Donnerstag, 27. September 2012

Jom Kippur in Jerusalem

Der "Tag der Sühne" (hebräisch Jom ha-Kippurim) wird jedes Jahr zehn Tage nach dem jüdischen Neujahrsfest gefeiert. Nach dem sich wöchentlich wiederholenden Schabbat ist Jom Kippur der höchste jüdische Feiertag. Es geht um die Vergebung der Sünden, um die Beziehung zwischen Gott und den Menschen, aber auch um die Beziehung der Menschen untereinander. In den Tagen vor Jom Kippur bemühen sich religiöse Juden, Ungereimtheiten und Streit mit ihren Mitmenschen aus der Welt zu schaffen. Die dominierende Farbe dieser Zeit ist weiß: Vor allem an der Klagemauer stechen die weißen Tischbeläge ins Auge, mit denen die kleinen Gebetspulte bedeckt sind, und die helle Kleidung der betenden Gläubigen. 


In der Antike wurde Jom Kippur im Tempel begangen. Es war der einzige Tag, an dem der Hohepriester das Allerheiligste betreten durfte - nach einer langen Prozedur der rituellen Vorbereitung und Reinigung. Er verspritzte über der Bundeslade das Blut zweier Opfertiere und empfing die Vergebung für sein Volk.
Ein weiterer Brauch der Antike war es, über zwei Böcke das Los zu werfen. Während das eine Tier dann geschlachtet wurde, trieb man das andere hinaus in die Wüste, zusammen mit den Sünden des Volkes. Die Bezeichnung "Sündenbock" stammt von diesem Brauch her.

Bis heute ist Jom Kippur das wichtigste der jüdischen Feste, an dem auch die meisten säkularen Juden in die Synagoge gehen. Sogar das ganztägige Fasten (25 Stunden) wird von vielen nicht- oder wenig Religiösen eingehalten. Man geht abends ganz in weiß in die Synagoge, um das für diesen Feiertag charakteristische Kol Nidre zu hören, einen uralten aramäischen Gebetsgesang. In der Großen Synagoge in Jerusalem wurde es von einigen a-capella-Kantoren einstudiert - ein wahrer Ohrenschmaus. Bei bestimmten Teilen konnte die Gemeinde mitsingen und mitbeten, andere wurden vom Oberkantor, einem älteren Herren mit starker Stimme, vorgesungen. Der "Chor", bestehend aus anderen Männern, stimmte an speziellen Stellen mit ein.
Der Gottesdienst dauert lange. Auch den nächsten Tag verbringen viele Juden komplett in der Synagoge. Das Gebet macht vielleicht das Fasten ein wenig erträglicher. Um den Tag zu verkürzen wurde die Winterzeit einige Tage vor Jom Kippur früher als anderswo auf der Welt wieder eingeführt. Dadurch wird es früher Abend. Doch gefastet wird 25 Stunden.
In Israel fährt den ganzen Tag kein Auto. In den arabischen Stadtvierteln von Jerusalem gilt diese Regelung nicht, doch der Rest der Stadt steht still. Nur Polizeistreifen und Ambulanzen patrouillieren gelegentlich durch die leeren Straßen. Menschen erkunden die Stadt per Fahrrad und benutzen die großen Hauptverkehrsadern, auf denen sonst in den Stoßzeiten kein unbelasteter Windhauch zu erhaschen ist. Einmal im Jahr hat man die Chance, überall zu gehen und zu sitzen, ohne Angst vor Bussen und Taxis haben zu müssen.


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