Wenn
man in der Bonner Heerstraße wohnt, kann man jeden April die visuellen Reize
des Frühlings voll auskosten. Hundertschaften von Touristen und Einheimischen,
Austauschklassen und Japanern, strömen durch die Straßen der Altstadt, um die
Kirschbäume blühen zu sehen. Hier nur zwei kleine Eindrücke.
Herzlich Willkommen auf meinem Blog! Reiseberichte und Kommentare zu Politik und Gesellschaft.
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Freitag, 1. Mai 2015
Montag, 16. Februar 2015
Rosenmontag in Köln & Bonn
Karneval ist
für viele Menschen Sinnbild eines Schreckensszenarios: Zerbrochene Bierflaschen
soweit das Auge blicken kann, Erbrochenes und Konfetti, vollgepinkelte
Hauseingänge. In der Zeit zwischen Donnerstag (Weiberfasnacht) und
Aschermittwoch drehen die Menschen im Rheinland durch, wahrscheinlich mehr als irgendwo
sonst in Deutschland. Es herrscht der vollkommene Ausnahmezustand. Sogar Rewe
macht am Donnerstag früher zu, Friseure und Antiquariate haben an
Weiberfasnacht generell geschlossen. Alles in allem hält der jahrhundertealte
Brauch des Feierns vor der vierzigtägigen Fastenzeit die Rheinländer mehr auf
Trab als Weihnachten.
Was
andernorts in der Bundesrepublik Fasching heißt, trägt in Köln den Namen „Fastelovend“.
Der Rosenmontag ist traditionell Höhepunkt des Karnevals und bietet mit seinem
Rosenmontagszug ein unvergleichliches Spektakel: Die Strecke des Umzugs ist
knapp sieben Kilometer lang, die Straße wird gesäumt von knapp einer Million
Menschen – unter die ich mich dieses Jahr gemischt habe. Beim Kölner Karneval sind
so gut wie alle Zuschauer verkleidet, von der kitschigen Plastik-Blumenkette
(oftmals Überbleibsel aus Zeiten der Fußballweltmeisterschaft) über Bären- und
Bienenkostüme oder Minions bis hin zu wirklich ausgefuchsten oder
ungewöhnlichen Verkleidungen wie Barockgestalten oder britische Gardesoldaten. Alle
stehen am Rand und fangen Süßigkeiten („Kamelle“) auf. Je nach Alkoholpegel
werden die Schreie nach Süßem lauter und das wilde Gestikulieren mit den Armen
stärker. Und vonseiten der Karnevalisten wird scharf geschossen: Während der
gewöhnliche Bonbon quasi durch die Luft segelt, kann man hier und da immer
wieder förmlich hören, wie Schokoladentafeln einer unbehelmten Zuschauerin oder
einem unachtsamen japanischen Touristen gegen den Kopf knallen. Die Freude
hierüber ist jedoch unermesslich und man bedauert bloß, nicht von einer der
äußerst raren Schachteln voller Schnapspralinen getroffen worden zu sein. (Insgesamt wurden heute 300 Tonnen Kamelle in Köln unters Volk gebracht.)
Während die
Karnevalsvereine vorbeiziehen gibt es Musik – mal von einem der marschierenden
Orchester, mal aus dem Lautsprecher. Jeder neue Verein wird mit „Kölle alaaf“
begrüßt. Der Einheizer von der Galeria-Kaufhof-Bühne etabliert auch schon
gleich zu Beginn den Slogan „Galeria Kaufhof alaaf!“ – das gehört hier wohl
einfach dazu. Funkenmariechen, rot und blau Uniformierte mit Blasinstrumenten,
Tanzgruppen und bonbonschleudernde Rentner auf festlich geschmückten oder
politisch ausgerichteten Festwagen ziehen vorbei. Der 1. FC Köln ist präsent
und auch Charlie Hebdo wird indirekt thematisiert: Der allererste Wagen zeigt
einen Karnevalisten, der einen Bleistift („Narrenfreiheit“) gießt.
Eine
belgische Besucherin erzählt mir, dass sie von der Organisation und Ordnung
erstaunt sei, die hier an den Tag gelegt wird. In Belgien, wo es kleinere
Umzüge gebe, breche jedes Jahr Chaos aus. Nicht hier in Köln. Am Rande des
Umzuges versorgen die Sanitäter zwar den einen oder anderen Fall von
Selbstüberschätzung was Alkohol angeht, aber die Menge braucht in vielen Straßen
nicht einmal Absperrungen, um dem Zug freies Geleit zu geben. Unmittelbar unter
dem Dom und vor dem Hauptbahnhof ist jedoch jeder Stehplatz vergeben und die
Menschen drängen sich hinter den Absperrgittern.
In der
ganzen Stadt ist es schwer voranzukommen, und der Weg zurück zum Bahnhof wird
noch immer einige Male von der Route des Umzugs gekreuzt, weshalb sich die
U-Bahn als Rückzugsmittel anbietet. Am frühen Nachmittag sind auch viele
verkleidete Leute schon auf dem Heimweg oder auf dem Sprung zur nächsten
Location. Ich fahre zurück nach Bonn und denke irgendwie, dass auch dort das
Gröbste schon gelaufen sein wird. Schließlich begann der Kölner Umzug um 10.11
Uhr vormittags. Dieser Rückschluss erweist sich jedoch als falsch. Meine
geliebte Bonner Altstadt ist wortwörtlich der Mittelpunkt des hiesigen
Geschehens, der Karnevalszug – der in Bonn erst um 12.11 Uhr begonnen hat –
zieht sogar direkt vor meiner Haustür vorbei.
Auf den
umliegenden Straßen gibt es kein Durchkommen. Tausende Menschen in Feierlaune,
Feuerwehr, Eltern mit kleinen Kindern, gleichermaßen kostümiert wie betrunkene
Nachbarn und Nachbarinnen. Es grenzt geradezu an Kulturschock. Und trotzdem,
die Altstadt von Bonn (die eigentlich gar nicht die wirkliche Altstadt ist) als
Wohnort gewählt zu haben beschert mir zum ersten Mal einen Logenplatz am
Küchenfenster.
Man will gar
nicht daran denken, was da bis morgen früh an Müllbergen und (zumeist
reparablen) Schäden zurückbleiben wird, aber momentan empfinde ich noch so
etwas wie Begeisterung. Fasching war nie mein Fall, aber Kultur ist eben nicht
nur nüchtern und leise. Gesellschaftliche Rituale erfüllen alle einen Zweck und
der Karneval erfüllt so auch seinen: Obwohl man im 21. Jahrhundert eigentlich jeden
Tag die persönliche Freiheit ausschöpfen kann, so bietet der Karneval zusätzlich
noch die Möglichkeit närrisch zu sein. Ordnung regiert den Alltag das ganze Jahr über. Und selbst wenn die VIP-Bühnen manchmal mehr Kamelle abzubekommen scheinen, so hebt Närrischkeit trotzdem ein stückweit die gesellschaftliche
Grenzen auf.
Montag, 22. Dezember 2014
Zweite Bogida-Demo in Bonn
Oh, Du friedliche Weihnachtszeit…! Heute, am
22. Dezember 2014, fand die zweite Bogida-Demonstration in Bonn statt.
Wahrscheinlich ist dies der Anfang einer Reihe von Veranstaltungen gegen
Islamismus und die „Islamisierung des Abendlandes“. Man darf sich also – wie in
so vielen deutschen Großstädten – auf mehr gefasst machen.
Es waren angeblich über 2.500 Gegendemonstranten,die sich vor dem Rathaus auf dem Bonner Marktplatz versammelten. Anders als letzte
Woche war man sich näher, stand sich Auge in Auge gegenüber. Wie angekündigt
waren rechte Demonstranten eigens aus dem Saarland angereist. „Saarländer gegen
Salafisten“ konnte man auf einem Plakat lesen, hinter dem sich Kahlköpfe mit
Deutschlandflaggen postiert hatten. Zu Beginn und am Ende präsentierten die
Rechten ihre Redner. Die Stimmung war aufgeheizt, meist gelang es, die Worte
von Initiatorin Melanie Dittmer, einer stadtbekannten Persönlichkeit der
rechten Szene, zu übertönen. Ein mehr oder weniger prominenter Gast war Udo Ulfkotte, ehemaliger FAZ-Reporter und Politikwissenschaftler, der in der
Vergangenheit schon oft wegen islamfeindlicher Haltungen aufgetreten ist und
den rechtspopulistischen Verein Pax Europa mitbegründet hat. Von den verschiedenen Rednern gab es wieder die gewohnten Fakten zum gewohnten Zweck: "Es wurden über 3.000 Moscheen gebaut!" - "Asylbewerber machen hier Urlaub!" - "Die Politiker wollen Deutschland islamisieren."
Diese Woche dominierten Hooligans und kahl
rasierte Köpfe unter den 250 Teilnehmern, doch auch die eine oder andere
Großmutter war unter den Bogida-Demonstranten. Eine von ihnen streckte den lauten
Gegendemonstranten ein Plakat entgegen, das über die Bösartigkeit des Islam
aufklärte, man winkte sich höhnisch zu und würdigte sich mit Stinkefingern. Ein
Nazi drehte durch und wurde abgeführt, ein paar Antifas warfen mit
Plastikbechern. Doch dann setzte sich der Zug in Bewegung und den Rechten
gelang es dieses Mal tatsächlich, ihren „Abendspaziergang“ zu vollführen. Die
Straßen waren gesäumt von Polizeisperren und Uniformierten mit Helmen, laut vorherigen
Berichten waren 900 Polizisten im Einsatz. Jenseits der Sperren warteten die gegendemonstrierenden
Hundertschaften mit Pfiffen und Sprechchören, sogar aus den Fenstern der
umliegenden Häuser kam das eine oder andere Plakat.
Auch anderswo in Deutschland kam es heute zu
Demonstrationen. Allerdings sieht es nicht überall gut aus für den Widerstand
gegen Rechtspopulismus und Rechtsextremismus: In Dresden zum Beispiel konnten
sich gegen 17.500 Pegida-Demonstranten nur 4.300 Bürger_innen mobilisieren. Die
Rechten haben gegenüber letzter Woche einen Zulauf erfahren. In München gingen
aber immerhin 12.000 Menschen gegen die Pegida-Bewegung auf die Straße.
Höchstwahrscheinlich wird die Welle des Ausländerhasses und der
Islamfeindlichkeit uns auch nächstes Jahr begleiten. Doch die Bonner Bogida hat
durch ihre kahlköpfigen Unterstützer ein für alle Mal klargemacht, wo sie zu
verordnen ist – am äußeren rechten Rand dieser Stadt.
Bericht zur ersten Bogida-Demo: hier.
Samstag, 20. Dezember 2014
Rheinländische Weihnacht
Weihnachtsmärkte sind der
perfekte Ort, um das alltägliche Elend, das einen in diesem Jahr stetig
begleitet hat, eine kurze Weile zu vergessen. Sicherlich, um an Glühwein-,
Bratwurst- und Crêpes-Ständen satt zu werden ist ein gewisses finanzielles
Polster von Nöten. Aber wenn man das einmal außer Acht lässt sind
Weihnachtsmärkte einfach nur schön. Wo sonst findet man bunte Vogelhäuschen,
Himbeerseife und Lángos auf einem Fleck? Wo könnte man sonst dem Lachs zusehen,
wie er – mit mittelalterlichen Metallstiften an grobe Holzbretter genagelt – vor
sich hin räuchert? Kunst und Kitsch erfreuen das Auge, Brauchbares und
Unbrauchbares findet seinen Weg in die Einkaufstüte, bis die Liste mit den
Namen der zu Beschenkenden nach und nach mit Häkchen abgearbeitet ist. Jung und
alt erwärmt sich am Glühwein, während die sprechenden Hirsche auf dem Dach
versuchen, die bayerische Sprache zu imitieren oder die Trinkenden mit den nervigsten
Weihnachtsliedern anzulocken.
Es ist aber mal wieder an der
Zeit für ein paar Fotos aus Bonn. Weihnachtsmärkte ähneln sich überall, und dennoch hat
jede Stadt ihren eigenen Style, wie sie eben auch ihren eigenen Charme hat.
Das typischste aller Bilder von jedem Weihnachtsmarkt: Bunte Herzen, allesamt essbar, aber schwer verdaulich... |
Der Bonner Weihnachtsmarkt bietet sogar ein Riesenrad. |
Dom und Weihnachtspyramide in Großformat. |
Zum Schluss noch ein Ausflug
nach Köln mit einem Bild der Krippe im Dom, die ich irgendwie sehenswert fand.
Jesus und seine Family sind allerdings irgendwo rechts versteckt, dafür sehen
wir in der Mitte unten auch einen netten „Weihnachtsmarkt“.
Montag, 15. Dezember 2014
Demo und Gegendemo in Bonn
Was wäre ein Montag ohne Demonstrationen? Das
haben sich auch ein paar Zeitgenossen aus der oft beschworenen bürgerlichen
Mitte gedacht und im Namen von Bogida („Bonn gegen Islamismus in Deutschland und
im Abendland“) einen sogenannten „Abendspaziergang“ organisiert. Angemeldet
waren 500 Teilnehmer für 18.30 Uhr, doch mit dem Spaziergang wurde es nichts,
denn „Bonn stellt sich quer“ stellte sich erfolgreich in den Weg. Um zwanzig
vor sieben wird der Spaziergang abgesagt und stattdessen gibt es ein paar Redebeiträge:
„Seit 1945 kamen 600.000 Muslime in unser Land!“ – „Moscheen!“ – „Frauen!“ – „Wir
sind das Volk!“ – Das Übliche eben.
Bevor die beiden Demos losgingen, konnte man
noch unbehelligt zwischen den Polizeireihen hindurch diffundieren und von den
Gewerkschaften, Parteien, Kirchen und Antifas hinüberwechseln zu den
Verteidigern der deutschen Weltordnung. Ab und zu traf man aber auf ein paar
wackere Großmütter, die sich den Weg zur Bogida erfragten. Die Bonner
Bürgerschaft teilte sich mit der Zeit je einer der beiden Seiten zu. Wie
vermutet waren die Personen mit Deutschlandfahnen in der Unterzahl. Am Rande
der anfangs noch recht mickrigen Truppe diskutierte man schon über das N-Wort. „Nein,
das sind doch keine Nazis!“, argumentiert ein angegrauter Herr. – „Ja, was sind
Sie dann?“, wird er direkt angesprochen. – „Ich? Ich gehöre da gar nicht dazu!
Ich beobachte nur.“ Fast will man den beiden entgegenrufen: Nazis sagt man doch
heute nicht mehr! Das sind doch lediglich treue Nationaldemokraten. Und
AfD-Professoren natürlich.
Zurück zur Ernsthaftigkeit, denn ernst ist die
Lage ganz sicher. Die ganze Pegida-, Bogida- oder Dügida-Debatte führt uns
eines vor Augen: Möglicherweise demonstriert hier tatsächlich nur die bürgerliche
Mitte. Hatte nicht 1933 niemand anderer das große Unheil heraufgewählt als eben
die Durchschnittsbürger/-innen ihrer Zeit? Ausländerfeindlichkeit, Islamophobie,
Antisemitismus und vor allem das Misstrauen gegenüber Asylbewerbern finden sich
in der Mitte der Gesellschaft, nicht seltener und nicht weniger als anderswo.
Glücklicherweise gibt es noch einen weit größeren
Teil, der sich dem entgegenstellt. Auch wenn sich nicht jeder mit den „Nie
wieder Deutschland!“-Rufen der antideutschen extremen Linken identifizieren
kann, so kann man doch sagen, dass am Montag in Bonn ein befriedigendes Zeichen
gegen Rechts gesetzt wurde. Mit Musik und vor allem mit viel Lärm wurden die
Redner der Gegenseite übertönt, mit Menschenmassen wurde die rechte Demo
eingekesselt. Bonn kriegen sie nicht.
Gegendemonstrantion in Bahnhofsnähe. |
Da wäre aber noch etwas anderes. Ich habe mich
ungefähr zwei Sekunden lang gefragt, was es denn zu bedeuten hätte, dass neben Plakaten
mit der Forderung „Stoppt die Islamisierung Europas!“ eine norwegische Flagge
auftaucht. Und die Antwort darauf offenbart, dass der patriotische Teil der
bürgerlichen Mitte keine Skrupel hat, sich mit einem Mann zu identifizieren,
der am 22. Juli 2011 den Kampf gegen die „Islamisierung“ begann und kaltblütig
77 Menschen massakrierte. Wenn das mal nicht einiges über diese neue
abendlandsbesessene Bewegung aussagt...
Klarstellung und Anmerkung vom 21. Dezember: Norwegische Flaggen werden auf rechten Demos schon seit Jahren verwendet, nicht erst seit den Attentaten von Breivik. Norwegen ist ein besonders tolerantes und offenes Land, gilt bei europäischen Nationalisten jedoch als jenes Land, in dem sich bis heute die "arische Rasse" am reinsten erhalten hat. Es besteht natürlich noch eine zweite Möglichkeit, nämlich dass es sich dabei nicht um eine norwegische Flagge gehandelt hat, sondern um jenen Entwurf, der 1948 als Vorschlag zur neuen deutschen Flagge eingereicht wurde. In diesem Fall war es kein blaues Kreuz (wie das auf der norwegischen Flagge), sondern ein schwarzes. Diese "alternative" deutsche Flagge wird gerade auf solchen "patriotischen" Demonstrationen oft gern gezeigt.
Klarstellung und Anmerkung vom 21. Dezember: Norwegische Flaggen werden auf rechten Demos schon seit Jahren verwendet, nicht erst seit den Attentaten von Breivik. Norwegen ist ein besonders tolerantes und offenes Land, gilt bei europäischen Nationalisten jedoch als jenes Land, in dem sich bis heute die "arische Rasse" am reinsten erhalten hat. Es besteht natürlich noch eine zweite Möglichkeit, nämlich dass es sich dabei nicht um eine norwegische Flagge gehandelt hat, sondern um jenen Entwurf, der 1948 als Vorschlag zur neuen deutschen Flagge eingereicht wurde. In diesem Fall war es kein blaues Kreuz (wie das auf der norwegischen Flagge), sondern ein schwarzes. Diese "alternative" deutsche Flagge wird gerade auf solchen "patriotischen" Demonstrationen oft gern gezeigt.
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