Dienstag, 15. März 2011

Der Frühling könnte so schön sein - Wahlkampf in BW

Ein Beitrag über die bevorstehenden Landtagswahlen 2011 in Baden-Württemberg.

Heute ist wunderschönes Wetter in Tübingen, der Studentenstadt auf der Schwäbischen Alb. Die Nachbarn streichen ihren Balkon, überdecken die schwarzen, morschen Balken mit frischer Farbe. Der Himmel ist nur mit wenigen weißen Wolken durchwachsen. Der erste Tag des Abiturs. Für Studenten ist es aber ein schöner Tag wie so viele inmitten der Semesterferien.

Die politische Wettervorhersage lässt jedoch Turbulenzen vermuten. Am Horizont ziehen schwarze Mappus-Wolken auf. Es donnert und kracht. Ein Gemisch aus den grellsten Farben. Gelbe Blitze, die nicht einmal mehr bis zum Boden reichen. Der Sonnenuntergang - so rot wie SPD und Linke. Nur die Grünen stehen auf festem Boden, wie das Gras, das in diesen Tagen zu wachsen beginnt. Doch auch das ist ein Trugschluss. Denn auch die grüne Wunsch-Mehrheit vieler Bürger verliert an Halt.

Und doch: Jede Partei denkt, sie hätte schon gewonnen. Werfen wir einen Blick auf die Wahlkampfplakate des Landkreises Tübingen. Da entdecken wir gar merkwürdige und rätselhafte Bilder...

Fragen wirft zum Beispiel dieses Plakat der Union auf. Wer kann hier ahnen, dass es um die Tübinger Spitzenkandidatin Lisa Federle geht?
Entweder denkt die CDU, dass sie über billige Slogans und halb-glaubwürdige Ansagen erhaben ist - oder sie hält diesen Spruch für besonders fetzig...
Sicher ist jedoch, dass sich das eher anhört wie eine der Telenovelas, die im Fernsehen von einer nicht zu vernachlässigenden Zahl junger (und jungebliebener) Wähler geschaut wird. Da heißt es dann "Julia - Wege zum Glück" oder "Anna und die Liebe" - und bald eben auch "LISA - Mitten im Leben".

Die CDU hat keinen einfachen Wahlkampf vor sich. Doch Stefan M. sitzt nicht im dunklen Kämmerchen und verdaut den Schrecken, den der EnBW-Kauf mit sich gebracht hat, sondern er tourt in seinem Mappusmobil durch's Ländle.

Reden wir Klartext: Hat Mappus irgendeinen Hauch einer Chance, Baden-Württemberg in Hand der Union zu halten? Es scheint nicht so. Stuttgart 21 und EnBW, dazu noch die Energiepolitik (siehe Atomkraftwerke) der CDU auf Bundes- und Landesebene. Es sieht düster aus.

Aber wollen wir auch einmal einen Blick auf die anderen Parteien werfen. Denn dort sind die plakatförmigen Kampagnen zum Wahlfang (Fang von Wählern) nicht sonderlich aufschlussreicher.


Einen wunderbaren Ansatz haben - natürlich - die Linken. Sie fordern: "Strom ohne Atomkraft und für alle bezahlbar." Ohne Auisrufezeichen, nur mit einem Punkt. Eine bescheidene Forderung, mit der sie in den Wahlkampf ziehen. Super Idee, nur wie soll das konkret funktionieren??
Einen Vorteil haben die Linken - und alle anderen Atomkraftgegner: Die AKWs schalten sich zuzeit fast von selbst ab. Während in Japan die Lage immer noch nicht klar ist, zeiht Frau Merkel die Notbremse. Und BW-Union und FDP müssen mitziehen, um am 27. März überhaupt eine Chance zu haben.


Gehen wir weiter zur FDP. Hier erwartet uns eine Überraschung:

Freundlich lächelnd tritt uns ein gewisser Freiherr von Rassler entgegen, der sich den Bürgern verpflichtet fühlt und deshalb lässig seinen Sacko über der Schulter trägt. Leider hat die FDP nicht auf den Trend der Zeit geachtet: Freiherren sind aus der Mode gekommen, seit ein Herr Guttenberg den Doktor machen wollte und als arbeitsloser, ehemaliger Verteidigungsminister endete. Und wer genau hinsieht, der entdeckt, dass es sich auch beim Tübinger FDP-Sitzenkandidaten um einen Doktor handelt. Das kann ja heiter werden...
(Anmerkung der Redaktion: Die FDP gehört wohl ohnehin zu den Parteien, die in naher Zukunft der Vergangenheit angehören werden.)

Weiter im Text. Die Grünen hängen auch an jedem Laternenpfahl. Ab und zu sticht der spitze Turm des Stuttgarter Hauptbahnhofes ins Auge und fordert im Namen der Grünen dazu auf, gegen Stuttgart 21 zu wählen. Aber die meisten Plakate bleiben eher nüchtern - und verbreiten eine siegessichere Aura, vor allem in Tübingen, der Hochburg der Umwelt- und Gutmenschenpartei.


Man ist für den politischen Wechsel - und hat derzeit auch ganz gute Aussichten. Doch sollten die Grünen als stärkste Kraft in den Landtag einziehen, bräuchten sie einen Bündnispartner. Wer würde sich da anbieten?

Hmm, was ist die beste Mischung aus Demokratie und sozial? Genau, die Sozialdemokratie. Geschichtsträchtig, traditionsbewusst - und wie die FDP vom Aussterben bedroht. Das wurde auch im Tübinger Plakatenwald deutlich: Nach den eher spartanischen Bildchen musste man erst suchen.

Die hammerharte Frau Haller-Haid hielt sich versteckt. Das Straßenbild der Universitätsstadt ist eher dunkelrot als sozialdemokratischrot: Die Linken dominieren das Bild. Sie sitzen über jedem CDU-Plakat, auf der Spitze jedes Laternenmasten.

Und noch zwei andere Splittergruppen sitzen unter jeder Laterne: Klarmachen zum ändern! lautet der Slogan der Piratenpartei. Volle Segel statt leere Versprechen! Eine wahrlich tugendhafte Herangehensweise. Als Vertreter der Informationsgesellschaft befindet sich Roman Kremer in stürmischen Gewässern. Doch er hat nichts zu befürchten. Eine so junge Parteienneugründung (Jahrgang 2006) kann nur gewinnen.


Und jetzt noch einen Blick auf das rechte Spektrum. Leider fand ich keines der so schmeichelhaften schwarz-weiß-roten Plakate der ewig-kruppstählernen Pappnasen von der NPD. Normalerweise wird da mit so einfallsreichen Slogans geworben wie z.B. "Ausländer raus!" oder gar "Ausländer raus!"
Heute lief mir nur die abgeschwächte Version der Nationaldemokraten über den Weg: REP - Die Republikaner. Ein längst verdrängtes Thema wird hier wieder ins Rennen gebracht: Sarrazin und die 40 Asylbewerber.

































Es stehen uns noch zwei (mehr oder weniger) interessante Wochen bevor, bis es dann richtig zur Sache geht. Und doch, man hat dieses mal so das Gefühl, dass sowieso mehr Leute gegen etwas wählen gehen als für. Das betrifft alle Seiten. Die linken und rechten Kräfte sind sowieso gegen alles; die Grünen und die SPD mehrheitlich gegen Stuttgart 21. Und die CDU? Schwarz gilt als das neue Grün und ist deshalb attraktiver denn je - lässt es sich aus Expertenkreisen vernehmen. Und was ist mit den Gelben? Liberal - war einmal. Alle Parteien dümpeln in den Umfragewerten so vor sich herum. Und der neue Faktor Atomkraft - also in diesem Fall ein eher strahlendes Gelb außerhalb jedes Parteinespektrums - könnte zu einer ausschlaggebenden Kraft in diesem politischen Unwetter werden.

Ach ja, das kann ja was werden. Ein beispiellos interessantes Wahljahr. Jetzt gilt es nur, abzuwarten. Und vor allem:

Geht wählen!

Meine Aufforderung an alle Leute, die an einem Sonntag lieber faul zuhause rumsitzen: Demokratie heißt nicht nur, Rechte zu haben, sondern auch Pflichten. Und das Wählen gehört zu einer dieser Pflichten.

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