Mittwoch, 3. Oktober 2012

Fassaden von Tel Aviv

Tel Aviv ist angeblich die Stadt, die niemals schläft. Mit knapp über hundert Jahren ist sie noch eine recht junge Stadt. Für Touristen ist sie hauptsächlich interessant aufgrund ihres Nachtlebens, der trendigen Bars und Cafés und natürlich wegen des Strandes.
Ich persönlich habe Tel Aviv nie gemocht. Viel Verkehr, viele heruntergekommene Wohnviertel, zu hohe Luftfeuchtigkeit. Dabei hat es durchaus seine Reize, die Stadt zu erkunden und einen längeren Spaziergang vor allem durch die südlichen Stadtviertel zu unternehmen. Man stößt auf eine komplett andere Umgebung als man es vielleicht aus Jerusalem gewohnt ist. Hier ist es laut - auf eine andere Art. Es wird gearbeitet. Straßen voller Schreinerwerkstätten und Metallverarbeitungsbetriebe. Man bekommt an der südlichen Grenze zu Jaffa alles, von Schaufensterpuppen über Spiegel in allen Größen bis hin zu Straßenschildern.


Die Sägespäne fallen auf die Straße, Funken sprühen aus den Werkstätten heraus. Hier schlägt das Herz des arbeitenden Tel Aviv. Während ein Teil der Bevölkerung zusammen mit den Touristen am Strand liegt, schieben sich hier Autos und Transporter durch die Straßen.


Hier und da stößt man auf architektonische Leckerbissen: Seit den 1920er Jahren hatten deutsche Juden den Bauhaus-Stil mit ins damalige Palästina gebracht. Allein zwischen 1933 und 1939 wurden über 3.000 solcher Gebäude errichtet. Viele Häuser haben sich bis in unsere Tage gehalten und sind heute Teil des UNESCO-Weltkulturerbes. Im Stadtteil Florentin, in dem ich meine letzten Tage in Tel Aviv verbracht habe, findet man einige von ihnen.


Florentin entstand ab den 1920er Jahren und wurde anfangs größtenteils von jüdischen Einwanderern besiedelt, die vor dem nach dem Ersten Weltkrieg aufgekommenen Antisemitismus in Griechenland geflohen waren. Das Viertel ist nach David Florentin benannt, der das Gebiet damals erwarb.
Teile von Florentin waren lange ein Industriegebiet und als Wohngegend relativ unbeliebt. Durch die niedrigen Mieten kamen jedoch viele Künstler in die Gegend. Heute ist Florentin eines der Ausgehviertel geworden, in dem es zahlreiche Bars, Cafés und andere Attraktionen des Nachtlebens gibt. Zwischen 2001 und 2006 stiegen die Preise hier um 65% - im Vergleich zu 45% im restlichen Teil der Stadt.


Gleich neben Florentin liegt das erste Viertel, das außerhalb Jaffas entstanden war. Im Jahre 1887 wurde Neve Tzedek gegründet, lange bevor die Stadt Tel Aviv geboren wurde. Das Viertel mit seinen zumeist zweigeschossigen Gebäude war der bevorzugte Wohnort vieler Künstler und Schriftsteller um 1900. Unter ihnen war auch der berühmte Vertreter der jungen hebräischen Literatur Schmuel Josef Agnon, der später den Literaturnobelpreis erhalten sollte. Mit der Entwicklung Tel Avivs entfernten sich jedoch auch die wichtigen Zentren und Lebensmittelpunkte aus dem Süden der Stadt. Neve Tzedek verkam bis in die 1960er Jahre zu einem Slum. Seit Ende der 1980er Jahre wurde das Viertel jedoch wieder renoviert und neue Geschäfte und Boutiquen siedelten sich an.


Ein kleiner Spaziergang, vorbei an den Häuserzeilen der ersten Tel Aviver, lohnt sich auf jeden Fall.


Wenn man sich nach Norden bewegt stechen die Hochhäuser und Wolkenkratzer der modernen Stadt ins Auge, die hier den Horizont besiedeln und die Silhouette bestimmen.


Nach einem kleinen Stadtrundgang durch den Süden von Tel Aviv bemerkt man, dass auch diese Stadt auf gewisse Art und Weise ihren Charme hat. Gleich neben dem idyllischen und romantischen Jaffa gelegen tut sich Tel Aviv schwer, mit dem gleichen Flair aufzuwarten. Doch vielleicht muss man Tel Aviv und Jaffa heute in einem Atemzug nennen, denn im Laufe der Jahre ist hier etwas zusammengewachsen, das rein optisch irgendwie zusammengehört. Und beide Orte werden im Westen vom Strand begrenzt. Hier endet Israel. Hier endet auch Palästina. Hier gibt es nur noch die Wellen, die sich schäumend an den Felsen brechen. Hier geht, weit hinten am Horizont, die Sonne unter und lässt die Hitze verblassen.

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