Sonntag, 3. August 2014

Merkwürdige Begegnung im Museum

Heute Vormittag war ich mit einem Bekannten im Ägyptischen Museum in Leipzig. Dort habe ich eine der verwirrendsten, beeindruckendsten und merkwürdigsten Personen getroffen, die mir seit Langem untergekommen sind.

„Glauben Sie, dass die alten Ägypter den Regenbogen gekannt haben?“, fragte mich die alte Dame.

Merkwürdige Frage. Ich antwortete: „Hmm, Regenbögen treten ja in regenreicheren Ländern bestimmt häufiger auf.“

Und mit dieser einfachen, physikalisch und optisch völlig inkorrekten Antwort hätte ich es wahrscheinlich auf sich beruhen lassen.

„Aber beim Wasserschlauch…“ – Okay, sie war nicht zufrieden. Und sie hatte auf dieses Gespräch gelauert, merkte ich.

Was folgte, waren in wenige Sätze gefasste Erklärungen, die von den beiden Enden eines Regenbogens sowie seines parallel verlaufenden, aber spiegelverkehrten Ebenbildes bis hin zu dem Schmuckstück führte, das vor uns in der Vitrine lag. Zunächst hielt ich die alte Dame für eine verwirrte Kampfrentnerin. Doch ihre Erklärung, wieso das vor uns liegende Collier in Wirklichkeit grün gewesen sein musste und nicht blau und rot, wie die Restaurateure es eingefärbt hatten, überzeugte mich. Wieso genau und warum, ich kann es nicht mehr sagen. Ich fragte sie, ob sie Ägyptologin sei. Doch da meinte sie nur, sie sei hier, um nicht mit Demenz ins Heim eingeliefert zu werden. Sie hätte keine leiblichen Kinder, deshalb bräuchte sie Kinder im Geiste. Dann folgte irgendeine Erklärung, die mit ägyptischer Symbolik zu tun hatte. Dabei berührte sie ihren Kopf und klopfte auf ihren Unterleib.
Als ich dieser Frau eine Etage weiter oben wieder begegnete, ging es wieder los. Dieses Mal hatte sie einen Schakal auf einem Boot oder Schlitten entdeckt und quasi ad hoc eine neue Erkenntnis gewonnen – an die ich mich im Detail allerdings nicht erinnern kann. Es ging mit heiligen Schriften los. Am Anfang war das Wort, meinte sie jedenfalls. Und dann ging es über frühchristliche Sakralarchitektur, Vorhänge im Altarraum und das geometrische Kreuz zwischen Ost und West zur nächsten Erkenntnis: Ost und West seien dasselbe. Was man übrigens auch an Frau Merkel und Herrn Putin merken würde. Aber da war nichts Politisches dabei, es ging vielmehr um Philosophie. Dazu malte sie irgendwelche Bilder auf ihre Eintrittskarte. Ich meinte stirnrunzelnd, dass ich auf diesen Gedanken jetzt nicht gekommen wäre – halb skeptisch, aber auch ein wenig beeindruckt von dieser unglaublich gebildeten Dame, für die jeder Satz zu kurz war, um alles hineinzupacken was sie eigentlich loswerden wollte. Die Frau meinte nur, ich sei ja auch keine 75 Jahre alt wie sie selbst. Sie fragte mich, was ich studiert hätte. Als ich ihr geantwortet hatte meinte sie, dass es kein Zufall sei, dass ich ihr heute begegnet war. Sie redete noch ein wenig weiter und irgendwann meinte sie dann noch, dass sie keine Angst vor dem Tod hätte, da ja schon Einstein bewiesen hätte (e=mc²), dass Masse nicht einfach verschwinden könne und so immer irgendetwas zurückbliebe. Schließlich wünschte sie mir viel Erfolg und wandte sich anderen Vitrinen zu.

Fazit: Entweder bin wirklich ich persönlich zu dumm, um die wesentlichen Erkenntnisse dieser Frau weiterzutragen – oder sie war uns allen einfach irgendwie voraus. Egal wie wirr alles geklungen haben mag, was sie mir gesagt hat, ich konnte kaum etwas hinterfragen. Diese alte Frau war nicht verrückt und nicht im Geringsten verwirrt. Alles was sie sagte hatte – auf den ersten Blick zumindest - Hand und Fuß. Ich hatte eher das Gefühl, dass sie in jeden einzelnen Satz so viel Information packte, dass es schwierig war ihr zu folgen. Unmittelbar nach den beiden Gesprächen hatte ich das Gefühl, einer der „erleuchtetsten“ Personen begegnet zu sein, die mir jemals über den Weg gelaufen sind. Aber irgendwie fand ich es auch gleichermaßen erschreckend und gruselig.


Aber ihr dürft mich gern für verrückt erklären… ;)

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