Samstag, 4. April 2015

Amin al-Husseini in Philadelphia - Vermerk zu amerikanischer Islamophobie

Seit einigen Tagen fahren plakatierte Stadtbusse durch die US-amerikanische Metropole Philadelphia, PN und verbreiten u.a. den Slogan „Islamic Jew-Hatred: It’s in the Quran“ („Islamischer Judenhass: Es ist im Koran“). Dahinter steckt eine Organisation mit dem Namen American Freedom Defense Initiative (AFDI), die in New Hampshire angesiedelt ist. Mit der Banner-Aktion protestiert die „Initiative“ gegen eine vorhergegangene Kampagne, die sich gegen die amerikanische Unterstützung für Israel gewandt hatte. Nun seien verschiedene Anzeigen der Gruppe auf insgesamt 84 Bussen zu sehen, meldete der Tagesspiegel – darunter eben auch dieses Bild aus dem Jahre 1941, das den palästinensischen Nationalisten und Großmufti von Jerusalem al-Husseini zusammen mit Adolf Hitler zeigt. Gegen die Aktion gab es Proteste und Demonstrationen, die u.a. von Bürgermeister Michael Nutter unterstützt wurden.


Die Werbemaßnahme der AFDI reiht sich ein in eine Fülle antiislamischer Aktionen. Im Mai wird eine provokante Muhammad Art Exhibit eröffnet: In der Ausstellung werden künstlerische Werke rund um den Propheten Muhammad gezeigt, der nach den gängigsten Meinungen in der islamischer Tradition nicht visuell abgebildet werden darf. Für die AFDI steht Pamela Geller, eine New Yorker Aktivistin der extremen Rechten und Mitgründerin der Initiative. Entstanden war die AFDI als amerikanischer Arm von Stop Islamisation of Europe (SIOE) im Jahr 2010. Die Busaktion ist in ihrer Art nicht neu, schon 2014 gab es ähnliche Projekte.

Was steckt hinter den Aussagen? Ein kurzer Blick auf die Hintergründe. Der arabische Geistliche Hajj Mohammed Amin al-Husseini wird als „leader of the Muslim world“ bezeichnet, was historisch schon einmal falsch ist. Der aus einer arabischen Notablenfamilie von Jerusalem stammende al-Husseini (1897-1974) brach sein religiöses Studium in Kairo ab, stieg aber dennoch zu einer bedeutenden religiösen Autorität auf, als ihn die britische Mandatsverwaltung von Palästina zum Großmufti von Jerusalem erhob. Zuvor war er durch seine starke Opposition gegen die jüdische Besiedlung des Heiligen Landes aufgefallen und wurde zeitweise von den Briten inhaftiert. Er gilt als einer der ersten großen Verfechter des palästinensischen Nationalismus und trat vor allem durch seinen Antisemitismus in Erscheinung. Er instrumentalisierte die fiktiven „Protokolle der Weisen von Zion“ für seine politischen Zwecke und war nach der Flucht vor den britischen Behörden 1939 in einen Pogrom an irakischen Juden verwickelt. Heute ist er in der westlichen Geschichtsschreibung in erster Linie aufgrund seiner Reise zu Adolf Hitler (1941) und durch seinen Besuch im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau bekannt. Hitler hätte den Mufti als „berufensten Sprecher der arabischen Welt“ angesehen, wenn sich der deutsche Machtbereich bis nach Palästina ausgedehnt hätte. Doch ein „Führer der [gesamten] muslimischen Welt“ war al-Husseini nie.
Die zentrale Aussage der Banner-Aktion ist jedoch: „Der Judenhass steckt schon im Koran.“ – Dies ist ein gängiges Argument unter antiislamischen Aktivisten und Wasser auf den Rädern der sich breitmachenden Islamophobie unter besorgten Bürgern. In der Geschichte des Islam gab es immer auch Perioden, in denen Juden zusammen mit den Christen als Bürger zweiter Klasse und sogenannte Dhimmis (Schutzbefohlene mit Sondersteuer) behandelt wurden. Auch unter islamischer Herrschaft gab es verpflichtende Kennzeichnungen an der Kleidung, die einen Juden oder eine Jüdin als solche auswies. Abgesonderte Wohnviertel (Mellah) hatten wie auch die europäischen Ghettos zunächst die Aufgabe, eine dauerhafte Trennung durch eine (geografische und juristische) Parallelwelt zu gewährleisten. Es gab jedoch (ebenso wie in Europa) auch Blutbäder und Ausschreitungen. Die Aussage, der Judenhass stecke schon im Koran, ist trotzdem falsch: Die meisten der oft zitierten antijüdischen Aussagen stammen aus anderen islamischen Quellen, u.a. aus den extra gesammelten Aussprüchen der Propheten. Im Koran gibt es lediglich Stellen, die man bei großzügigem Interpretationsspielraum als antisemitisch auslegen könnte: Einer der sogenannten Schwertverse des Koran lautet „Und erschlagt die Ungläubigen, wo immer Ihr sie findet […]“ (2,191). Zu ihm sagte die Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor in einem taz-Interview: „Gemeint sind unter anderem jüdische Stämme, mit denen der historische Mohammed damals kämpfte. Es geht dabei aber um eine Kriegshandlung und nicht um einen religiösen Disput. Gleichzeitig spricht der Koran an anderer Stelle auch positiv über Juden.“ In der islamischen Tradition findet sich ein hohes Antisemitismus-Potenzial, doch anderswo in der Geschichte funktionierten Koexistenz und Zusammenleben von Juden und Muslimen auch durch die Gemeinsamkeiten der beiden Religionen. Islamistische Fundamentalisten ziehen aus den Schwertversen außerdem ihre religiöse Grundlage für die Bekämpfung aller Ungläubigen, die antisemitische Nuance ist da eher ein Nebenprodukt. Anders war es im Christentum, wo das Neue Testament zu unterschiedlichsten Zeiten als Werkzeug der Antisemiten diente, u.a. weil es sich explizit und zuallererst an (und unter bestimmten Aspekten auch gegen) die Juden richtete.


Fazit: Die Aktivisten von AFDI versuchen mit oberflächlichen Aussagen die israelkritischen Stimmen innerhalb der amerikanischen Öffentlichkeit zu übertönen, doch genau diese Unsachlichkeit entlarvt sie als rassistische Scharlatane. Es geht ihnen nicht darum, den Antisemitismus zu bekämpfen, sondern schlichtweg „den Islam“ und alle Menschen, die sich mit ihm in irgendeiner Weise identifizieren.

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