Sonntag, 1. Mai 2011

"Der nationale Sozialist von nebenan": Ein Querschnitt durch die Szene des Rechtsextremismus in Deutschland

Rechtsextremismus-Reihe
(Deutschland, Einführungsbeitrag)


Am 1. Mai wird Deutschland an seine Vergangenheit erinnert. Zwar vergessen die meisten Wanderer und Anhänger des üppigen Bierkonsums, was es mit dem "Tag der Arbeit" auf sich hat. Doch dafür gibt es eine gut gelaunte, mit bunten Fahnen ausgestattete Gruppe von jungen Menschen, die uns daran erinnert, wem wir diesen Tag zu verdanken haben. Der Name des besagten Österreichers dürfte uns allen wohl bekannt sein. Zur Beruhigung kann gesagt werden, dass der erste 1. Mai seiner Art in Deutschland schon im Jahre 1919 abgehalten wurde. Er ist also keine Erfindung der Nationalsozialisten. (Ebensowenig ist die oft gerühmte Autobahn eine Innovation aus dem NSDAP-Repertoire; die erste Autobahn wurde schon 1932 nach dreijähriger Bauzeit vom damaligen Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer (!) eröffnet.)

Während der 1. Mai dem Großteil aller (jungen) Deutschen heute als Anlass für ausgelassenes Feiern, Fressen und Saufen dient, haben sich z.B. in Heilbronn bis zu 1.000 junge "Nationaldemokraten" versammelt, um an eine vergangene Zeit zu erinnern. Bei der Demonstration gab es (wie immer) ein riesiges Polizeiaufgebot und eine weitaus größere Gegendemonstration. Etwa 5.000 Demonstranten versperrten den Rechten die Marschroute. Etwa 300 "Linke" wurden vorübergehend festgenommen, weil sie die "angemeldete Demonstration der Rechten" stören wollten.
An dieser Stelle muss bemerkt werden, dass solche Demonstrationen stets nach dem gleichen Muster ablaufen: Zuerst wird die rechtsextreme Demo angemeldet. Die Stadt prüft zuerst, ob man diese Demonstration genehmigen kann. Nicht etwa, weil dort verfassungsfeindliche Parolen gerufen werden, sondern vielmehr, weil man etwaige Gewalt vonseiten der linken Gegendemonstranten fürchtet. Schon bemerkenswert. Aber für Sicherheit ist ja gesorgt: In Heilbronn waren tausende Polizisten im Einsatz, um die Gruppen der Demonstranten getrennt zu halten und die Rechten zu "schützen". Die Polizei, dein Freund und Helfer. Sie schützt Dich, auch wenn Du das System bekämpfst, für das sie steht...
An dieser Stelle eine kurze Einschätzung der schwarzgekleideten, vermummten Gegendemonstranten: Der gewöhnliche Linksautonome gibt sich als Werkzeug der Demokratie - oder des Anarchismus - aus, je nach Situation. Er sammelt am Bahnhof Steine aus dem Kiesbett, um sie dann gegen die Nazis zu werfen. Und wenn keine Nazis da sind, dann wirft er sie auf die Polizei. Sollte die Polizei mal außer Reichweite sein, werden Schaufenster und Supermarkteingänge demoliert. Der 1. Mai bringt noch den Vorteil, seine emotionalen Ausbrüche gegen die Prestigeobjekte der Bourgeoisie zu richten - kurz gesagt gegen alles, was vier Räder hat, einen Mercedes-Stern trägt und sich irgendwie entzünden lässt. Wenn die antifaschistische Bewegung an Tagen wie diesen zum größten Teil aus halbwüchsigen Krawallmachern besteht, dann wird unserer Demokratie bald nicht mehr zu helfen sein...

Das Thema in diesem Artikel sind jedoch nicht die Linken, sondern ihre ewiggestrigen Gegenspieler. Und hier muss man zuerst einmal klassifizieren, denn das rechte Spektrum ist sehr vielschichtig:

1. Der deutsche Karl-Wilhelm-Friedrich-Adolf-Normalverbraucher.
Mittleren bis spätmittelalterlichen Alters. Er tritt in Gasthöfen auf, bestellt ein, zwei (oder bis zu 13) Bier und bildet sich ein, etwas von Politik zu verstehen, was er in Diskussionen am Stammtisch auch offensiv zur Geltung bringt. Gängige Zitate sind "Die Ausländer sind schuld!" oder "Das wird man doch noch mal sagen dürfen!", oft wird noch auf die abgedroschene Phrase "Früher war alles besser" zurückgegriffen.
Unmittelbares Gefahrenpotenzial: gering, jedoch vorhanden (da wahlberechtigt)

2. Der kahlköpfige Schläger.
Jung, ohne nennenswerte Schulbildung, dafür aber oft mit Baseballschläger und gleichwohl glatzköpfigen Freunden unterwegs. Brüllt bevorzugt Parolen und singt national gesinnte Lieder, die meist verboten sind und mit einem Haftbefehl geahndet werden. Wird als aggressiv und brutal eingeschätzt. Schwenkt gerne schwarz-weiß-rote Fahnen mit Reichsadler. Die klassische Glatze (Nationalicus cottbusensin) kommt jedoch immer seltener vor; der moderne Nationalist tritt in Anzug und Krawatte auf Wochenmärkten und Wahlkampfveranstaltungen auf.
Unmittelbares Gefahrenpotenzial: akut.

3. Der nette Sozialist von nebenan.
Tritt gern seriös auf und tarnt sich mit grauen Sakkos. Spricht Passanten an und stellt ausgewählte Fragen wie "Mögen Sie die derzeitige Regierung?" oder "Wussten Sie schon, dass wir von Amerika regiert werden?" Bei Interesse lädt er gern zur heimatlichen Stammtischrunde ein, wo Fotos vom Krieg gezeigt werden und wo man über Deutschlands Zukunft diskutiert. Hauptprogrammpunkt in Fragen zu Wirtschaft, Bildung und Umwelt: "Ausländer raus!"
Unmittelbares Gefahrenpotenzial: unberechenbar; stellt die Demokratie in Frage und erwirbt sich seine Sympathisanten mit bunt-braunen Flyern und Broschüren.

(Quelle: Bundesministerium des Innern)

(Ein besonders seltenes Exemplar aus der Gattung der rechten Extreme ist das "deutsche Mädel", meist blond, leider ungebildet, aber hübsch anzuschauen. Vertritt den 27%-Frauenanteil innerhalb der NPD.)


----------------------------------------------------------------------------

Zurück zur Ernsthaftigkeit. In den nächsten Beiträgen zum Thema Rechtsextremismus geht es unter Anderem um den Zusammenschluss von NPD und DVU am 1. Januar 2011, der von der Öffentlichkeit eher unbeachtet geblieben ist, sowie um einige Einblicke in die rechtsextremistische Zeitung "Deutsche Stimme" und rechtes Propagandamaterial im Allgemeinen. Das Problem der deutschen Öffentlichkeit ist, dass man sich über Rechtsextreme im häufigsten Fall lustig macht, dass man sie parodiert und lächerlich macht. Das ist ein Weg, aber es ist wahrscheinlich nicht der sinnvollste, um vor einer ernstzunehmenden Gefahr zu warnen. Das ernsthafte Informieren ist meistens aufschlussreicher, wenn es darum geht, rechtsextremen Argumenten und Propaganda auf den Grund zu gehen und sie fachgerecht zu entschärfen. Die nächsten Artikel und Beiträge auf meinem Blog werden deshalb schätzungsweise um ein Vielfaches seriöser werden.
Was ist der Grund, dass manche Menschen für ein System auf die Straße gehen, das unmenschlich war und zudem auch politisch komplett versagt hat? Wie spiegelt sich die Einstellung dieser Menschen manchmal sogar in den Medien oder in der öffentlichen Meinung wider? Warum sagt ein "nationaler Demokrat" lieber Weltnetz anstatt Internet? Und warum gleichen die Oberlippenbärte der jungen Nationalen immer dem des Österreichers?? Diesen Fragen werden wir auf den Grund gehen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen