Gestern, am 4. Oktober, bin ich von meiner Tour durch Israel und Palästina wieder zurück ins Schwabenland gekommen. Hier hält ja mittlerweile der Herbst Einzug, wovon am Mittelmeer jedoch kaum etwas zu spüren war. Außer einigen spärlichen, fast schon erbärmlich kurzen Regenschauern und darauffolgender erbarmungslos drückender Hitze waren in Tel Aviv keine Anzeichen des Herbstes zu spüren gewesen. Meine letzten Tage habe ich deshalb größtenteils auf einer Dachterrasse im Schatten verbracht. Doch schon der Volksmund sagt: Schatten schützt vor Schwüle nicht. Deshalb war der körperlichen Transpiration kaum Einhalt zu gebieten. Während dieser letzten mehr oder weniger entspannten Tage in Tel Aviv habe ich mir also einige Dokumentationen auf Youtube angesehen, mich über deutsche Politik informiert, den ein oder anderen Blog-Eintrag geschrieben und regelmäßig meine Emails gecheckt - jede Stunde mindestens zweimal.
Wie man merkt, wurde mir gegen Ende dann doch die Zeit lang. Nach vier Wochen hat man das meiste von dem gesehen, das man sehen wollte, und verspürt in der Bauchgegend einen gewissen Hunger auf Schweinefleisch, auf einen guten schwäbischen Braten mit Spätzle und Soß'.
Und für dieses Jahr war mein Soll wohl auch erfüllt:
Ich habe 10 interessante Tage mit drei Freunden aus Tübingen verbracht und Israel gesehen, von Jerusalem bis zum Toten Meer und dem See Genezareth. In Haifa haben wir billig übernachtet, in Tel Aviv habe ich mir einen Sonnenbrand geholt. Mit meinem ehemaligen Arbeitskollegen Chen habe ich ein wenig über Politik geplaudert, mit Dutzenden anderer Reisender saß ich im Hostel und habe beim Pub Quiz jämmerlich versagt. Mit einer Freundin aus Tübingen habe ich Hebron gesehen, zusammen mit anderen Leuten sind wir nach Jenin gefahren, in die ehemalige Hochburg des palästinensischen Widerstandes (oder des Terrorismus).
Eigentlich habe ich jetzt alles gesehen.
Indische Pilger, die in der Grabeskirche mit ihren iPads (!) Fotos schießen.
Orthodoxe Juden, die sich für die Feiertage mit Zitrusfrüchten eingedeckt haben.
Hunderte Soldaten mit Maschinengewehren.
Ich habe mich mit vielen Menschen unterhalten können. Besonders interessante 20 Minuten waren es mit einem gewissen Moris Davidsohn, einem Taxifahrer, der mich nach Tel Aviv gebracht hat. Er hat mir seine ganze Lebensgeschichte erzählt und auch darüber hinaus. Regelmäßig sieht er den History Channel. In Rumänien geboren, kam er 1970 nach Israel, wo seine erste Verständigungssprache Deutsch war. Wo ich denn 1970 gewesen sei, hat er mich gefragt. Da war ich noch 20 Jahre davon entfernt, geboren zu werden. Er bemerkt: "Da warst Du nicht mehr als ein Zwinkern im Auge Deines Vaters, wie man hier sagt." Ich antworte: "Mein Vater war damals zwei Jahre alt..." - Auch mit Taxifahrern kann man sich über dies und das unterhalten, wenn man vorher den Preis ausgemacht hat.
Eigentlich habe ich auch alles gemacht, dieses Mal.
Ich habe mit einigen anderen Leuten an einem späten Nachmittag die Mülltonnen Tel Avivs durchsucht, um ein Pappschild zu finden, auf das man "J-lem" schreiben kann. Am nächsten Tag war ja Feiertag, und irgendwie wollte ich nach Jerusalem kommen. Manchmal bleibt das Trampen der letzte Ausweg aus der Metropole.
Man tut so einiges, wenn man im Urlaub ist.
Man wirft als Insider den ein oder anderen Fun Fact ein, wenn man mit einer Gruppe anderer Leute auf den Weg macht, den Ölberg zu erwandern.
Man zerstört bisweilen auch Laptops und hofft hernach, dass die Versicherung zahlt.
Man verliert auch mal sein Handyladekabel.
Man zeigt aber auch Theologiestudenten ganz spontan die Grabeskirche und erklärt ein paar grundsätzliche Dinge. Was es mit diesem und jenem Felsen auf sich hat.
Man lädt auch mal jemanden in ein stilvolles Restaurant ein.
Und ganz am Ende hofft man, bei der Ausreise ordentlich befragt zu werden.
Die Ausreise... beim Gepäckcheck fragte man mich, wo ich denn so war. "Jerusalem, Totes Meer, See Genezareth", sage ich. Standard eben. Ob ich auch in der Westbank war, fragt die mürrische Dame. Ich antworte: "Ja." - "Aha. Und wo genau?" - Ich lächle in Gedanken schon. "Naja, Ramallah, Hebron, Jenin..." - Sie entdeckt auch das Neue Testament auf Arabisch, das ich aus der Erlöserkirche in Jerusalem mitgenommen habe. Sehr verdächtig muss das sein, denke ich mir.
Danach begleitet mich ein Herr zum Check-In. Ein geschlossener Schalter wird geöffnet, der Herr steht neben mir, bis ich mein Ticket habe. Yes, denke ich. Endlich darf ich mal Fragen beantworten. Endlich darf ich in belanglosen Nebensätzen dem System meine Meinung geigen. - Doch was passiert? Ich bekomme mein Ticket, der Beamte neben mir macht auf dem Absatz kehrt und verschwindet.
Ich schaffe es einfach nicht, verdächtig zu wirken. Weder die Olivenseife aus Nablus, die furchtbar stinkt und die auf dem Röntgenschirm aussehen muss wie Plastiksprengstoff, noch das arabische Schriftgut, das ich dabei habe, führen zu einem Verdacht, der eine längere Befragung nach sich gezogen hätte.
Die Welt ist wohl noch nicht davon überzeugt, dass ich es eines Tages sein werde, der die Weltherrschaft an sich reißt. Daran müssen wir noch arbeiten, lieber Thorschten.
Wie dem auch sei, es waren vier gute Wochen. Interessant, auf die ein oder andere Weise inspirierend und auch wieder einmal sehr horizonterweiternd. Einzig an einer Führung durch Hebron mit der Gruppe "
Breaking The Silence" konnte ich nicht teilnehmen. Während dieser vier Wochen gab es keine englischsprachige Guided Tour. Dabei hätte es mich sehr interessiert. Ehemalige Soldaten berichten von ihren Erfahrungen in Hebron, mit der Besatzung, mit den Menschen, und mit Gewissenskonflikten. Doch man kann nicht alles haben. Es ist für mich ein Grund, wieder zurückzukommen.
Bis hierher also meine diesjährige Nahostberichterstattung, die sich heuer nur auf Israel und Palästina beschränkt hat.
Danke an alle, die diesen Blog regelmäßig verfolgt haben! ;)
Viele Grüße,
euer Thorschten
PS: Hier noch einmal der Link zu unserer Friedensorganisation
Rock of Peace!