Samstag, 30. Juni 2012

Cinema Jenin - Ein Traum wird Wirklichkeit


Am 28. Juni 2012 kam der Film „Cinema Jenin“ in die Kinos vieler deutscher Städte, darunter Berlin, Köln, München, Karlsruhe, Stuttgart und Tübingen. Dieses neueste Werk von Marcus Vetter präsentiert auf interessante, teils erheiternde, teils tragische Weise die Entwicklung einer Ruine zum kulturellen Mittelpunkt einer Stadt im Westjordanland.
Vetter war schon 2008 bekannt geworden, als er „Das Herz von Jenin“ in die deutschen Kinos brachte und die Geschichte eines Vaters erzählte, der seinen Sohn durch israelische Soldaten verlor. Doch er entschloss sich, dessen Organe zu spenden – an israelische Kinder. Für Ismail Khatib war dies der Weg, mit seiner Trauer umzugehen. Schon damals waren die Zuschauer tief berührt von Vetters Dokumentation, wurden zum Nachdenken angeregt.



Hinter dem Titel „Cinema Jenin“ verbirgt sich nun die Geschichte eines großen Projekts, das mit einer kleinen Idee angefangen hatte: Marcus Vetter will das Kino in Jenin wieder eröffnen, das seit Beginn der Ersten Intifada 1987 geschlossen war – und den Menschen damit etwas Gutes tun. Die letzten Jahrzehnte sind jedoch auch an dem ehemaligen Lichtspielhaus nicht spurlos vorübergegangen. Taubenkot bedeckt die Sitze, die Technik ist rostig geworden und verstaubt. Gemeinsam mit Ismal Khatib und seinem Übersetzer Fakhri Hamad geht der Tübinger Dokumentarfilmer das Projekt an und einigt sich mit den Besitzern des Gebäudes über Mietkosten und Finanzierungspläne. Er holt die Palästinensische Autonomiebehörde und das deutsche Konsulat mit ins Boot;  hunderte Freiwillige aus Deutschland, Palästina und anderen Ländern beteiligen sich an der Renovierung. Immer wieder gibt es Schwierigkeiten: Gerüchte machen die Runde, die Bevölkerung ist gespalten. Von rechtlicher Seite gibt es Einwände – das Gericht verurteilt den Dolmetscher zu 27 Schekeln Strafe, weil er das Team beherbergt und somit die Ruhe des Vermieters stört. Vetter, der deutsche Pragmatiker, und seine Mitstreiter lassen sich jedoch nicht abbringen von ihrem Vorhaben. Denn Jenin braucht dieses Kino. In der Stadt, die weitgehend isoliert ist von den anderen großen palästinensischen Städten, mangelt es an Freizeitmöglichkeiten und kulturellem Leben. Mit der Eröffnung des Kinos und der daran gekoppelten Ausbildungsstätte würde neue Farbe in die Stadt kommen.
Neben den Kritikern findet das Team jedoch auch zahlreiche Befürworter und Unterstützer. Der Mufti von Jenin lässt sich von der Idee begeistern. Während die Bauarbeiten laufen, kommt eine Delegation aus Brandenburg zu Besuch und bringt ihren Ministerpräsidenten Matthias Platzeck mit. Hoher Besuch auf der Baustelle.
Am Ende geht alles gut über die Bühne. Das Cinema Jenin wird eröffnet, im Beisein vom palästinensischen Ministerpräsidenten Salam Fayyad.

Der Film ist auf weiten Strecken äußerst erheiternd. Doch er beschreibt auch die Schwierigkeiten, die in den Palästinensergebieten herrschen. Lange Schlangen vor den Checkpoints der israelischen Besatzung, bürokratische Schwierigkeiten mit den palästinensischen Behörden und die alteingesessenen Besitzer des Kinogebäudes, die so viel wie möglich vom Kuchen abhaben wollen. Auch der Tod eines wichtigen Unterstützers des Projekts wird durch einen dramatischen Einschnitt vermerkt: Juliano Mer-Khamis wurde im April 2011 – neun Monate nach der Eröffnung des Kinos – vor seinem Haus in der palästinensischen Stadt von einem Unbekannten erschossen. Der israelisch-palästinensische Schauspieler und Regisseur schloss sich dem Projekt an und unterstützte Vetter in seiner Arbeit. Er war mit dem Freedom Theatre des Flüchtlingslagers Jenin bekannt geworden, das auf die Arbeit seiner Mutter Arna zurückging. Bei seinem Tod lief die Produktion des Films gerade auf Hochtouren.

Marcus Vetter hat den Verein Cinema Jenin e.V. gegründet. Heute sind 4 Mitarbeiter fest im Kino angestellt, es gibt einen kleinen Spielplatz im Garten der Cafeteria. Pro Tag werden zwei Filme gezeigt, die finanziellen Schwierigkeiten blieben jedoch erhalten. Nach dem Tod von Mer-Khamis mussten aus Sicherheitsgründen außerdem alle Volontäre aus Jenin abgezogen werden. – Mit seinem Dokumentarfilm zeigt Vetter eine andere, viel pragmatischere Seite des Nahostkonflikts. Er beschreibt die Komplikationen, die Resignation der Menschen, aber auch die Zuversicht. Und er sagt was er will: Normalisierung. Doch genau das ist es, was die meisten Politiker jeder Seite unter allen Umständen vermeiden möchten.
Mit seinem Film „Cinema Jenin“ würdigt er die Arbeit der vielen Helfer und setzt seine Serie von beeindruckenden Dokumentationen aus Israel und Palästina fort.

Weitere Informationen über das Projekt, den Macher und die Sadt Jenin finden Sie hier:

Marcus A. Vetter (Wikipedia)
Das Guesthouse des Kinos

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen