Mittwoch, 9. Juli 2014

Bomben, Raketen und kein Ende

Die Lage in Israel und Palästina eskaliert wieder einmal, dieses Jahr heftiger als in den Jahren zuvor. Die israelische Armee und die palästinensische Hamas liefern sich ein wahres Duell im Raketenschießen. Die Offensive Israels gegen Gaza ist in der Nacht zum Dienstag angelaufen. Insgesamt wurden 160 Ziele beschossen, sagte eine Militärsprecherin in Tel Aviv laut Spiegel Online. Seit Beginn der Operation hätten Luftwaffe und Marine 435 Ziele angegriffen. Militante Palästinenser im Gazastreifen hätten in diesem Zeitraum wiederum 225 Raketen auf Israel abgefeuert, rund 40 davon habe die Raketenabwehr abgefangen. Erstmals seit 2012 erreichten die Geschosse der Hamas auch wieder Tel Aviv und sogar Jerusalem.

Das Traurige ist, dass sich angesichts dieses Völkerschlachtens immer noch jede der direkt involvierten Seiten die Frage stellt, wer mit dieser ganzen Scheiße denn angefangen hätte. Gegenseitig wird sich nun der Schwarze Peter zugeschoben. Immer sind die anderen schuld. Aus der Distanz bleibt mir nichts anderes übrig, als die Aktivitäten meiner Facebook-Bekanntschaften zu beobachten. Die meiste von ihnen sind dem Konflikt geografisch zumeist ebenso fern wie ich. Und da sich meine virtuelle Freundesliste aus Menschen unterschiedlichster Herkunft und verschiedenster politischer Weltanschauungen zusammensetzt, bekomme ich die volle Ladung ab: Während sich ungefähr die Hälfte meiner muslimischen Bekannten - ob sie einen direkten Bezug zu Palästina habe oder nicht - ganz offen zu Gaza und häufig auch zur Hamas bekennt, posten die Israelfreunde heldenhafte Statusmeldungen der IDF und holen uralte Karikaturen aus dem Keller.

Apropos Karikaturen… - Ich habe ein bisschen auf Google eingesammelt, was in den letzten Jahren und bis heute an politischen Kritzeleien entstanden ist - und habe dabei Erstaunliches entdeckt:

Israel dargestellt als Unschuldslamm, die Hamas mit vielen Raketen.

Gaza dargestellt als Unschuldslamm, Israel mit vielen Raketen.

Diese Zeichnungen - an denen ich übrigens keinerlei Rechte besitze und die ich hier ohne Kenntnis der Zeichner/-innen weiterverbreite - ähneln sich in erschreckender Weise. Die Aussagen sind jeweils dieselben: Die da haben angefangen! Wir verteidigen uns nur.

Wer im Internet sucht, der findet. Auf der einen Seite ein unschuldiges, kleines und wehrloses, irritierenderweise aber bis an die Zähne bewaffnetes Israel - auf der anderen Seite bisweilen unverhohlener Antisemitismus, verpackt in legitim erscheinende Kritik.

Israelische Raketen fliegen auf Gaza. Rassistische Symbolik, wie man sie sich hierzulande nicht leisten könnte...

Und Israel verteidigt sich natürlich nur selbst...

Mich interessiert schon lange nicht mehr, wer angefangen hat. Und mein vor Jahren noch lebendiger (und reichlich naiver) Optimismus ist nicht etwa der Enttäuschung, sondern eher einer schier grenzenlosen Wut gewichen. Seit Jahrzehnten wiederholt sich dieser Mist in regelmäßigen Abständen, immer wieder scheitern Friedensverhandlungen an eben den Problemen, an welchen sie Jahre zuvor schon gescheitert sind. Erst hat die Politik mit ihren Armeen und Milizen Zivilisten getötet, jetzt töten sich die Zivilisten endlich auch gegenseitig. Und niemand begreift, dass der unbequeme Weg - nämlich der, für den jede einzelne Person Zugeständnisse machen und Opfer bringen muss - am Ende weniger „Opfer“ kosten würde.
Aber nein, wieso sollten wir nachgeben? Die Anderen sind schuld. Die „Anderen“ sind Terroristen, Soldaten, Araber, Juden, Muslime, Israelis, Besatzer, Bombenbastler - alle sind sie unschuldig, Märtyrer, Helden.

Am Ende sind sie alle Menschen. Doch vielleicht sind Menschen nunmal so. Sie verteidigen ihr Territorium, ihr Land, ihre Ehre, ihre Religion - oft auch schlicht und einfach ihre Familie. Und weil wir alle diese Menschen bei der Verteidigung ihrer Motive nicht unterstützen können, posten wir Karikaturen, ändern unsere Profilbilder, zeigen Solidarität. Ob das irgendwem hilft und ob es nicht vielmehr Gespräche verhindert, sei mal dahin gestellt.

Und die Sache mit den Israelis und Palästinensern ist (leider) noch das kleinste Übel im Nahen Osten. Syrien ist am Ende, im Irak fängt es gerade erst wieder so richtig an. In der Ukraine ist noch kein Licht am Ende des Tunnels abzusehen. Und wo nicht gekämpft wird, da wird der Unmut größer und wartet nur darauf, sich in einem Gewitter zu entladen, wenn die großen Bühnen der Welt endlich ihren Vorhang zuziehen.
Was diese Welt braucht ist eine Pause. Doch sie wird sie wahrscheinlich nicht bekommen.

2 Kommentare:

  1. Denke das Problem ist, dass ebenso wie du eine gerechte Wut über die fehlende Friedensbereitschaft beider Parteien verspürst, jede der Parteien hinter der Phrase des gegenseitigen Erstschlags eine unbändige Wut hinsichtlich der erlittenenen Attacken verspürt. Keiner, der einen unschuldig getöteten Minderjährigen zu Grabe trägt, ob Israeli oder Palästinenser, wird sich in diesem Moment mit dem schmerzhaften, schwer erträglichen und obendrein oberflächlich verräterischen Gedanken aufhalten, dass man vielleicht selbst zur Eskalation beigetragen hat.

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  2. "Völkerschlachtens" haha. Meines Erachtens kein besonders zutreffender Begriff.

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