Donnerstag, 3. März 2011

Hebron - Stadt der Patriarchen

Die größte Stadt des Westjordanlandes hat nur wenige Sehenswürdigkeiten zu bieten. Eine davon bildet den Kernpunkt von jahrhundertelangen Streitigkeiten: die Höhle Machpela, die der Urvater Abraham als Grabstätte für seine Familie gekauft hatte.


Das am besten erhaltene Architekturdenkmal des antiken Israel steht in jener Zone Hebrons, die nur ca. 3 Prozent der Stadt einnimmt - der jüdischen Sieldung. Hebron ist in mehrere Teile zerpflückt, die entweder der palästinensischen Verwaltung unterstehen oder eben der israelischen Militärhoheit. Im jüdischen Bezirk leben auch Araber, die durch strikte Regelungen eingeschränkt sind. Zugang zu den Gräbern der Patriarchen Abraham, Isaak und Jakob in der Höhle Machpela hat heute jeder. Es führt jedoch ein extra Eingang von der arabischen Seite her. Ich war erstaunt über die etwas halbherzigen Kontrollen auf der jüdischen Seite; letztes Jahr war hier deutlich mehr Spannung in der Luft. Auch gab es mehr Touristen als bei meinem letzten Besuch. Damals bin ich durch eine halb verlassene jüdische Siedlung gelaufen.






























Verlassen sind die Häuser und Geschäfte der ehemaligen arabischen Bewohner heute auch noch. Eine ganze Straße, leer und verkommen. Ab und zu ein israelischer Beobachtungsposten oder zumindest einer der offenen Betonquader, der bei eventuellem Schusswechsel als Deckung dient.
Heute war alles ruhig. Die Touristen schlenderten ihres Weges, einige religiöse Juden beteten an den steinernen Kenotaphen (Scheingräber) an den Stellen, an denen sich unter dem Boden die echten Gräber der Patriarchen befanden. Von der anderen Seite des Gebäudes, die als Moschee dient, können Muslime das Grab von Abraham sehen. Sie sehen genauso viel wie die jüdischen Besucher: Ein Steinklotz hinter Gittern. Die muslimischen Besucher versammelten sich auf der anderen Seite um die Mittagszeit zum Gebet.


Alles machte heute einen ungewohnt bzw. unerwartet friedlichen Eindruck. Ich bin auf jener Straße in Richtung arabische Stadt gegangen, die man aus youtube-Videos kennt, auf denen man jüdische Siedlerkinder sieht, die arabische Schüler auf dem Weg von der Schule nach Hause pisacken. Heute sind alle friedlich nach Hause gegangen. Ein alter Scheich mit rotem Palästinensertuch ging die Straße entlang, der israelische Soldat saß auf einer Mauer und langweilte sich. In der H2-Zone, dem Gebiet unter Schutz der IDF (israelische Armee), leben 500 jüdische Siedler und 30.000 Araber. Die Soldaten sorgen für den Schutz der ultrareligiösen Siedler.

Die Lage in Hebron ist bekanntermaßen nicht immer friedlich. Und das liegt hier weniger an großer Weltpolitik oder arabischer Hetzpropaganda, sondern eher an der offenen Feindseligkeit der radikalen Siedler, die häufig zum Ausdruck kommt. Ich bin in den arabischen Teil gegangen, über einen kleinen Checkpoint. Auf der anderen Seite findet man, wenn man den Basar entlanggeht, eine Gasse, die mit einem großen Gitter überspannt ist. Dieses Gitter dient zum Schutz der arabischen Bevölkerung gegen die jüdischen Siedler, die sich in den oberen Stockwerken der Häuser niedergelassen haben (!) und beizeiten Dinge auf arabische Passanten herabgeworfen haben. Man sieht allerlei Müll und auch größere Steine auf dem Gitter liegen.


"Observer" beobachten das Geschehen

Im arabischen Teil bin ich den Ratschlägen des Reiseführers gefolgt: Als Tourist zu erkennen geben, Fotoapparat umhängen, viele Fotos schießen, am besten ein Kreuz um den Hals tragen. Hab ich gemacht. Und es stimmt: Anders als in Ramallah oder Nablus wird man hier von jedem (!) Entgegenkommer angeschaut und einegschätzt. Im Basar begegnete mir ein Halbstarker, der laut "Walla, Masihi!" ("Bei Gott, ein Christ!") ausrief. Jeder fünfte Passant kommentierte mich oder mein Kreuz. Ob das gut oder schlecht war, konnte ich nicht immer deuten. Zumindest wurde ich nicht verdächtigt, ein Israeli zu sein -was in Hebron wohl zu einer politischen Krise geführt hätte...

Es ist merkwürdig. Die Gräben zwischen den Menschen sind hier so tief. Die Geschichte der Stadt hat es gezeigt: 1929 brachte der arabische Mob in Hebron 67 Mitglieder der jüdischen Gemeinde um. Im Zuge der antijüdischen Aufstände im ganzen Land wurden auch alle Juden aus Hebron vertrieben. Im Jahre 1980 warfen Araber an einem Freitagabend Granaten von einem Dach aus auf eine Gruppe vom Gebet heimkehrender Juden. Dabei wurden sechs Menschen getötet und 16 verletzt. Die Geschichte prägt die jüdischen Siedler. Bis heute ist den Juden der Stadt das Massaker von 1929 im Gedächtnis geblieben.
Ein anderes schreckliches Massaker ereignete sich im Februar 1994 im muslimischen Teil der Machpela-Höhle: Der radikale Siedler Baruch Goldstein drang mit einem Sturmgewehr in die Moschee ein und ermordete 29 betende Muslime und verletzte über hundert andere, bevor er gelyncht wurde. Noch heute wird er von vielen Siedlern als Held verehrt.
In den letzten Jahren kam es immer wieder zu Ausschreitungen. Zuletzt randalierten jüdische Siedler, als 2008 ein Haus vom israelischen Staat geräumt wurde. Es wurde geschossen, muslimische Gräber geschändet, eine Moschee beschmiert.
Und erst im Januar wurden auf einer Straße bei Kiryat Arba, der jüdischen Sieldung nahe bei Hebron, vier Siedler in ihrem Auto von Hamas-Terroristen erschossen.


Gedenken an jüdische Opfer eines arabischen Überfalls

Juden und Muslime haben vor Jahrhunderten einmal auch hier friedlich zusammengelebt. Ob so etwas wohl jemals wieder möglich sein wird? Bis dahin ist es ein sehr langer Weg, der für beide Seiten Eingeständnisse bedeutet - in Hebron vielleicht mehr für die jüdische.

Der gepanzerte Bus, der mich und einige andere Besucher wieder zurück zur Central Bus Station in Jerusalem brachte, fuhr auch durch die jüdische Siedlung Kirjat Arba, nahe bei Hebron. Laut Reiseführer leben hier fanatische, radikale jüdische Siedler. Aber eigentlich sehen die Leute hier auch nicht anders aus als sonstwo in Israel. Die wirklich radikalen, hartgesottenen und ultrareligiösen Siedler leben direkt in Hebron. In Kirjat Arba ist mir nur aufgefallen, dass es auffallend viele ostasiatische Juden gibt. Ostasiaten gibt es in Israel viele, doch dabei handelt es sich meist um Pflegekräfte und Landarbeiter aus Thailand oder vor allem von den Philippinen. Doch in der jüdischen Sieldung sind es asiatische Juden, Frauen mit Röcken, ein junger Soldat. Auf dieses "Phänomen" habe ich bis dato noch keine Erklärung gefunden.

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