Samstag, 20. April 2013

Toyota und die Alternative

Eine schier unerschöpfliche Ressource menschlicher Kreativität ist die Automobilwerbung. Es ist erstaunlich, welcher Aufwand betrieben wird, um dem Zuschauer in nur eineinhalb Minuten das Gefühl zu vermitteln, dieses motorisierte Gefährt sei wie für ihn geschaffen. Monat für Monat sitzen Werbetexter und Designer in ihren Kämmerchen und tüfteln an neuen Spots, die den potenziellen Käufern von heute und morgen im Kopf haften bleiben und die verborgene Kaufkraft fleißiger Sparer wachkitzeln sollen.


Die Wahrscheinlichkeit, dass ich mir jemals einen Toyota zulegen werde, schätze ich relativ gering ein. Doch dieser Werbespot, auf den ich schon vor einer ganzen Weile gestoßen bin, hat mich verblüfft.
Die Botschaft ist einfach: In einem Umfeld, in dem alles von einer höheren Instanz vorgeschrieben wird, wagt sich ein einzelner Mensch an eine Alternative. – Das Regime ist fiktiv. Gleichschaltung passiert heute auf viele Arten und Weisen, doch der Spot nimmt auf kein greifbares Beispiel Bezug. Die Motive dieses Filmchens liegen nicht bei Politik oder Sozialem. Es geht allein um die zu erreichenden Verkaufszahlen. Und doch, gerade deshalb wird auf einen menschlichen Instinkt angespielt:
Die individuelle Freiheit.
Ich fand es verblüffend, eine Bild wie dieses in einem Werbespot für Autos zu finden. Ein Diktator gibt der Menschenmasse neue Regulationen bekannt. Die Menschen schweigen, hören zu. Nur einer bringt es fertig die Frage zu stellen, die allen auf der Zunge liegt, die jedoch keiner auszusprechen vermag:
Wieso?
In diesem Wörtchen liegt eine ganze Weisheit. Es ist das Grundverständnis der Aufklärung:
Zweifeln, hinterfragen, selbstständig denken. Und Alternativen in Erwägung ziehen.

Gotthold Ephraim Lessing hat zum Thema Aufklärung folgendes zu sagen:
Der menschliche Verstand lässt sich zwar ein Joch auflegen; sobald man es ihn aber zu sehr fühlen lässt, sobald schüttelt er es ab.
Aufklärung ist nicht nur ein Phänomen des 18. Jahrhunderts. Aufklärung ist etwas dauerhaft Bedrohtes und muss von Zeit zu Zeit durch Hinterfragen erneuert werden.

Es ist ein sehr gekonnter Schachzug des Toyota-Marketings, diesen Werbespot in einer Zeit zu veröffentlichen, in dem so vieles als „alternativlos“ dogmatisiert wird. Ob wir wirklich Toyota fahren sollten? Vielleicht nicht. Aber wir sollten auf jeden Fall häufiger die „Wieso?“-Frage stellen. Und auf diesen Umstand weist uns der Spot auf gerissene Art und Weise hin.

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