Donnerstag, 18. November 2010

Vaterunser (nach N. Lammert)

Im FOCUS habe ich jetzt letztens doch tatsächlich gelesen, dann der Bundestagspräsident Norbert Lammert das Vaterunser umgedichtet hat! Er hat sogar die gesamte Deutsche Messe (Gottesdienstordnung aus der Reformationszeit) neu übersetzt und neu interpretiert.
Man ist bei Neuerungen ja zuerst immer skeptisch. Aber ich finde, Lammert hat da eine erstaunliche Arbeit geleistet. Hier ist einmal die neue Fassung des Vaterunser (nach N. Lammert):

Unser Vater im Himmel!
Groß ist dein Name und heilig.
Dein Reich kommt,
wenn dein Wille geschieht,
auch auf Erden.
Gib uns das, was wir brauchen.
Vergib uns, wenn wir Böses tun
und Gutes unterlassen.
So wie auch wir denen
verzeihen wollen,
die an uns schuldig geworden sind.
Und mach uns frei, wenn es Zeit ist,
von den Übeln der Welt.

Nun soll die gesamte Deutsche Messe nach Lammert musikalisch vertont werden. Dies soll durch den (evangelischen) Komponisten Stefan Heucke geschehen, der zur Zeit Sponsoren für das Werk sucht. Er lobt Lammert (Katholik) für seine Arbeit. Die Texte seien voller Melodik und auf höchstem literarischen Niveau neu interpretiert.
Zwar gibt es das Vaterunser in der allgemeingültigen ökumenischen Fassung, doch ist auch unser Bundestagspräsident auf dem Weg, die deutsche Christeinheit einmal mehr zu einen.

Und auch theologisch gibt es einen Punkt, den ich ansprechen möchte: Lammert hat die Zeile "Und führe uns nicht in Versuchung" gestrichen. Wahrscheinlich hat er dafür gut Gründe gehabt. Denn im neutestamentlichen Jakobusbrief steht: "Niemand sage, wenn er versucht wird, dass er von Gott versucht werde. Denn Gott kann nicht versucht werden zum Bösen, und er selbst versucht niemand. Sondern ein jeder, der versucht wird, wird von seinen eigenen Begierden gereizt und gelockt." (Jak 1,13-14)
Natürlich war diese eine Vaterunser-Zeile schon oft Mittelpunkt von Diskussionen. Der Urtext wurde viele Male neu interpretiert und übersetzt. In Frankreich beispielsweise beten Christen statt dieser Zeile "Und lass uns der Versuchung nicht unterliegen". Lammert hat diese Problematik geschickt umgangen - er hat sie einfach gestrichen.

Kritische Blicke meinerseits gibt es bei Lammerts Fassung allerdings auch, und zwar an der Stelle "Dein Reich kommt, wenn Dein Wille geschieht, [...]" - Was ist der Wille Gottes bzw. was meint Lammert damit? Wenn er damit meint, dass das Reich Gottes erst kommt, wenn Gottes Wille durch die Menschen getan wird, dann würde das den meisten christlichen Theologien widersprechen. Andererseits hat er auch hier gute Arbeit geleistet, wenn er damit sagen will: "Dein Reich kommt wenn Du es willst." So wird daraus einfach nur eine "wahre Aussage".; Lammert bestätigt, dass Gottes Reich kommt und sein Wille geschieht. In der ökumenischen Fassung heißt es: "Dein Wille geschehe" - wir bitten darum, dass Gottes Wille geschehe. Doch der Wille Gottes geschieht ohnehin.
Doch um ehrlich zu sein: Hierbei geht es nur um Kinkerlitzchen. Im Großen und Ganzen muss man sagen: Gratulation, Herr Lammerts. Denn es gehört ein ganzes Stück Mut dazu, etwas so Fundamentales und Grundlegendes wie das Vaterunser (sowie die gesamte Deutsche Messe) neu zu übersetzen und zu interpretieren.

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