Vor hundert Jahren begann der
Erste Weltkrieg. Ich habe in meiner Antiquitätensammlung gestöbert und bin auf
eine interessante Postkarte gestoßen. Sie stammt aus dem Jahre 1915 und wurde
von einem jungen Soldaten an der russischen Front in die unterfränkische Heimat
geschickt. Die Bildseite zeigt zwei Motive: Deutsche Soldaten, die mit
abgenommenem Helm und abgestellten Gewehren andächtig zum Gebet verharren. Ein
Gebet voll „Donner des Todes“ und geöffneten Adern. Die Szene der betenden
Männer steht im Gegensatz zu dem zweiten Teil des Bildes: Vorrückende Preußen,
die Bajonette auf ihre Gewehre aufgepflanzt. Zwei Armeen stehen sich gegenüber,
ein flaggentragender Franzose greift sich mit der Hand ans Herz, getroffen von
einer deutschen Kugel.
Der Erste Weltkrieg war nur
der Anfang einer katastrophalen Entwicklung, die das 20. Jahrhundert schon in
seinen ersten 45 Jahren zu einem blutigen Säkulum werden lassen sollte. Können
wir heute noch nachvollziehen, wie sich Deutsche und Franzosen so entschieden entgegentreten
konnten, voller Begeisterung und kampfentschlossen bis in den Tod? Vor hundert
Jahren zogen die Massen jubelnd in die Schlachten, Rudel frischer Abiturienten
warfen ihre Hüte vor Freude über die neue Herausforderung „Krieg“ in die Luft.
Diese Karte aus meiner Sammlung ist ein anschauliches Beispiel. Eindrücklich
ist der Text, den ein gewisser Joseph an seine Cousine Elise schrieb:
Liebe Elise! Hat Wilhelm Euch schon besucht? Wie
sieht er nur aus? Ist seine Wunde gut geheilt? Schade für den armen Kerl, dass
er nicht mehr mit spielen kann. Es wird alle Tage interessanter. Die
herzlichsten Grüsse an Deine lieben Eltern. Gruss Joseph.
Der Krieg, ein Spiel? Wie
groß muss die Begeisterung bei diesem Joseph, einem deutschen Frontsoldaten, im
April 1915 gewesen sein? Krieg ist nur dann, wenn alle hingehen und mitmachen.
Und vor hundert Jahren waren die Völker geradezu erpicht darauf, an diesem
großen „Spiel“ teilzunehmen.
Das erste große Schlachten
des 20. Jahrhunderts forderte knapp 17 Millionen Opfer. Die Nationen lernten
kaum etwas dazu. Es dauerte kaum mehr als zwanzig Jahre, bis die nächste – noch
größere – Katastrophe ihre Opfer forderte.
Und das Schlimme ist, dass es
Kriege auch heute noch gibt. Sie sind etwas Menschliches – und unmenschlich
zugleich. Doch Menschen finden immer wieder neue Begründungen, um ihre Macht zu
demonstrieren, und neue gerechte Verkleidungen, in die sie das Unrecht des
Krieges hüllen. Wo stehen wir heute, hundert Jahre nach Kriegsbeginn? Das Jahr
2014 scheint leider ein besonders blutiges Jahr zu werden. Warum?
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen