(Teil 2 meiner
Rechtsextremismus-Reihe 2013)
Zahlreiche Staatsgründungen
Die „Reichsbürger-Union“ (RBU) hat nur ca. 50
Mitglieder. Insgesamt dürfte es aber in jedem Bundesland mehr als 100 und in
manchen sogar mehrere hunderte von ihnen geben. Auffallend sind vor allem die
zahlreichen „Staatsgründungen“, die sich in den letzten Jahren ereignet haben. Erst
am 19. Oktober 2012 wurde der „Freistaat Preußen“ (wieder)gegründet – von einem
Personenkreis, in dessen Führung auch die brandenburgische NPD-Politikerin Bärbel
Redlhammer-Raback agiert. Der Staat „Germanitien“ wurde dagegen schon 2007
geschaffen. Seine derzeitige Präsidentin stammt sogar aus meiner Geburtsstadt... - Es
existiert auch eine Neuauflage des zur Zeit der Weimarer Republik existenten „Freien
Volksstaates Württemberg“ und seit September 2012 gibt es auch ein „Königreich
Deutschland“, am Stadtrand von Wittenberg in Sachsen-Anhalt. Der „König“, Peter
Fitzek, wird vom Verfassungsschutz beobachtet.
![]() |
Flagge der Republik Germanitien |
Einige dieser Umtriebe sind also noch recht
aktuell, ihren Anfang nahm die organisierte Form der Reichsbürgerbewegung
jedoch im Jahre 1985. Damals gründete Wolfgang Ebel in Westberlin die „Kommissarische
Reichsregierung des Deutschen Reichs“, den bis heute existierenden Vorläufer aller
„Reichsbürger“-Organisationen. Bekannt ist auch eine andere Scheinregierung,
die „Exilregierung Deutschen Reich“, die sogar selbsternannte „Reichspräsidenten“
vorweisen kann.
Ein Verein von Spinnern?
Sind die „Reichsbürger“ ein Verein von
Spinnern? Der Eindruck könnte durchaus entstehen. Viele
Verschwörungstheoretiker, die die Existenz der Bundesrepublik anzweifeln,
hängen auch noch anderen Theorien an und vertreten äußerst bizarre Ansichten.
So ist zum Beispiel Norbert Schittke, selbsternannter „Reichspräsident“ der
sogenannten „Exilregierung des Deutschen Reiches“ der Meinung, dass auch die
Kondensstreifen am Himmel, die „ acht Stunden stehen bleiben“, etwas zu
bedeuten hätten. Sie seien ein Beweis dafür, dass der Abbau der Menschheit um
85% aktiv betrieben. Politik und Weisheit bzw. Wissenheit verschwimmen hier
miteinander. Oft ist es auch ein Mix aus Esoterik, Religion und Nationalismus,
der den „Reichsbürgern“ zu Kopf steigt – oder die vermeintliche Chance, durch
ein gesetzliches Schlupfloch den Steuerzahlungen zu entkommen. In einer
Erklärung des Amtsgerichts Duisburg wird zusammengefasst, dass hinter den
Motiven der „Reichsbürger“ rechtsextreme, aber auch finanzielle Absichten sowie
ideologische Wahnvorstellungen stecken würden.
Eine Gefahr sind die ideologischen Anführer der
„Reichsbürger“ vor allem für jene Menschen, die sich auf ihre Steuertipps
einlassen. Vorgedruckte Formulare und Briefe sollen dabei helfen, dem Finanzamt
zu trotzen. Oft musste schon mit einer Anzeige rechnen, wer mit den Ratschlägen
der „Reichsbürgern“ argumentiert hat, im schlimmsten Fall haben sich Menschen
bis über beide Ohren verschuldet. Blinder Glaube an Verschwörungstheorien,
naives Wunschdenken und oftmals bloße Dummheit sind Eigenschaften, die den „Reichsbürgern“
entgegenkommen. Diese verbreiten ihre Ansichten über das Internet und auch über
Bücher: Meist publizieren die Autoren im Eigenverlag, so auch Hans-Peter
Thietz, ein ehemaliges Mitglied der letzten, frei gewählten Volkskammer der
DDR. Er vertritt hauptsächlich antisemitische und revisionistische Positionen,
aber auch kreationistische und esoterische. In seinem Buch Die Satanisierung des Neuen Testaments behauptet er, Jesus sei
gekommen, um den biblischen Gott als von den Juden angebeteten Satan zu
entlarven. An anderer Stelle meint er, nicht die Juden, sondern die Germanen seien
das auserwählte Volk Gottes. Genau dieser Mann und sein Schriftwerk werden auf
der Online-Präsenz der RBU als Lektüre empfohlen.
Viele der „Reichsbürger“ sind Juristen, wie
etwa auch der Sprecher der RBU, Runhardt Sander, die sich ein Zubrot verdienen
mit dem Verkauf ihrer drittklassigen Schriftwerke voller Rechtschreibfehler
oder durch ihre mehr oder weniger schwach besuchten Seminaren, die dem naiven
Zuhörer den einen oder anderen Aha-Effekt bescheren. Manche erwecken den
Anschein, man müsse alte Werte wieder aufbauen: Der schon erwähnte
„Reichspräsident“ Schittke will ein freies, souveränes und weltoffenes
Deutschland, in dem die Alliierten nicht mehr machen können, er sieht ein
Hauptproblem in der amerikanischen Militärpräsenz.
Die Sache mit den Staatsgründungen und
den Kondesstreifen-Verschwörungen könnte ja ganz lustig sein, wenn es nicht
noch einige braune Nebenwirkungen geben würde. Mehr dazu in Teil 3 meiner
Reihe.