Montag, 15. Dezember 2014

Demo und Gegendemo in Bonn

Was wäre ein Montag ohne Demonstrationen? Das haben sich auch ein paar Zeitgenossen aus der oft beschworenen bürgerlichen Mitte gedacht und im Namen von Bogida („Bonn gegen Islamismus in Deutschland und im Abendland“) einen sogenannten „Abendspaziergang“ organisiert. Angemeldet waren 500 Teilnehmer für 18.30 Uhr, doch mit dem Spaziergang wurde es nichts, denn „Bonn stellt sich quer“ stellte sich erfolgreich in den Weg. Um zwanzig vor sieben wird der Spaziergang abgesagt und stattdessen gibt es ein paar Redebeiträge: „Seit 1945 kamen 600.000 Muslime in unser Land!“ – „Moscheen!“ – „Frauen!“ – „Wir sind das Volk!“ – Das Übliche eben.

Bevor die beiden Demos losgingen, konnte man noch unbehelligt zwischen den Polizeireihen hindurch diffundieren und von den Gewerkschaften, Parteien, Kirchen und Antifas hinüberwechseln zu den Verteidigern der deutschen Weltordnung. Ab und zu traf man aber auf ein paar wackere Großmütter, die sich den Weg zur Bogida erfragten. Die Bonner Bürgerschaft teilte sich mit der Zeit je einer der beiden Seiten zu. Wie vermutet waren die Personen mit Deutschlandfahnen in der Unterzahl. Am Rande der anfangs noch recht mickrigen Truppe diskutierte man schon über das N-Wort. „Nein, das sind doch keine Nazis!“, argumentiert ein angegrauter Herr. – „Ja, was sind Sie dann?“, wird er direkt angesprochen. – „Ich? Ich gehöre da gar nicht dazu! Ich beobachte nur.“ Fast will man den beiden entgegenrufen: Nazis sagt man doch heute nicht mehr! Das sind doch lediglich treue Nationaldemokraten. Und AfD-Professoren natürlich.


Zurück zur Ernsthaftigkeit, denn ernst ist die Lage ganz sicher. Die ganze Pegida-, Bogida- oder Dügida-Debatte führt uns eines vor Augen: Möglicherweise demonstriert hier tatsächlich nur die bürgerliche Mitte. Hatte nicht 1933 niemand anderer das große Unheil heraufgewählt als eben die Durchschnittsbürger/-innen ihrer Zeit? Ausländerfeindlichkeit, Islamophobie, Antisemitismus und vor allem das Misstrauen gegenüber Asylbewerbern finden sich in der Mitte der Gesellschaft, nicht seltener und nicht weniger als anderswo.

Glücklicherweise gibt es noch einen weit größeren Teil, der sich dem entgegenstellt. Auch wenn sich nicht jeder mit den „Nie wieder Deutschland!“-Rufen der antideutschen extremen Linken identifizieren kann, so kann man doch sagen, dass am Montag in Bonn ein befriedigendes Zeichen gegen Rechts gesetzt wurde. Mit Musik und vor allem mit viel Lärm wurden die Redner der Gegenseite übertönt, mit Menschenmassen wurde die rechte Demo eingekesselt. Bonn kriegen sie nicht.

Gegendemonstrantion in Bahnhofsnähe.
Da wäre aber noch etwas anderes. Ich habe mich ungefähr zwei Sekunden lang gefragt, was es denn zu bedeuten hätte, dass neben Plakaten mit der Forderung „Stoppt die Islamisierung Europas!“ eine norwegische Flagge auftaucht. Und die Antwort darauf offenbart, dass der patriotische Teil der bürgerlichen Mitte keine Skrupel hat, sich mit einem Mann zu identifizieren, der am 22. Juli 2011 den Kampf gegen die „Islamisierung“ begann und kaltblütig 77 Menschen massakrierte. Wenn das mal nicht einiges über diese neue abendlandsbesessene Bewegung aussagt...

Klarstellung und Anmerkung vom 21. Dezember: Norwegische Flaggen werden auf rechten Demos schon seit Jahren verwendet, nicht erst seit den Attentaten von Breivik. Norwegen ist ein besonders tolerantes und offenes Land, gilt bei europäischen Nationalisten jedoch als jenes Land, in dem sich bis heute die "arische Rasse" am reinsten erhalten hat. Es besteht natürlich noch eine zweite Möglichkeit, nämlich dass es sich dabei nicht um eine norwegische Flagge gehandelt hat, sondern um jenen Entwurf, der 1948 als Vorschlag zur neuen deutschen Flagge eingereicht wurde. In diesem Fall war es kein blaues Kreuz (wie das auf der norwegischen Flagge), sondern ein schwarzes. Diese "alternative" deutsche Flagge wird gerade auf solchen "patriotischen" Demonstrationen oft gern gezeigt.

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