Leider kann ich der Überschrift dieses Artikels hier nicht
vollständig gerecht werden, da zu dieser Fragestellung ganz unterschiedliche
Facetten betrachtet werden müssten. Ich kann mich hier nur einem einzigen von
zahlreichen Aspekten widmen: der Art und
Weise, wie sich „Israelkritik“ in diesen Tagen äußert. Dazu bedarf es gar
nicht allzu vieler Worte. Tausendfach verschafft sich „Israelkritik“ und
Unterstützung für die Palästinenser Raum auf zahlreichen Demonstrationen in
ganz Deutschland. Und obwohl es offiziell meist friedlich zuging, zeugen Bilder
und Videos, aber auch Berichte von Augenzeugen auf Facebook, von der
Atmosphäre, die ein Großteil dieser Demonstrationen schafft.
Offener Antisemitismus wird von der Polizei gar nicht
beachtet, was mittlerweile mehr oder weniger normal zu sein scheint. In Berlin
war es sogar möglich, dass der Demo-Veranstalter durch das Polizeimikrofon „Kindermörder Israel!“ skandieren
konnte. Gut, das war kein Antisemitismus, sondern Kritik an Israel. Doch was
ist mit „Jude, Jude, feiges Schwein,
komm heraus und kämpf allein!“, ebenfalls in Berlin? Auf Nachfrage eines
Passanten bei einer Demo in Essen am 18. Juli, ob man gegen Parolen wie „Scheiß Juden!“ oder „Scheiß Jude, brenn!“ nicht vorgehen
wolle, bekam dieser nur zu hören, dass die Demonstranten ja auch nur ihre
Meinung sagen würden. Unter diese freie Meinung fällt natürlich auch die
Forderung: „Stoppt den Judenterror!“
- Wo hört Meinungsfreiheit auf und wo fängt Volksverhetzung an? In Essen gab es
bunte Plakate, in denen der Davidstern zu einem Hakenkreuz ummodelliert wurde.
Ist das Holocaust-Leugnung? Oder wird hier angedeutet, dass „die Juden“ heute
„auch nicht besser“ sind? Vielleicht alles nur Spekulation. Aber was ist mit
Plakaten mit der Aufschrift „Angeblich
früher Opfer, heute selber Täter“? Das Wörtchen „angeblich“ sagt schon
alles und die Gesinnung dahinter muss eigentlich nicht weiter ergründet werden.
In Essen gesellten sich zu den Palästina-Flaggen noch die von Hamas und ISIS
hinzu. Und trotz geworfener Flaschen, Böller und einem Klappmesser sowie der
versuchten Konfrontation mit einer Gegenveranstaltung spricht der Leitende
Polizeidirektor Detlef Köbbel in seinem Polizeibericht von einer „friedlichen
Demonstration“. Was ist da bitteschön los?
Auf der Straße und im Netz fordern zehntausende Menschen,
Deutschland solle seine Politik gegenüber Israel ändern und den Waffenhandel
mit den Israelis einstellen. Dass Merkel ein ums andere Mal betont, die
Sicherheit Israels sei Teil der deutschen Staatsräson, bringt die Menschen auf
der Straße zum Rasen. Und doch kann man an der deutschen Politik am wenigsten
etwas ändern, indem man sich einem wütenden Mob anschließt, Parolen gegen „die
Juden grölt“ und Hamas-Fahnen schwenkt - oder auch nur zulässt, dass andere
dies tun. Kritik am unmenschlichen Vorgehen der israelischen Regierung und an
der deutschen Außenpolitik kann so nicht wirksam werden. Wer kann erwarten, auf
diese Art und Weise ernstgenommen zu werden? Je mehr Raum eine Demo für
Antisemitismus, Holocaustvergleiche und blinden Judenhass lässt, umso einfacher
wird es für die Politik, diese Demo zu ignorieren. In Zeiten der Gewalt kann
nicht von allen Beteiligten erwartet werden, objektiv zu bleiben und nicht
emotional zu handeln. Es bleibt also nur zu hoffen, dass die Menschen - wenn
nicht dort, dann wenigstens hier bei uns - möglichst schnell zu einer
sachlichen und aufrichtigen Diskussionskultur zurückfinden, sobald der aktuelle
Gaza-Krieg ein Ende gefunden und das Töten und Sterben aufgehört hat. Ein
Fehler wäre es, Gaza nach dem Inkrafttreten des nächsten Waffenstillstandes aus
den Schlagzeilen verschwinden zu lassen.
(Bild: Stefan Laurin, ruhrbarone)
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