Donnerstag, 22. März 2012

Israel und der Iran

Die politische Lage – äußerst verfahren…

Seit Monaten sind die Nachrichten voll davon: Israel wird den Iran angreifen, die Frage ist nur noch wann. – Ich selbst habe ein Jahr lang in Israel gelebt und habe erfahren, wie Kriegsgerüchte die Runde machen. „Im Sommer“, hieß es. „Diesen Sommer wird es Krieg geben.“ Man wisse nur noch nicht mit wem. Syrien wurde damals als Kriegsgegner hoch gehandelt. Schlussendlich gab es dann doch keinen Krieg.

Die Medien spielen in den heutigen Konflikten eine große Rolle. Es wäre interessant zu wissen, wie sich die Lage dermaßen zuspitzen konnte. Seit Jahren ist bekannt, dass die iranische Regierung unter Mahmud Ahmadinedschad kein großer Freund des „zionistischen Regimes“ in Jerusalem ist. Und es ist auch kein Geheimnis, dass der Iran irgendwo in tiefen, durch Felsgestein geschützten Bunkern an radioaktiven Materialien herumexperimentiert und waffenfähiges Uran anreichert.
Jetzt bleiben ein paar Möglichkeiten zur Spekulation offen.
Entweder: Der Iran baut die Atombombe und will Israel vernichten.
Oder: Der Iran will nur eine stabile Energieversorgung errichten und damit wirtschaftlich einen großen Fortschritt erzielen.

Der Iran ist – politisch gesehen und im Hinblick auf seine Haltung gegenüber Israel –ein genauso explosives wie interessantes Territorium. Einerseits wird hier jedes Jahr ein sogenannter „Jerusalem-Tag“ abgehalten, bei dem man den „Zionisten“ den Tod wünscht. Andererseits wurde in den Medien auch allerhand Material falsch übersetzt: So sagte der für seine Hasstiraden berüchtigte Präsident nicht etwa, Israel müsse von der Landkarte gefegt werden. Dieser Satz wird nämlich meistens so zitiert und ist aus dem Kontext gerissen. Ahmadinedschad sagte in Wirklichkeit etwas in dieser Art: „Der Imam sagte, dass das Regime, das Jerusalem besetzt, von den Tafeln der Zeit verschwinden muss.“ Auch nicht ohne politische Wertung, aber keinesfalls ganz so teuflisch wie die in den Medien verbreitete Falschübersetzung.
Nichtsdestotrotz macht sich Ahmadinedschad bei jeder Gelegenheit daran, den Holocaust als eine „Lüge der Zionisten“ zu bezeichnen und ihn als erfundene Begründung für das Entstehen Israels zu entlarven. Erst kürzlich behauptete der iranische Präsident im Interview mit dem ZDF, dass in Europa nicht frei über den Holocaust geforscht werden könne. Er bezeichnete die Israelis als kulturlose Menschen und fragte, warum Europa bedingungslos hinter den Zionisten stehe. Im gleichen Interview behauptete er, der Iran würde nicht an der Atombombe bauen, denn diese Art von Waffen sei unmoralisch und für die heutige Zeit nicht mehr geeignet.

Werfen wir einen Blick auf die israelische Seite. Hier ist man sich scheinbar sicher, dass der Iran die Bombe baut oder schon lange hat. Israel hat seinerseits niemals zugegeben, selbst Atomwaffen zu besitzen. Die meisten Beobachter vermuten aber dennoch, dass es irgendetwas geben muss auf dem umzäunten Gebiet bei Dimona in der Negev-Wüste. Aber auch hier bewegen wir uns im Bereich der Spekulation.
Was die wenigsten wissen: Israel soll in den 1960er Jahren sogar selbst am Aufbau eines iranischen Atomprogramms unter dem Schah beteiligt gewesen sein! Das ließe also die Vermutung offen, dass die Israelis wissen, was sich in den Hangars und Labors der Iraner verbirgt…
Spekulationen sind auch die mysteriösen Tode mehrerer iranische Nuklearforscher, die sich in letzter Zeit häufen. Es ist ein offenes Geheimnis, dass der Mossad mit diesen Aktionen in irgendeiner Verbindung steht.
Israel besteht auf seinem Recht auf Selbstverteidigung, auch wenn diese präventiv sein sollte. Die israelische Armee ist zweifellos für einen Militärschlag gerüstet. Und wie der Verteidigungsminister Ehud Barak (ebenfalls im ZDF) am 20. März erklärte: „Wir sagen klipp und klar, es ist keine Frage von Wochen und keine von Jahren. Sicher ist, 2012 ist ein enorm wichtiges Jahr in dieser Hinsicht.“

Da müssen eingefleischte Pazifisten ziemlich heftig schlucken. Israel scheint bereit für einen Erstschlag zu sein, der Iran wartet auf den Gegenschlag. Und die ganze Welt schaut zu…
Wollen wir doch einmal ein paar zusammenfassende Fragen stellen:
Sollte der Iran Atomwaffen besitzen, warum ist dies ausgerechnet und allein ein Problem Israels?
Sollten nicht die UNO oder irgendeine höhere Instanz (die Amerikaner?) noch vor Israel aktiv werden?
Andererseits, sollte der Iran wirklich nur ein paar (funktionierende) Meiler bauen wollen, wer sollte ihn davon abhalten dürfen?
Außerdem: Wenn dem Iran – wie er ja immer wieder behauptet – das Wohl der Palästinenser am Herzen liegen würde, welchen Ort in Israel würde eine iranische Rakete anvisieren, damit kein Palästinenser zu Schaden kommt? Mit Atomraketen ein sehr, sehr schwieriges Vorhaben…

Fazit: Egal wie, wann und wo es passiert, ein Krieg kann keinem nützen. Die Lage könnte eskalieren. Das iranische Volk würde - trotz aller politischen Unzufriedenheiten - geeint werden im Kampf gegen Israel. Die USA würden nicht untätig zusehen, sollte Israel angegriffen werden. Und vielleicht müsste gar Deutschland eingreifen...?
Kurzum: Der Dritte Weltkrieg oder so etwas in die Richtung wäre nicht auszuschließen.

Und das alles wegen einem Machtspiel und (k)einer Atombombe?


Der Iran und die Juden

Bei allen politischen Betrachtungen darf man jedoch nicht übersehen, dass der Iran sehr wohl einen Unterschied macht zwischen „den Zionisten“ und den Juden selbst. Als bloßer Antisemitismus ist die Haltung der Mullahs und die des Herrn Ahmadinedschad nicht abzutun. Man muss einen Blick auf die Geschichte zurückwerfen um zu begreifen, dass es nie größere Pogrome oder Vertreibungen im Iran gegeben hat. Auch sind diejenigen Juden, die vom Iran aus nach Israel oder in die USA emigrierten, nicht geflohen und wurden auch nicht aus dem Land geworfen. Die persischen Juden sahen den Iran als ihre Heimat an – und tun es bis heute. Die jüdische Gemeinde im historischen Persien besteht seit nahezu 3.000 Jahren – ununterbrochen.

Als ich im September 2011 am Busbahnhof in Eilat im Süden Israels auf meinen Bus wartete, beobachtete ich eine Frau, die mit dem Handy telefonierte. Sie sprach nicht Hebräisch und auch nicht Arabisch. Der Kiosk-Besitzer schien zu wissen, welche Sprache das sei. Er fragte sie auf Englisch, woher sie käme. Aus dem Iran, antwortete sie. Ich war überrascht. Eine Iranerin in Israel, in diesen Zeiten. Ich wurde hellhörig und wollte wissen, wie dieser Dialog ausgeht. Allerdings habe ich von der nächsten Konversation nichts verstanden. Der Israeli am Kiosk sprach fließend Persisch. Und er war keineswegs feindselig. Wahrscheinlich hatte er sich gefreut, endlich mal wieder mit jemandem in der Sprache reden zu können, mit der er aufgewachsen war. Er war ein Mann Ende vierzig. Vielleicht waren seine Eltern aus dem Iran nach Israel eingewandert, vielleicht war er selbst noch in Schiras oder Teheran geboren.

Das alles weiß ich nicht. Was ich aber weiß ist, dass Israelis und Iraner sehr wohl freundlich miteinander reden können. Viel mehr noch: Allein aufgrund der historischen Verbindung, die lange bis vor die Islamische Revolution 1979 oder auch die Staatsgründung Israels 1948 zurückreicht, müsste es möglich sein, dass zwischen Völkern eine Freundschaft entstehen.

Aber Politik wird nicht von Völkern gemacht, sondern eben von Politikern…


Eine Facebook-Kampagne

Politik ist Politik – und daran können einzelne, klar denkende Menschen wohl nichts ändern. Oder etwa doch? Mitte März startete der Tel Aviver Designer Ronny Edry die Facebook-Kampagne
„Israel loves Iran“ mit einem Bild, das ihn mit seiner fünfjährigen Tochter auf dem Arm zeigt. Fernab jeder Politik drücken seitdem Israelis und Menschen aus der ganzen Welt ihre Freundschaft gegenüber dem iranischen Volk aus. Bei Iranern in der ganzen Welt stößt diese Kampagne auf positive Gegenliebe. Ist es möglich, dass hier Menschen die Initiative ergriffen haben und vielleicht sogar die Chance besteht, Schlimmeres zu verhindern? Vielleicht muss ein wenig Revolutionsgeist nicht immer in einer Revolution und schier unbezwingbarem Chaos enden. Vielleicht kann man auch einfach nur Zeichen setzen und damit die Welt verändern.

Und man bedenke auch noch etwas anderes: Sollte es Israel bzw. den Israelis gelingen, mit dem Iran auf diplomatischer Ebene auf eine gewaltfreie Lösung zu kommen, könnte man sich dann nicht mit noch größerer Motivation daran machen, endlich eine Verständigung zwischen Israelis und Palästinensern zu finden?

http://www.israelovesiran.com/israel-loves-iran/

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen