Princip und die anderen Attentäter wurden zum Tode verurteilt und hingerichtet. Das Attentat selbst hatte jedoch weitaus gravierendere Folgen: Das Pulverfass Europa explodierte und leitete die Welt in den ersten und bis dahin einzigen Weltkrieg, in dessen Folge fast zehn Millionen Menschen starben. Mit diesem Ereignis ging der Name Sarajevo in die Geschichtsbücher ein.
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Freitag, 30. März 2012
Jerusalem des Südostens und ungeschliffene Perle des Balkan: Ein historischer Streifzug durch Sarajevo
Princip und die anderen Attentäter wurden zum Tode verurteilt und hingerichtet. Das Attentat selbst hatte jedoch weitaus gravierendere Folgen: Das Pulverfass Europa explodierte und leitete die Welt in den ersten und bis dahin einzigen Weltkrieg, in dessen Folge fast zehn Millionen Menschen starben. Mit diesem Ereignis ging der Name Sarajevo in die Geschichtsbücher ein.
Donnerstag, 29. März 2012
Mostar im März
Dienstag, 27. März 2012
Montenegro - Ein kritischer Blick auf das neuentdeckte Joie de vivre einer Gesellschaft
Meine Reise durch Montenegro war nur kurz und hat sich auf die Küste beschränkt. So kam ich nach Kotor, in eine der schönsten Städte des Balkans. Sie ist nicht exemplarisch für das ganze Land, aber dennoch eröffnen sich hier Einblicke in die Gesellschaft Montenegros.
Mir ist zunächst aufgefallen, dass die Küstenregion Montenegros um ein Vielfaches teurer ist als die Länder, durch die ich bisher gekommen bin. Man bezahlt mit dem Euro. Busfahrten sind gut und gerne doppel so teuer wie in Albanien. Die Restaurants haben durchaus mitteleuropäisches Niveau. Auch die Menschen machen einen durchaus westlichen Eindruck. Die Montenegriner sind ein sehr junges - und modebewusstes - Volk. Die Frage kommt auf, ob wohl jeder Montenegriner das Einkommen hat um hier nach EU-Standards zu leben. Gibt es hier genug Arbeit? Wie sind die Löhne? Immerhin ist Montenegro unabhängig und hat den letzten Jahren viele Investoren ins Land gelockt.
Am letzten Abend klären sich einige der Fragen, als ich und ein paar andere Leute mit Miljan ins Gespräch kommen, dem Betreiber des Hostels. Er ist selbst Montenegriner und stammt aus Budva. Zuerst unterhalten wir uns auf einem sehr lockeren Niveau über Fußball, jeder macht seine Witze über die holländisch-deutsche Feindschaft. Beim Thema Feindschaft kommen wir auf den Zweiten Weltkrieg zu sprechen. Miljan versteht es nicht, dass die Italiener in dieser Gegend viel angesehener und willkommener seien als die Deutschen. Dabei haben damals doch beide an einem Strang gezogen. Er jedenfalls ist der Meinung, dass man sich einiges von den Deutschen abschauen könnte. Ich runzle die Stirn, wie man es als Deutscher im Ausland wohl des Öfteren tut, wenn es um den Zweiten Weltkrieg und die deutschen „Errungenschaften“ geht. Doch später verstehe ich, was er damit gemeint hat.
Miljan erzählt uns von der Wirtschaftlage seiner Heimat, von der Korruption und von Sportwetten. Es sei ja nicht so, dass jedes Fußballspiel in Europa gekauft sei. Aber alle zwei Monate bekommt man in Montenegro einen Anruf und weiß danach genau, auf welche Mannschaft der Dritten Deutschen Liga man setzen muss, um sein Einkommen zu verdoppeln. Alle seien korrupt, sagt Miljan. Die Fußballkultur im Land selbst sei durchzogen von Korruption, in ganz Ex-Jugoslawien würden bestimmte Spielergebnisse schon Wochen vorher feststehen. Wenn zum Beispiel zwei Teams demselben Geschäftsmann gehören. Das Hinspiel gewinnt dann die eine, das Rückspiel die andere Mannschaft.
Doch die Mentalität sei ja nicht nur auf Fußball begrenzt. Die ganze Politik sei in kriminelle Machenschaften verwickelt. Die Wirtschaft in Montenegro ist praktisch gelähmt. Keiner weiß so recht wohin. Natürlich gebe es Investoren. Im Land gibt es wenig Industrie, Fabriken würden aufgekauft und danach geschlossen, weil es sich nicht lohne, sie weiter zu betreiben. Dadurch würden immer mehr Menschen arbeitslos. Im Norden, meint der Hostelbetreiber, seien die Menschen arm und könnten sich keine neuen Schuhe leisten.
Nach der Loslösung von Serbien und der Unabhängigkeit Montenegros im Jahre 2006 sind viele – vor allem russische – Investoren ins Land gekommen. Miljan sieht aber vor allem den Tourismus auch mit einem kritischen Auge. Die russischen Millionäre würden das Landschaftsbild zerstören durch ihre gigantischen Hotelkomplexe, in denen kein westlicher Tourist wohnen wolle. In seiner Heimatstadt Budva hat er es beobachtet. Es gibt keine Regeln, keine Bauvorschriften. Und selbst wenn es welche gibt, dann kann man sich Ausnahmen erkaufen für billiges Geld.
Montenegros Wirtschaft bräuchte einen Aufschwung. Serbien hat mit Bar einen wichtigen Hochseehafen verloren. Man bräuchte nur eine ausgebaute Strecke von Bar nach Serbien, meint Miljan. Die hat man auch versucht zu bauen. Im Jahr 2009 sollte offiziell mit dem Bau begonnen werden. Verträge bestanden, Politiker kamen um den Bau einzuweihen. Die Presse war in Scharen vertreten. – Nach zwei Tagen wurden die Bauarbeiten eingestellt. Die Verträge mit den kroatischen Baufirmen waren gekündigt worden. Seitdem steht das Projekt still.
Hinter der Maskerade der Politik verbirgt sich ein verrottetes System. Was Montenegro fehle sei Arbeitsmoral, erklärt er uns. Und hier beginnen wir zu verstehen, was er mit den „guten Seiten“ der Deutschen gemeint hat. Er hatte es nicht auf den Krieg bezogen, sondern eher auf die Tugenden. Die Menschen in Montenegro, von jung bis alt, würden sich nur für Sportwetten, Casinos und italienische Mode interessieren, meint Miljan. Niemand will mehr arbeiten. Er selbst habe im Sommer noch Strandaufseher gesucht, die in Budva für ihn arbeiten sollten. Seine Freunde hatte er gefragt, ihnen gesagt, sie müssen sich keine Sorgen um die Arbeitszeiten machen, er wäre dann ja schließlich der Chef und könne ihnen Freiheiten verschaffen. Aber er hat auch unter seinen Freunden niemanden gefunden, der arbeiten will. Die Regierung ist kein Vorbild. Anstatt Bürokratie abzubauen und Staatsschulden zu tilgen würden zugelassen, dass immer mehr Menschen in den Staatssektor drängen. Als Beamter verdiene man gutes Geld mit verhältnismäßig wenig Arbeit, meint Miljan. Die Menschen würden außerdem den Wohlstand des Westens sehen und genauso leben wollen. Sogar im armen Norden würde man für die neueste Mode Geld ausgeben, obwohl es für die Miete schon knapp wird.
Dieses abendliche Gespräch hat uns ins Grübeln gebracht. Natürlich, die Sicht eines Einzigen auf die Masse der Bevölkerung ist für keine Statistik repräsentativ. Aber dennoch betrachteten wir Montenegro jetzt aus anderen Augen. Denn ein bisschen etwas Wahres scheint tatsächlich dran zu sein. Kotor ist nicht nur ein Anziehungspunkt für Touristen, die von Budva aus einen Tagesausflug machen, sondern auch für die einheimische Jugend. In den Cafés sitzen fast ausschließlich junge Leute. Diese Generation verkörpert dieses ganz besondere Joie de vivre, das sich deutlich von den Ländern unterscheidet, die ich bis jetzt auf meiner Reise besucht hatte. Die Cafés sind vormittags schon gefüllt. Abends haben die Discos Hochbetrieb. Während ich mittags um halb eins auf einem der kleinen Plätze Kotors eine Pizza esse, sitzen ein paar Tische weiter einige junge Montenegriner mit italienischen Sonnenbrillen, gestylten Freundinnen und einem Gläschen Whiskey on the Rocks…
Und an den Souvenirständen gibt es Postkarten, die in mindestens 5 Sprachen die „10 Gebote der Montenegriner“ verbreitet. Auf billigem GoogleTranslator-Deutsch wird hier erklärt, warum es sich nicht lohnt, morgens früh aufzustehen oder warum Arbeit zu einem frühzeitigen Tod führen kann. Das alles erscheint mir jetzt, im Rückblick auf die "Insider-Informationen" eines Hostel-Betreibers, ein wenig skurril.
Es scheint schon ein bisschen so, als könnte man in Montenegro gut und auf hohem Niveau leben… und manchmal auch über seinen Kosten. Allerdings wäre hier durchaus Potenzial für mehr da: Ein wunderschönes Land mit einer atemberaubenden Küste, einer interessanten Geschichte und glasklarem Wasser - vielleicht bräuchte man hier einfach mehr deutsche Investoren. Und der Zeitpunkt wäre günstig. Die Zeit der gigantisch hohen Immobilienpreise hat um 2005 ihren Höhepunkt erreicht. Jetzt hingegen wäre wieder der richtige Zeitpunkt, um sich ein schönes Häuschen für die Rente zu sichern. ;)
Reisebericht Montenegro
Meine Fahrt in dieses unbekannte Feriendomizil war jedoch mehr als kompliziert. Ich trat meine Weiterreise von Tirana in Albanien aus an, wo ich nach der Rückkehr aus dem Kosovo nochmals eine Zwischenstation einlegen musste. Die zweieinhalbstündige Fahrt mit dem Sammeltaxi nach Shkodra im Norden des Landes kostete umgerechnet ganze 2,80 €, lächerlich gegen das, was noch kommen sollte. Denn das war ja nur erst die erste Etappe: Von Shkodra wollte ich irgendwie nach Montenegro rüberkommen – kein Problem, Taxis gab es ja genug. Aufgrund der hohen Spritpreise und meines mangelhaften Verhandlungsgeschicks betrugen die Fahrtkosten bis zur Grenze etwa das Fünffache der bisher zurückgelegten Strecke. An der Grenze selbst wartete schon ein weiterer Taxifahrer, der mich für weitere 20 € durch die Kontrollen und dann bis nach Ulcinj bringen wollte. Kaum waren wir zehn Meter gefahren, wollten die Grenzer die (nicht vorhandene) Lizenz meines Chauffeurs sehen. Ich musste im Auto warten und hatte das Schild mit der Aufschrift „Dobrodošli u Crna Gora!“ („Wilkommen in Montenegro!“) schon vor der Nase. Nach einer Viertelstunde ging es weiter. Wie er die Angelegenheit geregelt hat weiß ich nicht. Wahrscheinlich hatte er etwas von dem Betrag, den er an mir verdienen würde, an den Beamten abtreten müssen. Aber hey, wir sind auf dem Balkan…
Der erste Eindruck von Montenegro war rot. Die rötliche Erde an der Straße nach Ulcinj war durch Verbesserungsarbeiten aufgewühlt, überall waren noch Schlaglöcher. Doch das Taxi bahnte sich seinen Weg geschickt in Richtung Küste, durch die ersten tiefen Täler und vorbei an den spärlich bewaldeten Bergrücken. Von der Küstenstadt Ulcinj selbst sah ich relativ wenig, denn mein Ziel war die „autobuska stanica“. So muss ich mich auf mein schlaues Buch verlassen, das von einem Touristenansturm aus dem Kosovo berichtet, der hier im Sommer einsetzen soll. Die Kosovaren würde eher hier Urlaub machen als in Albanien. Grund? – Die Küste hier soll um ein Vielfaches schöner und sauberer sein.
Mein Reiseziel für diesen Tag war Kotor, was im nördlichen Küstenabschnitt von Montenegro liegt. Ich wusste nicht, wann und wie die Busse fahren würden und verließ mich auf mein Gefühl. Mein Gefühl hat mir aber auch einige Stunden an Wartezeit eingebracht. Außerdem erwiesen sich die montenegrinischen Busse um ein Vielfaches teurer als die auf dem südlichen Balkan. Doch schließlich fuhr ich erst von Ulcinj nach Budva, entlang der atemberaubenden Küste, und dann weiter nach Kotor. Es wurde gerade dunkel, als ich vor der Stadtmauer an der Touristeninformation nah einem Zimmer anfragte und auch gleich weitervermittelt wurde an das örtliche Hostel.
Kotor selbst ist eine Kleinstadt, die man innerhalb ihrer Stadtmauern in fünf bis acht Minuten durchqueren kann. Sie ist sehr aufgeräumt und erinnert irgendwie an Italien. Kein Wunder, die Hafenstadt war vier Jahrhunderte lang im Besitz der Venezianer, an die noch der verfallene mittelalterliche Friedhof außerhalb der Mauern erinnert, der jedoch von niemandem mehr wahrgenommen wird. In den für Balkan-Verhältnisse recht teuren Restaurants finden sich Spezialitäten wie Lignje (gebratene Tintenfische), der berühmte Salata od hobotnice (Tintenfischsalat) und viele andere Fischgerichte. Montenegro ist für seine mediterrane Küche berühmt. Hier ist alles frisch, das Meer liegt vor der Haustür. Ich esse meine traditionellen Meeresfrüchte-Spaghetti, deren Qualität ich seit Jahren in jedem Land ausprobieren muss, das eine Küste hat. In Kotor sind sie sogar so frisch (und fischig), dass es mir schon fast zu viel ist.
Donnerstag, 22. März 2012
Israel und der Iran
Seit Monaten sind die Nachrichten voll davon: Israel wird den Iran angreifen, die Frage ist nur noch wann. – Ich selbst habe ein Jahr lang in Israel gelebt und habe erfahren, wie Kriegsgerüchte die Runde machen. „Im Sommer“, hieß es. „Diesen Sommer wird es Krieg geben.“ Man wisse nur noch nicht mit wem. Syrien wurde damals als Kriegsgegner hoch gehandelt. Schlussendlich gab es dann doch keinen Krieg.
Die Medien spielen in den heutigen Konflikten eine große Rolle. Es wäre interessant zu wissen, wie sich die Lage dermaßen zuspitzen konnte. Seit Jahren ist bekannt, dass die iranische Regierung unter Mahmud Ahmadinedschad kein großer Freund des „zionistischen Regimes“ in Jerusalem ist. Und es ist auch kein Geheimnis, dass der Iran irgendwo in tiefen, durch Felsgestein geschützten Bunkern an radioaktiven Materialien herumexperimentiert und waffenfähiges Uran anreichert.
Jetzt bleiben ein paar Möglichkeiten zur Spekulation offen.
Entweder: Der Iran baut die Atombombe und will Israel vernichten.
Oder: Der Iran will nur eine stabile Energieversorgung errichten und damit wirtschaftlich einen großen Fortschritt erzielen.
Der Iran ist – politisch gesehen und im Hinblick auf seine Haltung gegenüber Israel –ein genauso explosives wie interessantes Territorium. Einerseits wird hier jedes Jahr ein sogenannter „Jerusalem-Tag“ abgehalten, bei dem man den „Zionisten“ den Tod wünscht. Andererseits wurde in den Medien auch allerhand Material falsch übersetzt: So sagte der für seine Hasstiraden berüchtigte Präsident nicht etwa, Israel müsse von der Landkarte gefegt werden. Dieser Satz wird nämlich meistens so zitiert und ist aus dem Kontext gerissen. Ahmadinedschad sagte in Wirklichkeit etwas in dieser Art: „Der Imam sagte, dass das Regime, das Jerusalem besetzt, von den Tafeln der Zeit verschwinden muss.“ Auch nicht ohne politische Wertung, aber keinesfalls ganz so teuflisch wie die in den Medien verbreitete Falschübersetzung.
Nichtsdestotrotz macht sich Ahmadinedschad bei jeder Gelegenheit daran, den Holocaust als eine „Lüge der Zionisten“ zu bezeichnen und ihn als erfundene Begründung für das Entstehen Israels zu entlarven. Erst kürzlich behauptete der iranische Präsident im Interview mit dem ZDF, dass in Europa nicht frei über den Holocaust geforscht werden könne. Er bezeichnete die Israelis als kulturlose Menschen und fragte, warum Europa bedingungslos hinter den Zionisten stehe. Im gleichen Interview behauptete er, der Iran würde nicht an der Atombombe bauen, denn diese Art von Waffen sei unmoralisch und für die heutige Zeit nicht mehr geeignet.
Werfen wir einen Blick auf die israelische Seite. Hier ist man sich scheinbar sicher, dass der Iran die Bombe baut oder schon lange hat. Israel hat seinerseits niemals zugegeben, selbst Atomwaffen zu besitzen. Die meisten Beobachter vermuten aber dennoch, dass es irgendetwas geben muss auf dem umzäunten Gebiet bei Dimona in der Negev-Wüste. Aber auch hier bewegen wir uns im Bereich der Spekulation.
Was die wenigsten wissen: Israel soll in den 1960er Jahren sogar selbst am Aufbau eines iranischen Atomprogramms unter dem Schah beteiligt gewesen sein! Das ließe also die Vermutung offen, dass die Israelis wissen, was sich in den Hangars und Labors der Iraner verbirgt…
Spekulationen sind auch die mysteriösen Tode mehrerer iranische Nuklearforscher, die sich in letzter Zeit häufen. Es ist ein offenes Geheimnis, dass der Mossad mit diesen Aktionen in irgendeiner Verbindung steht.
Israel besteht auf seinem Recht auf Selbstverteidigung, auch wenn diese präventiv sein sollte. Die israelische Armee ist zweifellos für einen Militärschlag gerüstet. Und wie der Verteidigungsminister Ehud Barak (ebenfalls im ZDF) am 20. März erklärte: „Wir sagen klipp und klar, es ist keine Frage von Wochen und keine von Jahren. Sicher ist, 2012 ist ein enorm wichtiges Jahr in dieser Hinsicht.“
Da müssen eingefleischte Pazifisten ziemlich heftig schlucken. Israel scheint bereit für einen Erstschlag zu sein, der Iran wartet auf den Gegenschlag. Und die ganze Welt schaut zu…
Wollen wir doch einmal ein paar zusammenfassende Fragen stellen:
Sollte der Iran Atomwaffen besitzen, warum ist dies ausgerechnet und allein ein Problem Israels?
Sollten nicht die UNO oder irgendeine höhere Instanz (die Amerikaner?) noch vor Israel aktiv werden?
Andererseits, sollte der Iran wirklich nur ein paar (funktionierende) Meiler bauen wollen, wer sollte ihn davon abhalten dürfen?
Außerdem: Wenn dem Iran – wie er ja immer wieder behauptet – das Wohl der Palästinenser am Herzen liegen würde, welchen Ort in Israel würde eine iranische Rakete anvisieren, damit kein Palästinenser zu Schaden kommt? Mit Atomraketen ein sehr, sehr schwieriges Vorhaben…
Fazit: Egal wie, wann und wo es passiert, ein Krieg kann keinem nützen. Die Lage könnte eskalieren. Das iranische Volk würde - trotz aller politischen Unzufriedenheiten - geeint werden im Kampf gegen Israel. Die USA würden nicht untätig zusehen, sollte Israel angegriffen werden. Und vielleicht müsste gar Deutschland eingreifen...?
Kurzum: Der Dritte Weltkrieg oder so etwas in die Richtung wäre nicht auszuschließen.
Und das alles wegen einem Machtspiel und (k)einer Atombombe?
Der Iran und die Juden
Bei allen politischen Betrachtungen darf man jedoch nicht übersehen, dass der Iran sehr wohl einen Unterschied macht zwischen „den Zionisten“ und den Juden selbst. Als bloßer Antisemitismus ist die Haltung der Mullahs und die des Herrn Ahmadinedschad nicht abzutun. Man muss einen Blick auf die Geschichte zurückwerfen um zu begreifen, dass es nie größere Pogrome oder Vertreibungen im Iran gegeben hat. Auch sind diejenigen Juden, die vom Iran aus nach Israel oder in die USA emigrierten, nicht geflohen und wurden auch nicht aus dem Land geworfen. Die persischen Juden sahen den Iran als ihre Heimat an – und tun es bis heute. Die jüdische Gemeinde im historischen Persien besteht seit nahezu 3.000 Jahren – ununterbrochen.
Als ich im September 2011 am Busbahnhof in Eilat im Süden Israels auf meinen Bus wartete, beobachtete ich eine Frau, die mit dem Handy telefonierte. Sie sprach nicht Hebräisch und auch nicht Arabisch. Der Kiosk-Besitzer schien zu wissen, welche Sprache das sei. Er fragte sie auf Englisch, woher sie käme. Aus dem Iran, antwortete sie. Ich war überrascht. Eine Iranerin in Israel, in diesen Zeiten. Ich wurde hellhörig und wollte wissen, wie dieser Dialog ausgeht. Allerdings habe ich von der nächsten Konversation nichts verstanden. Der Israeli am Kiosk sprach fließend Persisch. Und er war keineswegs feindselig. Wahrscheinlich hatte er sich gefreut, endlich mal wieder mit jemandem in der Sprache reden zu können, mit der er aufgewachsen war. Er war ein Mann Ende vierzig. Vielleicht waren seine Eltern aus dem Iran nach Israel eingewandert, vielleicht war er selbst noch in Schiras oder Teheran geboren.
Das alles weiß ich nicht. Was ich aber weiß ist, dass Israelis und Iraner sehr wohl freundlich miteinander reden können. Viel mehr noch: Allein aufgrund der historischen Verbindung, die lange bis vor die Islamische Revolution 1979 oder auch die Staatsgründung Israels 1948 zurückreicht, müsste es möglich sein, dass zwischen Völkern eine Freundschaft entstehen.
Aber Politik wird nicht von Völkern gemacht, sondern eben von Politikern…
Eine Facebook-Kampagne
Politik ist Politik – und daran können einzelne, klar denkende Menschen wohl nichts ändern. Oder etwa doch? Mitte März startete der Tel Aviver Designer Ronny Edry die Facebook-Kampagne „Israel loves Iran“ mit einem Bild, das ihn mit seiner fünfjährigen Tochter auf dem Arm zeigt. Fernab jeder Politik drücken seitdem Israelis und Menschen aus der ganzen Welt ihre Freundschaft gegenüber dem iranischen Volk aus. Bei Iranern in der ganzen Welt stößt diese Kampagne auf positive Gegenliebe. Ist es möglich, dass hier Menschen die Initiative ergriffen haben und vielleicht sogar die Chance besteht, Schlimmeres zu verhindern? Vielleicht muss ein wenig Revolutionsgeist nicht immer in einer Revolution und schier unbezwingbarem Chaos enden. Vielleicht kann man auch einfach nur Zeichen setzen und damit die Welt verändern.
Und man bedenke auch noch etwas anderes: Sollte es Israel bzw. den Israelis gelingen, mit dem Iran auf diplomatischer Ebene auf eine gewaltfreie Lösung zu kommen, könnte man sich dann nicht mit noch größerer Motivation daran machen, endlich eine Verständigung zwischen Israelis und Palästinensern zu finden?
Skopje, das Klein-Istanbul Mazedoniens
Die Stadt hat aus Stein erbaute und mit Gewölben und Kuppeln gezierte Markthallen und Bazare, in denen 2.150 Kaufläden untergebracht sind. Die Gassen sind sauber gepflastert. Jeder Kaufstand ist mit Hyazinthen, Veilchen, Rosen, Narzissen, Basilienkraut, Flieder und Lilien geschmückt, die in Krügen oder Kästen stehen.
So beschreibt der osmanische Reisende Evliya Çelebi die mazedonische Hauptstadt Skopje, die damals im 17. Jahrhundert den türkischen Namen Üsküp trug. Der Osmane war fasziniert und hingerissen von der Stadt am Vardar-Fluss, was in vielen seiner Berichte herauszuhören ist.
Seinen Charme hat Skopje bis heute nicht verloren. Von Prishtina aus, der Hauptstadt des Kosovo, bewegte ich mich nach Süden. Per Überlandbus geht es in Richtung Mazedonien. Zwischen den noch schneebedeckten Felder und bewaldeten Hügel habe ich mich auf jener Route wiedergefunden, die schon Çelebi im Jahre 1660 auf seiner Reise durch den Balkan nahm. Bis heute haben sich die Zeiten natürlich geändert. Man kommt schneller und weniger romantisch voran im voll besetzen Reisebus. An der Grenze bekommt der deutsche Reisepass keinen Stempel, wahrscheinlich aus Respekt. Nach dem Grenzübertritt ist man in einer guten halben Stunde in der Hauptstadt Mazedoniens, einem Land, über das man genauso wenig weiß wie über das Kosovo. Meistens weiß man nur, dass hier Alexander der Große geboren wurde. Aber auch das entspricht nicht der historischen Wahrheit, und zwischen Mazedoniern und Griechen besteht bis heute ein Streit, wo denn das ursprüngliche Königreich des großen Feldherrn gelegen habe. Den Unterschied zwischen Mazedonien und dem griechischen Makedonien markiert lediglich ein Buchstabe.
Nach dem Grenzübertritt wechselt die Schrift an den Plakatwänden langsam zum Kyrillischen. Ansonsten ändert sich wenig. Auch Skopje selbst überrascht auf den ersten Blick wenig: sozialistische Plattenbauten, eingepfercht zwischen Hügeln. Ein Nebel liegt über der Stadt.
Und doch, sobald man Skopje näher erkundet, wird man auf viele kleine Schmankerl stoßen. Ein Spaziergang geht in der Fußgängerzone los, am großen Triumphbogen und dem überdimensionalen Alexander-Denkmal. Der Taxifahrer, der kaum Englisch konnte, hat mir zuvor mit den Fingern und einem Kopfschütteln zu verstehen gegeben, dass die Regierung hier auf Kosten des Volkes Geld aus dem Fenster geworfen hat. Reine Geldverschwendung, diese Machtdemonstration. Aber irgendwas haben diese monumentalen Kunstwerke. Sie lassen den Betrachter an andere europäische Großstädte denken. Dabei hat Skopje das eigentlich gar nicht nötig. Denn jenseits des Flusses liegt die Altstadt, das alte Üsküp. Überschreitet man die Kamen-Most-Brücke, so steht man am Fuße des Hügels, wo die alte Festung über der Stadt thront, und kann seinen Rundgang durch das Basarviertel, die Čaršija, beginnen. Hier reihen sich alte, zweigeschossige Häuschen aneinander, in denen sich Souvenirshops, Dönerbuden, Antiquitätenläden und Cafés verbergen. Die gepflasterten Gassen führen vorbei an unzähligen Moscheen, ehemaligen Hamams (Dampfbäder) und an Karawansereien, in denen sich heute meist Restaurants befinden. Eine oft nicht wahrgenommene Sehenswürdigkeit ist der Bezisten. Hier befand sich vor Jahrhunderten ein überdachter Markt. Der Gebäudekomplex fällt dem einen oder anderen Besucher durch die Symmetrie seiner Gänge auf. Heute sind auch hier vorwiegend Cafés zu finden.
Skopje ist eine multikulturelle Stadt. Viele Straßenschilder in der Altstadt weisen neben der mazedonischen auch eine albanische Beschriftung auf. Skopje ist die Heimatstadt der Mutter Teresa, die selbst aus einer katholisch-albanischen Familie stammte. Heute sind jedoch über 60% der Bevölkerung Mazedonier und somit orthodoxe Christen. Die jüdische Minderheit, die gut in die städtische Gesellschaft eingegliedert war, wurde im Zweiten Weltkrieg nahezu ausgerottet. An sie erinnert heute das nagelneue Holocaust-Gedenkmuseum, das sich am Eingang auf Mazedonisch, Englisch Hebräisch und Ladino, der spanischen Sprache der südosteuropäischen Juden, als Gedächtniszentrum zu erkennen gibt. Juden gibt es in Skopje heute nur noch eine Handvoll. Auch die albanischen Katholiken bilden eine eher kleine Minderheit. Sogar der Islam hat seine führende Rolle aus früheren Zeiten verloren. Heute machen die größtenteils muslimischen Albaner etwa 20% der Bevölkerung aus, außerdem leben in der Stadt noch über 8.000 Türken. In osmanischen Jahren gab es hier 70 Moscheen und dutzende Koranschulen. Viele der Gotteshäuser sind in keinem besonders guten Zustand mehr, andere wurden detailgetreu und liebevoll restauriert. Für Moscheenliebhaber bietet sich hier einiges: Die Ishak-Bey-Moschee (1439) liegt gleich neben der großen Hauptstraße, umringt von einem kleinen, mittelalterlichen Friedhof und der Türbe (Mausoleum) des Stifters. Die Isa-Bey-Moschee (1475) liegt im Viertel auf der anderen Seite der Verkehrstrasse und wartet mit einem frischen, gelb-grünen Ton auf. Der dicke Baum im Vorgarten des Gebäudes steht dort angeblich schon seit dem Bau der Moschee und soll der älteste Baum Skopjes sein.
Die Sultan-Murat-Moschee liegt auf einer Anhöhe gegenüber dem Festungs-Hügel und macht einen düsteren Eindruck. Ein älterer Herr führt mich herum. Er hat gerade den Rasen gemäht und spricht nur „makedonskij“. Aber er öffnet mir die Tür und knipst das Licht an. Die Moschee selbst ist ziemlich groß und hat Platz für viele Beter. Sie stammt aus dem 15. Jahrhundert und ist somit eine der ältesten islamischen Gotteshäuser der Stadt. Berühmt ist aber vor allem ihr Uhrturm aus roten Ziegeln, der gleich daneben steht und an einen Leuchtturm von der Ostsee erinnert. Er ist auf unzähligen Postkarten vom Anfang des letzten Jahrhunderts zu sehen.
Zwischen der Sultan-Murat-Moschee und der Altstadt liegt der große Markt. Auf dem Bit Pazar finet man neben frischem Gemüse auch reichlich Zigaretten und Sonnenbrillen. Hier wimmelt es von Menschen verschiedenster Nationen, auffällig sind jedoch die vielen türkischen Touristen. Skopje scheint noch heute eine starke Verbindung zur Türkei zu haben, was sich an den Namen einiger Institute, Moscheen und restaurierten Kulturdenkmälern ablesen lässt. Es erinnert auf gewisse Weise an Istanbul. Und der Name Üsküp lebt weiter, auch wenn der osmanische Glanz seit gut 100 Jahren vorbei ist.
Der Gang zur Festung hinauf ist nicht allzu lohnenswerte, denn das Gemäuer ist für Besucher geschlossen, wie ein provisorisches Schild zu verstehen gibt. Dafür kann man einen Blick auf das Fußballstadion erhaschen und einen Blick in die Mustafa-Paša-Moschee erhaschen, bevor man sich zurück in die Gassen der Altstadt macht.
Leider hatte ich auf meiner Reise für diese interessante und durchaus faszinierende Stadt nicht genug Zeit. Man kann den ganzen Charme und den Rhythmus von Skopje nicht innerhalb eines einzigen Tages fassen, doch man bekommt zumindest das Gefühl, dass schon hier der Orient beginnt. Obwohl die Geschichte auch hier oftmals Zerstörung mit sich gebracht hat – sei es der von den Österreichern verursachte Große Brand 1689, das verheerende Erdbeben von 1963 oder die Auseinandersetzungen von 2001, die letzte Nachwehe der Jugoslawienkriege – ist viel von der erstaunlichen Mischung verschiedener Kulturen erhalten geblieben. In den sauberen Gassen der Altstadt, zwischen den Minaretten und bleidächernen Kirchen, da weht noch immer die Seele des osmanischen Üsküp, des albanischen Shkup und des modernen mazedonischen Skopje.
Dienstag, 20. März 2012
Kosovo - Ein Staat im Aufbruch
Der Bus verlässt Tirana am frühen Nachmittag. Eine lange Fahrt steht uns bevor ins Kosovo, wo vermutlich noch Schnee liegt. Sonnenschein begleitet die erste Etappe in Richtung Norden. Dank des neuen Highways braucht man nach Prishtina nicht mehr zehn, sondern nur noch sechs Stunden. Die Strecke zieht sich, es geht in die Berge. An einem breiten Fluss entlang windet sich die Straße vorbei an kleinen Siedlungen und einzelnen Höfen. In Nordalbaniens Dörfern und Kleinstädten herrscht neben den normalen Gesetzen des Staates noch ein anderes: der Kanun. Hier, in einer recht unübersichtlichen Gegend, in der über die Jahrhunderte nicht einmal die Osmanen die volle Kontrolle erlangen konnten, erhielten sich alte albanische Bräuche und Gesetze, die in der Antike entstanden waren. Bekannt ist das traditionelle albanische Gewohnheitsrecht vor allem durch die Blutrache. Nachdem der Kommunismus das Stammesgesetz weitgehend gebannt hatte, erinnerten sich viele Bewohner in den 1990er Jahren wieder daran, wer vor dem Krieg wen ermordet hatte und aus welchem Grund. So kommt es, dass einzelne Personen, Familienoberhäupter, Söhne, heute keinen Schritt mehr aus ihrem Haus machen können aus Angst, von einem Mitglied einer verfeindeten Sippe getötet zu werden. Ein weiterer Faktor, der das unbekannte Albanien noch rätselhafter erscheinen lässt.
Während man der Grenze näher kommt, häufen sich die unregelmäßig in die Landschaft gesetzten Bunker. Früher begann hinter den Bergen Jugoslawien. Doch 2008 wurde das Kosovo mit seiner größtenteils albanischen Bevölkerung nach einem Jahrzehnts des Krieges und der anschließenden Unsicherheit unabhängig. An der Grenze gibt es einen Einreisestempel in den Pass, der Busfahrer bringt die Dokumente zurück in den Bus. Er ruft alle namentlich auf, findet meinen Nachnamen in meinem Reisepass nicht. Er runzelt die Stirn, plötzlich nickt er jedoch, als habe er gefunden was er suchte. „Deutsch!“, ruft er. Das ist zwar nicht mein Name, aber ich weiß wer gemeint ist.
Bei Dunkelheit erreiche ich Prizren. Aus dem Bus heraus trete ich in eine tiefe Pfütze. Fuß nass. Dafür spricht der Taxifahrer einige Brocken Deutsch, hat sogar eine Zeit lang in Tübingen gearbeitet. Ich wollte das angeblich ebenfalls deutschsprachige Hotel Tirana ausprobieren, weil es in Prizren ansonsten nicht viele Möglichkeiten gibt. Aber der Eingang macht keinen geöffneten Eindruck. Tatsache: „Hotel nix arbeiten“, sagt mir der Taxifahrer und grinst. Für eine Hand voll Euros fährt er mich zu einem Motel, das zwar keinen Preis gewinnen würde, aber immerhin in einer Flimmerkiste mit schlechtem Empfang RTL zu bieten hat. Alles wirkt ein wenig provisorisch. Mir wird bewusst, dass ich im Kosovo bin. Hier war vor 12 Jahren noch Krieg.
Am nächsten Morgen verrät der Blick aus dem Fenster, dass sich über den im Wiederaufbau befindlichen und den stehengebliebenen Häusern der Stadt ebenfalls die Berge erheben – dieses Mal von der anderen Seite betrachtet. Ich lasse mein Gepäck beim Portier, der die Stirn runzelt, mich aber doch irgendwie versteht, und erkunde die Stadt. Prizren liegt an einem Fluss, hat einige alte Brücken und viele sehenswerte muslimische Gotteshäuser wie z.B. die Sinan-Pascha-Moschee. Allerdings sind die meisten geschlossen und man muss sich auf Albanisch erkundigen, wann einem wer die Tür öffnen kann. Ich komme vorbei an einer ehemaligen orthodoxen Kirche, von der nur noch Ruinen stehen und die mit Stacheldraht umhüllt ist. In den Auseinandersetzungen der letzten zwei Jahrzehnte haben nicht nur die Kosovo-Albaner gelitten. Auch die Serben wurden vertrieben und ihre Häuser und Kirchen zerstört. Auf dem Weg zur Festung muss ich einen Hang hinauf, an dem sich leere Hausruinen an den Berg schmiegen. Ein vereister Weg führt zwischen den Häusern vorbei. Das ehemalige serbische Viertel liegt so da, als wäre das Feuer erst kürzlich erloschen. Hier wohnt niemand mehr.
Von der Festungsmauer aus kann man den Blick schweifen lassen über die Dächer der Stadt. Im Hintergrund der Gipfel des Gebirges, zu seine Füßen die kosovarische Ebene, in der die Stadt liegt. Das Bild ist geprägt von Minaretten und einigen neuen Plattenbauten am Stadtrand. Im Zentrum von Prizren lassen sich aus der Höhe noch die alten Straßenzüge ausmachen, die Überreste des osmanischen Basarviertels. Kleine, geduckte Häuschen stehen in einer dichten Reihe, wo vor Jahrhunderten die Gewürzhändler und Metzgerläden waren. Die halben Lämmer hängen noch heute beim Metzger, davor steht ein österreichischer Lieferwagen. An den größeren Plätzen stehen Denkmäler des Krieges und des Kampfes um die Unabhängigkeit. Die meisten Einwohner des Kosovo sind Albaner. Aber dennoch ist ein Anschluss des Kosovo an Albanien unwahrscheinlich. Der neu entstandene Staat braucht Denkmäler und Helden. Die Kosovaren sind auf der Suche nach Symbolen, nach ihrer Identität und schaffen sich ihre Helden selbst, indem sie überall im Land mit schwarzen Steintafeln an jene erinnern, die im Kampf gefallen sind. In Prizren befindet sich aber auch ein Haus, das an die Wichtigkeit des Kosovo für die albanische Nationalbewegung erinnert: Es ist das Haus der „Liga von Prizren“, die 1878 als Vereinigung albanischer Intelektueller gegründet wurde und das erste Zentrum des modernen albanischen Nationalismus wurde. Im Jahre 1999 von serbischen Freischärlern zerstört, wurde es wieder aufgebaut und dient heute als Museum. Auch dieses Haus ist eines der vielen neuen Wahrzeichen der Nation, die sich von Ex-Jugoslawien abgetrennt hat.
Eigentlich hatte ich vermutet, in Prizren ein bisschen mehr Militärpräsenz zu bemerken. Hier befindet sich ja nach wie vor das Hauptquartier der deutschen Truppen, die seit 1999 im Rahmen des KFOR-Einsatzes im Kosovo stationiert sind, um für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Ich entdecke jedoch keinen einzigen Soldaten. Nur einmal fährt ein gepanzerter Truppentransporter durch die Stadt. Schnell und leise – man will nicht zu sehr auffallen, hat man als Beobachter das Gefühl. Die Stadt mit ihren Menschen hat zurückgefunden zum Alltag. Außer an Orten im Nordkosovo, wo es ab und zu Zusammenstöße zwischen Serben und Kosovo-Albanern gibt, bleibt die KFOR im Hintergrund.
Beim Mittagessen am Hauptplatz des Altstadtviertels kommen einige bettelnde Kinder und Zigarettenverkäufer vorbei, die der Kellner des kleinen Restaurants schnell vertreibt. Ich esse Qebapa (hier bekannt als Ćevapčići) für einen unerhört günstigen Preis. Dann mache ich mich zurück ins Motel, um die Weiterreise anzutreten in die Hauptstadt des neuen Staates: Prishtina.
Die Fahrt geht dieses Mal vorbei am österreichischen KFOR-Hauptquartier, sodass ich doch noch eine Spur von Brisanz erfahre. Aus der Stadt hinaus, durch kleinere Ortschaften kurvt der Bus. Mit den Sommerhits von letztem Jahr durchs Kosovo. Da kommt gute Laune auf. Draußen, am Eingang eines Wäldchens, steht ein Schild mit der Aufschrift „Achtung Minen!“. Immer wieder wird einem bewusst wo man ist. Eine Gedenkstelle folgt auf die andere.
Obwohl Prizren um einiges sehenswerter ist als die Hauptstadt des Kosovo loht sich ein Ausflug nach Prishtina dennoch. Eine belebte Fußgängerzone, viele angesagte Bars und Cafés. In der Stadt begegnen mir zwei deutsche Soldaten, die ihre Freizeit in der Fußgängerzone und den Bars verbringen, sich von ihren albanischen Freundinnen verabschieden und dann gemütlich den Weg zurück zu ihrer Basis gehen. Prishtina ist kein typisches Ziel für Touristen. Doch hier befindet sich die UNMIK, eine internationale Organisation, die 1999 mit der Bildung administrativer Strukturen und eines funktionierenden Staates beauftragt wurde. Allerdings gibt es hier nichts zu sehen. Eindrucksvoller, wenngleich erschütternd, ist der Zaun vor dem Gebäude der Stadtverwaltung. Hier hängen die Fotos derer, die noch vermisst werden, die in dem ganzen Konflikt irgendwann einfach verschwanden und vermutlich schon lange tot sind. In Klarsichtfolien, geschützt vor der Witterung, aber nach über 10 Jahren doch vergilbt und verblasst sind die Bilder der Männer, Frauen und Kinder, an denen tagtäglich hunderte Menschen auf ihrem Weg zur Arbeit vorbeigehen.
Das Kosovo fasziniert durch die Balance von Fremdheit und Vertrautem. Wie selbstverständlich bezahlt man hier in Euro. Entlang der Landstraße, die aus Prishtina hinausführt, liegen die Hallen deutscher Unternehmen und mitteleuropäische Firmen, die sich hier einen neuen Markt gesucht haben. Tankstellen, die „bleifrei“ anbieten. Neben ihnen stehen Friedhöfe des Krieges, überflutet vom Tauwasser des März. Ich mache einen Ausflug nach Skopje, der Hauptstadt Mazedoniens, die mit dem Bus nur etwa zweieineinhalb Stunden von Prishtina entfernt liegt. Bei der Rückkehr kontrolliert ein Kosovare die Pässe und sagt „Schönnguttntag, sind Sie bei uns beschäftigt?“ Ich bin überrascht und sage, dass ich nur Tourist sei. Mein Vordermann kommt aus Mazedonien und dreht sich später zu mir um. Was ich hier täte, fragt er. Ich sei der erste Tourist, den er im Kosovo sehe. Es sei doch noch Krieg.
Zurück in Prishtina erzählt mir ein Taxifahrer, dass er acht Jahre in Deutschland gelebt habe. Sein 18jähriger Sohn könne noch gut Deutsch, die Tochter würde in der Schule aber nur noch Englisch lernen. Im Kosovo treffe ich auf erstaunlich viele Menschen, die meine Sprache sprechen. Und auch hier sind die Menschen zuvorkommend, hilfsbereit und freundlich. Sie sind stolz auf ihre deutschen Autos. Dieser Stolz greift auf mich über, wenn ich sehe, was diese Autos tagtäglich auf den mit Schlaglöchern übersäten Straßen leisten. Für die deutschen Autos gäbe es genügend Ersatzteile, erzählt mir der Taxifahrer. Für die japanischen nicht. Es ist verrückt. Man wird als Deutscher von Menschen willkommengeheißen, die selbst jahrelang in Deutschland lebt und gearbeitet haben und wahrscheinlich in den seltensten Fällen willkommen waren. Jetzt sind viele von ihnen wieder zurück in der alten Heimat und bauen ihr Land auf. Das Kosovo ist im Aufbruch, auch wenn es hier nicht sehr hektisch zugeht. Die Häuser sind größtenteils wieder aufgebaut, eine Infrastruktur besteht und funktioniert. Europa kann kommen.