Dienstag, 22. Juli 2014

Warum Israelkritik in Deutschland nicht zur Kenntnis genommen wird

Leider kann ich der Überschrift dieses Artikels hier nicht vollständig gerecht werden, da zu dieser Fragestellung ganz unterschiedliche Facetten betrachtet werden müssten. Ich kann mich hier nur einem einzigen von zahlreichen Aspekten widmen: der Art und Weise, wie sich „Israelkritik“ in diesen Tagen äußert. Dazu bedarf es gar nicht allzu vieler Worte. Tausendfach verschafft sich „Israelkritik“ und Unterstützung für die Palästinenser Raum auf zahlreichen Demonstrationen in ganz Deutschland. Und obwohl es offiziell meist friedlich zuging, zeugen Bilder und Videos, aber auch Berichte von Augenzeugen auf Facebook, von der Atmosphäre, die ein Großteil dieser Demonstrationen schafft.

Offener Antisemitismus wird von der Polizei gar nicht beachtet, was mittlerweile mehr oder weniger normal zu sein scheint. In Berlin war es sogar möglich, dass der Demo-Veranstalter durch das Polizeimikrofon „Kindermörder Israel!“ skandieren konnte. Gut, das war kein Antisemitismus, sondern Kritik an Israel. Doch was ist mit „Jude, Jude, feiges Schwein, komm heraus und kämpf allein!“, ebenfalls in Berlin? Auf Nachfrage eines Passanten bei einer Demo in Essen am 18. Juli, ob man gegen Parolen wie „Scheiß Juden!“ oder „Scheiß Jude, brenn!“ nicht vorgehen wolle, bekam dieser nur zu hören, dass die Demonstranten ja auch nur ihre Meinung sagen würden. Unter diese freie Meinung fällt natürlich auch die Forderung: „Stoppt den Judenterror!“ - Wo hört Meinungsfreiheit auf und wo fängt Volksverhetzung an? In Essen gab es bunte Plakate, in denen der Davidstern zu einem Hakenkreuz ummodelliert wurde. Ist das Holocaust-Leugnung? Oder wird hier angedeutet, dass „die Juden“ heute „auch nicht besser“ sind? Vielleicht alles nur Spekulation. Aber was ist mit Plakaten mit der Aufschrift „Angeblich früher Opfer, heute selber Täter“? Das Wörtchen „angeblich“ sagt schon alles und die Gesinnung dahinter muss eigentlich nicht weiter ergründet werden. In Essen gesellten sich zu den Palästina-Flaggen noch die von Hamas und ISIS hinzu. Und trotz geworfener Flaschen, Böller und einem Klappmesser sowie der versuchten Konfrontation mit einer Gegenveranstaltung spricht der Leitende Polizeidirektor Detlef Köbbel in seinem Polizeibericht von einer „friedlichen Demonstration“. Was ist da bitteschön los?

Auf der Straße und im Netz fordern zehntausende Menschen, Deutschland solle seine Politik gegenüber Israel ändern und den Waffenhandel mit den Israelis einstellen. Dass Merkel ein ums andere Mal betont, die Sicherheit Israels sei Teil der deutschen Staatsräson, bringt die Menschen auf der Straße zum Rasen. Und doch kann man an der deutschen Politik am wenigsten etwas ändern, indem man sich einem wütenden Mob anschließt, Parolen gegen „die Juden grölt“ und Hamas-Fahnen schwenkt - oder auch nur zulässt, dass andere dies tun. Kritik am unmenschlichen Vorgehen der israelischen Regierung und an der deutschen Außenpolitik kann so nicht wirksam werden. Wer kann erwarten, auf diese Art und Weise ernstgenommen zu werden? Je mehr Raum eine Demo für Antisemitismus, Holocaustvergleiche und blinden Judenhass lässt, umso einfacher wird es für die Politik, diese Demo zu ignorieren. In Zeiten der Gewalt kann nicht von allen Beteiligten erwartet werden, objektiv zu bleiben und nicht emotional zu handeln. Es bleibt also nur zu hoffen, dass die Menschen - wenn nicht dort, dann wenigstens hier bei uns - möglichst schnell zu einer sachlichen und aufrichtigen Diskussionskultur zurückfinden, sobald der aktuelle Gaza-Krieg ein Ende gefunden und das Töten und Sterben aufgehört hat. Ein Fehler wäre es, Gaza nach dem Inkrafttreten des nächsten Waffenstillstandes aus den Schlagzeilen verschwinden zu lassen.


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(Bild: Stefan Laurin, ruhrbarone)

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