Samstag, 15. September 2012

Die Samaritaner

Es gibt von ihnen noch etwa 750 Personen - und sie müssen Frauen von außerhalb in ihre Gemeinschaft bringen, um sich und ihre Kultur am Leben zu erhalten. Zur Zeit des britischen Mandats zählten sie nur noch 150 Mitglieder, doch bis heute ist ihre kleine Gemeinde gewachsen. Die Samaritaner leben nur noch an zwei Orten: im israelischen Holon und im palästinensischen Nablus.


















Wir trafen den Museumsdirektor Husney W. Cohen im Gemeindezentrum auf dem Berg Garizim, über den Dächern der Stadt Nablus. Die Anreise per Bus aus Jerusalem und Ramallah hatten wir auf uns genommen, um das Museum zu besuchen. Zuerst erschien es geschlossen. Renovierungsarbeiten, erklärte mir ein Anwohner. Doch nach einigem Fragen fanden wir den älteren Herrn dann auf der Treppe der Bibliothek. Für umgerechnet 5 Euro wollte er uns eine private Führung anbieten. Er suchte seine Schlüssel, dann zeigte er uns das Buch, das er selbst geschrieben hatte: "Die Verirrung der Israeliten" heißt es. Das Werk ist bisher nur auf Arabisch vorhanden, soll aber auch auf Englisch und einige andere Sprachen übersetzt werden, so groß sei die Nachfrage. Darin erklärt er seine eigene Version der Wüstenwanderung, die Moses mit dem Volk der Israeliten in 40 Jahren zurücklegte, bevor er ins Land Kanaan einzog. Durch die samaritanische Überlieferung der althebräischen Sprache seien die Ortsnamen in ihrer ursprünglichen Form erhalten geblieben und man könne den Weg des Volkes aus samaritanischer Perspektive besser nachvollziehen als aus der Überlieferung der hebräischen Bibel. Im Museum zeigt er uns den Weg auf einer Landkarte.


Doch es geht nicht nur um Geografie. Cohen, der Experte und (wahrscheinlich) künftiger Hohepriester der Samaritaner, zeigt uns anhand von Slide-Shows die blutigen Opferrituale am Pessach-Fest. Auf dem Berg Garizim befand sich vor langer Zeit der legitime Tempel - zumindest aus Sicht der ansässigen Samaritaner. Als Hohepriester fungiert immer der älteste aus der Familie, die sich vom Stamm Levi herleitet. Er sei der nächste in der Reihe.

Im Jahre 722 v. Chr. wurde die samaritanische Oberschicht von den Assyrern verschleppt. Die normale Bevölkerung blieb jedoch in der Region. Die Samaritaner überstanden auch den Einfall der Babylonier um 586 v. Chr., durften jedoch nach der Rückkehr der Verschleppten nach Judäa nicht am Bau des Tempels in Jerusalem teilhaben. Zum zentralen Heiligtum wurde der Tempel auf dem Berg Garizim. Die Samaritaner bewahrten sich ihre alten Überlieferungen der Heiligen Schrift und spalteten sich vom Judentum ab, das selbst noch im Entstehen war. Bis heute haben sie die alte und aus ihrer Sicht ursprüngliche Form der Torah bewahrt. Die prophetischen Bücher des Judentums jedoch sind für die Samaritaner nicht von Bedeutung.


Heute führt Husney W. Cohen durch das anschauliche und überraschend moderne Museum. Er präsentiert die Kopie der ältesten Torahrolle, die jedoch geraubt wurde, und erklärt, dass die Kinder diese antike Sprache lernen müssen, um die Traditionen zu erhalten. Man habe den Frauenmangel überwunden, indem man eine große Anzahl jüdischer, christlicher und muslimischer Frauen in die Gemeinschaft hätte einheiraten lassen.
Cohen zeigt uns auch seine drei Pässe: Er besitzt einen palästinensischen, einen jordanischen und einen israelischen. Die Samaritaner in Holon besäßen nur einen israelischen, erzählt er. Doch hier im Westjordanland sei die politische Lage zu schwierig.


Nach diesem kleinen Exkurs nahmen wir uns wieder ein Taxi ins Tal und tauchten ein in das charmante Chaos von Nablus, in die endlosen Gassen des Suq, wo man Olivenseife kaufen und einen Tee genießen kann, bevor man die Rückreise nach Jerusalem antritt.

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