Donnerstag, 13. März 2014

Teil 3: Lawatiya

Im letzten Eintrag habe ich meine ersten Eindrücke von Matrah beschrieben. Heute möchte ich noch kurz ein wenig ins Detail gehen und etwas über das Viertel Sūr al-Lawatiya schreiben, das inmitten von Matrah an der Corniche liegt. Ich fand diesen Stadtteil äußerst bemerkenswert, weil er für Fremde (auch für mich) unzugänglich ist. Das war schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts so und ist es bis heute. Die schönen weißen Fassaden mit den hölzernen Balkonen wecken aber das Interesse der vorübergehenden Touristen.


Die Hafenpromenade von Matrah wird dominiert von einer großen Moschee mit blauer Kuppel. Es ist die schiitische „Moschee des Großen Propheten“. Die meisten Omanis sind Ibaditen, doch in Lawatiya leben laut Reiseführer seit dem 16. Jahrhundert die Nachkommen pakistanischer Schiiten, die Khojas. Ihnen gehört diese Moschee, die im Laufe der letzten 500 Jahre immer wieder umgebaut und renoviert wurde, bis sie ihre heutige Gestalt bekommen hat. Der Eintritt ist nur Muslimen gestattet.
Die Khojas sind als einflussreiche Kaufleute bekannt. Im 19. Jahrhundert bildeten sie die wirtschaftlich und sozial bedeutendste Gruppe in Matrah und bewohnten vier Stadtviertel. Ihre Herkunft ist schwer nachzuvollziehen, da jeder Reiseführer und jede Quelle irgendwas anderes berichtet. Wahrscheinlich kamen sie aus den indischen Regionen Gujarat und Rajasthan sowie aus der Stadt Hyderabad. Bis heute sprechen die meisten von ihnen eine Sprache, die heute noch in Gujarat gesprochen wird.


Neben dem Gotteshaus führt eine Gasse durch das Große Tor (Bāb al-Kabīr) in das Viertel hinein. Es ist ein lehmfarbenes Stadttor, in dem ein älterer Herr sitzt und darauf achtet, dass keine ungewollten Gäste hineingehen. Im Tor hängen auch zwei Schilder mit der Aufschrift „Residential Area“ – Wohngebiet.


In der islamischen Kultur wird strikt getrennt zwischen Wohnen und Arbeiten. Die Wohngebiete sind traditionell eher abgeschottet und wahren die Privatsphäre der Familie. Das Lawatiya-Viertel ist ein gutes Beispiel hierfür: An der 150 Meter langen Häuserfront zur Promenade hin gibt es nur zwei Haustüren, ansonsten nur Fenster und Wand. Ich muss zugeben, Architektur fand ich in der Vergangenheit eher uninteressant. Seitdem ich mich aber für meine Bachelor-Arbeit ein bisschen mit islamischer Stadtarchitektur auseinandersetzen musste, achte ich neuerdings auf Fenster, Türen und die Anzahl von Stockwerken…
Lawatiya ist ein Vorzeigebeispiel für ein Wohnviertel nach islamischem Modell. Viele der männlichen Einwohner arbeiten im benachbarten Souk, wo sie bis 1990 den Handel dominierten. Vom Souk aus könnte man Lawatiya gut erreichen, würden nicht auch hier ältere Herren am Eingang einer Gasse wie zufällig sitzen und Ausschau nach Touristen halten. Von der Corniche aus gelang es mir einmal, in eine Gasse hineinzuschauen. Aber wie fast schon erwartet – sah man nicht wirklich viel.


Abends erklingt auch vom Minarett der großen Moschee aus der islamische Gebetsruf. Hier beginnt der Muezzin etwas später zu singen als bei den umliegenden Moscheen, fiel mir auf. Auch klingt sein Gesang innbrünstiger als der der anderen. Da die Khojas ismailitische Schiiten sind, wird im Gebetsruf neben dem Bekenntnis zu Gott und zum Propheten Muhammad auch der Kalif Ali erwähnt. Er wird von den Schiiten als einziger rechtmäßiger Nachfolger des Propheten angesehen.


Wenn man sich ein wenig mit den Hintergründen beschäftigt, fallen einem schon allein in Matrah die verschiedenen Kulturen und Prägungen auf, die hier Einfluss genommen haben. Die Omanis als Seefahrernation sind viel im Indischen Ozean herumgekommen und Maskat war Anziehungspunkt für Händler aus aller Welt. Ein bisschen Multikulti (Teil 4).

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