Am Mittwoch (11.12.2013) lief
um 20:15 Uhr in der ARD ein neuer Fernsehfilm, der den verheißungsvollen Titel „Das
Jerusalem-Syndrom“ trug. Dahinter verbirgt sich eine Art Familiendrama, in dem
eine junge Frau mit Namen Maria in die Fänge einer uralten Sekte gerät, für die
sie den neuen Erlöser der Welt austragen soll. Ihre Schwester Ruth macht sich
unterdessen (widerwillig) auf, um die schwangere Maria, die vor der
Grabeskirche schon einen toten Touristen zum Leben erweckt hat, zu retten. Ruth
stellt Ermittlungen an: Sie misstraut der Sekte, sie fährt mit einem Arzt aus
der Spezialklinik durch die Gegend, ein dicklicher Reiseführer namens Eyal wird
erschossen. Die Polizei ist desinteressiert, doch Ruth stößt auf
Ungeheuerliches: Am Tag der Geburt ihres Neffen würden alle „Ungläubigen“ aus
Jerusalem hinweggefegt und ein Feuer würde die Welt erfassen – so kündigt es
zumindest der Sektenführer in einem „Hassvideo“.
Hört sich irgendwie spannend
an. Die Jüdische Allgemeine schreibt über den Film: „In der Geschichte ist
alles enthalten, was zu einem Thriller gehört – Verstrickungen, Geheimnisse und
Mord.“ Okay, wer den Film gesehen hat, der wird vielleicht lachen. Diese
Aufzählung klingt eher nach einer Anstandskritik. Ich will ja niemandem, der
den Film noch nicht gesehen hat, die Vorfreude verderben, aber… – Um es kurz zu
machen: „Das Jerusalem-Syndrom“ ist ein Film, den man nicht gesehen haben muss.
Wer sich durch einen gemütlichen Fernsehabend etwa tiefere Einblicke in die
umtriebige Welt evangelikaler Fundamentalisten erhofft hatte oder vielleicht
auch nur ein paar eindrucksvolle Bilder von Jerusalem sehen wollte, hätte
seinen Abend auch gut anders verbringen können. Das „Jerusalem-Syndrom“ hat wenige
Aha-Momente, es beleuchtet keine historischen oder – Gott behüte – politischen Hintergründe.
Auch die Spannung, die eigentlich entstehen sollte, wenn jemand unter den
Katakomben der Klagemauer einen Sprengsatz deponiert, konnte ich nicht
nachempfinden. Am Ende wird der – meines Erachtens nach unschuldige – Ehemann der
Maria erschossen, während seine Frau im Taxi ein Kind gebärt. Aber es ist zum
Heulen: Sogar die Geburt eines Kindes im Auto habe ich in mindestens zwei
Filmen schon mitreißender, aufreibender und emotionaler erlebt. – Gut, man
könnte meinen, dass die Handlung vielleicht wenigstens eine schnulzige
Liebesgeschichte zu bieten hat. Fehlanzeige. Die aufgeklärte, wissenschaftliche
und durchweg langweilige Ruth trifft zwar auf den gutaussehenden Dr. Pelled und
übernachtet sogar bei seiner Familie, doch bis auf durchdringende Blicke und
einige gewechselte Sätze, die nur wie ein zarter Windhauch an der Oberfläche
der Tiefgründigkeit streifen, passiert nichts.
Sowohl die Bösen als auch die
Guten fahren nach Betlehem, denn natürlich soll das Kind dort auf die Welt kommen
– während Jerusalem in Flammen aufgeht und die Ungläubigen (Juden und Muslime)
brennen. Natürlich sieht man keinen Checkpoint oder auch nur die Silhouette
einer politisch bedenklichen Szenerie. Nur der Polizeimeister Biton, der auf
den armen Ehemann Daniel eindrischt, um den Ort des finalen Attentats zu
erfahren, ist ein Seitenhieb auf etwaige Polizeigewalt.
Und wie sieht es mit der
Religion aus? Maria, die Muttergottes in spe, zitiert fleißig die Bibel. Es
geht um eine Sekte, die ihren Anhängern das Gehirn wäscht. Wie genau sie das
anstellt, wird nicht wirklich deutlich.
In der Jüdischen Allgemeinen
heißt es weiter: „Ungewöhnlich für eine deutsche Produktion: Der Film ist nicht
vollständig synchronisiert, hebräisch gesprochene Passagen bleiben erhalten,
die Übersetzung wird in Untertiteln gezeigt.“ Willkommen im Deutschland des
Jahres 2013 – wir können Untertitel lesen.
Dror Zahavi hat durchaus gute
Filme gemacht. Einige beschäftigen sich mit dem israelisch-arabischen Konflikt,
wie etwa München 72. Mein persönlicher
Favorit aber ist Alles für meinen Vater (2008), der den letzten Weg eines palästinensischen Selbstmordattentäters in Tel Aviv
beschreibt. Ein Versuch, das Unverstehbare der Realität ein wenig
näherzubringen. Auch wenn der Film nicht durchgehend realistisch ist, regt er
an mehr als einem Dutzend Stellen zum Nachdenken an. Verglichen damit war das „Jerusalem-Syndrom“
zumindest aus meiner Sicht ein Fehlgriff. Das passende Fazit bringt der FOCUS: „Als hätte Rosamunde Pilcher mal eben
Heiliger Geist gespielt für die ARD. Erlösung? Ja, nach 90 Minuten.“
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