Mittwoch, 2. März 2011

Nablus

Für meinen Trip nach Nablus hatte ich mir relativ viele Programmpunkte vorgenommen. Aus den meisten ist jedoch nichts geworden. Ich war zuvor noch nie in dieser Stadt gewesen. Und immer wenn ich in eine neue Stadt komme, muss ich mich zuallererst einmal umschauen. Das habe ich dann auch gemacht.
Wie gestern schon bin ich morgens am Damaskustor aufgebrochen. Mit dem arabischen Bus nach Ramallah, und von dort dann mit dem klapprigen palästinensischen Linienbus nach Nablus.

Die Strecke nach Nablus führt durch die Berge Samarias. Überall kleine arabische Dörfer am Wegesrand, Olivenbäume so weit das Auge reicht. Auf dem Weg fährt man an einigen jüdischen Siedlungen und Armeestützpunkten vorbei. Teilweise geht es über die israelische Staatsstraße. Zufahrten von kleineren palästinensischen Straßen sind oft zugeschüttet oder mit Betonblöcken blockiert. Ein äußerst unübersichtliches Chaos von Zufahrtsstraßen, Schotterpisten und geteerten Highways.
Die Vorstadt von Nablus besteht dem Anschein nach hauptsächlich aus KfZ-Werkstätten und Autolackierereien. Noch nie habe ich so viele VW-Busse und alte Mercedes gesehen. Aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit in Nablus eröffnen die Menschen wohl bevorzugt Werkstätten am Rand der großen Zufahrtsstraße in die Stadt.



Zwischen zwei Berghängen liegt die Stadt. Nablus, das biblische Sichem (Schechem), heute geprägt durch unfertige Hochhäuser und helle, graue Häuser, die den Berg hinaufkriechen. Große Moscheen mit kleinen Minaretten prägen das Bild. Und dieser Verkehr. Überall sieht man die typisch palästinensischen gelben Taxis. Dazu kommen die oben schon erwähnten Mercedes-Generationen der letzten Jahrzehnte sowie eine Vielzahl anderer uralter, aber funktionstüchtiger Autos. Vor allem die Hupen funktionieren hier noch. Die Hupe ist auch das letzte Accessoir, das in Nablus zu rosten drohen könnte. Eine Geräuschkulisse ohnegleichen.



Nablus ist - laut Reiseführer - eine sehr konservative und palästinensische Stadt. Das habe ich schon am ersten Kreisverkehr gemerkt: Bilder von Märtyrern und gefallenen Kämpfern der Intifada. Und auch in den Straßen der Stadt fällt auf, dass die meisten Frauen Kopftücher tragen oder sogar bis auf die Augen verschleiert sind. In Ramallah waren oft auch unverhüllte Frauen und Mädchen zu sehen. Doch Nablus bietet ein Beispiel muslimischer Frömmigkeit. Das wird auch deutlich, als ich um die Mittagszeit an einer der großen, im Suq versteckten Moscheen vorbeikomme: Aus ihr strömen dutzende von Männern, die am Gebet teilgenommen haben. In Ramallah habe ich nur vereinzelte Beter in der großen Moschee am Busbahnhof gesehen.
In Nablus trifft man zudem auf keine Touristen. Ich habe das Gefühl, dass ich der einzige Ausländer in der Stadt war.

Märtyrerdemkmal in einer Basarstraße

Der Basar von Nablus hat mich überrascht: Er ist noch größer und aromatischer als der der Jerusalemer Altstadt; so kam es mir zumindest vor. Die Aufteilung der Geschäfte folgt keinem System; Nahrungsmittelläden reihen sich an Kleidungsgeschäfte. Lebendige Hühner werden in Käfigen gehalten, halbe Lämmer hängen in den Metzgereien von der Decke. Dafür gibt es deutlich weniger Schmuckhändler als in Ramallah.
Nablus ist (bzw. war) bekannt für seine Olivenseife. Doch zu meiner Enttäuschung fand ich nur einen Stand, der mir zum Erwerb zweier großer, grüner Seifenwürfel verhalf.


Auf der meiner Liste der zu besuchenden Sehenswürdigkeiten standen das Cultural Heritage Enrichment Center (CHEC), das auch irgendwie mit Seife zu tun hat, und der Tuqan-Palast. Beides habe ich irgendwie nicht gefunden. Außerdem war meine Zeit knapp, denn für den Rückweg musste ich (aufgrund der Kontrollen am Checkpoint bei Jerusalem) mehr Zeit einberechnen. Ursprünglich hatte ich auch noch den Berg Garizim besuchen wollen, auf dem in der Antike das Heiligtum der Samaritaner - quasi das Gegenstück zum Jerusalemer Tempel - stand. Dort soll es neben einigen weniger interessanten Ruinen auch ein Samaritaner-Museum geben. Doch auch dafür reichte meine Zeit leider nicht. In der Stadt selbst habe ich einen Samaritaner gesehen, den Berg musste ich aus der Ferne fotografieren.
Auf dem Garizim findet im Morgengrauen des (samaritanischen) Passah-Festes ein großes Opfer statt. Der Termin liegt früher als der des jüdischen Pessach (Passah-Festes). Es werden Lämmer geschlachtet. Für den Laien mutet diese Szenen wie ein Blutbad an, ein Alptraum für jeden Vegetarier.

Berg Garizim (Heiligtum der Samaritaner)

Für meinen Rückweg musste ich erst einmal den Busbahnhof für die Richtung Ramallah aufsuchen. Dieses Mal nahm ich ein Taxi, das mich 10 Schekel kostete. Die Busfahrt nach Ramallah kostete 11 Schekel. Der Taxifahrer konnte kein Englisch - wie fast niemand in Nablus, abgesehen von den Studenten - also konnte ich mein Arabisch ein wenig ausprobieren.

Plakat mit Marwan Barghuthi

Die Busfahrt bot wieder einmal etwas Typisches für diese Region: Ganz plötzlich fing etwas an zu gackern. Die umsitzenden Leute fingen an zu lachen. Der alte Herr neben mir hatte in seiner Plastiktüte einen Karton, in dem er ein lebendiges Huhn transportierte. Irgendwie war es ihm peinlich, und er versuchte das Huhn zu beruhigen, was ihm jedoch nur mit Mühe gelang. Wer weiß, vielleicht ist das arme Tier heute Abend gleich in der Suppe gelandet...

Für alle Interessierten: Ich habe in Nablus keinen Buchladen gefunden, d.h. meine Suche nach einem deutsch-arabischen Wörterbuch blieb bislang erfolglos.

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