„Wer betrügt, der fliegt!“ –
Das ist die Devise der CSU, die pünktlich zum Jahreswechsel den Europawahlkampf einleitet. Ab dem 1. Januar ist es Rumänen und Bulgaren
erlaubt, uneingeschränkt nach Deutschland zu ziehen, um dort zu arbeiten. Die
bayrische Partei, die vielen Deutschen aus der Seele spricht, befürchtet eine unnötige
Belastung der deutschen Sozialsysteme und will deshalb generell einen härteren
Kurs gegen Zuwanderer aus Osteuropa beschließen.
Tatsächlich zeigt sich in
manchen deutschen Städten ein beunruhigendes, erschreckendes Bild: In Duisburg
etwa klagen die Einwohner des gutbürgerlichen Stadtteils Rheinhausen über
Chaos, Verwahrlosung und Müllberge, seitdem etwa tausend Rumänen in das sogenannte „Problemhaus“
eingezogen sind. Das einzige Hochhaus des Teilorts und seine Bewohner sorgen
dafür, dass sich manche Menschen abends nicht mehr auf die Straße trauen. Niemand
weiß so recht, wie viele Menschen hier wirklich leben. Selbst der Besitzer der Immobilie, eine
Größe aus dem Rotlichtmilieu, hat laut der ZEIT (Nr. 39/2013) schon lange den Überblick über seine Mieter verloren,
genauso wie die Stadt Duisburg selbst. Der Anziehungspunkt für Rechtsextreme
und linksautonome Gegendemonstranten ist zu einem gefährlichen Selbstläufer
geworden. Die Behörden sind heillos überfordert mit den Zuwanderern und
bekommen kaum Unterstützung vonseiten der EU oder des Bundes. In anderen Städten verhält es sich ähnlich.
Kurz vor Jahreswechsel kocht
die Diskussion um Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien nun erneut auf. CSU-Politiker
befürchten, dass es andernorts genauso weit kommen könnte wie in Duisburg. Armutszuwanderung
bringe Kommunen an die Grenzen ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit, heißt es
in einer Beschlussvorlage. Man lehne deshalb eine Zuwanderung in die sozialen
Sicherungssysteme Deutschlands ab.
Die CSU setzt auf
populistische Themen und will das Jahr mit einem deutlichen Statement
abschließen, Kritik kam hingegen von verschiedenen Seiten, vor allem von der SPD. „Wer
eine solche Melodie intoniert, bereitet den Tanz für die Rechtsextremen“, sagt
Michael Hartmann, Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Harte Worte kamen auch
von der Linkspartei.
Wie sich die Situation nach
dem 1. Januar tatsächlich verändert, lässt sich nur schwer vorhersagen. Während
die Bayern vor Armutszuwanderung und Missbrauch der Sozialsysteme warnen,
zeichnet das Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit (IZA) ein anderes Bild: Die
Mehrheit der Zuwanderer seien gut qualifizierte Fachkräfte, die in Deutschland
dringend gebraucht würden. Für den deutschen Arbeitsmarkt sei die volle
Arbeitnehmerfreizügigkeit eine gute Chance.
Ebenso sieht es der Arbeitgeberverband GBA: „Übertriebene Befürchtungen über massenhafte Zuwanderung in die deutschen Sozialsysteme hat es bereits bei der ersten Freizügigkeitsregelung für die acht mittel- und osteuropäische Mitgliedstaaten gegeben. Nichts davon hat sich bewahrheitet.“
Ebenso sieht es der Arbeitgeberverband GBA: „Übertriebene Befürchtungen über massenhafte Zuwanderung in die deutschen Sozialsysteme hat es bereits bei der ersten Freizügigkeitsregelung für die acht mittel- und osteuropäische Mitgliedstaaten gegeben. Nichts davon hat sich bewahrheitet.“
Eine ähnliche Situation gab es nämlich vor einigen Jahren mit Polen. Damals hat man letztendlich durchaus positive
Erfahrungen gemacht: Als die vollständige Arbeitnehmerfreizügigkeit für Polen
in Kraft trat, waren 800.000 Einwanderer prognostiziert worden. Tatsächlich kamen jedoch nur ca. 100.000 Menschen nach Deutschland, also deutlich weniger
als erwartet. Durch die Freizügigkeit stiegen die Chancen für Polen und Ungarn,
eine reguläre Beschäftigung aufzunehmen, was sogar zu einem Rückgang der Arbeitslosenquote
und der Anzahl der Hartz-IV-Empfänger innerhalb dieser Bevölkerungsgruppe
führte.
Das Institut
für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg schreibt: „Die Zahlen
zur Beschäftigung und zum Leistungsbezug rechtfertigen es gegenwärtig nicht,
die Zuwanderung aus Bulgarien und Rumänien pauschal als 'Armutszuwanderung' zu
qualifizieren.“ – Viele der Befürchtungen der CSU basieren auf realen
Situationen in den Städten und Kommunen. Es ist wichtig, auf die Schattenseiten
und Herausforderungen der Einwanderung zu verweisen, doch eine populistische Stimmungsmache
gegen Zuwanderer aus Osteuropa dient niemandem. Der Arbeitsmarkt braucht die neuen
Arbeitskräfte, der Staat kann sie verkraften, die Gesellschaft muss sich mit
ihnen arrangieren. Die meisten der Menschen, die (vielleicht) kommen werden, wollen
für eine angemessene Bezahlung arbeiten und Perspektiven haben. Deshalb kommen
sie zu uns.
Quelle: Wikimedia Commons |
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