Donnerstag, 14. März 2013

Teil 2: Hasankeyf und Weiterfahrt in den Irak

Als die Gruppe schließlich im teuren und durchaus komfortablen Birkent Hotel vereinigt war, brachen wir früh auf. Auf unserer heutigen Etappe sollten wir mehr als 550 Kilometer, einige Haltstationen sowie eine internationale Grenze zu bewältigen haben. Die 20 Leute wurden auf drei Kleinbusse verteilt, deren Fahrer nur Kurdisch und Türkisch verstanden. Das war jedoch kein Problem, denn die meiste Zeit ist man sowieso damit beschäftigt, aus dem Fenster zu sehen, die türkische Militärpräsenz zu bewundern und Atatürk-Zitate auf Bannern über der Straße zu entziffern. Interessant sind auch die kleinen Uhrtürme, denen man auf den zentralen Straßenkreuzungen mancher kleiner Städte begegnet.


Hinter Batman, einer unglaublich einfallslosen und hässlichen Stadt - so zumindest mein Eindruck -, kommen wir durch die Täler des Tigris und bewegen uns auf geschlängelten Straßen dem Ort Hasankeyf entgegen.
Von der Straße aus kommen einem zuerst die Häuser auf den Felsen über dem steilen Tigrisufer in den Blick. Aus dem Wasser ragen zwei gewaltige Brückenpfeiler. Hier war zu Beginn des 12. Jahrhunderts eine Brücke errichtet worden, um einen neuen, sicheren Übergang für die Handelsströme von Mesopotamien nach Anatolien zu schaffen. Heute sind nur noch die Überreste dieses mächtigen Bauwerks geblieben.


Nach dem Bau der Brücke war die Stadt zu stattlichem Reichtum gekommen. Als Residenzstadt der Artukiden bekam Hasankeyf eine wichtige Bedeutung. Später regierten hier die Ayyubiden, die die Stadt nach den Zerstörungen des Mongolensturms wieder aufbauten.
In der Unterstadt von Hasankeyf findet sich eine Reihe bedeutender Baudenkmäler, die derzeit vom Deutschen Archäologischen Institut untersucht werden. Darunter befindet sich auch die um 1409 erbaute Rızq-Moschee, ein von den Ayyubiden errichtetes Gotteshaus. Auf dem hohen Minarett haben Generationen von Störchen ihr Nest gebaut.


Durch die verschiedenen Erweiterungen zieht sich die Altstadt bis hoch in die kluftigen Felsen hoch über dem Tigris. Leider konnten wir die Felsenstadt mit ihren Höhlen nicht besichtigen, da das Areal aus Sicherheitsgründen gesperrt wurde. Eine Felswand weist bedrohliche Risse auf.


Irgendwann entluden die dicken Wolken ihre Ladung und begannen, uns mit fetten Regentropfen zu bombardieren. Wir hatten nicht wirklich Lust nass zu werden und machten uns daran, weiter zu fahren. Von einem Tässchen Tee ließen wir uns jedoch nicht abhalten. Der Tee sollte zu einem unserer ständigen Begleiter werden.

Weiter ging es in Richtung Südosten. Und natürlich wäre eine Reise nur halb so spannend und auch lehrreich, wenn es nicht ab und zu den einen oder anderen Zwischenfall geben würde. Wie wäre es zum Beispiel, wenn auf der parallel zur etwa zwei Kilometer enttfernten syrischen Grenze verlaufenden Straße ein Reifen platzte? Da legt man dann unfreiwillig eine Toilettenpause ein, sucht den Wagenheber - obwohl reichlich starke, junge Männer vorhanden - und schraubt ein nicht wirklich vertrauenserweckenderes Reserverad an. Dann geht es weiter in Richtung Cizre, wo sich türkische und syrische Grenze treffen. Eine typische Grenzstadt. Je nach Wetterlage staubig oder schlammig, voller LKWs und Ölpfützen. Schnell ein Lahmacun verdrückt und dann weiter gen Osten.


Hinter Cizre folgt man zunächst der syrischen Grenze. Die Straße führt am Tigris entlang, ein paar Wachtürme säumen das Ufer. Ansonsten könnte man über die knapp 300 Meter den syrischen Dorfbewohnern auf der anderen Seite bei ihrem Alltagsleben zuschauen. Morgens hört man auf der türkischer Seite wohl sogar die Hähne vom syrischen Ufer her krähen.
Irgendwann beginnt auf der rechten Spur eine lange Schlange türkischer LKWs. Der Grenzstau hat begonnen. Möglicherweise warten die Lastwagen einen ganzen Tag auf den Grenzübertritt. Wir fahren an ihnen vorbei und reihen uns in eine kürzere Schlange ein. Erste Kontrolle, dann Ausreise aus der Türkei, vorzeigen des Stempels, aussteigen, warten, endlich die Brücke über den Fluss, dann nochmal warten auf den Einreisestempel. Während wir in der modernen Empfangshalle sitzen und King Kong schauen, wird es draußen dunkel. Und es beginnt zu stürmen. Obgleich die Region Kurdistan autonom ist, weht hier neben der bunten Flagge mit der goldenen Sonne auch die irakische mit dem Schriftzug "Allahu Akbar", der früher einmal in Saddams Handschrift geschrieben war, was man mittlerweile natürlich behoben hat. Irgendwie ist es ein merkwürdiges Gefühl, hier zu sein.
An der Grenze werden wir eine ganze Weile aufgehalten. Einer der Teilnehmer ist Syrer, hat aber nur eine Einreiseerlaubnis über den Flughafen. Es dauert über eine Stunde bis wir wissen, wie es weitergeht. Am Schluss ist die Gruppe jedoch wieder komplett und wir setzen uns in den kleinen Bus, in dem alle 22 Plätze belegt sind. Mit dem Gepäck auf dem Dach geht es nach Zaxo zum Abendessen mit der KSU (Kurdistan Student Union). Das erste richtig gute Essen in einer Reihe vieler richtig guter Essen. Mit vollem Magen fahren wir nun in einem Rutsch nach Hawler (Erbil) durch. Unsere Reise hat endgültig begonnen.

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