„Bad Cannstatt: Aus bislang
ungeklärter Ursache ist am Montagmorgen (16.09.2013) gegen 09.00 Uhr an der
Mercedesstraße ein Peugeot in Brand geraten.“ – So beginnt
die Pressemitteilung des Polizeipräsidiums Stuttgart. Ein Zeuge habe Rauchentwicklung
bemerkt und das brennende Auto entdeckt. Der Insasse des Wagens sei verbrannt.
In den folgenden Wochen sorgte der Fall des 21jährigen
Florian H. aus Eppingen (Landkreis Heilbronn) für Wirbel, aber nicht für die
wirklich großen Schlagzeilen. Dabei ist der Sachverhalt äußerst interessant:
Ein Aussteigewilliger aus der rechten Szene wird als Zeuge vernommen, zum NSU
und seinem Bezug zu Baden-Württemberg. Dabei erwähnt er auch eine bisher
unbekannte Gruppierung, die NSS („Neoschutzstaffel Öhringen“). Und genau an dem
Tag, an dem er zum zweiten Mal an einem geheimen Ort in Stuttgart vor den
Ermittlern des Landeskriminalamtes aussagen soll, verbrennt er in seinem Auto,
in der Nähe des Canstatter Wasens, um 9.00 Uhr morgens. Angeblich auf der
Zufahrt desselben Campingplatzes, auf dem sich schon die drei NSU-Terroristen aufgehalten
haben sollen. Die Polizei stellt Suizid als Todesursache fest, der Fall wandert
zu den Akten.
© 7aktuell |
Schon vor Bekanntwerden der NSU-Morde sprach H.
angeblich von einem rechtsextremistischen Hintergrund des Mordes an der Polizistin
Michèle Kiesewetter in Heilbronn. Man hielt ihn für einen Wichtigtuer, bis die
Terrorgruppe aufflog. Später erwähnte H. die NSS Öhringen und bezeichnete sie
nach dem „Nationalsozialistischen Untergrund“ als zweitradikalste Gruppe in
Deutschland. Es habe sogar ein Treffen zwischen den beiden Gruppierungen
gegeben, behauptet er. Auch jetzt hielt man ihn für größenwahnsinnig, weil er
sich bei den Aussagen in Widersprüche verstrickte. Er hatte behauptet, den
Polizistenmörder zu kennen, konnte bei der Vernehmung jedoch keine Namen nennen.
Dann drängt das LKA nach Monaten plötzlich auf
ein erneutes Treffen. Zwischen dem ersten Termin im Januar 2012 und der zweiten,
nicht mehr stattgefundenen Befragung lagen mehr als eineinhalb Jahre. Egal, was
Florian H. aussagen sollte, er kam nicht mehr dazu. Entweder hat er es selbst
verhindert – und dann stellt sich die Frage nach dem Warum – oder er ist
verhindert worden. Dabei trennten den Ort, an dem er angeschnallt, in
aufrechter Sitzposition und 50 Kilometer von seinem Heimatort entfernt starb, nur
700 Meter vom Landeskriminalamt. Die Stuttgarter Polizei bestreitet zudem nicht,
dass es am Ort des Suizids eine Explosion gegeben habe. Allerdings seien auch
Spuren von Brandbeschleunigern gefunden worden. Wollte H. den beiden
NSU-Terroristen Böhnhardt und Mundlos nacheifern, die ebenfalls vor ihrem Tod
das eigene Auto in Brand setzten? Man weiß es nicht. Man könnte aber durchaus
in dieser Richtung weiter ermitteln. Doch die Polizei ermittelt nicht weiter.
Sind die zahlreichen Ungereimtheiten nur Zufall?
Vielleicht. Doch wie oft haben sich – gerade im Zusammenhang mit dem NSU –
viele gemutmaßten Zufälle als fatale Irrtümer und Fehleinschätzungen erwiesen?
Es bleiben auf jeden Fall noch eine Menge Fragen offen. Vielleicht würde es
sich lohnen, in Baden-Württemberg einen eigenen NSU-Untersuchungsausschuss
einzurichten, um Licht hinter all die Zusammenhänge zu bringen.
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