Donnerstag, 18. Oktober 2012

Wie man das große Geld macht. (Teil 1)

And now... something completely different! - Irgendwann beginnt doch jeder, nach der ultimativen Marktlücke zu suchen. Die meisten Menschen bleiben dabei erfolglos auf der Strecke. Bis jetzt bin ich noch einer dieser Leute. Und daran wird sich so schnell wohl nichts ändern.
Den ersten Schritt habe ich jedoch schon getan: Ich habe angefangen nachzudenken.

Wie macht man das große Geld?


Möglichkeit 1: Man kauft sich in einer Unterführung eine Pistole und überfällt eine Bank.
Nachteile: Man hat sein Leben lang Gewissensbisse und Alpträume, weil man unschuldigen Bankangestellten für den Rest ihres Lebens Alpträume beschert hat. Und man schafft es mit großer Wahrscheinlichkeit nicht, damit durchzukommen. Fazit: Man wird verknackt und steht am Ende mit einer (langen) Vorstrafe da, ohne Geld und ohne Ehre.

Möglichkeit 2: Man kauft sich ein Flugticket in die USA, geht dann in Wisconsin in einen Baumarkt, rutscht auf einer vorher säuberlich dort positionierten Tapetenrolle aus und verklagt den Laden dann auf Hunderttausende von Dollars.
Nachteile: Man muss in die USA fliegen. So viel Zeit habe ich nicht.

Möglichkeit 3: Man spielt Lotto.
Nachteile: Man ist irgendwann arm, denn zum gewinnen braucht man Glück. Und Glück ist ein rares Gut.

Möglichkeit 4: Ehrliche, harte Arbeit.
(Anmerkung: Diese Möglichkeit so weit wie möglich aufschieben!)

Möglichkeit 5: Die ultimative Marktlücke finden - wenn möglich noch in Form eines Produkts, das schon existiert und das man nur noch billig einkaufen muss, um es dann teu(r)er zu verkaufen...
Nachteile: Ja, finde da erstmal was...!


In Freiburg hat eine Betriebswirtschaftlerin angefangen, Regenschirmautomaten aufzustellen. Eine Idee aus Ostasien. Und angeblich sind die zumindest so gefragt, dass der Nachfüllangestellte jeden Tag los muss, nachfüllen...

Ich bin der Meinung, dass es noch zig Millionen Ideen gibt, die einfach nur in den Weiten des Weltraums herumschwirren und darauf warten, dass jemand auf sie kommt.
Es gibt viele Möglichkeiten, das große Geld zu machen. Allerdings sind die alle scheiße.

Es stellt sich jedoch die Frage, ob man das große Geld machen muss. In seinem Buch "Die 4-Stunden-Woche" schreibt Timothy Ferriss: "Die Menschen legen gar keinen Wert darauf, Millionär zu sein - sie wollen bloß Dinge erleben, von denen sie glauben, dass nur Millionäre sie erleben können." - Aha, dieser Gedanke ist es doch wert, weiter gedacht zu werden. Naja, ich werde das Buch vielleicht einmal zu Ende lesen. Vielleicht kommt mir zwischen Outsourcing und gutem Zeitmanagement à la Americana noch die passende Idee zur ultimativen Marktlücke.
Die Nacht ist noch lang.

Man könnte sich jedoch auch über sinnvollere Dinge Gedanken machen und dann über diese dann hier schreiben. Aber mal ehrlich: Wieder Politik? Lasst uns doch mal ein bisschen träumen... - Vielleicht folgt ja irgendwann Teil 2...

Freitag, 5. Oktober 2012

Rückblick September 2012: Meine Israel-Palästina-Exkursion

Gestern, am 4. Oktober, bin ich von meiner Tour durch Israel und Palästina wieder zurück ins Schwabenland gekommen. Hier hält ja mittlerweile der Herbst Einzug, wovon am Mittelmeer jedoch kaum etwas zu spüren war. Außer einigen spärlichen, fast schon erbärmlich kurzen Regenschauern und darauffolgender erbarmungslos drückender Hitze waren in Tel Aviv keine Anzeichen des Herbstes zu spüren gewesen. Meine letzten Tage habe ich deshalb größtenteils auf einer Dachterrasse im Schatten verbracht. Doch schon der Volksmund sagt: Schatten schützt vor Schwüle nicht. Deshalb war der körperlichen Transpiration kaum Einhalt zu gebieten. Während dieser letzten mehr oder weniger entspannten Tage in Tel Aviv habe ich mir also einige Dokumentationen auf Youtube angesehen, mich über deutsche Politik informiert, den ein oder anderen Blog-Eintrag geschrieben und regelmäßig meine Emails gecheckt - jede Stunde mindestens zweimal.
Wie man merkt, wurde mir gegen Ende dann doch die Zeit lang. Nach vier Wochen hat man das meiste von dem gesehen, das man sehen wollte, und verspürt in der Bauchgegend einen gewissen Hunger auf Schweinefleisch, auf einen guten schwäbischen Braten mit Spätzle und Soß'. 
Und für dieses Jahr war mein Soll wohl auch erfüllt:

Ich habe 10 interessante Tage mit drei Freunden aus Tübingen verbracht und Israel gesehen, von Jerusalem bis zum Toten Meer und dem See Genezareth. In Haifa haben wir billig übernachtet, in Tel Aviv habe ich mir einen Sonnenbrand geholt. Mit meinem ehemaligen Arbeitskollegen Chen habe ich ein wenig über Politik geplaudert, mit Dutzenden anderer Reisender saß ich im Hostel und habe beim Pub Quiz jämmerlich versagt. Mit einer Freundin aus Tübingen habe ich Hebron gesehen, zusammen mit anderen Leuten sind wir nach Jenin gefahren, in die ehemalige Hochburg des palästinensischen Widerstandes (oder des Terrorismus).

Eigentlich habe ich jetzt alles gesehen. 
Indische Pilger, die in der Grabeskirche mit ihren iPads (!) Fotos schießen. 
Orthodoxe Juden, die sich für die Feiertage mit Zitrusfrüchten eingedeckt haben. 
Hunderte Soldaten mit Maschinengewehren.
Ich habe mich mit vielen Menschen unterhalten können. Besonders interessante 20 Minuten waren es mit einem gewissen Moris Davidsohn, einem Taxifahrer, der mich nach Tel Aviv gebracht hat. Er hat mir seine ganze Lebensgeschichte erzählt und auch darüber hinaus. Regelmäßig sieht er den History Channel. In Rumänien geboren, kam er 1970 nach Israel, wo seine erste Verständigungssprache Deutsch war. Wo ich denn 1970 gewesen sei, hat er mich gefragt. Da war ich noch 20 Jahre davon entfernt, geboren zu werden. Er bemerkt: "Da warst Du nicht mehr als ein Zwinkern im Auge Deines Vaters, wie man hier sagt." Ich antworte: "Mein Vater war damals zwei Jahre alt..." - Auch mit Taxifahrern kann man sich über dies und das unterhalten, wenn man vorher den Preis ausgemacht hat.

Eigentlich habe ich auch alles gemacht, dieses Mal.
Ich habe mit einigen anderen Leuten an einem späten Nachmittag die Mülltonnen Tel Avivs durchsucht, um ein Pappschild zu finden, auf das man "J-lem" schreiben kann. Am nächsten Tag war ja Feiertag, und irgendwie wollte ich nach Jerusalem kommen. Manchmal bleibt das Trampen der letzte Ausweg aus der Metropole. 
Man tut so einiges, wenn man im Urlaub ist. 
Man wirft als Insider den ein oder anderen Fun Fact ein, wenn man mit einer Gruppe anderer Leute auf den Weg macht, den Ölberg zu erwandern. 
Man zerstört bisweilen auch Laptops und hofft hernach, dass die Versicherung zahlt. 
Man verliert auch mal sein Handyladekabel. 
Man zeigt aber auch Theologiestudenten ganz spontan die Grabeskirche und erklärt ein paar grundsätzliche Dinge. Was es mit diesem und jenem Felsen auf sich hat. 
Man lädt auch mal jemanden in ein stilvolles Restaurant ein. 
Und ganz am Ende hofft man, bei der Ausreise ordentlich befragt zu werden.

Die Ausreise... beim Gepäckcheck fragte man mich, wo ich denn so war. "Jerusalem, Totes Meer, See Genezareth", sage ich. Standard eben. Ob ich auch in der Westbank war, fragt die mürrische Dame. Ich antworte: "Ja." - "Aha. Und wo genau?" - Ich lächle in Gedanken schon. "Naja, Ramallah, Hebron, Jenin..." - Sie entdeckt auch das Neue Testament auf Arabisch, das ich aus der Erlöserkirche in Jerusalem mitgenommen habe. Sehr verdächtig muss das sein, denke ich mir.
Danach begleitet mich ein Herr zum Check-In. Ein geschlossener Schalter wird geöffnet, der Herr steht neben mir, bis ich mein Ticket habe. Yes, denke ich. Endlich darf ich mal Fragen beantworten. Endlich darf ich in belanglosen Nebensätzen dem System meine Meinung geigen. - Doch was passiert? Ich bekomme mein Ticket, der Beamte neben mir macht auf dem Absatz kehrt und verschwindet.
Ich schaffe es einfach nicht, verdächtig zu wirken. Weder die Olivenseife aus Nablus, die furchtbar stinkt und die auf dem Röntgenschirm aussehen muss wie Plastiksprengstoff, noch das arabische Schriftgut, das ich dabei habe, führen zu einem Verdacht, der eine längere Befragung nach sich gezogen hätte.
Die Welt ist wohl noch nicht davon überzeugt, dass ich es eines Tages sein werde, der die Weltherrschaft an sich reißt. Daran müssen wir noch arbeiten, lieber Thorschten.

Wie dem auch sei, es waren vier gute Wochen. Interessant, auf die ein oder andere Weise inspirierend und auch wieder einmal sehr horizonterweiternd. Einzig an einer Führung durch Hebron mit der Gruppe "Breaking The Silence" konnte ich nicht teilnehmen. Während dieser vier Wochen gab es keine englischsprachige Guided Tour. Dabei hätte es mich sehr interessiert. Ehemalige Soldaten berichten von ihren Erfahrungen in Hebron, mit der Besatzung, mit den Menschen, und mit Gewissenskonflikten. Doch man kann nicht alles haben. Es ist für mich ein Grund, wieder zurückzukommen.

Bis hierher also meine diesjährige Nahostberichterstattung, die sich heuer nur auf Israel und Palästina beschränkt hat.

Danke an alle, die diesen Blog regelmäßig verfolgt haben! ;)

Viele Grüße,
euer Thorschten

PS: Hier noch einmal der Link zu unserer Friedensorganisation Rock of Peace!

Mittwoch, 3. Oktober 2012

Jaffa - Flohmarkt und Schawarma

Um einiges interessanter und ästhetischer als ihr Nachbar ist die Hafenstadt Jaffa. Hierher kommen Israelis am Schabbat, um eine Falafel zu essen. In den Straßen tummeln sich die Menschen, auf dem Flohmarkt in den Seitengassen wird noch kurz vor Sonnenuntergang gehandelt und gefeilscht.


Jaffa war einst die wichtigste Hafenstadt der Region. Die ägyptischen Ruinen auf dem Hügel in der Altstadt sind etwa 3.500 Jahre alt. Nach dem biblischen Bericht soll hier Jona auf seiner Flucht vor dem göttlichen Auftrag das Schiff nach Tarsis bestiegen haben. Wie auch Akko war Jaffa oft hart umkämpft und Objekt der Begierde verschiedener Herrscher. Obwohl viele der arabischen Einwohner seit 1948 vertrieben wurden, leben noch viele Araber in der Stadt. Sie sprechen Hebräisch mit ihren israelischen Nachbarn und Englisch mit den Touristen. Es geht sehr lebendig zu. Die Händler auf dem berühmten Flohmarkt sind hauptsächlich Juden, genauso wie viele ihrer Kunden.


Ins Auge stechen die große Moschee und der Glockenturm im Zentrum der Stadt. Die Mahmudiya-Moschee wurde erst 1812 fertiggestellt, obwohl Pläne schon ab 1730 vorlagen. Sie ist die größte Moschee der Stadt.


Der Glockenturm wurde 1906 zu Ehren des Sultans Abdul Hamid II. gebaut. Bis heute dominiert er die Neustadt von Jaffa.


In der Neustadt von Jaffa gibt es einige Schnellrestaurants, in denen man Falaffel und Schawarma essen kann. Im Vergleich zu Jerusalem oder den Palästinensergebieten erscheint ein fettiges Abendessen hier beinahe unerschwinglich für den Geldbeutel eines Rucksackreisenden. Und doch, am letzten Abend gönnt man sich mal wieder etwas Fleisch. Huhn und Lamm gemischt. Zur Verteidigung des Verkäufers muss gesagt sein: Es war meine Idee. Erst später ist mir aufgefallen, dass das Mischen von Säugetieren und Vögeln genauso ist, als wenn man ein Rindersteak zusammen mit gebratenem Lachs genießen würde. Ein Stilbruch ohnegleichen.
Doch das alles hat nichts mit Jaffa zu tun. Der abendliche Spaziergang führt uns weiter in Richtung Hafen. Hier kommen die Stadtmenschen aus der nahen Metropole zu einem gemütlichen Ausklang des Tages zusammen. Cafés und kleine Lokale laden ein zu einem entspannten Diner. 


Die Stadtverwaltung von Tel Aviv strebt an, den ehemaligen Hafenkai in eine stilvolle Ausgehmeile zu verwandeln, die der Fisherman's Wharf in San Francisco nachempfunden sein soll. Bis dahin ist es jedoch noch ein langer Weg. Bis jetzt säumen noch einige leere Hafengebäude aus Beton den Weg durch das ehemalige Fischereizentrum Palästinas und verbannen die Fischereiromantik vergangener Tage auf die alten Schwarzweißfotografien, die man am Straßenrand kaufen kann.

Fassaden von Tel Aviv

Tel Aviv ist angeblich die Stadt, die niemals schläft. Mit knapp über hundert Jahren ist sie noch eine recht junge Stadt. Für Touristen ist sie hauptsächlich interessant aufgrund ihres Nachtlebens, der trendigen Bars und Cafés und natürlich wegen des Strandes.
Ich persönlich habe Tel Aviv nie gemocht. Viel Verkehr, viele heruntergekommene Wohnviertel, zu hohe Luftfeuchtigkeit. Dabei hat es durchaus seine Reize, die Stadt zu erkunden und einen längeren Spaziergang vor allem durch die südlichen Stadtviertel zu unternehmen. Man stößt auf eine komplett andere Umgebung als man es vielleicht aus Jerusalem gewohnt ist. Hier ist es laut - auf eine andere Art. Es wird gearbeitet. Straßen voller Schreinerwerkstätten und Metallverarbeitungsbetriebe. Man bekommt an der südlichen Grenze zu Jaffa alles, von Schaufensterpuppen über Spiegel in allen Größen bis hin zu Straßenschildern.


Die Sägespäne fallen auf die Straße, Funken sprühen aus den Werkstätten heraus. Hier schlägt das Herz des arbeitenden Tel Aviv. Während ein Teil der Bevölkerung zusammen mit den Touristen am Strand liegt, schieben sich hier Autos und Transporter durch die Straßen.


Hier und da stößt man auf architektonische Leckerbissen: Seit den 1920er Jahren hatten deutsche Juden den Bauhaus-Stil mit ins damalige Palästina gebracht. Allein zwischen 1933 und 1939 wurden über 3.000 solcher Gebäude errichtet. Viele Häuser haben sich bis in unsere Tage gehalten und sind heute Teil des UNESCO-Weltkulturerbes. Im Stadtteil Florentin, in dem ich meine letzten Tage in Tel Aviv verbracht habe, findet man einige von ihnen.


Florentin entstand ab den 1920er Jahren und wurde anfangs größtenteils von jüdischen Einwanderern besiedelt, die vor dem nach dem Ersten Weltkrieg aufgekommenen Antisemitismus in Griechenland geflohen waren. Das Viertel ist nach David Florentin benannt, der das Gebiet damals erwarb.
Teile von Florentin waren lange ein Industriegebiet und als Wohngegend relativ unbeliebt. Durch die niedrigen Mieten kamen jedoch viele Künstler in die Gegend. Heute ist Florentin eines der Ausgehviertel geworden, in dem es zahlreiche Bars, Cafés und andere Attraktionen des Nachtlebens gibt. Zwischen 2001 und 2006 stiegen die Preise hier um 65% - im Vergleich zu 45% im restlichen Teil der Stadt.


Gleich neben Florentin liegt das erste Viertel, das außerhalb Jaffas entstanden war. Im Jahre 1887 wurde Neve Tzedek gegründet, lange bevor die Stadt Tel Aviv geboren wurde. Das Viertel mit seinen zumeist zweigeschossigen Gebäude war der bevorzugte Wohnort vieler Künstler und Schriftsteller um 1900. Unter ihnen war auch der berühmte Vertreter der jungen hebräischen Literatur Schmuel Josef Agnon, der später den Literaturnobelpreis erhalten sollte. Mit der Entwicklung Tel Avivs entfernten sich jedoch auch die wichtigen Zentren und Lebensmittelpunkte aus dem Süden der Stadt. Neve Tzedek verkam bis in die 1960er Jahre zu einem Slum. Seit Ende der 1980er Jahre wurde das Viertel jedoch wieder renoviert und neue Geschäfte und Boutiquen siedelten sich an.


Ein kleiner Spaziergang, vorbei an den Häuserzeilen der ersten Tel Aviver, lohnt sich auf jeden Fall.


Wenn man sich nach Norden bewegt stechen die Hochhäuser und Wolkenkratzer der modernen Stadt ins Auge, die hier den Horizont besiedeln und die Silhouette bestimmen.


Nach einem kleinen Stadtrundgang durch den Süden von Tel Aviv bemerkt man, dass auch diese Stadt auf gewisse Art und Weise ihren Charme hat. Gleich neben dem idyllischen und romantischen Jaffa gelegen tut sich Tel Aviv schwer, mit dem gleichen Flair aufzuwarten. Doch vielleicht muss man Tel Aviv und Jaffa heute in einem Atemzug nennen, denn im Laufe der Jahre ist hier etwas zusammengewachsen, das rein optisch irgendwie zusammengehört. Und beide Orte werden im Westen vom Strand begrenzt. Hier endet Israel. Hier endet auch Palästina. Hier gibt es nur noch die Wellen, die sich schäumend an den Felsen brechen. Hier geht, weit hinten am Horizont, die Sonne unter und lässt die Hitze verblassen.

Montag, 1. Oktober 2012

Sukkot - Das Laubhüttenfest

Fünf Tage nach Jom Kippur feiern Juden das siebentägige Laubhüttenfest (Sukkot). Es erinnert an den Auszug der Israeliten aus Ägypten und die Zeit, als das Volk von Moses aus der Sklaverei geführt wurde. Die Laubhütte (Sukka) steht bis heute für die lange Wanderung durch die Wüste auf der Sinai-Halbinsel.
In der Bibel kann man an mehreren Stellen nachlesen, wie dieses Fest entstand und wie es praktiziert wurde. Die Gesetzestexte der Thora beschäftigen sich vor allem mit dem Termin des Festes. Ein wenig mehr erzählt hingegen das Buch Nehemia, das die Rückkehr der Juden aus dem Babylonischen Exil beschreibt. Die zurückgekehrten Juden finden angeblich ein altes Gesetzbuch und lassen die Traditionen ihrer Väter wieder aufleben:

Und sie fanden im Gesetz geschrieben, dass der Herr durch Moses geboten hatte, dass die Israeliten am Fest im siebenten Monat in Laubhütten wohnen sollten. Da ließen sie es kundtun und ausrufen in allen ihren Städten und in Jerusalem und sagten: Geht hinaus auf die Berge und holt Ölzweige, Balsamzweige, Myrtenzweige, Palmenzweige und Zweige von Laubbäumen, dass man Laubhütten mache, wie es geschrieben steht. Und das Volk ging hinaus und holte sie und machte sich Laubhütten, ein jeder auf seinem Dach und in seinem Hof und in den Vorhöfen am Hause Gottes und auf dem Platz am Wassertor und auf dem Platz am Tor Ephraim.
(Nehemia 8,14-16)

Genaueres steht in den Büchern des Talmud geschrieben. Es gibt eine ganze Menge an Regelungen und traditionellen Bräuchen rund um das Laubhüttenfest. Das wichtigste Element ist natürlich die Laubhütte. Schon vor Jom Kippur wird mit dem Bau begonnen. Vor allem in den Stadtvierteln der Orthodoxen kann man das bunte Treiben beobachten. An bestimmten Stellen gibt es Palmzweige zu kaufen.


In der Laubhütte wird zusammengesessen, gefeiert, gegessen und manchmal auch geschlafen. Hier spielt sich für die nächsten sieben Tage ein Großteil des Lebens ab. Sie wird von innen geschmückt mit echten Früchten oder Ersatz aus Plastik.


Eine wichtige Regel besagt, dass man durch das Dach der Laubhütte nachts die Sterne sehen können muss, wie einst auch Moses und die Israeliten in der Wüste die Sterne sahen. Aus diesem Grund sind Balkone in Israel (auch außerhalb der jüdisch-orthodoxen Wohnvierteln) meistens versetzt, damit der Blick nach oben nicht durch den Balkon im nächsten Stockwerk versperrt ist.

Ein weiteres wichtiges Accessoire des Laubhüttenfestes ist der Lulav, ein Strauß, der aus vier Teilen besteht: Die Basis bildet der Palmzweig (Lulav), der dem Strauß auch seinen Namen gibt. Drei Myrtenzweige (Hadassim), zwei Bachweidenzweige (Aravot) und eine zitronenartige Frucht, der Etrog, gehören noch dazu. Dieser Strauß macht die Nähe zum antiken Erntedankfest und zu Fruchtbarkeitsbräuchen deutlich. Der Lulav wird in der Synagoge während des Gottesdienstes benötigt und bei bestimmten Gebeten in bestimmte Richtungen geschwenkt.
Vor allem der Etrog, der so aussieht wie eine Zitrone, versetzt ganze Straßen in helle Aufregung. Je nach ritueller Reinheit und visueller Unversehrtheit kann so eine Frucht zwischen 25 Schekeln und einem ganzen Vermögen kosten. Jeder orthodoxe Jude will einen möglichst guten Etrog abbekommen.


Verschiedene Geschäfte, die das ganze Jahr über andere Sachen verkaufen, warten nun mit Kisten voller Früchten auf. In der Hauptstraße von Mea Schearim, dem ältesten Jerusalemer Orthodoxenviertel, kann man am besten beobachten, wie in den Läden verhandelt und begutachtet wird. Vereinzelt stehen Männer auch vor den Schaufenstern und halten einen Etrog ins Sonnenlicht oder untersuchen die Oberfläche misstrauisch mit einer Lupe oder einem Vergrößerungsglas, mit dem man sonst Diamanten auf ihre Reinheit überprüft. - Ich hätte nie gedacht, dass sich diese Szenen wirklich abspielen. Ich hatte Ähnliches bisher nur in dem Film "Ushpizin" gesehen, doch es ist tatsächlich so. Alle Welt reißt sich um die beste Zitrone...


Es gibt Laubhütten in jeder Stadt. Vor jeder Synagoge gibt es eine, die für die Öffentlichkeit gedacht ist. Sogar manche Cafés haben vorgesorgt und ihrerseits mit dem Bau begonnen. Stellenweise geht die Originalität verloren und weicht dem Kitsch des 21. Jahrhunderts.

Eine Sukka vor der Klagemauer.

Das Laubhüttenfest beschert der Bevölkerung wieder zwei ruhige Feiertage ohne öffentlichen Nahverkehr. An den übrigen Tagen wird gearbeitet. Für Touristen ist es wieder schwer, von einem Ort zum nächsten zu kommen.
Ich sitze jedoch sowieso in Tel Aviv und verbringe die letzten Tage meines diesjährigen Israel- und Palästina-Aufenthalts. Das Wetter ist unheimlich schwül, ab und zu regnet es - um danach noch schwüler zu werden. Da sehnt man sich doch nach dem Goldenen Oktober in der Heimat, zwischen Wald und Weinbergen. Meine vier Wochen im Nahen Osten neigen sich langsam, aber sicher dem Ende zu und die letzten Blogeinträge warten darauf, geschrieben zu werden.

Laubhütte auf einem Tel Aviver Balkon.