Fünf Tage nach Jom Kippur feiern Juden das siebentägige Laubhüttenfest (Sukkot). Es erinnert an den Auszug der Israeliten aus Ägypten und die Zeit, als das Volk von Moses aus der Sklaverei geführt wurde. Die Laubhütte (Sukka) steht bis heute für die lange Wanderung durch die Wüste auf der Sinai-Halbinsel.
In der Bibel kann man an mehreren Stellen nachlesen, wie dieses Fest entstand und wie es praktiziert wurde. Die Gesetzestexte der Thora beschäftigen sich vor allem mit dem Termin des Festes. Ein wenig mehr erzählt hingegen das Buch Nehemia, das die Rückkehr der Juden aus dem Babylonischen Exil beschreibt. Die zurückgekehrten Juden finden angeblich ein altes Gesetzbuch und lassen die Traditionen ihrer Väter wieder aufleben:
Und sie fanden im Gesetz geschrieben, dass der Herr durch Moses geboten hatte, dass die Israeliten am Fest im siebenten Monat in Laubhütten wohnen sollten. Da ließen sie es kundtun und ausrufen in allen ihren Städten und in Jerusalem und sagten: Geht hinaus auf die Berge und holt Ölzweige, Balsamzweige, Myrtenzweige, Palmenzweige und Zweige von Laubbäumen, dass man Laubhütten mache, wie es geschrieben steht. Und das Volk ging hinaus und holte sie und machte sich Laubhütten, ein jeder auf seinem Dach und in seinem Hof und in den Vorhöfen am Hause Gottes und auf dem Platz am Wassertor und auf dem Platz am Tor Ephraim.
(Nehemia 8,14-16)
(Nehemia 8,14-16)
Genaueres steht in den Büchern des Talmud geschrieben. Es gibt eine ganze Menge an Regelungen und traditionellen Bräuchen rund um das Laubhüttenfest. Das wichtigste Element ist natürlich die Laubhütte. Schon vor Jom Kippur wird mit dem Bau begonnen. Vor allem in den Stadtvierteln der Orthodoxen kann man das bunte Treiben beobachten. An bestimmten Stellen gibt es Palmzweige zu kaufen.
In der Laubhütte wird zusammengesessen, gefeiert, gegessen und manchmal auch geschlafen. Hier spielt sich für die nächsten sieben Tage ein Großteil des Lebens ab. Sie wird von innen geschmückt mit echten Früchten oder Ersatz aus Plastik.
Eine wichtige Regel besagt, dass man durch das Dach der Laubhütte nachts die Sterne sehen können muss, wie einst auch Moses und die Israeliten in der Wüste die Sterne sahen. Aus diesem Grund sind Balkone in Israel (auch außerhalb der jüdisch-orthodoxen Wohnvierteln) meistens versetzt, damit der Blick nach oben nicht durch den Balkon im nächsten Stockwerk versperrt ist.
Ein weiteres wichtiges Accessoire des Laubhüttenfestes ist der Lulav, ein Strauß, der aus vier Teilen besteht: Die Basis bildet der Palmzweig (Lulav), der dem Strauß auch seinen Namen gibt. Drei Myrtenzweige (Hadassim), zwei Bachweidenzweige (Aravot) und eine zitronenartige Frucht, der Etrog, gehören noch dazu. Dieser Strauß macht die Nähe zum antiken Erntedankfest und zu Fruchtbarkeitsbräuchen deutlich. Der Lulav wird in der Synagoge während des Gottesdienstes benötigt und bei bestimmten Gebeten in bestimmte Richtungen geschwenkt.
Vor allem der Etrog, der so aussieht wie eine Zitrone, versetzt ganze Straßen in helle Aufregung. Je nach ritueller Reinheit und visueller Unversehrtheit kann so eine Frucht zwischen 25 Schekeln und einem ganzen Vermögen kosten. Jeder orthodoxe Jude will einen möglichst guten Etrog abbekommen.
Verschiedene Geschäfte, die das ganze Jahr über andere Sachen verkaufen, warten nun mit Kisten voller Früchten auf. In der Hauptstraße von Mea Schearim, dem ältesten Jerusalemer Orthodoxenviertel, kann man am besten beobachten, wie in den Läden verhandelt und begutachtet wird. Vereinzelt stehen Männer auch vor den Schaufenstern und halten einen Etrog ins Sonnenlicht oder untersuchen die Oberfläche misstrauisch mit einer Lupe oder einem Vergrößerungsglas, mit dem man sonst Diamanten auf ihre Reinheit überprüft. - Ich hätte nie gedacht, dass sich diese Szenen wirklich abspielen. Ich hatte Ähnliches bisher nur in dem Film "Ushpizin" gesehen, doch es ist tatsächlich so. Alle Welt reißt sich um die beste Zitrone...
Es gibt Laubhütten in jeder Stadt. Vor jeder Synagoge gibt es eine, die für die Öffentlichkeit gedacht ist. Sogar manche Cafés haben vorgesorgt und ihrerseits mit dem Bau begonnen. Stellenweise geht die Originalität verloren und weicht dem Kitsch des 21. Jahrhunderts.
Eine Sukka vor der Klagemauer. |
Das Laubhüttenfest beschert der Bevölkerung wieder zwei ruhige Feiertage ohne öffentlichen Nahverkehr. An den übrigen Tagen wird gearbeitet. Für Touristen ist es wieder schwer, von einem Ort zum nächsten zu kommen.
Ich sitze jedoch sowieso in Tel Aviv und verbringe die letzten Tage meines diesjährigen Israel- und Palästina-Aufenthalts. Das Wetter ist unheimlich schwül, ab und zu regnet es - um danach noch schwüler zu werden. Da sehnt man sich doch nach dem Goldenen Oktober in der Heimat, zwischen Wald und Weinbergen. Meine vier Wochen im Nahen Osten neigen sich langsam, aber sicher dem Ende zu und die letzten Blogeinträge warten darauf, geschrieben zu werden.
Laubhütte auf einem Tel Aviver Balkon. |
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