Montag, 4. November 2013

Stimmen zur NSA-Affäre (aus dem FOCUS)

(Presseschau)

In seiner aktuellen Ausgabe hat der FOCUS (44/2013, S. 34f) einige unterschiedliche Stimmen zur NSA-Ausspähaffäre aufgefangen, die von Empörung, Vertrauensbruch, aber auch von Naivität sprechen.

Viviane Reding, EU-Kommissarin für Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft, spricht von einem Weckruf: „Muss denn erst Frau Merkels Handy angezapft werden, damit sich führende Politiker in Europa darüber klar werden, dass solche Datenskandale jeden Tag, jede Minute geschehen können?
Wolfgang Ischinger, ehemaliger deutscher Botschafter in den USA, prangert jedoch die Blauäugigkeit der Europäer an. Schon während seiner Zeit in den USA war ihm bewusst, dass Telefone von Geheimdiensten abgehört werden. Zur Schwere der aktuellen Affäre sagt er dennoch: „Der Vorgang ist eine enorme Belastung und der größte Stresstest für die transatlantischen Beziehungen. Es ist ein großer Vertrauensbruch, und es wird nicht ganz einfach sein, das in Ordnung zu bringen. Die US-Geheimdienste sind offenbar außer Rand und Band geraten, haben Maß und Mitte verloren.
Auch Jack Janes geht auf das undurchsichtige Vorgehen der Geheimdienste ein und meint: „Wenn der Präsident tatsächlich von nichts wusste, dann frage ich mich, wer in Washington eigentlich die Hosen anhat.“ Janes, der Präsident des American Institute for Contemporary German Studies an der John Hopkins University in Washington ist, bezeichnet die Aufdeckungen als ein „Schlag in die Magengrube“ der Pro-Atlantiker.
Weniger naiv zeigt sich Charles Kupchan, ein ehemaliger Berater von Bill Clinton und Mitglied des Council on Foreign Relations. Er sagte dem FOCUS: „Dass Freunde auch Freunde ausspionieren, ist gängiges Geschäft. Auch Frau Merkel betritt morgens das Kanzleramt und bekommt erst einmal ein Geheimdienstbriefing vorgelegt, das genau aus solchen Spionageaktivitäten in Großbritannien, Frankreich oder Polen zusammengestellt wird.
Der Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, Eberhard Sandschneider, schließt sich in dieser Hinsicht an: „Wenn sich jemand wundert über die Abhöraktionen, dann wundert das wiederum mich.“ Er stellt in Hinblick auf die Beziehung zwischen Deutschland und den USA fest: „Wir sollten die deutsch-amerikanischen Beziehungen nüchterner betrachten und die USA als das sehen, was sie sind: ein Land mit eigenen Interessen. Da bleiben auch strategische Partner manchmal auf der Strecke.
Doch nicht nur die USA sind in der aktuellen Diskussion zu beschuldigen. David Hamilton, ehemaliger Europa-Experte im US-Außenministerium, gibt eine Erklärung dafür, warum US-Spione nicht alle Erkenntnisse mit ihren deutschen Kollegen teilen: „Die deutschen Geheimdienste sind so sehr von Spionen anderer Länder infiltriert, dass sich die USA nie sicher sein können, ob die ausgetauschten Informationen nicht gegen sie verwendet werden.“ Dies sei aber keine Entschuldigung dafür, das Handy der Kanzlerin anzuzapfen.
So wie Hamilton die deutschen Geheimdienste in ein eher schlechtes Licht erscheinen lässt, so stellt auch Günter Blobel, deutsch-amerikanischer Medizinnobelpreisträger, der deutschen Informationstechnologie ein Armutszeugnis aus. „Es ist nicht sehr vertrauenserweckend, dass die Merkel-Regierung nicht in der Lage ist, Firewalls in ihre Kommunikationssysteme einzubauen.

Verschiedene Stimmen, verschiedene Erkenntnisse. Doch fest steht auf jeden Fall, was auch schon vorher nie bezweifelt worden ist: Das Geschäft der Geheimdienste ist ein schmutziges. Und davon sind sowohl die der USA als auch alle anderen betroffen. Um uns zu schützen, brauchen wir neue Gesetze und Richtlinien aus Berlin und Brüssel, deren Umsetzung irgendwie garantiert werden muss. „Nur wenn Bürger und Unternehmen fest darauf vertrauen, dass Regeln eingehalten werden, wird in Europa ein echter digitaler Binnenmarkt entstehen“, sagt Viviane Reding dazu.

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