Donnerstag, 12. Dezember 2013

Kritik zu "Das Jerusalem-Syndrom" (2013)

Am Mittwoch (11.12.2013) lief um 20:15 Uhr in der ARD ein neuer Fernsehfilm, der den verheißungsvollen Titel „Das Jerusalem-Syndrom“ trug. Dahinter verbirgt sich eine Art Familiendrama, in dem eine junge Frau mit Namen Maria in die Fänge einer uralten Sekte gerät, für die sie den neuen Erlöser der Welt austragen soll. Ihre Schwester Ruth macht sich unterdessen (widerwillig) auf, um die schwangere Maria, die vor der Grabeskirche schon einen toten Touristen zum Leben erweckt hat, zu retten. Ruth stellt Ermittlungen an: Sie misstraut der Sekte, sie fährt mit einem Arzt aus der Spezialklinik durch die Gegend, ein dicklicher Reiseführer namens Eyal wird erschossen. Die Polizei ist desinteressiert, doch Ruth stößt auf Ungeheuerliches: Am Tag der Geburt ihres Neffen würden alle „Ungläubigen“ aus Jerusalem hinweggefegt und ein Feuer würde die Welt erfassen – so kündigt es zumindest der Sektenführer in einem „Hassvideo“.
Hört sich irgendwie spannend an. Die Jüdische Allgemeine schreibt über den Film: „In der Geschichte ist alles enthalten, was zu einem Thriller gehört – Verstrickungen, Geheimnisse und Mord.“ Okay, wer den Film gesehen hat, der wird vielleicht lachen. Diese Aufzählung klingt eher nach einer Anstandskritik. Ich will ja niemandem, der den Film noch nicht gesehen hat, die Vorfreude verderben, aber… – Um es kurz zu machen: „Das Jerusalem-Syndrom“ ist ein Film, den man nicht gesehen haben muss. Wer sich durch einen gemütlichen Fernsehabend etwa tiefere Einblicke in die umtriebige Welt evangelikaler Fundamentalisten erhofft hatte oder vielleicht auch nur ein paar eindrucksvolle Bilder von Jerusalem sehen wollte, hätte seinen Abend auch gut anders verbringen können. Das „Jerusalem-Syndrom“ hat wenige Aha-Momente, es beleuchtet keine historischen oder – Gott behüte – politischen Hintergründe. Auch die Spannung, die eigentlich entstehen sollte, wenn jemand unter den Katakomben der Klagemauer einen Sprengsatz deponiert, konnte ich nicht nachempfinden. Am Ende wird der – meines Erachtens nach unschuldige – Ehemann der Maria erschossen, während seine Frau im Taxi ein Kind gebärt. Aber es ist zum Heulen: Sogar die Geburt eines Kindes im Auto habe ich in mindestens zwei Filmen schon mitreißender, aufreibender und emotionaler erlebt. – Gut, man könnte meinen, dass die Handlung vielleicht wenigstens eine schnulzige Liebesgeschichte zu bieten hat. Fehlanzeige. Die aufgeklärte, wissenschaftliche und durchweg langweilige Ruth trifft zwar auf den gutaussehenden Dr. Pelled und übernachtet sogar bei seiner Familie, doch bis auf durchdringende Blicke und einige gewechselte Sätze, die nur wie ein zarter Windhauch an der Oberfläche der Tiefgründigkeit streifen, passiert nichts.
Sowohl die Bösen als auch die Guten fahren nach Betlehem, denn natürlich soll das Kind dort auf die Welt kommen – während Jerusalem in Flammen aufgeht und die Ungläubigen (Juden und Muslime) brennen. Natürlich sieht man keinen Checkpoint oder auch nur die Silhouette einer politisch bedenklichen Szenerie. Nur der Polizeimeister Biton, der auf den armen Ehemann Daniel eindrischt, um den Ort des finalen Attentats zu erfahren, ist ein Seitenhieb auf etwaige Polizeigewalt.
Und wie sieht es mit der Religion aus? Maria, die Muttergottes in spe, zitiert fleißig die Bibel. Es geht um eine Sekte, die ihren Anhängern das Gehirn wäscht. Wie genau sie das anstellt, wird nicht wirklich deutlich.

In der Jüdischen Allgemeinen heißt es weiter: „Ungewöhnlich für eine deutsche Produktion: Der Film ist nicht vollständig synchronisiert, hebräisch gesprochene Passagen bleiben erhalten, die Übersetzung wird in Untertiteln gezeigt.“ Willkommen im Deutschland des Jahres 2013 – wir können Untertitel lesen.

Dror Zahavi hat durchaus gute Filme gemacht. Einige beschäftigen sich mit dem israelisch-arabischen Konflikt, wie etwa München 72. Mein persönlicher Favorit aber ist Alles für meinen Vater (2008), der den letzten Weg eines palästinensischen Selbstmordattentäters in Tel Aviv beschreibt. Ein Versuch, das Unverstehbare der Realität ein wenig näherzubringen. Auch wenn der Film nicht durchgehend realistisch ist, regt er an mehr als einem Dutzend Stellen zum Nachdenken an. Verglichen damit war das „Jerusalem-Syndrom“ zumindest aus meiner Sicht ein Fehlgriff. Das passende Fazit bringt der FOCUS: „Als hätte Rosamunde Pilcher mal eben Heiliger Geist gespielt für die ARD. Erlösung? Ja, nach 90 Minuten.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen