Dienstag, 8. Februar 2011

Kurtlar Vadisi: Filistin

Eine kleine Reaktion auf den neusten Knüller... (An dem Abend war ich echt übel drauf.)



Der Film war von vornherein sehr umstritten. Nach einigem Zögern wurde er dann dennoch in deutschen Kinos zugelassen, allerdings ohne Jugendfreigabe. Zu gewalttätig für eine Gutenachtgeschichte. Doch wen hält das heutzutage noch ab? Die Jugend fand ihren Weg in den Kinosaal.

Die Millionenproduktion aus der Türkei trägt den Namen Kurtlar Vadisi: Filistin (dt. Tal der Wölfe – Palästina) und ist einer von mehreren Filmen, die Krisengebiete im Nahen Osten als Schauplatz haben. Die Handlung ist schnell umrissen: Ein türkisches Killerkommando unter der Führung der billigen James-Bond-Imitation Polat Alemdar reist nach Israel, um den Verantwortlichen für den Zwischenfall auf der Gaza-Flotte im Mai 2010 zu töten. Das Ziel ist Mosche Ben Eliezer, ein gewissenloser, Zigarre rauchender israelischer Armeekommandeur, der mit Munition handelt und bevorzugt Jagd auf Palästinenser macht. Es ist nicht übertrieben: Ben Eliezer ist der Teufel in Person. Er verkörpert hier das gesamte israelische Regime. Im Laufe des Films verliert er durch Alemdar ein Auge, was seine Rachegelüste schürt und ihn mit einer Augenklappe noch furchteinflößender erscheinen lässt. Es entsteht eine verblüffende und garantiert nicht ungewollte Ähnlichkeit mit dem längst verblichenen General Mosche Dajan, dessen Bild vor allem für den Sechstagekrieg 1967 steht.
An Dialogen hat Kurtlar Vadisi Filistin nicht allzu viel vorzuweisen. Der zynische Humor des Hauptakteurs sorgt im Publikum für heiteres Gelächter, doch im Grunde bewegt sich Polat Alemdar hauptsächlich an der Oberfläche. Und dann geht auch schon das Geballere los: Der Actionheld und seine Gefährten töten jeden israelischen Soldaten mit einem gezielten Schuss zwischen die Augen, aus jeder denkbaren Entfernung. Es wird praktisch auf alles geschossen, was eine israelische Uniform trägt. Mitten in der Jerusalemer Altstadt. Die Israelis schießen zurück, natürlich auf hauptsächlich unbewaffnete Palästinenser. Während des ganzen Films soll der Bleigehalt in der Luft übermäßig hoch bleiben, es wird geschossen wo es nur geht. Und Alemdar trifft sie alle.
Der Produzent hat an alles gedacht. Sogar die gewissenhafte Quoten-Jüdin ist dabei: Die naive Simone, eine amerikanische Fremdenführerin, gerät zwischen die Fronten und sympathisiert mit den Killern. Der Film braucht sie als Strohhalm für eventuelles kritisches Publikum, dem man zurufen will: „Wir hassen nicht die Juden, wir hassen die Tyrannen!“ – womit jene Israelis gemeint sind, die auf ihre Existenz beharren.
Wie also konnte im Vorfeld der Deutschland-Premiere ein Verdacht aufkommen, der Film könnte antiisraelische oder gar antisemitische Ziele verfolgen? Das lag wohl mitunter daran, dass neben dem blutdürstenden und nunmehr einäugigen Mosche Ben Eliezer auch schlicht das Symbol des Judentums, der Davidstern, als Zielscheibe diente. Die Kommandozentrale der israelischen Armee war mit diesem Motiv nahezu zugepflastert. Auf jedem Panzer prangte ein blauer Stern auf weißem Grund. Das hat der Macher des Films gut recherchiert, denn einige Panzer der israelischen Armee tragen in der Tat Davidsterne – nur sind die rot und ausschließlich auf Sanitätspanzern zu sehen.
Gekonnt vereinigt der Film Fiktion mit Wahrheit. Die Armut im Westjordanland und die Tatsache, dass die israelische Regierung illegal errichtete Häuser räumen und abreißen lässt, vereinigen sich zu einem bizarren Bild: Ein gelähmtes Kind bleibt im Haus zurück, kriecht über den Teppich des Wohnzimmers. Doch die Tyrannen kennen keine Gnade und reißen das Haus ab. Israelische Soldaten schießen in diesem millionenschweren türkischen Machwerk mit Vorliebe auf Frauen und kleine Kinder. Vom Beginn des Filmes an wird vonseiten der Israelis auf Unbewaffnete geschossen, sei es auf der Mavi Marmara, in der Altstadt von Jerusalem oder im kleinen palästinensischen Dorf. Der in Kurtlar Vadisi Filistin dargestellte Typus des israelischen Soldaten kennt keine Gefühle. Alle Soldaten sind Teil des Systems, das vom Oberteufel Mosche Ben Elieser geführt wird, der vorsätzlich und gewissenlos mordet und quält.

Drei Plätze weiter links in meiner Reihe saß ein erwachsener Mann. Er hat geschluchzt, tief bewegt von dem was er sah. Emotionen kommen hoch während des Film. Dafür kann man durchaus Verständnis haben, aber die instrumentalisierte Übertriebenheit dieses Kinostreifens wird dadurch in keiner Weise gerechtfertigt. Es zeigt sich nur wieder einmal, wie beeinflussbar die Gefühle des Zuschauers sind, wenn man ihm etwas nur in der richtigen Verpackung verkauft.
Ich habe ja eine Ahnung davon gehabt, was dieser Film zeigt, und auch wie das Ende aussehen würde. Doch über die Reaktionen der Zuschauer war ich einigermaßen schockiert. Alemdar tötet das israelische Monster per Kopfschuss, die Kinobesucher klatschen und johlen. Mir selbst war an diesem Punkt eigentlich eher übel. Kurtlar Vadisi Filistin vereinigt antiisraelische Hasspropaganda mit Emotionen, Action und einer Spur flachen Humors. Und dem Publikum gefällt‘s. Wo bin ich hier? So lange ich auch suche, ich erkenne keinen Grund der rechtfertigt, warum ein solcher Film schließlich doch in deutschen Kinos gezeigt werden darf.

Ich bin Nichtraucher. Aber nach der Vorstellung verspürte ich das Verlangen nach einer Zigarette…

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