. Karin Leukefeld schrieb für die AG Friedensforschung: „Offenbar versuchen die Besatzungsbehörden, Druck auf die Palästinenser auszuüben, ihr Abwassersystem an israelische Kläranlagen anzuschließen, die auch die Abwässer der illegalen Siedlungen klärt. Die Palästinenser beharren auf einem eigenen Abwassersystem, denn ein Anschluss an die Kläranlagen der Besatzer würde einer Anerkennung der illegalen Besatzung gleichkommen.“[7]
Der Journalist Johannes Gerloff schreibt: „Wasser und Abwasser werden sich nie an kulturelle Empfindlichkeiten, politische Abmachungen oder Grenzen halten. Wasser richtet sein Verhalten immer nach der Schwerkraft, klimatischen, geografischen und geologischen Gegebenheiten. Deshalb werden Israelis und Palästinenser auch künftig nicht umhin kommen, in diesen Fragen zu kooperieren – ganz unabhängig von einer politischen Lösung.“[8] – Vielleicht wäre es hier hilfreich, die Kooperation (von beiden Seiten) stärker zu verfolgen, gerade was die Frage des ungeklärten Abwassers angeht. Es ist verständlich, dass die palästinensische Führung auf einem eigenen Abwassersystem beharrt. Andererseits könnte man jedoch die Tatsache in Erinnerung rufen, dass zu Beginn der israelischen Besatzung 1967 nur vier der 708 palästinensischen Städte und Dörfer überhaupt an das Wassernetz angeschlossen waren. In den ersten fünf Jahren der Besatzung wurde das palästinensische Netz um ganze 50 Prozent ausgebaut[9] – von Israel. Warum sollte beim Thema Abwasser eine Kooperation so schwierig sein?

Das Wasserproblem ist ein großer Hemmstein, auch für eine Friedenslösung. Anders als die Frage um eine Hauptstadt oder den Verlauf der Grenzen ist dieses Problem jedoch unmittelbar lebenswichtig und verlangt nach einer dringenden Lösung. Politische Interessen beider Seiten sowie der bürokratische Dschungel machen einen Kompromiss und ein gemeinsames Vorankommen schwierig.
Dass Israel noch andere Probleme mit dem Wasser hat, wird vor allem am israelisch-jordanischen Konflikt deutlich. Die Palästinenser sind in diesem Beispiel weniger betroffen. Lange Jahre bestimmte der Streit um das Wasser des Jordan die Tagesordnung. Als Grenzfluss wurde er von Israel, Jordanien und Syrien beansprucht als wichtige Lebensquelle. Die Gründe für eine lange Geschichte der Kompromisslosigkeit war weniger die Politik, sondern viel eher die Wirtschaft: Dreh- und Angelpunkt eines großen Teils der regionalen Wasserproblematik ist und bleibt die Landwirtschaft. Doch die Zahlen aus Israel und Jordanien sprechen für sich: Israel benötigt rund 70 Prozent des vorhandenen Wassers für die Landwirtschaft, Jordanien etwa zwei Drittel. In Israel erwirtschaftet dieser Wirtschaftszweig jedoch nur 2,5 Prozent des Bruttoinlandprodukts! In Jordanien sind es 7,5 Prozent – in Relation zum Verbrauch auch hier kaum erwähnenswert. Beide Staaten sind kaum auf die Landwirtschaft angewiesen. Und doch ist die Bandbreite für eine Lösung gerade in diesem Sektor so schmal. Die Gründe liegen bei genauerem Hinsehen auf der Hand: Auf der israelischen Seite besteht eine starke Lobby der Landwirtschaft, die ihren Einfluss geltend macht. Hinzu kommt die fundamentale Bedeutung der Landwirtschaft für den Zionismus. War es Juden doch jahrhundertelang unmöglich, Land zu erwerben und zu bewirtschaften, so bot sich nun in Israel die Möglichkeit, sich niederzulassen und die Landwirtschaft in Form von Kibbutzim und agrarischen Siedlungen zum sprießen zu bringen. Mit den heutigen technischen Mitteln ließe sich der Wasserbedarf in Israel jedoch noch weiter senken. In Jordanien verhält es sich ähnlich wie mit den israelischen Interessengemeinschaften: Zwischen zehn und zwanzig Familien sitzen in den Agrarministerien und subventionieren die Landwirtschaft gezielt. Durch einen Kreislauf von Krediten und undurchsichtigen Geschäften wollen sie ihre Monopolstellung wahren.[10]

Wie man sieht, ist das Wasserproblem im Nahen Osten sehr vielschichtig. Während das Trinkwasser in Israel und den Palästinensergebieten effizienter genutzt wird als in den Nachbarländern, behält sich die Landwirtschaft einen großen Einfluss auf die Wassernutzung vor. Durch kaputte Leitungen und falsch investierte Gelder leidet die Infrastruktur der Wasserversorgung in den Palästinensergebieten. Durch illegal gebohrte Brunnen steigt das Risiko der Grundwasserversalzung. Es mangelt an funktionierenden (und richtig betriebenen) Klärwerken.
Eine Lösung der verflochtenen Konflikte wäre nicht so schwer wie vermutet. Die „Osloer Verträge“ – insbesondere der Vertrag von 1995 – betonen die Bedeutung der Kooperation auf dem Gebiet der Wassereinteilung. Die Grundlagen für ein gemeinsames Vorankommen existieren bereits. Notwendig ist einzig eine Unterbindung der Propagandaschlacht zwischen den sich immer weiter voneinander entfernenden Gesellschaften.

(Diesen Artikel finden Sie auch auf der Website der Friedensbewegung Rock of Peace!)



[1] H. Gvirtman: The Israeli-Palestinian Water Conflict: An Israeli Perspective (Begin-Sadat Center for Strategic Studies der Bar-Ilan University, Januar 2012)
[2] Netanja passt sich an – Grüne Farbe für den Rasen (n-tv, 14.07.2009)
[3] H. Gvirtman: The Israeli-Palestinian Water Conflict: An Israeli Perspective (Begin-Sadat Center for Strategic Studies der Bar-Ilan University, Januar 2012), S. 9
[4] Laut Haim Gvirtzman vom Begin-Sadat Center for Strategic Studies der Bar-Ilan University.
[5] Water Supply Status (Palestinian Water Authority, 2007)
[6] J. Gerloff: Wasser ist Leben, in Israelreport (Ausgabe 3/2012, Christlicher Medienverbund KEP e.V.)
[7] K. Leukefeld: Israel verschärft Wasserkrieg (Junge Welt, 12.04.2010)
[8] J. Gerloff: Wasser ist Leben, in Israelreport (Ausgabe 3/2012, Christlicher Medienverbund KEP e.V.)
[9] ebd.
[10] Aus einer Studium Generale-Vorlesungsreihe von Prof. Dr. Peter Pastewka an der Eberhard Karls Universität in Tübingen.

2 Kommentare:

  1. .... was genau ist denn dein 3. Word?

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  2. Thorschten hat die Frage nicht verstanden. - Ich nehme einmal an, dass Du "Wort" meintest. Dann wäre meine andere Frage: Welches dritte Wort? In der Überschrift? Das wäre "im", auch bekannt als "in dem". ;) Oooder aber Du meinst "Palästina". Hmm, gute Frage. Der würde ich gerne eine Gegenfrage zuwerfen: Was genau tut es hier zur Sache, wie man das P-Wort genau definiert? Es geht hier in dem Beitrag ja um Israel und "die Anderen". Und diese Anderen sollten beim Namen genannt werden. In meinem Fall schließt das eine ja das andere nicht aus.
    (Nähere Infos unter www.rock-of-peace.de) :P

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