Sonntag, 11. Mai 2014

Museumsnacht in Halle und Leipzig 2014

Am 11. Mai 2014 fand in Halle und Leipzig die Museumsnacht statt. In der Nacht zum Muttertag hatten insgesamt 78 Museen, Gedenkstätten und Galerien ihre Tore geöffnet und lockten unter dem Motto „Lockstoffe“ tausende Besucher an. Da die Eintrittspreise zu einigen Museen in Leipzig normalerweise nicht ganz günstig sind, bietet diese Nacht einmal im Jahr die Möglichkeit, für wenig Geld alle interessanten Standorte abzuklappern. Es gibt einen Shuttlebus zwischen Halle und Leipzig, die Straßenbahnen fahren bis tief in die Nacht. Die meisten Orte hatten bis 1.00 Uhr geöffnet. Die „Runde Ecke“, ehemalige Stasi-Zentrale, bot auf vier Etagen informationsreiche Ausstellungen an, im Schulmuseum konnte man neben Artefakten aus dem Bildungswesen in Kaiserreich, Nazizeit und DDR auch einen Extra-Saal zum Thema Friedliche Revolution 1989 besichtigen. Eine Führung im Stadtgeschichtlichen Museum beschäftigt sich mit dem Thema Ehe und der absurd hohen Literzahl an Bier und Wein, die im 16. Jahrhundert auf einer Hochzeit in Leipzig versoffen wurde – Sachsen und andere ostdeutsche Regionen galten als "die großen Trinklande". Seife herstellen und Pillen pressen im Apothekenmuseum, in die Geschichte des Verlagswesens und des Buchdrucks eintauchen in der Deutschen Nationalbibliothek und die Räume des verwinkelten Cafés „Zum Coffe Baum“ erkunden, wo das Kaffeemuseum interessante Fakten über die Kaffeehäuser des 18. Jahrhunderts und ihr Klientel bereithielt. Woher kommt der Begriff Kaffeekränzchen? Und was haben die Hunde und Papageien zu bedeuten, die sich auf den Stichen aus jener Zeit zwischen der Kaffeehausgesellschaft verstecken? Ein bisschen störend war der Regen, der wohl auch einige Besucher von einer ausgedehnteren Tour durch die Städte abgehalten hat an dieser äußerst lehrreichen und bildungsaktiven Nacht teilzuhaben.

Mittwoch, 7. Mai 2014

Nachrichten - nur mit Wodka und Krimsekt zu ertragen

Ab und zu beobachte ich die Medien. Dabei mache ich das volle Programm durch: Ich glaube alles, was man mir sagt. Ich bezweifle auch alles, was ich nicht hören will. Ich schimpfe lautstark oder protestiere gegen das, was ich an Dummheit in den Ansichten Anderer identifizieren zu können glaube. Und wenn extreme Meinungen aufeinander prallen und sich benachteiligt fühlen, werde ich irgendwie sauer. Irgendwie wissen immer zwei gegensätzliche Gruppen genau, wie der Hase läuft und niemand bemerkt, wo er im Pfeffer liegt.
Jedenfalls, das Thema „Russland und die Ukraine“ steckt voller Irrtümer. Der erste Irrtum beherrscht die Meinung aufseiten vieler eher links eingestellter Menschen: „Europa und die NATO betreiben Kriegshetze und wollen den Krieg!“, heißt es da. Ein Irrtum? Ja, denn einmarschiert auf die Krim sind die Russen. Putin hat sogar zugegeben, dass russische Soldaten hinter ihren Landsleuten auf der Krim standen, als diese die Kontrolle an sich nahmen. Und was sich jetzt in der Ostukraine abspielt, ist zu einem großen Teil dem Einfluss des übermächtigen Nachbarlandes zu verdanken. Niemand zweifelt mehr ernsthaft daran, dass Russland seine Schäfchen auf der grünen ostukrainischen Weide in jeder Hinsicht unterstützt. Doch in den Augen vieler vor allem linker Friedensaktivisten ist es die EU, die einen Krieg auf jeden Fall provozieren will. Vielleicht wurzelt diese Überzeugung noch aus dem Glauben an den sozialistischen Grundsatz der Friedenspolitik: Der „Osten“ wollte immer den Frieden und trug zum Frieden in der Welt bei, während der amerikanisch-kapitalistische Imperialismus um sich griff. Bis heute, sagen sie.
Und da sind wir schon beim zweiten Irrtum, der sich sowohl auf Seiten der linken Aktivisten als auch in der westlichen Politik wiederfindet: Es wird angenommen, dass Russland in irgendeiner Weise noch immer die Sowjetunion und den Sozialismus verkörpert, sozusagen als Gegenpart zur westlichen Hemisphäre, als Gegenpol des hiesigen Lebensstils. Dabei wird grob übersehen, dass Russland zwar noch immer den Kontrahenten der USA zu stellen versucht, das System als solches jedoch näher am rechten als am linken Rand steht. Putins Präsentation als starker Bärenjäger und freier Oberkörper der Nation erinnert zwar an die einstigen Führungspersönlichkeiten der Sowjetunion, doch Führer hat es schon immer in jeder politischen Extremen gegeben. Und Putins Partei „Einiges Russland“ hat mitnichten den Sozialismus auf dem Programm…
Wie man es dreht und wendet, es wird viel übereinander geredet, gegeneinander und aneinander vorbei. Die einen sehen mit offensichtlicher Bestürzung – und mit innerlicher Genugtuung –, dass die klaren Grenzen von damals nun endlich wieder Gestalt annehmen. Gut und Böse, klar definiert in West und Ost. Die anderen sehen das System, in dem sie leben und von dem sie profitieren, und seine Verbündeten als eigentliches Übel an und stellen sich (wie so oft) provokant auf die Gegenseite. Und beide Seiten fühlen sich in den Medien unterrepräsentiert – ein klares Zeichen dafür, dass sich beide als Advokaten derjenigen sehen, die hier gern die Opferrolle einnehmen. Für die Linken wird Putin zum Heiligen, für die Konservativen ist er der Gestalt des Teufels ähnlich. Und Obama? Kriegstreiber oder guter Samariter? Ansichtssache. Die Revolutionsregierung in Kiew – Demokraten oder Nationalisten? Man könnte endlos darüber streiten, was Frau Timoschenko in Wirklichkeit damit gemeint hat als sie sagte, sie wäre bereit, Herrn Putin mit einer Kalaschnikow in den Kopf schießen. Ein Gleichnis – oder eine Kriegserklärung?

Das Fazit der letzten Tage, Wochen und Monate fällt einigermaßen deprimierend aus: Politische Lösungen in Form von Sanktionen sind nutzlos. Illegitime Volksbefragungen führen zu Annexionen von ganzen Landesteilen. Sturköpfe auf allen Seiten noch dazu. Man findet sie in Washington, Paris und Berlin, in Moskau und in Peking, am Persischen Golf und auch in Brüssel. Und die Opfer? Die sterben in Syrien, massakrieren sich gegenseitig in Slawjansk oder ertrinken auf dem Weg in ein besseres, aber dennoch beschissenes Leben im Mittelmeer.

Und das alles genau hundert Jahre nach 1914.

In aller Welt rennen Außenminister wie z.B. Dr. Frank-Walter Steinmeier von einem Kongress zum nächsten, um sich mit Historikern über das Pulverfass Europa zu unterhalten, das zu Beginn des 20. Jahrhunderts explodiert ist. Doch Menschen scheinen nichts aus der Geschichte zu lernen – oder zu wenig.
Oder das Falsche.
Es nimmt kein Ende, bis alle Passagiere in den oberen Decks des gleichen Bootes, in dem wir ja bekanntlich alle sitzen, gelangweilt und jene auf den unteren Decks entweder ausgeschifft haben oder ertrunken sind.
Je mehr man darüber nachdenkt, desto weniger Lust hat man, sich die Nachrichten anzuschauen. Wer sich dieser Tage als hoffnungsvoller Pazifist outet, muss sehr naiv sein. Dann lasst uns doch mal alle zusammen naiv sein. Ich bin dabei.


Montag, 5. Mai 2014

Ausflug nach Torgau

Den ersten Teil meiner quasi mehrmonatigen Expedition durch Sachsen bildete vor ein paar Wochen ein Ausflug in das Städtchen Torgau, etwa 50 Kilometer nordöstlich von Leipzig. Der Bahnhof empfängt mich wie jeder andere mehr oder weniger ländliche Bahnhof auch: trostlos und in bahnhöflicher Nostalgie. Und genau das gefällt mir immer wieder.


Ein kurzer Regenschauer treibt die Leute unter das Vordach der winzigen Wartehalle, wo man sich ein Schnitzel im Brötchen bestellen kann, frisch aus der Tiefkühltruhe und ab in die Pfanne.


Über eine Allee geht es in Richtung Stadt. An diesem Ostermontag ist nicht viel los. Gleich am Ortseingang liegt der sowjetische Soldatenfriedhof aus dem Zweiten Weltkrieg.


Kaum jemand ist unterwegs. Die Kopfsteinpflasterstraßen sind mehr oder weniger leer. Ein älterer Herr mit Sakko schlendert durch die Gegend und fühlt sich von mir beobachtet.


Ich gehe in die Touristeninformation und hole mir ein bisschen Literatur. Torgau und Luther. Torgau und die sächsischen Burgen. Torgau und das DDR-Jugendumerziehungslager. Hier kann man auf den Spuren der Geschichte wandeln. Es gibt immer irgendwo ein Haus, in dem Luther mit Melanchthon über seine Thesen diskutiert hat.


Meine Kamera macht sich daran, noch ein wenig Architektur einzufangen. Schloss Hartenfels, in dessen Burggraben sich zur richtigen Zeit Braunbären zeigen.


Die spätgotische Marienkirche, in der Luthers Ehefrau und Witwe Katharina von Bora begraben liegt.


Das slawische Wort torgov, von dem sich der Name der Stadt ableitet, bedeutet so viel wie „Marktort“. Torgau hat eine bewegte Geschichte, geprägt von neuzeitlichen Kriegen, Reformation und Hexenverbrennungen. Die meisten, denen die Stadt ein Begriff ist, kennen sie jedoch aus den hinteren Kapiteln der Geschichtsbücher: An der Elbe bei Torgau trafen 1945 die Sowjets und die Amerikaner zusammen, auf ihrem Weg durch Deutschland.


Der Elbe Day erinnert an den 25. April 1945, an dem sich Soldaten zweier gegensätzlicher und doch verbündeter Staaten gegenüberstanden. Der genaue Ort des Zusammentreffens befindet sich eigentlich 30 Kilometer flussaufwärts, bei Strehla. Das Denkmal hat man jedoch hier gesetzt.


Der Text zeugt davon, dass sich Torgau nach dem Zweiten Weltkrieg auf der anderen Seite der innerdeutschen und innereuropäischen Grenze wiederfand:
Ruhm und Ehre der siegreichen Roten Armee und den heldenmütigen Truppen unserer Verbündeten die den Sieg über das faschistische Deutschland erkämpft haben.“ Und darunter auch auf Englisch: „Glory to the victorious Red Army…

Der Fluss selbst, die Elbe, bietet allerdings kein sonderlich majestätisches Bild. Das etwas verschlafene Städtchen Torgau war seinen Besuch jedoch wert.

ORIENTier Dich! - Das 6. Studentische Symposium der Islamwissenschaft

Normalerweise macht man keine Werbung für etwas, das schon gelaufen ist. Und trotzdem muss ich jetzt speziell jede/-n Studierende/-n eines in irgendeiner Form orientalischen Faches darauf hinweisen, dass man ein studentisches Symposium auf keinen Fall verpassen sollte. Dieses Jahr haben sich engagierte Student*innen aus Tübingen bemüht, das „6. Studentische Symposium der Islamwissenschaft und verwandter Fächer“ zu einem wahren Fest aller Orientalisierenden werden zu lassen. Getreu dem Motto „ORIENTier Dich!“ konnte man und frau sich für die anstehenden großen Arbeiten der akademischen Karriere inspirieren lassen. Für Input war gesorgt: Die Themengebiete reichten von der aktuellen Lage der Medienlandschaft in Ägypten über interkulturelle Rhetorik bis hin zur arabischen Ausgabe von Hitlers „Mein Kampf“ und dem Phänomen der deutschen Taliban am Hindukusch. Und neben den spannenden oder zumindest unterhaltsamen Vorträgen aus allen Bereichen der Orientalistik gab es natürlich auch was zu Essen. Nur das Wetter hätte auf jeden Fall besser sein können, denn wenn man nach Tübingen kommt, will man natürlich auch Stocherkahn fahren.

Eine Tagung ohne Professoren und Dozenten hat was für sich. Es gibt nur wenig Entspannteres als sich in lockerer Atmosphäre bei Tee, Bier und/oder einer Schischa zu vernetzen? Das nächste Symposium wird nächstes Jahr in Marburg stattfinden. Orientalist_innen aller Länder, vereinigt euch!