Dienstag, 30. September 2014

Bloggerherbstbeginn

Der Herbst hat begonnen und es ist mal wieder an der Zeit, mich bei meiner Leserschaft zu melden und Euch mit einem freundlichen Gruß aus dem Sommer zu entlassen. Ich meinerseits habe in Bonn Quartier bezogen, bin allerdings noch nicht ganz am Ziel der Reise an den Anfang eines neuen Lebens- und Karriereabschnitts angelangt. Jedenfalls scheint die ehemalige Hauptstadt ein guter Ort zu sein, um etwas länger zu verweilen. Momentan fühle ich mich allerdings eher wie ein exilierter Monarch, der ohne Gefolge und mit drei mehr oder weniger mickrigen Gepäckstücken in der Verbannung leben muss, die sich ironischerweise auch noch als „Hotel President“ präsentiert. Copyshops und Behördengänge, auswärts essen und abends auf dem irreparabel dunkel und kontrastlos eingestellten Flachbildschirm die Nachrichten verfolgen – wer meinen zeitweiligen Sinn fürs Melodramatische kennt, der wird begreifen, dass ich in Bonn ein wahres Paradies gefunden habe und mich eigentlich über nichts beschweren will.

Es gibt also (noch) nicht viel zu berichten. Unterschiedlichste Projekte verschiedensten Charakters liegen in der symbolischen Schublade und warten auf Inangriffnahme. Und auch mein Blog harrt geduldig aus in Erwartung verstärkter Aktivität. Doch gerade in solchen ereignislosen Wochen, wenn nichts Neues von mir in die Weiten des endlosen, unbeherrschbaren und bisweilen gnadenlos desinteressierten Internets hinausgesendet wird, lohnt ein Blick auf die Statistiken. Woher kommen die zahlreichen Zufallsleser, die durch Schlagworte wie selbstgebastelte ausweise oder stampfen ist meine religion auf mein Blog gestoßen sind? Was sind die am häufigsten gelesenen Beiträge, wenn nichts Neues geliefert wird? Nicht etwa mein aktuellster Beitrag zum Ersten Weltkrieg und meiner beachtenswerten Sammlung deutscher Feldpostkarten steht in dieser Woche an der Spitze der Liste, sondern „Jom Kippur in Jerusalem“ (2012), „Die Reichsbürgerbewegung (Teil 2)“ von 2013 sowie der Beitrag zum NPD-Wahlkampfplakat gegen die Sinti und Roma. Zurzeit steht Deutschland natürlich ganz oben bei den Herkunftsländern meiner Zufallsleser – anders als vor einigen Wochen, als eine Vielzahl russischer Besucher meine Seite stürmte. Der entfernteste Visitor scheint aktuell aus Australien zu kommen.

Natürlich kann es interessant sein, bei „Stillstand“ die eigenmächtigen Bewegungen der Zugriffe und Zufallsklicks zu beobachten. Günstiger wäre es allerdings, seine Stammleser(innen)schaft mit regelmäßigeren Beiträgen zu „beliefern“. Aus diesem Grund werde ich mich bemühen, in den nächsten Wochen und Monaten wieder regelmäßig zu bloggen und Euch auf dem Laufenden zu halten über Dinge, die ich interessant finde, und Dinge, von denen ich glaube, dass sie außer mir noch andere Leute interessant finden müssten. Ganz nach dem Motto „Blog-Artikel, die diesem und jenem gefallen haben, könnten auch Ihnen gefallen!“ will ich nun wieder etwas Fahrt aufnehmen, damit mich der Gegenwind endlich wieder zu kühlen beginnt. (Welch schwer einzuordnende und bedeutungsoffene Metapher, merke ich gerade…)

In diesem Sinne, ich wünsch‘ Euch was. Wir hören voneinander.

Freitag, 5. September 2014

Kriegspostkarten

Vor hundert Jahren begann der Erste Weltkrieg. Ich habe in meiner Antiquitätensammlung gestöbert und bin auf eine interessante Postkarte gestoßen. Sie stammt aus dem Jahre 1915 und wurde von einem jungen Soldaten an der russischen Front in die unterfränkische Heimat geschickt. Die Bildseite zeigt zwei Motive: Deutsche Soldaten, die mit abgenommenem Helm und abgestellten Gewehren andächtig zum Gebet verharren. Ein Gebet voll „Donner des Todes“ und geöffneten Adern. Die Szene der betenden Männer steht im Gegensatz zu dem zweiten Teil des Bildes: Vorrückende Preußen, die Bajonette auf ihre Gewehre aufgepflanzt. Zwei Armeen stehen sich gegenüber, ein flaggentragender Franzose greift sich mit der Hand ans Herz, getroffen von einer deutschen Kugel.


Der Erste Weltkrieg war nur der Anfang einer katastrophalen Entwicklung, die das 20. Jahrhundert schon in seinen ersten 45 Jahren zu einem blutigen Säkulum werden lassen sollte. Können wir heute noch nachvollziehen, wie sich Deutsche und Franzosen so entschieden entgegentreten konnten, voller Begeisterung und kampfentschlossen bis in den Tod? Vor hundert Jahren zogen die Massen jubelnd in die Schlachten, Rudel frischer Abiturienten warfen ihre Hüte vor Freude über die neue Herausforderung „Krieg“ in die Luft. Diese Karte aus meiner Sammlung ist ein anschauliches Beispiel. Eindrücklich ist der Text, den ein gewisser Joseph an seine Cousine Elise schrieb:

Liebe Elise! Hat Wilhelm Euch schon besucht? Wie sieht er nur aus? Ist seine Wunde gut geheilt? Schade für den armen Kerl, dass er nicht mehr mit spielen kann. Es wird alle Tage interessanter. Die herzlichsten Grüsse an Deine lieben Eltern. Gruss Joseph.

Der Krieg, ein Spiel? Wie groß muss die Begeisterung bei diesem Joseph, einem deutschen Frontsoldaten, im April 1915 gewesen sein? Krieg ist nur dann, wenn alle hingehen und mitmachen. Und vor hundert Jahren waren die Völker geradezu erpicht darauf, an diesem großen „Spiel“ teilzunehmen.


Das erste große Schlachten des 20. Jahrhunderts forderte knapp 17 Millionen Opfer. Die Nationen lernten kaum etwas dazu. Es dauerte kaum mehr als zwanzig Jahre, bis die nächste – noch größere – Katastrophe ihre Opfer forderte.

Und das Schlimme ist, dass es Kriege auch heute noch gibt. Sie sind etwas Menschliches – und unmenschlich zugleich. Doch Menschen finden immer wieder neue Begründungen, um ihre Macht zu demonstrieren, und neue gerechte Verkleidungen, in die sie das Unrecht des Krieges hüllen. Wo stehen wir heute, hundert Jahre nach Kriegsbeginn? Das Jahr 2014 scheint leider ein besonders blutiges Jahr zu werden. Warum?