Messestadt, historisches Zentrum des Buchdrucks
und Ausgangspunkt der Montagsdemonstrationen 1989 – es gibt eine ganze Reihe
von Alleinstellungsmerkmalen, die diese Stadt auszeichnen. Und wer denkt,
Leipzig hätte nicht das Potenzial zur Weltstadt, der hat noch nicht den
imposanten Hauptbahnhof gesehen: Unter dem größten Kopfbahnhof Europas
erstreckt sich auf zwei Etagen ein Shopping-Areal, in dem man auch an
Feiertagen fündig werden kann und wo außerdem jeder hungrige Magen gefüllt
wird.
Mit knapp 521.000 Einwohnern ist Leipzig zwar
nur die elftgrößte Stadt Deutschlands – vor dem Ersten Weltkrieg war sie noch die
viertgrößte! –, doch als Standort eines US-amerikanischen Konsulats und des Bundesverwaltungsgerichts
scheint die wichtige Stellung innerhalb der Republik gewahrt zu werden. In der
Vergangenheit hat sich rund um die Stadt an der Pleiß viel Bedeutsames
zugetragen: Im Jahre 1813 verlor Napoleon hier die sogenannte „Völkerschlacht“
der Befreiungskriege gegen die Österreicher, Preußen, Russen und Schweden. Das monumentale
Völkerschlachtdenkmal (1913) erinnert heute noch an dieses blutige
Zusammentreffen.
Auch die Universität hat durch ihre berühmten
Absolventen zu jeder Zeit die Bekanntheit der Stadt gefördert und ihren Ruf Stadt
beflügelt: Nietzsche und Novalis, Angela Merkel und Karl Liebknecht haben hier
studiert. Auch der Schriftsteller Erich Kästner besuchte die Alma Mater Lipsiensis. Und Goethe suchte
sich Auerbachs Keller, die
zweitälteste Gaststätte Leipzigs, als einzigen real existierenden Schauplatz im
ersten Teil des Faust aus.
Im Waldstraßenviertel, dem größten erhaltenen
Gründerzeitviertel Europas nördlich der Innenstadt, wohnten Ende des 19.
Jahrhunderts vor allem Musiker und Komponisten wie z. B. Gustav Mahler hier. Doch
auch der sozialdemokratische Politiker August Bebel (1840-1913) lebte Mitte des
Jahrhunderts in dieser Wohngegend. Leipzig war ein Zentrum der deutschen Arbeiterbewegung,
neben Bebel wirkten hier auch Ferdinand Lassalle (1825-1864) und später Karl
Liebknecht (1871-1919).
Trotz des hohen Anteils an Sozialdemokraten
erlangte die NSDAP 1933 auch hier große Wahlerfolge. Doch es ist festzuhalten,
dass sich in Leipzig vielerorts Widerstand gegen das NS-Regime bildete. Die
bekannteste Persönlichkeit unter den Widerstandskämpfern war Carl Friedrich
Goerdeler (1884-1945), der bis 1936 Oberbürgermeister der Stadt bleiben konnte.
Er gehörte zu den führenden zivilen Köpfen des Kreises um die Attentäter des
20. Juli 1944, weshalb er Anfang 1945 in Berlin hingerichtet wurde.
Leipzig selbst wurde vor allem während der
DDR-Zeit zu einer Hinrichtungsstätte. Insgesamt 64 Menschen wurden bis 1981 durch
das Fallbeil oder durch den „unerwarteten Nahschuss“ in den Hinterkopf
exekutiert.
Leipzig war traditionell immer eine Stadt des
Buches. Neben Frankfurt am Main befand sich hier das historische Zentrum des
Buchdrucks und des Verlagswesens. Berühmt war die Stadt auch wegen seiner
Messe. Auch zur DDR-Zeit behielt Leipzig die jahrhundertealte Rolle der Messestadt,
durch internationale Gäste weltoffener und scheinbar fortschrittlicher als
andere Städte der sozialistischen Republik. Dennoch wuchs auch hier die
Unzufriedenheit. In der Nikolaikirche fanden seit Mitte der 1980er Jahre
allwöchentlich am Montag die Friedensgebete statt. Am 4. September 1989 schloss
sich an das Gebet die erste Montagsdemonstration an, initiiert von
Bürgerrechtler/-innen und Friedensaktivisten. Jede Woche wurden die
Demonstranten zahlreicher. Diese Demonstrationen im Herbst 1989 haben die
Parole „Wir sind das Volk!“ geprägt. Am 9. Oktober zogen 70.000 Menschen an der
„Runden Ecke“, der Stasi-Zentrale in Leipzig vorbei. Am 6. November gingen
schließlich mehr als 500.000 Menschen auf die Straße, drei Tage später fiel in
Berlin die Mauer.
Wer sich auf die Spuren der Geschichte begeben will, der wird in Leipzig auf jeden Fall fündig. In der Thomaskirche wirkte der Komponist Johann Sebastian Bach.
Es gibt eine Vielzahl an
Museen, so z. B. das Stadtgeschichtliche Museum im Alten Rathaus. Von den
antiken Anfängen über die Reformationszeit – auch Luther hatte eine Verbindung
zu der Stadt – bis in die modernere Geschichte wird man gut bebildert auf
Leipzig eingestimmt.
Der größte Teil der historischen Innenstadt ist
heute erhalten, da das Zentrum im Zweiten Weltkrieg nicht so stark ausgebombt
wurde wie andere Städte. Nachdem die Bausubstanz während der vierzigjährigen
DDR-Zeit stark gelitten hatte, wurden bis heute fast alle Gebäude innerhalb des
Rings renoviert und laden ein zum Spaziergang durch die Gassen und die hohen Einkaufspassagen
– oder zu einem gemütlichen Kaffee im Barfußgässchen.
Eine weitere Besonderheit: In Leipzig gibt es
heute 278 Kleingartenanlagen mit über 39.000 Einzelgrundstücken. Es ist die
Stadt der Schrebergärten. Vor fast 150 Jahren hat die Bewegung des
Kleingartenwesens hier ihren Anfang genommen.
Natürlich stößt man in den Randbezirken noch auf
Anzeichen des Verfalls, der vielerorts auch nach der Wende 1989/90 nicht
gestoppt werden konnte. Ungeklärte Eigentumsverhältnisse führten dazu, dass bis
heute in manchen Stadtteilen ganze Häuserzeilen durch leerstehende und extrem baufällige
Gebäude geprägt sind. Am Stadtrand findet man riesige Fabrikgelände, auf denen
in der Vergangenheit Hochbetrieb herrschte und die heute verlassen ihrem
Schicksal harren.
Doch seit einigen Jahren hat die Bevölkerung aufgehört zu schwinden. Leipzig wächst wieder. Durch viele Unternehmensgründungen und Einzelinitiativen lebt die Wirtschaft wieder auf. Auch das kulturelle Leben blüht, der Veranstaltungskalender ist voll. Leipzig ist eine Stadt mit Perspektive, mit großem Potenzial und auch mit einem gewissen Charme.
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