Als ich mir vor Jahren an einem Bahnhofskiosk zum ersten Mal ein Exemplar der "Deutschen Stimme" kaufte, war ich erstaunt: Ein Blatt, dass mit langen Artikeln Themen erörtert, die sonst kaum angesprochen werden. Ich war andererseits jedoch auch erschüttert, wie offen diese Zeitung mit ihrer kompromisslos rechten Meinung um sich wirft. Als das offizielle Presseorgan der NPD (Nationaldemokratische Partei Deutschlands) ist sie eines der wenigen legalen Propagandamittel der deutschen Rechtsextremen. Beim Kauf der Zeitung tat es mir gleich schon wieder Leid, den Rechten mein Kleingeld in den Rachen geworfen zu haben. Doch immerhin finanzierte man damals mit dem Geld noch die Billigarbeiter einer tschechischen Druckerei, heute befindet sich der Herstellungsort in Litauen. Die so vaterlandstreue NPD ließ im europäischen Ausland drucken.
Doch mit dem Kauf eines Exemplars der "Deutschen Stimme" bekam man auch allerlei lohnenswerte Informationen. Interessant waren nicht etwa die längst gewohnten Berichte über ungeliebte Asylbewerber und die "Überfremdung" der "geliebten deutschen Heimat". Von Interesse sind in jeder Ausgabe viel eher die Details. Die reichen von den Kontaktinformationen zu lokalen "patriotischen Stammtischen" bis hin zu Veranstaltungs- und Buchtipps. Bücher, die es in keinem Laden zu kaufen gibt, werden bekanntgemacht. Der Name so manches Autoren lässt aufhorchen.
Die "Deutsche Stimme" - die angeblich eine Auflage von 25.000 Stück pro Monat hat - ist die Soft-Variante für Einsteiger, die sich mit rechtsextremer Propaganda auseinandersetzen wollen. Hier findet man keine wilden Naziparolen oder Texte, die offen volksverhetzend sind. Vielmehr verpackt sich der braune Schlamm in einer Hülle aus einem Hauch von Intellekt und Journalismus. Die langen Artikel über die wirtschaftliche Situation des Vaterlandes oder die Berichte über illegale Einwanderer aus den neuen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sind zwar keine Lektüre für den glatzköpfigen Schläger in Bomberjacke und Springerstiefeln. Doch stellen diese fachmännisch zusammengestellten und sehr vielfältigen Themen ein gut sortiertes Sammelsurium an moderner Politpropaganda dar, die so zurechtgeschneidert ist, dass sie jeder halbwegs gebildete Mensch lesen und nachvollziehen kann.
Aus der Zeitung wird auch offen ersichtlich, wie international der deutsche Rechtsextremismus mittlerweile vernetzt ist. Eine Vielzahl von Interviews werden im Laufe eines Jahres geführt; Gespräche mit rumänischen Nationalisten und französischen Schriftstellern, Kommentare zu niederländischen Rechtspopulisten, und vieles mehr.
Der "Deutschen Stimme" kann man keine Volksverhetzung vorwerfen. Es wäre auch zu einfach. Denn das Presseorgan der NPD ist eher daran interessiert, ein seriöses Bild bei neugierigen Lesern zu hinterlassen. - Das hindert sie jedoch nicht daran, unter der Kategorie "Am linken Rand" über bekannte und unbekannte Antifaschisten zu spotten oder weiter den "amerikanischen Imperialismus" anzuprangern, der Deutschland mit einschließt und wie gewohnt anzuprangern, dass Deutschland von Israel regiert wird (?).
Besondere Merkmale aus der rechtsextremen Rhetorik sind Worte, die dem Außenstehenden seltsam erscheinen und oft auch schleierhaft bleiben. Hier einige Beispiele:
Wenn von den neuen Bundesländern die Rede ist, wird stets von Mitteldeutschland gesprochen. Der Begriff Ostdeutschland wird stets vermieden, denn der "deutsche Osten" ist für die Rechtsextremen immer noch die Gegend um Breslau, Königsberg und Posen - alles das, was früher Deutschland war und heute (seit fast 70 Jahren) Polen bzw. Russland ist.
Gerne wird von USrael gesprochen, wenn der Kapitalismus als solcher bezeichnet werden will: Ein Zusammenschluss zwischen den USA und Israel, der angeblich die Welt regiert.
Um Anglizismen zu vermeiden, wird bevorzugt von Weltnetz (Internet) geredet. Seltener ist der Begriff Heimatseite (für Homepage). Manche Umschreibungen sind mittlerweile wieder aus der Mode gekommen (wie etwa Stöberer für "Browser"), andere hingegen sind täglich in Gebrauch, wie etwa T-Hemd (T-Shirt).
Mit T-Hemden handelt auch der verlagseigene Versand der "Deutschen Stimme". Zum Thema Propaganda gibt es hier eine ganze Menge zu kaufen. Da die Zeitung an sich eher ein Tropfen auf dem heißen Stein bei der Verbreitung der rechtsextremen Ideologie ist, bietet der Versand so einiges an "originellen" Accessoires. Bei der Bekleidung dominiert schwarz das Bild, bei den Ansteckern schwarz-weiß-rot. Ob die Aufkleber zum 140. Geburtstag des Deutschen Reiches (1871 bis 2011) der Renner sind, lässt sich schwer beurteilen. Interessanter ist da schon das Arsenal unter der Kategorie "Tonträger": Hier gibt es alles, was gerade noch nicht verfassungsfeindlich ist, von klassischer urdeutscher Volksmusik bis hin zu den "modernen deutschen Balladen". Und hier stoße ich auf eine Lichtgestalt des rechtsextremen Volkstums: Frank Rennicke, Fascho-Barde und ehemals Anwärter auf das Amt des Bundespräsidenten. Mit diesem Sänger lässt sich wahrlich keine nationale Revolution starten - Gott sei's gedankt...
Wie schon gesagt, die "Deutsche Stimme" und ihr hauseigener Versand sind der Einstieg in die Subkultur des Rechtsextremen. Hier gibt es alles, was den wirklichen extremistischen Ideologen (nicht) interessiert.
Um die richtig brisanten Überreste der Ideologie von einst zu finden, muss man in den Tiefen des Internet graben - oder sich mit den Liedern der sogenannten Schulhof-CD beschäftigen.
Die Schulhof-CD wurde zum ersten Mal 2004 von der NPD zum Wahlkampf gebraucht. Auf ihr finden sich Rechtsrock-Bands wie Lunikoff, Noie Werte oder Sturmwehr sowie der schon erwähnte Frank Rennicke. Ziel dieser CD war die Anwerbung von Jugendlichen, die mit der primitiven und eingängigen Musik, die dazu noch Tabu-Themen anspricht, angelockt werden sollten. Die Propaganda per CD war jedoch keine Erfindung der NPD. Das Projekt Schulhof-CD war im gleichen Jahr aus Werbezwecken von den militanten Freien Kameradschaften gestartet worden.
Die rechte Musikszene ist eines der wirkungsvollsten Propagandamittel der Rechtsextremisten. Zwar ist auch hier der Verfassungsschutz aktiv, jedoch vereinfacht das Internet das illegale Herunterladen illegaler Lieder enorm. Während Websites mit rechtsradikalem und verfassungsfeindlichem Inhalt über kurz oder lang identifiziert und gesperrt werden, verbreitet sich Musik in der Szene schnell und mit hoher Effizienz. Das Interesse von Jugendlichen, die sich gerade in einer Phase der politischen Orientierung befinden, ist oft groß. Die Tatsache, dass in den Songtexten über "verbotene" Themen geredet wird, macht die Lieder der verbotenen Band Landser oder anderer Gruppen attraktiv.
Die Texte der Rechtsrockbands bewegen sich meist auf einem relativ niedrigen Niveau. Die Themen sind klar: Entweder es geht um Deutschland heute und die Ausländer, die als eines der Hauptprobleme gesehen werden. Schon Titel verraten eine ganze Menge vom Inhalt des Liedes: "Hurra, das Asylheim brennt" sangen Landser. Eine andere Band, Kommando Freisler, verherrlicht den Holocaust auf ziemlich grausige Weise. Die erste Strophe beginnt mit "In Belsen, in Belsen, da hängen sie an den Hälsen"... Die Top-Themen sind die Vergangenheit Deutschlands, wo man die Rolle der SS verherrlicht. Der Deutschland-Kult reicht bis hin zu den alten Germanen und ihren Gottheiten. (Man zieht in rechtsextremen Kreisen die Verehrung des germanischen Gottes Thor gegenüber der "jüdischen" Religion des Christentums vor.) In der heutigen Zeit spielen die meisten Lieder auf die Ausländer-Problematik an oder auf Amerika und Israel. Antisemitismus, Fremdenhass und Verherrlichung bzw. aktive Verehrung des Faschismus sind die "Evergreens" der rechten Rockkultur.
Um einmal kurz zusammengefasst ein Profil modernen rechtsextremen Propaganda zu entwerfen, will ich die wichtigsten Mittel noch einmal nennen:
1. Öffentlichkeitsarbeit der Parteien aus dem rechtsextremen Bereich.
Offizielle Presseorgane der rechtsextremen Parteien, wie etwa die "Deutsche Stimme" sowie die Wahlkampfwerbung der NPD. Hierzu gehört auch der NPD-Parteichef, der gezielt Bürger seines Wahlkreises auf dem Wochenmarkt anspricht.
Zielgruppe: Menschen aus allen Bildungsschichten und Berufsgruppen, auch ältere.
2. Das Internet.
Versandhäuser und Download-Portale, wo Schriften wie Hitlers "Mein Kampf" zu erhalten sind sowie Websites mit rechtsextremistischem Textmaterial. Diese Seiten werden meist von deutschen Neonazis aus den USA gelenkt und verwaltet, was den Zugriff des deutschen Verfassungsschutzes erschwert bzw. unmöglich macht.
Zielgruppe: schon radikalisierte junge Neonazis, die ihre Ideologie an Neuzugänge weitergeben.
3. Musik.
Das Musikgeschäft ist eines der Hauptverbreiter rechtsextremer Propaganda.
Zielgruppe: junge, enttäuschte Menschen, potenzielle Wähler und Nachwuchs-Neonazis.
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