Im letzten Eintrag habe ich
meine ersten Eindrücke von Matrah
beschrieben. Heute möchte ich noch kurz ein wenig ins Detail gehen und etwas
über das Viertel Sūr al-Lawatiya schreiben, das inmitten von Matrah an der
Corniche liegt. Ich fand diesen Stadtteil äußerst bemerkenswert, weil er für Fremde
(auch für mich) unzugänglich ist. Das war schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts
so und ist es bis heute. Die schönen weißen Fassaden mit den hölzernen Balkonen
wecken aber das Interesse der vorübergehenden Touristen.
Die Hafenpromenade von Matrah
wird dominiert von einer großen Moschee mit blauer Kuppel. Es ist die schiitische
„Moschee des Großen Propheten“. Die meisten Omanis sind Ibaditen, doch in Lawatiya leben laut Reiseführer seit dem 16.
Jahrhundert die Nachkommen pakistanischer Schiiten, die Khojas. Ihnen
gehört diese Moschee, die im Laufe der letzten 500 Jahre immer wieder umgebaut
und renoviert wurde, bis sie ihre heutige Gestalt bekommen hat. Der Eintritt
ist nur Muslimen gestattet.
Die Khojas sind als
einflussreiche Kaufleute bekannt. Im 19. Jahrhundert bildeten sie die wirtschaftlich
und sozial bedeutendste Gruppe in Matrah und bewohnten vier Stadtviertel. Ihre
Herkunft ist schwer nachzuvollziehen, da jeder Reiseführer und jede Quelle
irgendwas anderes berichtet. Wahrscheinlich kamen sie aus den indischen
Regionen Gujarat und Rajasthan sowie aus der Stadt Hyderabad. Bis heute
sprechen die meisten von ihnen eine Sprache, die heute noch in Gujarat
gesprochen wird.
Neben dem Gotteshaus führt
eine Gasse durch das Große Tor (Bāb al-Kabīr) in das Viertel hinein. Es ist ein
lehmfarbenes Stadttor, in dem ein älterer Herr sitzt und darauf achtet, dass
keine ungewollten Gäste hineingehen. Im Tor hängen auch zwei Schilder mit der
Aufschrift „Residential Area“ – Wohngebiet.
In der islamischen Kultur
wird strikt getrennt zwischen Wohnen und Arbeiten. Die Wohngebiete sind
traditionell eher abgeschottet und wahren die Privatsphäre der Familie. Das
Lawatiya-Viertel ist ein gutes Beispiel hierfür: An der 150 Meter langen
Häuserfront zur Promenade hin gibt es nur zwei Haustüren, ansonsten nur Fenster
und Wand. Ich muss zugeben, Architektur fand ich in der Vergangenheit eher
uninteressant. Seitdem ich mich aber für meine Bachelor-Arbeit ein bisschen mit
islamischer Stadtarchitektur auseinandersetzen musste, achte ich neuerdings auf
Fenster, Türen und die Anzahl von Stockwerken…
Lawatiya ist ein
Vorzeigebeispiel für ein Wohnviertel nach islamischem Modell. Viele der männlichen
Einwohner arbeiten im benachbarten Souk, wo sie bis 1990 den Handel
dominierten. Vom Souk aus könnte man Lawatiya gut erreichen, würden nicht auch hier
ältere Herren am Eingang einer Gasse wie zufällig sitzen und Ausschau nach
Touristen halten. Von der Corniche aus gelang es mir einmal, in eine Gasse
hineinzuschauen. Aber wie fast schon erwartet – sah man nicht wirklich viel.
Abends erklingt auch vom
Minarett der großen Moschee aus der islamische Gebetsruf. Hier beginnt der
Muezzin etwas später zu singen als bei den umliegenden Moscheen, fiel mir auf. Auch
klingt sein Gesang innbrünstiger als der der anderen. Da die Khojas
ismailitische Schiiten sind, wird im Gebetsruf neben dem Bekenntnis zu Gott und
zum Propheten Muhammad auch der Kalif Ali erwähnt. Er wird von den Schiiten als
einziger rechtmäßiger Nachfolger des Propheten angesehen.
Wenn man sich ein wenig mit
den Hintergründen beschäftigt, fallen einem schon allein in Matrah die
verschiedenen Kulturen und Prägungen auf, die hier Einfluss genommen haben. Die
Omanis als Seefahrernation sind viel im Indischen Ozean herumgekommen und
Maskat war Anziehungspunkt für Händler aus aller Welt. Ein bisschen Multikulti (Teil 4).
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