Dienstag, 31. Dezember 2013

CSU: "Wer betrügt, der fliegt!"

„Wer betrügt, der fliegt!“ – Das ist die Devise der CSU, die pünktlich zum Jahreswechsel den Europawahlkampf einleitet. Ab dem 1. Januar ist es Rumänen und Bulgaren erlaubt, uneingeschränkt nach Deutschland zu ziehen, um dort zu arbeiten. Die bayrische Partei, die vielen Deutschen aus der Seele spricht, befürchtet eine unnötige Belastung der deutschen Sozialsysteme und will deshalb generell einen härteren Kurs gegen Zuwanderer aus Osteuropa beschließen.
Tatsächlich zeigt sich in manchen deutschen Städten ein beunruhigendes, erschreckendes Bild: In Duisburg etwa klagen die Einwohner des gutbürgerlichen Stadtteils Rheinhausen über Chaos, Verwahrlosung und Müllberge, seitdem etwa tausend Rumänen in das sogenannte „Problemhaus“ eingezogen sind. Das einzige Hochhaus des Teilorts und seine Bewohner sorgen dafür, dass sich manche Menschen abends nicht mehr auf die Straße trauen. Niemand weiß so recht, wie viele Menschen hier wirklich leben. Selbst der Besitzer der Immobilie, eine Größe aus dem Rotlichtmilieu, hat laut der ZEIT (Nr. 39/2013) schon lange den Überblick über seine Mieter verloren, genauso wie die Stadt Duisburg selbst. Der Anziehungspunkt für Rechtsextreme und linksautonome Gegendemonstranten ist zu einem gefährlichen Selbstläufer geworden. Die Behörden sind heillos überfordert mit den Zuwanderern und bekommen kaum Unterstützung vonseiten der EU oder des Bundes. In anderen Städten verhält es sich ähnlich.
Kurz vor Jahreswechsel kocht die Diskussion um Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien nun erneut auf. CSU-Politiker befürchten, dass es andernorts genauso weit kommen könnte wie in Duisburg. Armutszuwanderung bringe Kommunen an die Grenzen ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit, heißt es in einer Beschlussvorlage. Man lehne deshalb eine Zuwanderung in die sozialen Sicherungssysteme Deutschlands ab.

Die CSU setzt auf populistische Themen und will das Jahr mit einem deutlichen Statement abschließen, Kritik kam hingegen von verschiedenen Seiten, vor allem von der SPD. „Wer eine solche Melodie intoniert, bereitet den Tanz für die Rechtsextremen“, sagt Michael Hartmann, Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Harte Worte kamen auch von der Linkspartei.
Wie sich die Situation nach dem 1. Januar tatsächlich verändert, lässt sich nur schwer vorhersagen. Während die Bayern vor Armutszuwanderung und Missbrauch der Sozialsysteme warnen, zeichnet das Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit (IZA) ein anderes Bild: Die Mehrheit der Zuwanderer seien gut qualifizierte Fachkräfte, die in Deutschland dringend gebraucht würden. Für den deutschen Arbeitsmarkt sei die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit eine gute Chance. 
Ebenso sieht es der Arbeitgeberverband GBA: „Übertriebene Befürchtungen über massenhafte Zuwanderung in die deutschen Sozialsysteme hat es bereits bei der ersten Freizügigkeitsregelung für die acht mittel- und osteuropäische Mitgliedstaaten gegeben. Nichts davon hat sich bewahrheitet.“
Eine ähnliche Situation gab es nämlich vor einigen Jahren mit Polen. Damals hat man letztendlich durchaus positive Erfahrungen gemacht: Als die vollständige Arbeitnehmerfreizügigkeit für Polen in Kraft trat, waren 800.000 Einwanderer prognostiziert worden. Tatsächlich kamen jedoch nur ca. 100.000 Menschen nach Deutschland, also deutlich weniger als erwartet. Durch die Freizügigkeit stiegen die Chancen für Polen und Ungarn, eine reguläre Beschäftigung aufzunehmen, was sogar zu einem Rückgang der Arbeitslosenquote und der Anzahl der Hartz-IV-Empfänger innerhalb dieser Bevölkerungsgruppe führte.

Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg schreibt: „Die Zahlen zur Beschäftigung und zum Leistungsbezug rechtfertigen es gegenwärtig nicht, die Zuwanderung aus Bulgarien und Rumänien pauschal als 'Armutszuwanderung' zu qualifizieren.“ – Viele der Befürchtungen der CSU basieren auf realen Situationen in den Städten und Kommunen. Es ist wichtig, auf die Schattenseiten und Herausforderungen der Einwanderung zu verweisen, doch eine populistische Stimmungsmache gegen Zuwanderer aus Osteuropa dient niemandem. Der Arbeitsmarkt braucht die neuen Arbeitskräfte, der Staat kann sie verkraften, die Gesellschaft muss sich mit ihnen arrangieren. Die meisten der Menschen, die (vielleicht) kommen werden, wollen für eine angemessene Bezahlung arbeiten und Perspektiven haben. Deshalb kommen sie zu uns.


Quelle: Wikimedia Commons

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