Nach zehn Tagen im Nordirak war unsere Middle East Excursion zu Ende und wir machten uns an die Rückfahrt nach Diyarbakır. Die ersten von uns verließen die Gruppe schon am Abschlussabend, um die Weiterreise nach Amman anzutreten. Von unseren beiden kurdischen Begleitern trennten wir uns an der türkischen Grenze; sie wollten in den nächsten Tagen weiter ins kriegsgeschüttelte Syrien.
Der Grenzübertritt kostete uns über zwei Stunden. Irgendwann gelang es den Fahrern, mit den Zuständigen zu sprechen. Wir hätten einen Flug zu erreichen in Diyarbakır, die Zeit drängte. Irgendwann kam der berüchtigte Vorgesetzte und winkte uns weiter. Unsere Koffer wurden durchleuchtet, die zwei uns schon bekannten Kleinbusse wurden von den Grenzbeamten gecheckt. Die Uhr wurde umgestellt, der türkische Stempel kam in den Pass. Dem Zeitdruck zum Trotze legten die beiden Fahrer am Duty-Free-Shop eine Pause ein, schickten uns zum Teetrinken und gingen erst einmal ihren eigenen Geschäften nach. Als es jedoch auf legaler Basis nicht möglich war, zehn Tüten zu je drei Stangen Zigaretten einzukaufen, wurden wir hinzugezogen und trugen zusammen grob geschätzt 6.000 Zigaretten zu unseren Bussen. War ich nun wirklich aktiv in Zigarettenschmuggel an der irakisch-türkischen Grenze beteiligt? Das war mag der geneigte Leser selbst beurteilen.
Hinter der Grenze teilten wir uns auf in zwei Gruppen: Die eine Gruppe fuhr schnurstracks zum Flughafen. Die andere wollte sich Zeit lassen und erstmal in Mardin zu Mittag essen. Da mein Flug erst am nächsten Tag ging gehörte ich zu jenen, die sich noch ein wenig Kultur und Geschichte einverleiben wollten.
Mardin sollte man allerdings auch wirklich gesehen haben. Die jahrtausendealte Stadt war u.a. schon von den Hurritern bewohnt gewesen. Von ihr aus kann man bei guter Sicht einen großen Teil der mespotamischen Ebene überblicken.
Unsere erste Station war das syrisch-orthodoxe Kloster Zafaran, das idyllischer kaum liegen könnte. Es wurde im 5. Jahrhundert an einem Berghang errichtet, auf dem schon vor 4.000 Jahren ein Sonnentempel gestanden hatte. In die angeblichen Reste jenes Tempels, die heute unterirdisch liegen, wird man von dem örtlichen Reiseführer geführt. Er erklärt, dass die Steinquader, die die Decke bilden, zwei Meter lang und eine Tonne schwer seien und ohne Mörtel, sondern nur durch ihr eigenes Gewicht und eine raffinierte Bauweise festgehalten werden. Sowohl faszinierend als auch bedrohlich. Aber die Decke hält. Seit tausenden von Jahren.
Oben über den antiken Mauern befindet sich eine Kirche, die wunderbar restauriert wurde und noch heute den Mönchen als Ort des Gottesdienstes dient.
In einem weiteren Raum kann man einige Artefakte vergangener Zeiten begutachten: Eine Druckerpresse aus dem späten 19. Jahrhundert, die Überrreste zweier Kutschen sowie ein Modell des Klosters, das ein Mönch in jahrelange Arbeit aus Zahnstochern zusammengeklebt hatte.
Wir machen unser letztes Gruppenfoto und halten den nur noch neun Personen zählenden Rest unserer Delegation digital fest. Danach geht es weiter in die Stadt, zum Mittagessen.
Mardin wird heute von Kurden, Arabern und einigen Aramäern bewohnt. Ursprünglich war Mardin eine christliche Stadt. Während des Ersten Weltkrieges wurden hier 1915/16 jedoch die meisten Christen der Stadt umgebracht, ganz gleich ob sie armenische, arabische oder aramäische Christen waren. Heute leben in der Region höchstens noch 10.000 Christen, deren Oberhaupt der Bischof von Mardin ist.
Wir lassen uns unser Dürüm in einem kleinen Imbiss in der Vorstadt schmecken. Die Straßen von Mardin sind sehr belebt. Wir sind froh, dass wir diesen kleinen Abstecher noch gemacht haben, und brechen nach dieser Pause wieder auf, um die letzten 90 Kilometer nach Diyarbakır zurückzulegen, wo sich unsere Wege dann endgültig trennen.
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