Am 28. Juni 2012 kam der Film „Cinema Jenin“ in die Kinos vieler
deutscher Städte, darunter Berlin, Köln, München, Karlsruhe, Stuttgart und
Tübingen. Dieses neueste Werk von Marcus Vetter präsentiert auf interessante,
teils erheiternde, teils tragische Weise die Entwicklung einer Ruine zum
kulturellen Mittelpunkt einer Stadt im Westjordanland.
Vetter war schon 2008 bekannt geworden, als er „Das Herz von Jenin“
in die deutschen Kinos brachte und die Geschichte eines Vaters erzählte, der
seinen Sohn durch israelische Soldaten verlor. Doch er entschloss sich, dessen
Organe zu spenden – an israelische Kinder. Für Ismail Khatib war dies der Weg,
mit seiner Trauer umzugehen. Schon damals waren die Zuschauer tief berührt von
Vetters Dokumentation, wurden zum Nachdenken angeregt.
Hinter dem Titel „Cinema Jenin“ verbirgt sich nun die Geschichte
eines großen Projekts, das mit einer kleinen Idee angefangen hatte: Marcus
Vetter will das Kino in Jenin wieder eröffnen, das seit Beginn der Ersten
Intifada 1987 geschlossen war – und den Menschen damit etwas Gutes tun. Die
letzten Jahrzehnte sind jedoch auch an dem ehemaligen Lichtspielhaus nicht
spurlos vorübergegangen. Taubenkot bedeckt die Sitze, die Technik ist rostig
geworden und verstaubt. Gemeinsam mit Ismal Khatib und seinem Übersetzer Fakhri
Hamad geht der Tübinger Dokumentarfilmer das Projekt an und einigt sich mit den
Besitzern des Gebäudes über Mietkosten und Finanzierungspläne. Er holt die
Palästinensische Autonomiebehörde und das deutsche Konsulat mit ins Boot; hunderte Freiwillige aus Deutschland, Palästina
und anderen Ländern beteiligen sich an der Renovierung. Immer wieder gibt es
Schwierigkeiten: Gerüchte machen die Runde, die Bevölkerung ist gespalten. Von
rechtlicher Seite gibt es Einwände – das Gericht verurteilt den Dolmetscher zu
27 Schekeln Strafe, weil er das Team beherbergt und somit die Ruhe des
Vermieters stört. Vetter, der deutsche Pragmatiker, und seine Mitstreiter
lassen sich jedoch nicht abbringen von ihrem Vorhaben. Denn Jenin braucht
dieses Kino. In der Stadt, die weitgehend isoliert ist von den anderen großen
palästinensischen Städten, mangelt es an Freizeitmöglichkeiten und kulturellem
Leben. Mit der Eröffnung des Kinos und der daran gekoppelten Ausbildungsstätte
würde neue Farbe in die Stadt kommen.
Neben den Kritikern findet das Team jedoch auch zahlreiche
Befürworter und Unterstützer. Der Mufti von Jenin lässt sich von der Idee
begeistern. Während die Bauarbeiten laufen, kommt eine Delegation aus
Brandenburg zu Besuch und bringt ihren Ministerpräsidenten Matthias Platzeck
mit. Hoher Besuch auf der Baustelle.
Am Ende geht alles gut über die Bühne. Das Cinema Jenin wird
eröffnet, im Beisein vom palästinensischen Ministerpräsidenten Salam Fayyad.
Der Film ist auf weiten Strecken äußerst erheiternd. Doch er beschreibt
auch die Schwierigkeiten, die in den Palästinensergebieten herrschen. Lange
Schlangen vor den Checkpoints der israelischen Besatzung, bürokratische
Schwierigkeiten mit den palästinensischen Behörden und die alteingesessenen
Besitzer des Kinogebäudes, die so viel wie möglich vom Kuchen abhaben wollen.
Auch der Tod eines wichtigen Unterstützers des Projekts wird durch einen
dramatischen Einschnitt vermerkt: Juliano Mer-Khamis wurde im April 2011 – neun
Monate nach der Eröffnung des Kinos – vor seinem Haus in der palästinensischen
Stadt von einem Unbekannten erschossen. Der israelisch-palästinensische
Schauspieler und Regisseur schloss sich dem Projekt an und unterstützte Vetter
in seiner Arbeit. Er war mit dem Freedom Theatre des Flüchtlingslagers
Jenin bekannt geworden, das auf die Arbeit seiner Mutter Arna zurückging. Bei seinem
Tod lief die Produktion des Films gerade auf Hochtouren.
Marcus Vetter hat den Verein Cinema Jenin e.V. gegründet. Heute
sind 4 Mitarbeiter fest im Kino angestellt, es gibt einen kleinen Spielplatz im
Garten der Cafeteria. Pro Tag werden zwei Filme gezeigt, die finanziellen
Schwierigkeiten blieben jedoch erhalten. Nach dem Tod von Mer-Khamis mussten
aus Sicherheitsgründen außerdem alle Volontäre aus Jenin abgezogen werden. –
Mit seinem Dokumentarfilm zeigt Vetter eine andere, viel pragmatischere Seite
des Nahostkonflikts. Er beschreibt die Komplikationen, die Resignation der
Menschen, aber auch die Zuversicht. Und er sagt was er will: Normalisierung.
Doch genau das ist es, was die meisten Politiker jeder Seite unter allen
Umständen vermeiden möchten.
Mit seinem Film „Cinema Jenin“ würdigt er die Arbeit der vielen
Helfer und setzt seine Serie von beeindruckenden Dokumentationen aus Israel und
Palästina fort.
Weitere Informationen über das Projekt, den Macher und die Sadt
Jenin finden Sie hier:
Marcus A. Vetter (Wikipedia)
Das Guesthouse des Kinos
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